Die von Ihnen gewünschte Zusicherung kann von der Bundesregierung auch deshalb nicht gegeben werden, weil die Kosten des Sendebetriebes von den Rundfunkanstalten getragen werden sollen und es deshalb ganz wesentlich auf deren Stellungnahme ankommen wird.
Nun, die Mehrkosten für den Sitz der Chefredaktion in Berlin würden im Gegensatz zu denen bei einem Sitz in Hamburg lediglich in etwas höheren Telefonrechnungen in Erscheinung treten. Dies ist kein Argument, das die Schlagkraft des Arguments von der politischen Notwendigkeit, einen solchen Sender in Berlin zu errichten, außer Gefecht setzen könnte.
Soll das etwa heißen — wenn ich die Stimmung des Herrn Bundesinnenministers und des Herrn Bundeskanzlers hier analysiere —, daß die Bundesregierung in der Frage des Sitzes der Langwelle gegenüber denjenigen hat kapitulieren müssen, die zunächst einmal die Kosten tragen? Wer dem Herrn Bundesinnenminister die Antwort auf diese Frage in der Fragestunde als Sachbearbeiter formuliert hat, der wollte, glaube ich, nicht aufklären, sondern von dem entscheidenden politischen Streit-f all ablenken.
Für die Rundfunkanstalten mag es ein organisationspolitischer Kompromiß gewesen sein, Hamburg zu wählen. Für uns und für die Bundesregierung hätte es nur eine politische Lösung geben dürfen. Die politischen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die politischen Notwendigkeiten gebührend ins Auge zu fassen, das ist nicht Sache der Intendanten, das ist in jener Verhandlung allein Sache des einen Verhandlungspartners, eben der Bundesregierung gewesen. Dabei hätte sie eingedenk sein sollen der wiederholt gegebenen, einmütigen Willensäußerung dieses Hauses. Wenn die Bundesregierung Berlin als Sitz des Langwellenverbandes und als Sitz der Chefredaktion gewollt hätte, hätte sie dies bereits in dem von ihr mit den Partnern vereinbarten Provisorium verankern können.
Ich habe bereits gesagt, daß wir die Notwendigkeit der technischen Betreibung eines Provisoriums von Hamburg aus nicht bestreiten. Aber eben darauf muß sich das Provisorische beschränken. Es ist eine Legende, daß die Chefredaktion da installiert werden muß, wo der technische Betrieb ist. Es ist ebenso unrichtig, daß der Sitz der Verwaltung einer Rundfunkanstalt da sein muß, wo die technische Installation ist. Man hat das in den Beratungen gelegentlich damit begründet, daß die Vertraulichkeit der Nachrichtengestaltung und Nachrichtenübermittlung gesichert werden müsse. Der Herr Senator Dr. Tiburtius von Berlin hat vor dem Gesamtdeutschen Ausschuß des Bundestages in dessen Berliner Sitzung einmal angekündigt, daß Berlin bereit ist, ein Gutachten zu präsentieren, das zwei Faktoren eindeutig zugunsten Berlins kläre, einmal die Notwendigkeit, hier einen Strahler zu errichten, weil er von hier aus die Gebiete, die rundfunkpolitisch von diesem Sender am meisten versorgt werden müssen, auch am besten versorgen kann, nämlich die Zone, und dann, und das ist das Wichtige, daß dieses Gutachten auch deutlich mache, daß die Geheimhaltung — ich zitiere wörtlich — „auf dem Wege vom Entstehen und dem Anfall einer Nachricht bis zu ihrer Verarbeitung" heute gesichert werden könne, auch wenn die Chefredaktion hier in Berlin sitzt, während die Technik noch in Hamburg sein muß. Der Sitz der Chefredaktion in Berlin wäre also möglich, und der Herr Bundeskanzler hat auf einer Berliner Pressekonferenz auch einmal gesagt, daß der Sitz der Chefredaktion Berlin sein soll. Das war eine Erklärung vor den Kulissen. während dahinter, bei den Beratungen, seine Vertreter nichts dafür getan haben, um es einmal milde zu formulieren, daß der Sitz der Chefredaktion und auch der Anstalt nach Berlin kommt.
Am 30. Mai 1956, kurz vor der Vereinbarung des sogenannten Provisoriums, hat der Herr Bundeskanzler dem Herrn Regierenden Bürgermeister der Stadt Berlin in einem Brief das von seinem Standpunkt aus weitestgehende Angebot gemacht. Da schreibt er:
Die Bundesregierung wird sich im Beirat dafür einsetzen, daß eine Chefredaktion gebildet wird, die ihren Sitz sowohl in Bonn als in Berlin hat.
Diese Entscheidung — so hieß es weiter — könne allerdings nicht von der Bundesregierung einfach dekretiert werden, sondern sie sei Sache des Beirats. Was aber — so frage ich — hat die Bundesregierung getan, um in den Verhandlungen diese Zusicherung auch in dem Wortlaut der Vereinbarung zu verwirklichen?
Man hat Berlin mit einigen billigen Trostbrocken abzuspeisen versucht. Da ist zunächst ein Brief des damaligen Bundesvizekanzlers Dr. Blücher an Herrn Dr. Suhr, auf den ich noch eingehen werde. Der Intendant der die Aufsicht führenden Anstalt hat erklärt, selbstverständlich werde sich der Chefredakteur nach Maßgabe seiner physischen Kräfte so beweglich wie möglich halten müssen, um sowohl mit Bonn als auch Berlin in ständiger Fühlung zu bleiben. Meine Damen und Herren, wir vermögen nicht einzusehen, warum der Chefredakteur diese notwendige physische Beweglichkeit, mit Bonn und Hamburg in Verbindung zu bleiben, nicht auch von Berlin aus entwickeln kann.
Ich verstehe den Intendanten, der die — wenn auch nur formale — Verantwortung für einen Sender zu tragen hat, wenn er von dem Bestreben erfüllt ist, die leitenden Persönlichkeiten in seinem eigenen Hause unterzubringen. Aber das darf uns, die wir aus übergeordneten politischen Gesichtspunkten zu entscheiden haben, nicht beeinflussen.
Praktisch ist bei all diesen Besprechungen nichts, nicht einmal das Angebot einer gespaltenen Chefredaktion erfüllt worden. Im Aktenvermerk der Vereinbarungs-Sitzung heißt es:
Es wird darauf hingewiesen, daß neben der Chefredaktion in Hamburg politische Redaktionen in Bonn und Berlin errichtet werden sollen.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, das, was Sie heute als Antrag auf den Tisch dieses Hauses gelegt haben, bedeutet überhaupt nichts mehr; denn das ist bereits in der Vereinbarung erfüllt. Wenn Sie fordern, 'daß vorab die Errichtung „einer voll ausgestatteten politischen Redaktion" — das ist ein sehr schimärischer und elastischer Begriff — in Berlin erfolgen soll, so möchte ich demgegenüber nur daran erinnern, daß man das in einer ähnlich elastischen Formulierung auch in dieser Vereinbarung bereits untergebracht hat. Praktisch ist nicht das herausgekommen, was uns politisch notwendig erscheint: Sitz der Chefredaktion von sofort an in Berlin.
Am 27. Juni hat der Herr Bundesinnenminister im Bundestag gesagt, die Chefredaktion solle ihren Sitz nicht nur im Bundesgebiet, sondern auch in Berlin haben. Wenige Tage später wurde diese Vereinbarung formuliert. Alle diese Versprechungen, die in halber Form gemacht worden sind, sind nicht erfüllt worden. Statt dessen, sagte ich, Vertröstungen, die beispielsweise in diesem Text folgendermaßen formuliert sind:
Diese Vereinbarung gilt nur bis zum 30. Juni 1958. Die Beteiligten werden spätestens ein halbes Jahr vorher erneut zusammentreten, um eine weitere Vereinbarung abzuschließen. Sie werden dabei insbesondere prüfen, ob auf Grund der bisherigen Erfahrungen und der technischen Voraussetzungen der Sitz nach Berlin verlegt werden kann.
Der Herr Bundesinnenminister hat später einmal gesagt, nicht nur die technischen, auch die finanziellen Voraussetzungen müßten erst erfüllt sein. Und, meine Damen und Herren, das bedeutet unserem Empfinden nach, daß dieses Provisorium praktisch auf ein Definitivum hinausläuft.
Wenn Sie aber wollen, daß diese Lösung so provisorisch ist, wie ein Provisorium nur sein kann, dann müssen die technischen Voraussetzungen zunächst einmal finanziell erfüllt werden. Es kommt darauf an, daß die finanziellen Aufwendungen sichergestellt werden, um den notwendigen .Strahler in Berlin zu errichten. Das wird mehrere Millionen kosten; die technischen Fachleute schätzen zwischen 3 und 5 Millionen. Berlin hat erklärt, daß es nicht in der Lage ist, die dafür notwendigen Kosten zu tragen. Die Rundfunkanstalten werden sich meiner Überzeugung nach ebenfalls sträuben, diese Millionen zur Verfügung zu stellen. Es kommen neue Gemeinschaftsaufgaben auf sie zu: Radio Saarbrücken; Sie wissen, daß der Sender Freies Berlin einen finanziellen Bedarf hat, den die übrigen Anstalten in der Bundesrepublik nach
Möglichkeit sichern sollen. Und es kommt in einigen Jahren das Farbfernsehen hinzu, das etwa fünfmal so teuer ist wie das bisherige.
Unter all diesen Umständen werden Sie nicht erwarten können, daß die Rundfunkanstalten die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Das mindeste also wäre, daß der Bund die für die Errichtung eines Strahlers in Berlin notwendige Summe aus Haushaltsmitteln bereitstellt. Und das finden Sie in Ziffer 3 unseres Antrags als Forderung formuliert.
Die Aufrichtigkeit der These, daß nur ein Provisorium bis Mitte des Jahres 1958 angestrebt wird, wird sich an der Antwort erweisen, die die Bundesregierung auf diesen Antrag gibt, ob sie nämlich, wenn sich die Rundfunkanstalten nicht bereit erklären, die Summen zu zahlen, ihrerseits bereit ist, die notwendigen Gelder für den Strahler aus Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen.
Am Rande nur ein Hinweis: Es wäre, glaube ich, auch am Platze, daß aus Bundesmitteln eine Hilfe gewährt würde, um das nun aus der russischen Okkupation freigegebene Rundfunkhaus in der Masurenallee wieder in den Zustand zu versetzen, der seiner künftigen Verwendung entspricht. Der Ausschuß für Fragen des Rundfunks, des Films und der Presse wird noch während dieser Sitzungswoche das Haus besichtigen, und ich hoffe, daß wir uns, in einem gemeinsamen Willen in diesem Hause verbunden, in dieser Frage zu einem interfraktionellen Antrag zusammenfinden werden, der dic Bereitstellung dieser Mittel fordert.
Meine Damen und Herren! Um die Zustimmung der Länder und insbesondere auch Berlins zu bekommen, hat Vizekanzler Blücher angesichts der Unzulänglichkeit dieses sogenannten Provisoriums einen Beschwichtigungsbrief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin geschrieben. Darin heißt es:
Bei früheren Verhandlungen hat Herr Staatssekretär Bleek als Verhandlungsführer des Bundes erklärt, daß er sich bei der Bundesregierung für Berlin als Sitz des Langwellenverbandes einsetzen werde.
Und Blücher schrieb dazu:
Ich bestätige diese Erklärung seitens der Bundesregierung.
Es fällt einem schwer, wenn man den Text dieses Briefes liest, höflich zu bleiben. Was soll das heißen? Am 14. August 1956, einen Monat, nachdem die Vertreter der Bundesregierung eine Vereinbarung formuliert haben, in der Berlin nicht zum Sitz gemacht wurde, heißt es: Der Verhandlungsführer der Bundesregierung wird sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, daß Berlin zum Sitz des deutschen Langwellensenders gemacht wird.
Soll es sich aber etwa nicht auf das Jetzt der Aktion der Bundesregierung beziehen, sondern soll die Erklärung von Herrn Blücher ein Wechsel auf die Zukunft sein — und darauf deutet ein anderer Satz, wo es heißt:
Für die Bundesregierung darf ich erklären, daß sie zum gegebenen Zeitpunkt von allen Möglichkeiten im Sinne Berlins Gebrauch machen wird
—, dann kann ich nur sagen, für eine solche Erklärung war der Herr Bundesvizekanzler nicht zuständig. Für das, was einmal im Jahre 1958 der Fall sein wird, hat der gegenwärtige Bundesvizekanzler nichts zu erklären, sondern höchstens etwas zu hoffen, und ich habe den Eindruck, seit einigen Tagen nicht einmal mehr das.
— Sie werden doch nicht die Tatsache leugnen wollen, daß der Herr Bundesvizekanzler Ihnen seine Demission zu Füßen gelegt hat.
Der Bundesinnenminister war auch vorsichtiger in seinen Versprechungen. Er hat am 18. September in seiner Antwort auf die kleine Anfrage der FDP-Fraktion ebenso vorsichtig geantwortet wie der Herr Vizekanzler waghalsig. Er macht dort die Errichtung eines eigenen Strahlers in Berlin nicht nur von den technischen, sondern — ich sagte es eben schon — auch von den finanziellen Voraussetzungen abhängig;
und diese Voraussetzungen — „die Hauptsache", rufen Sie, ja — sollen jetzt nach unserem Antrag erfüllt werden; sonst bleibt alles andere eine theoretische Deklaration.
Meine Damen und Herren! Bevor der Herr Regierende Bürgermeister dieser Stadt von seiner schweren Erkrankung befallen wurde, hat er in einem letzten Appell an den Bundeskanzler den Wunsch geäußert, den Sitz der langen Welle nach Berlin zu legen. Es war dies zwei Tage vor der getroffenen Vereinbarung. Es kam trotzdem zu jenem, wie wir fürchten, definitiven Provisorium, zu jener schlechten Vereinbarung, von der auch der Herr amtierende Bürgermeister dieser Stadt, der Ihrer Fraktion, meine Herren der CDU, angehört, am 10. August im Rundfunk erklärt hat, die gesamte Berliner Öffentlichkeit sei von dem Ergebnis des 5. Juli enttäuscht.
Unser Anliegen ist es, die von Dr. Suhr nach Überzeugung auch seines Kollegen Amrehn mit der gesamten Berliner Öffentlichkeit übereinstimmende Initiative wieder aufzugreifen und den Bundestag dafür zu gewinnen, die Bundesregierung aufzufordern, den Entwurf der Vereinbarung einer Revision zu unterziehen und in diese sogenannte provisorische Lösung so viel wie möglich an definitiven Elementen hineinzubringen. Wir wünschen so wenig wie möglich Provisorium. Das Provisorium darf und es braucht sich nur auf die Technik zu beziehen. Es braucht sich nicht und darf sich nicht auf die politische Struktur eines solchen Senders beziehen.
Die Annahme unseres Antrags würde nicht die Aufnahme der Langwellensendungen hinauszögern, sondern dem Sender eine Konstruktion geben, die von allen getragen würde, und damit würde diese deutsche Langwelle überzeugender und effektiver sein. Die Annahme unseres Antrags würde die Wirkungsmacht dieses Senders als eines Senders für ganz Deutschland auch dadurch steigern, daß wir von vornherein der deutschen Langwelle den politischen Standort geben, den sie aus nationalpolitischen Gründen haben muß: die Hauptstadt Deutschlands.
Deshalb bitten wir Sie alle, meine Damen und Herren, unserem Antrag zuzustimmen, damit er im Ausschuß für Fragen der Presse und des Rundfunks und im Gesamtdeutschen Ausschuß behan-
delt wird. Diese Beratung kann sehr schnell erfolgen, und sie wird von uns allen geführt werden unter dem Gesichtspunkt, daß der deutsche Langwellensender seine politische Mission so schnell wie möglich hier von Berlin aus erfüllen kann.