Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wünscht die baldige Ratifikation dieser Verträge, um der Trennung der Bevölkerung des Saarlandes von der Bundesrepublik ein Ende zu setzen und um das deutsch-französische Verhältnis von einer schweren, von einer drückenden Last zu befreien. Unter diesem Gesichtspunkt will ich auch das, was meine Fraktion zu den Verträgen und zu den aus diesen Verträgen sich ergebenden Verpflichtungen und Aufgaben zu sagen hat, hier aussprechen. Ich bedaure es, daß der Herr Bundesminister des Innern an diesem Tag und bei dieser Gelegenheit der Versuchung erlegen ist, eine parteipolitische Auseinandersetzung zu suchen.
Normalerweise hätte gerade das Eingliederungsgesetz, für das er ja hier, wenn ich es richtig verstehe, zu sprechen hatte, besondere Aufmerksamkeit verdient, denn wir sind der Meinung, dieses Eingliederungsgesetz und das, was damit zusammenhängt, ist das, was wir, nachdem diese Verträge so weit gediehen sind, mit aller Sorgfalt zu beachten haben.
Hier ist jahrelang und oft erbittert um die Lösung der Saarfrage gestritten worden. Vielleicht können wir, die wir in diesem Saale sind, es heute nicht auf uns nehmen, im einzelnen abzuwägen, wie groß der Anteil jedes Teils dieses Hauses und unseres Volkes an diesem Ergebnis ist. Das wird die Geschichte zu beurteilen haben.
Ich möchte deswegen diesen Versuch auch gar nicht unternehmen. Jahrelang — sehen Sie, es ist verführerisch, aber es ist wahrscheinlich doch nicht klug, der Versuchung zu erliegen, vorher, wie es Ihnen natürlich jetzt im Angesicht dieses Ereignisses und einer bevorstehenden Wahl naheliegen mag, die Verdienste aufzuteilen —, jahrelang war diese Auseinandersetzung um ,die Lösung der Saarfrage dadurch belastet, daß die ganze Saarfrage selbst mit einer Europakonstruktion belastet war, die um das abgetrennte Saargebiet herum gebaut und verwirklicht werden sollte, wobei ja in dem abgetrennten Saargebiet nicht einmal die Menschenrechte, die die Konvention des Europarats feststellt und die in ihr niedergelegt sind, respektiert und verwirklicht wurden. Dies ist vorbei. Es ist damit eine schwere Last von der Bevölkerung und eine schwere Last — ich wiederhole es — vom deutsch-französischen Verhältnis genommen.
Hier wurde aus den Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre ein Name in Erinnerung gerufen: der verstorbene Dr. Kurt Schumacher hat am 10. März des Jahres 1950, als hier die erste Saardebatte stattfand, die Saarfrage als einen Prüfstein für die alliierte Demokratie gegenüber den Deutschen bezeichnet. Wir dürfen heute sagen, daß Frankreich nach allem, was in diesen Jahren hat ausgekämpft werden müssen, in der Saarfrage das demokratische Recht der Selbstbestimmung respektiert hat.
Dr. Kurt Schumacher hat in dieser Saardebatte weiter gesagt:
wenn wir Europa wollen, können wir Europa nicht unter den Gesichtspunkten der Liquidation, der Bestrafung und der Belohnung errichten. Wir wollen in keiner Hinsicht Konsequenzen der Vergangenheit ausweichen,
aber wir sollten darum kämpfen und an die Alliierten appellieren, uns die Möglichkeit zu geben, Europa nicht als einen Schlußstrich, sondern als einen Anfang zu betrachten.
Das, meine Damen und Herren, waren die sozialdemokratischen Ausgangspunkte bei diesen Auseinandersetzungen um die Saarfrage. Heute dürfen wir sagen, daß die Entlastung des deutschfranzösischen Verhältnisses von diesem Erbstück des Versailler Vertrages und des Hitlerkrieges einen gemeinsamen Anfang zur Zusammenarbeit Europas durch die Bundesrepublik und Frankreich erleichtert.
Es ist daran erinnert worden, daß in diesem Hause im Verlauf dieser Auseinandersetzungen Vorschläge gemacht und dargelegt worden sind, die anders aussahen als die, die von der Bundesregierung für richtig gehalten wurden. In der erwähnten Saardebatte hat Kurt Schumacher in Erkenntnis dieser Zusammenhänge zwischen der Notwendigkeit einer Lösung der Saarfrage und der Respektierung des deutschen Selbstbestimmungsrechts und der Notwendigkeit einer Lösung der Frage der europäischen Zusammenarbeit einen solchen Vorschlag gemacht. Es war ein Vorschlag, mit dem er damals einen anderen Weg als den, den der Bundeskanzler dann beschritten hat, zu wählen vorschlug.
Da man es offenbar nicht unterlassen kann, um die ganzen Vorgänge und Auseinandersetzungen eine gewisse Legende zu bilden, muß ich diesen Vorschlag selbst noch einmal so, wie er gemacht worden ist, in 'die Erinnerung rufen. Schumacher sagte damals, es gebe bei aller Anerkennung französischer Interessen an der Saar doch auch deutsche Interessen an der Saar, und es gebe auch saarländische Interessen an Deutschland.
Man sollte jetzt von unserer Seite — so betonte er —
den Versuch machen, unter Betonung der europäischen Kooperation und in streng europäischem Rahmen im Geiste der Gemeinsamkeit auf das Ziel einer größtmöglichen wirtschaftlichen Vereinigung Europas loszugehen.
Er sagte weiter:
Darum ... steuern wir auf das Ziel eines Friedensvertrages mit Deutschland. Aber solange er nicht realisiert ist, sollten wir besonders auf wirtschaftspolitischem Gebiet, nicht auf territorialem Gebiet, das Ziel angehen, Anfänge zu schaffen in der gegenseitigen wirtschaftlichen Berücksichtigung der Interessen Frankreichs und Deutschlands durch direkte Fühlungnahme. Mit anderen Worten: ich rede hier einer Initiative zu Verhandlungen mit Frankreich speziell auf wirtschaftspolitischem Gebiet das Wort. Verhandlungen, die größer sind und tiefer gehen als das, was Handelsvertragsabkommen hervorbringen können, die einen französisch-deutschen Freundschaftsvertrag bringen.
Wenn wir
— so schloß er —
dabei das Saargebiet weitgehend in den Mittelpunkt stellen, dann werden französische und deutsche Interessen berücksichtigt werden können.
Ich habe dies noch einmal so, wie es damals gesagt worden ist, in Erinnerung bringen zu müssen geglaubt, weil ich es für Unrecht halte, am Abschluß einer solchen, sich über viele Jahre hin erstreckenden Periode der Auseinandersetzungen im nachhinein der einen Seite mit einer Art Fußtritt zu danken für das, was sie in dieser Auseinandersetzung versucht hat.
Eine Legendenbildung wird nicht standhalten vor der Geschichte.
Ich erinnere mich noch an die Zeit vor dem 23. Oktober 1955 im Saargebiet selbst, an die übermannshohen Bilder und an die Aufforderung, mit Ja zu jenem Saarstatut zu stimmen.
Es war die Bochumer Rede, die damals von den Parteien, die für das Statut eintraten, in ihrem Sinne 'ausgenutzt wurde. Es war damals eine schwere seelische Belastung für die Bevölkerung des Saargebiets, die sich zu Deutschland 'bekennen wollte, wie auch für die Parteien, die diesem Bekenntnis durch die Ablehnung des Statuts Ausdruck verleihen wollten. Damals hat man versucht, der Bevölkerung des Saargebiets den Mut zu nehmen.
Damals hat man aus Texten die Schlußfolgerung zu ziehen versucht: wenn es nicht so käme, wie die zwischen den Staatsmännern ,ausgehandelten Texte es festgelegt hätten, gäbe es überhaupt keine Möglichkeit zu einer befriedigenden Saarlösung.
Glücklicherweise hat sich die Bevölkerung des Saargebiets ihren Mut nicht rauben lassen. Es war nicht immer leicht. Sie hat das Hauptverdienst
an dem, was heute hier der Herr Bundesminister des Auswärtigen mit Recht hervorgehoben hat. Die Bevölkerung des Saargebiets hat das Verdienst, denn sie hat die Vernebelung durchstoßen, die um ihre eigene vaterländische Haltung und Gesinnung verbreitet worden war. Die Bevölkerung des Saargebiets hat d'as Verdienst, 'denn sie hat sich weder verlocken noch einschüchtern lassen.
Meine Damen und Herren, gerade deshalb ist es so notwendig, in dieser Stunde an die Beratung der Verträge mit 'dem Blick nach vorwärts zu gehen. Denn wir haben jetzt die Verpflichtung, das zu bewältigen, was aus den Verträgen an Lasten und an materiellen Opfern erwächst. Diese Lasten können nicht mehr geändert werden, und es sollte daher über sie vernünftigerweise im Nachhinein keinen Streit mehr geben. Wir müssen aber die durch die Verträge bedingten materiellen Opfer genau kennenlernen, damit wir Wege finden und Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, 'daß aus diesen Lasten und Opfern der Bevölkerung und der Wirtschaft 'des Saarlandes Schäden erwachsen.
Die Hauptsorge schon während des Kampfes im Saargebiet hat gegolten und gilt auch wohl heute
noch der Kohle im Warndtgebiet, die zu den entscheidenden Lebensgrundlagen der Bevölkerung des Saargebiets und seiner Wirtschaft gehört. Frankreich hat sich in den Verträgen für eine geraume Zeit die Fortsetzung der Ausbeutung der Warndtkohle gesichert. Es kommt jetzt darauf an, vom Saarland aus an den Abbau der Warndtkohle zu gehen. Bei den Verhandlungen, in die wir einen beträchtlichen Einblick haben nehmen können, ist um diese Seite der künftigen Existenz der Saarwirtschaft, die ein Stück deutscher Wirtschaft ist, hart gerungen worden. Jetzt wird es darauf ankommen, die erforderlichen Investitionsmittel sicherzustellen, damit das, was vom Saarland aus geschehen kann, auch wirklich modern, rasch und großzügig geschieht.
Nicht weniger ernst zu nehmen sind offenbar die Sorgen, die sich die Bevölkerung des Saarlandes hinsichtlich der Zukunft der eisenschaffenden Industrie macht, einer in der Gewichtsverteilung der Gesamtwirtschaft des Saarlandes bedeutungsvollen Industrie, die aber in 'diesen letzten Jahren infolge der Vernachlässigungen, infolge der Tatsache, daß andere Interessen maßgebend waren, besonders notleidend gewesen ist. Jahrelang war diese eisenschaffende Industrie benachteiligt, und nun muß sie aufholen, sie muß modernisiert werden. Man steht der Tatsache gegenüber — und das hat besondere Unruhe im Zusammenhang mit dem Vertragswerk geschaffen —, daß das benachbarte lothringische Gebiet und seine eisenschaffende Industrie über die Vorteile hinaus, die sie bei der Verteilung der Marshallplan-Mittel gehabt haben, nunmehr ganz erhebliche Standortvorteile im Zusammenhang mit der Schiffbarmachung der Mosel haben und ausnutzen werden. Nachdem die Schiffbarmachung der Mosel in den Verträgen geregelt ist — für und wider diese Schiffbarmachung der Mosel ist manches gesagt worden —, haben wir die Aufgabe, uns aufmerksam mit den Fragen zu befassen, die für die weitere Entwicklung der eisenschaffenden Industrie des Saarlandes lebenswichtig sind.
Und dann kommen — der Minister des Auswärtigen hat auf die Übergangszeit und auf deutsche Wünsche im Zusammenhang mit dieser Übergangszeit während der Vertragsverhandlungen hingewiesen — 'die Bestimmungen, die mit diesem etwas irreführenden Begriff „Übergangszeit" gemeint sind. Es ist eine Zeit, die bis zu drei Jahren dauern kann und die eigentlich keinen Übergang von den bisherigen Verhältnissen zu einer wirklichen Eingliederung und den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen dieser Eingliederung darstellt, sondern ein Weiterbestehen französischer Vorrechte und Bestimmungen während einer bestimmten Zeit, von der wir nur sagen können: sie kann maximal drei Jahre dauern, vielleicht kann sie verkürzt werden. Es ist eine Zeit mit ,all den Nachteilen, die solche Wartezeiten für eine Wirtschaft haben, vor allen Dingen für die gewerbliche Wirtschaft und insonderheit für eine Wirtschaft von der Art des Saargebietes, die in der ganzen vergangenen Periode ohne ein eigentliches Hinterland und ohne eine wirkliche Erprobung ihrer Wettbewerbsfähigkeit hat existieren müssen. Es geht um die Fortdauer der französischen Zoll-, Währungs- und Steuerbestimmungen, und damit wird die Wirtschaft und wird die ganze Bevölkerung des Saarlandes vor schwerstwiegende Probleme gestellt, aus denen sich unserer Meinung nach Aufgaben nicht zuletzt für den Bund ergeben. Wir müssen hier tatkräftig unter die Arme greifen und vorbeugen und dürfen nicht nur versuchen, dann wirksam zu werden, wenn Schäden offenbar geworden sind.
Diese Wartezeit, diese sogenannte Übergangszeit, bringt mancherlei Gefahren mit sich, die erkannt werden müssen, damit sie gebannt werden können. Und sie können gebannt werden. Wir brauchen hier gar nicht nervös zu werden. Wir sollten auch von dieser Stelle aus klarmachen, daß die brunnenvergiftende Agitation jener politischen Kräfte des Saarlandes von vorgestern, die nunmehr in ihren Blättern die Behauptung zu lancieren versuchen, es wäre alles viel besser gewesen, wenn man sich für das damalige Saarstatut entschieden hätte und dem Herrn Hoffmann gefolgt wäre, in den Realitäten und in dem, was wir dazu beitragen können, keinerlei Boden hat und daß sich die Saarbevölkerung auf uns verlassen kann.
Das Hauptinteresse im Saarland und auch, meine ich, hier im Bund muß wohl sein, die gewerbliche Wirtschaft, das Handwerk, den Handel, die Landwirtschaft nicht Schaden leiden zu lassen durch die Auswirkungen einer Art von Wartezeit, wie ich diese Übergangszeit genannt habe, mit ihrer Unsicherheit. Schon in dieser Zeit sollte man tun, was in unseren Kräften steht, um der Saarwirtschaft die Umstellung zu erleichtern und sie leistungsfähig und wettbewerbsfähig zu erhalten bzw. zu machen; es kommt dabei nicht nur auf das Erhalten, sondern auf ganz erheblich mehr an.
Aufmerksamkeit verdienen wohl auch die Werke in öffentlicher Hand. Es ist aus den Beratungen, die wir schon vorweggenommen haben. klargeworden, daß auch in dieser Beziehung manches getan werden muß, weil es zu Schäden führen würde, wenn man es nicht täte. Dazu gehört insbesondere eine großzügige Entwicklung des Verkehrsnetzes im Saargebiet. das so. wie es heute ist. besonders dadurch fragwürdig ist, daß es in der Nord-Süd-Richtung, von Luxemburg nach Straßburg, vernachlässigt wurde. Hier sollte man nicht warten. Ich glaube, es war der Herr Bundesminister des Auswärtigen. der an Versäumnisse und Schlimmeres aus der Zeit nach 1935 erinnerte. Diese Versäumnisse. vor allen Dingen in den Verkehrsfragen, sind noch in Erinnerung. Wir haben es in der Hand, bei diesem neuen Schritt, den die Bevölkerung des Saargebietes tun kann, ganz andere Zeichen zu setzen.
Für den Bund bedeuten die vertraglichen Bestimmungen über die deutschen Leistungen bei der Umstellung der Währung von dem französischen Franken auf unsere Deutsche Mark eine ganz erhebliche finanzielle Leistung. Aber wir dürfen nicht außer acht lassen, daß über diese eigentliche finanzielle Leistung hinaus von uns im Zusammenwirken mit der Regierung des Saarlandes dafür gesorgt werden muß, daß die Umstellung für die Wirtschaft und die soziale Sicherheit im Saarland gefahrlos vor sich geht. Auch das ist zu machen; nur muß man es wollen — ich zweifle nicht daran. daß man es in diesem Hause will —: man muß auch alle gesetzlichen Vorkehrungen dazu treffen. Schon jetzt denkt man im Saarland auch an die Zeit nach dem Ablauf der Übergangszeit, z. B. in bezug auf den Warenverkehr zwischen Frankreich, dem Saarland und der übrigen Bundesrepublik. Darauf muß man sich ebenfalls schon jetzt vorbereiten.
In diesem Zusammenhang wird man auch sagen müssen: in diesen Kreis der Vorbereitungen gehören auch die Bemühungen, die von unserer Seite, von der Bundesregierung angestellt werden, zum europäischen gemeinsamen Markt zu kommen. Denn letzten Endes sind diese Dinge wohl nur in einem allgemeinen gemeinsamen Markt befriedigend für alle Seiten zu regeln. Dazu gibt es Ansätze in den Beschlüssen der Messina-Konferenz, Ansätze, die schon allzulange durch die Mühlen aller möglichen Sachverständigen gedreht werden und wegen der Vorbehalte mancher beteiligter Seiten bisher noch nicht zu wirklichen Ergebnissen geführt haben.
Von erstrangiger Bedeutung ist unserer Meinung nach schließlich die Wahrung des sozialen Besitzstandes der breiten Schichten der Bevölkerung des Saargebiets. Dort hat sich in der Zeit der Trennung manches anders entwickelt als hier. Wir möchten, daß man behutsam aneinanderfügt, was sich entwickelt hat, damit denen, die betroffen sind, kein Nachteil und kein Schaden erwachse.
Unmittelbar steht eine solche Frage in Gestalt der Regelung für die Bediensteten der Eisenbahn und der Post mit dem Jahresbeginn vor uns. Ich will es mir hier versagen, darauf hinzuweisen, wie wenig bisher an dieser und jener Stelle Fachministerien sich verständnisvoll um die Lösung dieser Frage, die eine Testfrage ist,
gekümmert haben. Ich will hier auch nicht darüber reden, wie unglücklich der Herr Bundesverkehrsminister in dieser Sache zunächst operiert hat. Ich glaube, er hat seinen Standpunkt inzwischen revidiert. Tatsache ist, daß im Hinblick auf die Besoldung und die sozialen Leistungen vom 1. Januar des neuen Jahres an die Eisenbahner und die Postbediensteten im Saarland gesichert werden müssen. Es geht da um die Stellung, die sie im Vergleich zu den weiter Landesbedienstete bleibenden Bediensteten einnehmen, und es geht darum, daß im Eingliederungsgesetz alle nötigen Voraussetzungen für die Sicherung des sozialen Besitzstandes geschaffen werden.
Ich muß hier einmal auf eine Einzelbestimmung hinweisen. Das ist hier notwendig; die Beratungen müssen ja im Laufe weniger Tage in den nächsten Tagen abgeschlossen werden, wenn man sich nicht Versäumnisse zuschulden kommen lassen will. Nach unserer Meinung muß der § 13 des Eingliederungsgesetzes präziser gefaßt werden, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß die saarländischen Besoldungsänderungen nach dem 1. Januar 1957 bis zur Einführung des Bundesbesoldungsrechts für diese Bediensteten der Eisenbahn und der Post entsprechend anzuwenden sind und daß die Einführung des Bundesbesoldungsrechtes nicht vor dem Ablauf der Übergangszeit, wie sie der Art. 3 des Saarvertrages bestimmt, erfolgt. Darüber sollte und kann es meiner Meinung nach keine wirklichen Meinungsverschiedenheiten geben.
Denken wir bei der Gelegenheit auch an die Rentner, an die Kriegsopfer, an die Witwen, an die Waisen, deren Versorgung in mancher Beziehung anders geregelt war und ist, als wir es hier gewohnt waren, und denken wir da an eine besonders fürsorgliche Behandlungsweise der Anliegen dieser Kreise und Schichten der Bevölkerung des Saarlandes.
Alles in allem, meine Damen und Herren: lassen wir es unsere gesamtnationale Sorge und Verpflichtung sein, die aus den Verträgen und der Umstellung erwachsenden Lasten und Leistungen gemeinsam zu bewältigen! An den Verträgen selber ist nichts mehr zu ändern. Man kann sie annehmen — wir stimmen für die Annahme —, man kann sie ablehnen. Aber das Eingliederungsgesetz ist noch in unserer eigenen Hand. Ich möchte abgesehen davon, was der Herr Bundesminister des Innern hier zu der Frage einer Grundgesetzergänzung oder -änderung gesagt hat — er hat sie für überflüssig gehalten —, meinen, das sollte doch noch einmal ernstlich geprüft werden. Es handelt sich ja dabei nicht um den Vorgang der Eingliederung im Grundgesetz, es handelt sich doch um das, was unter Umständen — ich bin dieser Meinung — an besonderen gesetzgeberischen Vollmachten grundgesetzlich verankert werden muß, die für eine ganze Zeit, besonders für diese hier erwähnte Übergangszeit, während der die französischen Bestimmungen im Saargebiet auf gewissen Gebieten fortdauern, unvermeidlich sind. Man sollte auf jeden Fall noch einmal prüfen, ob wir so nicht besser fahren. Es ist nicht eine Prinzipienfrage, ob ja oder nein, sondern es ist die Frage, ob es uns etwas erleichtert. Wenn es uns etwas erleichtert, sollte man es tun; wenn nicht, dann kann man es bleiben lassen.
Auch der Haushaltsplan ist von uns selber zu gestalten. Ich glaube, im Haushaltsplan werden wir — abgesehen von dem, was wir zum Eingliederungsgesetz in den Ausschüssen noch zu sagen haben, die damit befaßt sein werden — das Notwendige tun.
Noch ein Wort zu dem Eingliederungsgesetz. Im Eingliederungsgesetz wird nach meiner Meinung und nach der Meinung meiner Fraktion in § 10 Abs. 4 klar gesagt werden müssen: der Bund gewährt dem Saarland für einzelne Rechnungsjahre eine Finanzhilfe,
damit nicht daran gedeutelt werden kann, als ob er es tun oder nicht tun könnte. Kein Mensch wird bestreiten, daß es so sein wird. Es muß auch im Gesetz klar gesagt werden. Niemand soll das in Zweifel stellen können und in dieser Beziehung Nervosität in die Bevölkerung des Saargebietes bringen können.
Unserer Auffassung nach wäre es für unsere eigene Kontrolle gut, wenn wir, der Deutsche Bundestag, uns entschließen könnten, in einem Sonderhaushalt „Saar" des Bundeshaushalts 1957 die Verpflichtungen, die Leistungen und die Finanzierungshilfen zusammenzufassen, die erforderlich sind und von denen schon in der Regierungserklärung summarisch die Rede war.
Hier ist angesprochen worden, daß die Regierung des Saarlandes in einem Memorandum auf die Notwendigkeiten hingewiesen hat, die im Zusammenhang mit der Eingliederung auf finanziellem Gebiet ins Auge zu fassen sind. Auch dieses sollte bei der Behandlung der Verträge, des Eingliederungsgesetzes und des Haushaltsplans in den Ausschüssen gegenwärtig sein. Es ist ein außerordentlich lesenswertes, lehrreiches Memorandum. Ich möchte anläßlich der ersten Lesung in einigen Sätzen auf die Hauptpunkte zu sprechen kommen. Die Regierung des Saarlandes hält an Finanzierungshilfen für die neu zu gründenden Unternehmen der Saarberg-
werke 9 bis 10 Milliarden französische Franken im Rahmen des Haushalts für das Jahr 1957 für erforderlich. Es geht hier um die, wie ich es nannte, Hauptsorge im Leben der Saarbevölkerung und der ganzen Saarwirtschaft, um jene Modernisierung und um jene Inangriffnahme der Ausbeutung der Warndt-Kohle von der Saar selbst her, nachdem sie jahrelang von anderer Seite ausgebeutet worden ist. Ferner müssen bereitgestellt werden als Darlehen für Investitionskredite, für Eigenkapitalsund Auftragsfinanzierung 15 Milliarden französische Franken. Als Zuschüsse des Bundes für die Deckung des Haushaltsdefizits, das sich aus der Umstellung, vor allen Dingen aus der steuerlichen Umstellung, aber auch aus anderen Gründen, z. B. Ausgleich für Transferverlust, Erstellen von Autobahnen und Kraftfahrbahnen, ergibt, sind weitere rund 15 Milliarden französische Franken erforderlich. Hier handelt es sich um Aufgaben der Dringlichkeitsstufe I. Alle Fraktionen dieses Hauses haben — darauf hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen hingewiesen — die Eilbedürftigkeit der Beratung und der Verabschiedung des Saarvertrags und der mit ihm zusammenhängenden Verträge anerkannt und sich deshalb dazu auch einer besonderen Methode bedient. Es sollte auch möglich sein, die aus den Verträgen erwachsenden Folgerungen mit der gebotenen Dringlichkeit zu behandeln, um weder Lücken noch Versäumnisse entstehen zu lassen.
Wenn wir in etwa 14 Tagen die dritte Lesung dieser Verträge durchführen, sollten wir imstande sein, zu erklären, daß der Deutsche Bundestag alles in seiner Kraft Stehende tun wird, um dem Saarland bei der Eingliederung in den Bereich des Grundgesetzes die notwendige Hilfe zu leisten: 1. die Volkswirtschaft des Saargebietes durch Modernisierung auf den Stand der bundesdeutschen Volkswirtschaft zu bringen und dazu Darlehen bereitzustellen, 2. durch geeignete Förderungsmaßnahmen für die saarländische Wirtschaft dieser den Zugang zu den Märkten der Bundesrepublik zu ermöglichen, 3. insbesondere auch durch Schaffung und Modernisierung der Verkehrswege der Saarwirtschaft die Eingliederung zu erleichtern, schließlich 4. die Nachteile, die der Saarwirtschaft durch die Schiffbarmachung der Mosel entstehen werden, auszugleichen und 5. durch Zuschüsse des Bundes für den Ausgleich des Saarhaushalts zu sorgen.
Ich zweifle nicht, daß dies das Ergebnis der Beratungen sein muß und daß wir das in einer Art von Entschließung und Willenskundgebung bei der dritten Lesung zum Ausdruck bringen wollen. Es muß klar sein, daß der Deutsche Bundestag bereit ist, alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse im Saargebiet zu ermöglichen. Bei der Eingliederung des Saarlandes wird für die Arbeitnehmer und im Bereich der sozialen Sicherheit keinerlei Verschlechterung eintreten; das muß klar sein, das muß gewährleistet sein.
In diesem Sinne wird dieser Bundestag die Bundesregierung auffordern und ersuchen müssen, im Haushaltsjahr 1957 die mit der Saarregierung abzustimmenden Beträge für Darlehen und Zuschüsse auszubringen.
Das heißt, wir stehen vor einer immensen Arbeit, die sich aus diesen Verträgen ergibt. Wir werden sie bei allen politischen Gegensätzen, die wir haben, freudig dann erfüllen können, wenn uns klar ist,
daß es sich hier um eine Aufgabe von nationalpolitischer Bedeutung und Rangordnung handelt.