Das Wort hat der Abgeordnete Brookmann .
Brookmann (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich möchte mit wenigen Worten zunächst eine Begründung dafür geben, weshalb meine Fraktion ebenfalls einen Antrag betreffend Langwellensender eingebracht hat, der Ihnen unter der Drucksache 2761 vorliegt. Der eigentliche Grund ist der, daß in dem Antrage der sozialdemokratischen Fraktion ein Unterschied zwischen der vorläufig geplanten Regelung und der endgültigen Lösung nicht gemacht wird.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Kühn bedürfen unbedingt der Ergänzung. Ich darf auf die Geschichte der Langwelle nur kurz eingehen und auch im Telegrammstil; da aber manches in den Ausführungen von Herrn Kollegen Kühn gefehlt hat, was zur Beurteilung der augenblicklichen Lage wesentlich ist, muß ich das hier nachholen.
Sicher ist es richtig, daß der Langwellensender einen sehr dornenvollen Weg hinter sich hat, der bereits 1950 begann und leider heute noch nicht beendet ist, aber nunmehr so schnell wie möglich beendet werden soll.
Die Initiative zu einer Gemeinschaftssendung der deutschen Rundfunkgesellschaften in den einzelnen damaligen Besatzungszonen ergriff im Jahre 1950 das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen aus Anlaß der Oktoberwahl in der sowjetischen Besatzungszone. Diese Sendungen erfüllten ihren Zweck, zeigten aber doch erhebliche Mängel, da eine gemeinsame Oberleitung für diese Sendungen nicht zustande kam.
Meine Damen und Herren, der Leidensweg der Langwelle begann weiter mit einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland an die damalige alliierte Hohe Kommission. Am 15. November 1950 beantragte die damalige Arbeitsgemeinschaft, ihr nach Möglichkeit eine lange Welle zuzuteilen.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß die alliierte Hohe Kommission auf diesen Antrag zunächst nichts veranlaßte und daß damals schon, im April 1951, das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen im Bundeskabinett eine Vorlage einbrachte, die das gleiche Anliegen wie das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten zum Gegenstand hatte. Das Kabinett stimmte der Vorlage zu. Im Januar 1952 erhielt das Auswärtige Amt die Mitteilung, daß die Hohe Kommission die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten ermächtige, in der amerikanischen Zone zunächst einen Rundfunksender zu errichten.
Im Februar 1952 beantragte die sozialdemokratische Fraktion — worauf der Herr Abgeordnete und Kollege Kühn bereits hingewiesen hat — mit der Drucksache 3048, die von den westdeutschen Rundfunkanstalten angestrebte Errichtung eines Langwellensenders durch die Bundesregierung zu fördern und geeignete Schritte bei der Hohen Kommission zu unternehmen, die Bereitstellung einer langen Welle zu erreichen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es ist nicht so, daß allein dieses Hohe Haus die Initiative in der Frage der Langwelle ergriffen hätte. Schon im Jahre 1950 ist auch von der Bundesregierung die Initiative dazu ergriffen worden. Ich sage das in aller Deutlichkeit deswegen, weil ich nicht möchte, daß in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entsteht, wie er entstehen kann durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Kühn.
Im Jahre 1952 hat das Parlament, der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films, einen Unterausschuß „Überregionaler Sender" eingesetzt, der mehrere Male unter meinem Vorsitz getagt hat. Im Juli 1952 hat dieser Unterausschuß beschlossen, den drei damals beteiligten Hauptausschüssen — Presse, Rundfunk und Film, Gesamtdeutsche Fragen und Auswärtiger Ausschuß — folgendes zu empfehlen. Ich sage das deswegen noch einmal, weil die Ausführungen des Herrn Kollegen Kühn auch in diesem Punkte einer Ergänzung bedürfen. Die Empfehlung lautete dahin,
1. der Errichtung eines Langwellensenders zur Ausstrahlung eines überregionalen Programms zuzustimmen;
2. den Sender durch ein Gemeinschaftsunternehmen der gegenwärtig in der Bundesrepublik tätigen Rundfunkgesellschaften tragen zu lassen;
3. den Deutschen Bundestag bei der Konstituierung eines Beirates zu beteiligen;
4. als endgültigen Standort des Senders Berlin festzusetzen und — nun kommt das Entscheidende, damals schon! — die Wahl eines zwischenzeitlichen Standortes bis zur Fertigstellung des Senders in Berlin der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten zu überlassen.
Meine Damen und Herren! Alles das muß man wissen, wenn man die heutige Situation richtig beurteilen will. Der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen hat sich wenige Tage, nachdem damals der Unterausschuß diese Empfehlungen ausgesprochen hatte, ebenfalls mit dieser Angelegenheit beschäftigt und den Empfehlungen zugestimmt, d. h. also damals schon dieser provisorischen Lösung; denn eine andere blieb uns nach den Verhandlungen mit den Rundfunksachverständigen im Unterausschuß gar nicht übrig.
Bis dahin ist diese Sache also mehr oder weniger glatt über die Bühne gegangen. Nunmehr beginnt die eigentliche Tragödie um diesen Langwellensender. Die alliierte Hohe Kommission konnte eine lange Welle nicht zuteilen, sondern nur die Genehmigung zu Versuchssendungen auf der Welle 151 Kilohertz geben. Über das Stadium dieser Versuchssendungen sind wir leider, Gott sei's geklagt, heute nicht hinweggekommen. Die Drucksache 3048 — Antrag der sozialdemokratischen Fraktion — wurde in einer Sitzung des Ausschusses Presse, Rundfunk und Film im Jahre 1953 für erledigt erklärt, weil dem Hohen Hause die Drucksache 4198, nämlich der Entwurf eines Gesetzes über die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiete des Rundfunks, kurz Bundesrundfunkgesetz, durch die Initiative von Abgeordneten der CDU, der FDP und der DP vorgelegt wurde. Dieser Gesetzentwurf sollte der Versuch sein, die verworrene
rundfunkpolitische und verfassungspolitische Lage zu klären, insbesondere in der Frage der Zuständigkeiten. Wegen tiefgreifender verfassungsrechtlicher Schwierigkeiten und durch den Widerstand einiger weniger extremer Föderalisten und der Opposition ist dieser Versuch damals mißlungen.
An die Stelle eines beabsichtigten Bundesrundfunkgesetzes soll jetzt ein Staatsvertrag treten, der nach mühevollen Verhandlungen zwischen Vertretern der Bundesregierung und der Länder nach zweieinhalb Jahren zustande gekommen ist, jedoch noch in einzelnen Ländern der Ratifizierung bedarf. Gleichzeitig sind seit Oktober 1954 zwischen der Bundesregierung, den Ländern und der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Verhandlungen über eine vorläufige Langwellensendung geführt worden. Die Vertreter der Bundesregierung, der Länder und der Rundfunkanstalten konnten sich schon Anfang 1955 nach einer Verhandlungsdauer von wenigen Monaten auf den Text einer unterzeichnungsreifen Vereinbarung über den Langwellenbetrieb einigen. Darin wurde unter anderm festgelegt, daß — in ähnlicher Weise wie bei den für das überseeische Ausland bestimmten Kurzwellensendungen — die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik die Trägerschaft — also wie schon 1952 beabsichtigt — und damit auch die Kosten der Sendungen übernimmt. Lediglich der Berliner Senat versagte damals seine Zustimmung, weil seinem Verlangen, daß Berlin zum Sitz des Senders oder doch der Chefredaktion bestimmt wird, nicht entsprochen werden konnte. Die Bundesregierung sowie fast alle übrigen Beteiligten waren der Auffassung, daß die Erfüllung eines solchen Wunsches den Zweck der vorläufigen Regelung, nämlich die möglichst umgehende Ausstrahlung der Sendungen, vereiteln würde.
Nur in Hamburg — darauf hat Herr Kollege Kühn schon hingewiesen — sind die erforderlichen Einrichtungen vorhanden; sie werden auch schon seit längerer Zeit zu Versuchssendungen benutzt. Die Neuerrichtung technischer Anlagen in Berlin hätte die Aufnahme der Sendungen in einem nicht zu verantwortenden Maße verzögert.
Schließlich kam am 5. Juli dieses Jahres eine Einigung zustande, indem einer vorläufigen Regelung zugestimmt wurde, allerdings mit dem Vorbehalt, daß auch alle übrigen Länder mit der in Aussicht genommenen Regelung einverstanden sind. Meines Wissens haben sich die Länder alle bis auf das Land Hessen bis jetzt zustimmend geäußert. Die Mehrzahl der Länder hat ihre Zustimmung also bereits erteilt. Auch die Rundfunkanstalten sind damit einverstanden, daß der Norddeutsche Rundfunk unverzüglich mit den Vorbereitungen für die Aufnahme eines Langwellendienstes über den bereits in Benutzung befindlichen Langwellenstrahler des Norddeutschen Rundfunks in der Nähe Hamburgs beginnt. Diese Regelung sieht auch die Bildung eines Beirats vor, von dem der Herr Kollege Kühn bereits sprach, in dem Bund, Länder und Rundfunkanstalten jeweils mit drei Haupt- und drei stellvertretenden Delegierten vertreten sein sollen.
Diese vorläufige Regelung, meine Damen und Herren, ist aber — das muß man auch wissen — befristet, und zwar bis zum 30. Juni 1958. Spätestens im Januar 1958 werden die Beteiligten prüfen, ob auf Grund der bisherigen Erfahrungen und technischen Voraussetzungen der Sitz nach
Berlin verlegt werden kann. Diese Zeitspanne ist erforderlich, um einen Strahler in Berlin zu errichten, dessen Aufbau nach der Auffassung der Fachleute leider mindestens etwa anderthalb Jahre beanspruchen wird. Die jetzt getroffene vorläufige Vereinbarung hat in erster Linie den Zweck, diese Zeitspanne bis zur Errichtung eines eigenen Langwellenstrahlers in Berlin praktisch zu überbrücken.
Das ist die Lage. Sowohl seitens dieses Hohen Hauses, seitens der beteiligten Fachausschüsse als auch seitens der Regierung ist niemals davon die Rede gewesen, einen anderen Sitz als Berlin für die lange Welle zu wählen.
-- Niemals! — In all den vergangenen Jahren und schon im ersten Deutschen Bundestage haben autorisierte Persönlichkeiten der in Frage kommenden Ausschüsse gegenüber dem Berliner Senat in allen Sitzungen immer wieder diese unzweideutige Erklärung abgegeben.
— Herr Kollege Kühn, ich sagte: Das ist schon in den vergangenen Jahren der Fall gewesen.
— Ich will Ihnen dazu folgendes sagen. Wenn Sie dem Bunde die meiner Meinung nach notwendige Zuständigkeit auf dem Gebiete des Rundfunks durch ein vernünftiges Rundfunkgesetz,
wie wir es haben wollten, gegeben hätten, wäre meiner Meinung nach längst ein Sender da.
Die Schwierigkeiten, die wir jetzt haben und die sich über Jahre hinweggezogen haben, sind nur dadurch entstanden, daß eine klare verfassungsrechtliche Situation nicht geschaffen werden konnte.
Das war nicht möglich.
Es ist leider so: Wenn man von einem Bundesrundfunkgesetz hört, dann ist man auf der Seite der Opposition sofort geneigt, wie es der Herr Kollege Kuhn auch ausgesprochen hat, der Regierung zu unterstellen, daß sie einen gesamtdeutschen Propagandasender der Regierung etwa auf dem Gebiete der langen Welle hier errichten wolle. Meine Damen und Herren! Solche Unterstellungen haben doch nun wahrhaftig keinen Sinn.
Solche Behauptungen können durch nichts, durch gar nichts bewiesen werden.
Der Herr Kollege Kühn hat auch von gewissen Vorschlägen gesprochen, die hinter den Kulissen oder vor den Kulissen in bezug auf die Besetzung des Intendantenpostens gemacht worden seien. Nachdem Herr Kollege Kühn gesagt hatte, er habe gehört, es solle ein CDU-Angehöriger Intendant
werden, sprach er wiederholt von „profilierten Persönlichkeiten". Das soll offenbar heißen, daß der in Aussicht Genommene — ich weiß gar nicht einmal, wer — keine ist, und das soll offenbar heißen, daß nur diejenige Persönlichkeit als eine profilierte angesehen werden kann, die der Sozialdemokratischen Partei angehört.
Meine Damen und Herren, ich war bereits der ketzerischen Meinung, man solle in diesem Zusammenhang ruhig einmal auch vom einem Bundesrundfunkgesetz sprechen. Dazu will ich noch folgendes sagen. Der mühsam zustande gekommene Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern in Sachen Rundfunk und die Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Rundfunkanstalten, von der wir heute sprachen, sind keine echte Lösung, wahrhaftig nicht! Und weil sie es nicht sind, deshalb kommen wir nicht weiter. Sie sind deswegen keine echte Lösung, weil damit besatzungsrechtliche Zustände leider nicht eliminiert werden konnten. Diese stecken immer noch in all diesen Vereinbarungen.
Wer klare Rechtsverhältnisse will, wer wissen will, welche Zuständigkeiten Bund, Länder und Rundfunkanstalten auf dem in der Tat eminent wichtigen Gebiet des Rundfunks haben, wird höchstinstanzlich einmal durch das Bundesverfassungsgericht klären lassen müssen, ob und welche Kompetenzen der Bund für den Rundfunk nicht nur auf technischem Gebiet, nicht nur für die Gebührenregelung, sondern auch auf dem Gebiete der Organisationsgewalt besitzt.
Solange wir eine solche Klärung nicht herbeigeführt haben, werden wir nicht zu sinnvollen Regelungen auf diesem Gebiete kommen.
— Ja, bitte sehr, Herr Kollege!