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ID0216300100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 163. Sitzung. Berlin - Charlottenburg, Mittwoch, den 10. Oktober 1956 9033 163. Sitzung Berlin - Charlottenburg, Mittwoch, den 10. Oktober 1956. Ansprache zu Beginn der Arbeitstagung in Berlin: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 9033 C Begrüßung einer Delegation des englischen Unterhauses 9034 A Glückwünsche zum 70. Geburtstag des Abg Gengler 9034 A Abg. Frau Dr. Ganzenberg (CDU/CSU) tritt als Nachfolgerin des Abg. Dr. Orth, der durch Mandatsverzicht ausgeschieden ist, in den Bundestag ein 9034 A Mitteilung über die Beantwortung der Kleinen Anfrage 281 9034 B Änderungen der Tagesordnung 9034 A Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen aus den Vertreibungsgebieten ausgesiedelt wurden (Aussiedlergesetz) (Drucksache 2623) . . 9034 B Dr. Kather (GB/BHE), Antragsteller 9034 B, 9039 C Rehs (SPD) 9035 B Kuntscher (CDU/CSU) 9036 C Dr. Czermak (FDP) 9038 D Überweisung an die Ausschüsse . . . 9040 C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Langwellensender in Berlin (Drucksache 2627) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Langwellensender in Berlin (Drucksache 2761) 9040 C Kühn (Köln) (SPD), Antragsteller . 9040 D, 9048 B, 9056 A, 9057 A Brookmann (Kiel) (CDU/CSU), Antragsteller 9046 A, 9048 B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 9049 C, 9057 B Frau Friese-Korn (FDP) 9051 A Dr. Strosche (GB/BHE) 9052 A Hübner (FVP) 9053 B Brandt (Berlin) (SPD) . . . . 9053 D, 9059 A Dr. Graf (München) (CDU/CSU) . . . 9057 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . 9058 B, 9059 C Krammig (CDU/CSU) 9060 C Überweisung an die Ausschüsse 9060 C Nächste Sitzung 9060 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 9060 B Die Sitzung wird um 15 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Bauer (Wasserburg) 5. 11. Dr. Bärsch 13. 10. Bauknecht 13. 10. Dr. Bergmeyer 15. 10. Blachstein 27. 10. Frau Dr. Bleyler 13. 10. Böhm (Düsseldorf) 20. 10. Frau Brauksiepe 13. 10. Brockmann (Rinkerode) 15. 10. Cillien 15. 12. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Conring 13.10. Dr. Dollinger 12. 10. Ehren 15.10. Elsner 13. 10. Fassbender 13.10. Frehsee 12. 10. Dr. Friedensburg 13. 10. Dr. Furler 11.10. Dr. Gleissner (München) 13.10. Dr. Greve 17.10. Harnischfeger 11.10. Dr. Höck 13.10. Dr. Hoffmann 11.10. Dr. Horlacher 13.10. Hufnagel 13.10. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kahn-Ackermann 17. 11. Kemper (Trier) 13. 10. Dr. Kleindinst 13. 10. Knapp 13. 10. Knobloch 13. 10. Dr. Köhler 15. 10. Lahr 13. 10. Dr. Löhr 13. 10. von Manteuffel (Neuß) 11. 10. Mayer (Birkenfeld) 1. 12. Meitmann 22. 10. Moll 13. 10. Morgenthaler 13. 10. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 31. 10. Müser 11. 10. Peters 13. 10. Dr. Pferdmenges 13. 10. Raestrup 11. 10. Richter 13. 10. Ritzel 13. 10. Schill (Freiburg) 11. 10. Schneider (Bremerhaven) 28. 10. Dr. Schöne 11. 10. Schwann 28. 10. Dr. Stammberger 17. 11. Dr. Starke 31. 10. Frau Dr. Steinbiß 13. 10. Sträter 13. 10. Dr. Vogel 13. 10. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Walz 12. 10. Wiedeck 12.10. b) Urlaubsanträge Abgeordnete (r) bis einschließlich Altmaier 27.10. Erler 27.10. Even 27.10. Gerns 27.10. Haasler 27.10. Höfler 27.10. Frau Dr. Ilk 20.10. Kiesinger 27.10. Dr. Kopf 27 10. Lemmer 27 10. Dr. Lenz (Godesberg) 27.10. Lücker (München) 27.10. Marx 27.10. Metzger 27.10. Frau Meyer-Laule 27.10. Miller 20.10. Dr. Oesterle 27.10. Paul 27.10. Frau Dr. Rohling 27.10. Schütz 27.10. Seidl (Dorfen) 27 10. Dr. Wahl 27 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag ist zur Arbeit nach Berlin gekommen. Aber erlauben Sie mir, am Anfang dieser Sitzung dem Herrn Regierenden Bürgermeister, dem Senat, der Technischen Universität und der Bevölkerung dieser alten Hauptstadt Deutschlands herzlichen Dank zu sagen für die freundliche Aufnahme, die dem Deutschen Bundestag hier zuteil wurde.

    (Beifall.)

    Sie haben es ja in der Zeitung gelesen, und wir sind uns vorher in Bonn darüber einig geworden, daß wir hier keine Festreden halten, sondern, wie gesagt, arbeiten wollen. Wir glauben, meine Damen und Herren, daß damit zweierlei zum Ausdruck kommt: erstens die große Sehnsucht aller guten Deutschen nach einer klaren, festen, befriedeten Ordnung unseres nationalen Lebens. Es ist die Sehnsucht nach dem geordneten und nach dem normalen, nach dem friedlichen Miteinander aller Deutschen untereinander und mit ihrer Umwelt im Osten und Westen, im Süden und Norden. Nicht nur wir Deutsche, sondern Europa und die Welt sind von der Gewaltsamkeit der Trennung, die wir nun seit Jahr und Tag tragen, tiefer betroffen, als viele es wissen und wissen wollen in Deutschland und in der Welt.
    In den hoffentlich regelmäßig wiederkehrenden Tagungen des Deutschen Bundestages in der Hauptstadt Deutschlands kommt zum anderen auch der feste Wille zum Ausdruck, die Mitte Deutschlands gegen den Druck einer unheilvollen weltpolitischen Lage und Machtgruppierung zu halten. Wir Deutsche haben ,den Krieg verloren, das ist gewiß. Aber wer hat eigentlich den Frieden gewonnen? Der Friede muß von allen gewonnen werden. Er wird nicht und von niemandem gewonnen, solange es zwei Deutschland gibt.
    In der Hoffnung, daß unser Tun im großen wie im kleinen der Zukunft des freien, geeinten deutschen Volkes und dem Frieden der Welt dient, gehen wir wiederum an die Arbeit in der Hauptstadt Deutschlands, die wir zu Beginn dieser Sitzung ehrerbietig grüßen.

    (Beifall.)



    (Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

    Meine Damen und Herren, ich habe die Ehre und die Freude, eine Delegation aus d e m Parlament in unserer Mitte begrüßen zu dürfen, das als die Mutter der Parlamente gepriesen wird und auch bei uns in großem Ansehen steht. Ich begrüße die Kollegen aus dem englischen Unterhaus, die uns die Ehre gegeben und die Freude gemacht haben, heute unter uns zu sein.

    (Beifall.)

    Schließlich darf ich dem Herrn Abgeordneten Gengler zum 70. Geburtstag die Glückwünsche des Deutschen Bundestages aussprechen.

    (Beifall.)

    Ich darf dem Hause weiter bekanntgeben, daß mit Wirkung vom 7. Oktober 1956 an der Herr Abgeordnete Dr. Orth sein Mandat niedergelegt hat. Als Nachfolgerin ist die Abgeordnete Frau Dr. Ganzenberg in den Bundestag eingetreten. Ich heiße sie in unserer Mitte herzlich willkommen.

    (Beifall.)

    Gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung — das ist eine Bemerkung zur Tagesordnung — ist Punkt 2 der Tagesordnung heute abgesetzt. Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung dagegen die heutige Tagesordnung erweitert um den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Langwellensender, Drucksache 2761, der im Zusammenhang mit dem Antrag der Fraktion der SPD unter Punkt 3 der Tagesordnung behandelt werden soll.
    Ferner ist die Tagesordnung erweitert worden .um die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Bergmannsprämien, Drucksachen 2748 und 2351. Ich werde diesen Punkt als letzten : 'unkt der Tagesordnung aufrufen.
    Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist weiter abgesetzt Punkt 11 der Tagesordnung, Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Verunreinigung der Luft durch Industriebetriebe, Drucksache 2598.
    Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht übernommen:
    Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 5. Oktober 1956 die Kleine Anfrage 281 der Fraktion der SPD betreffend Durchführung des Gesetzes über das Lotsenwesen (Drucksache 2722) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2760 vervielfältigt.
    Damit, meine Damen und Herren, treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf den Punkt 1:
    Erste Beratung des von ,der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen aus den Vertreibungsgebieten ausgesiedelt wurden (Aussiedlergesetz) (Drucksache 2623).
    Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Dr. Kather hat das Wort zur Begründung.
    Dr. Kather (GB/BHE), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks hat den Entwurf eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen vorgelegt, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen aus den Vertreibungsgebieten ausgesiedelt wurden — Aussiedlergesetz —. Dieser Antrag will die Rechtsstellung von vier Personengruppen regeln. Die erste Gruppe umfaßt deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen die Vertreibungsgebiete verlassen haben, also die Spätaussiedler. Die zweite Gruppe wird gebildet von den Angehörigen von Personen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, die sich noch in den Vertreibungsgebieten befinden, also den Angehörigen der Heimatverbliebenen. Zur dritten Gruppe gehören die Hinterbliebenen von Personen der gleichen Staats- und Volkszugehörigkeit, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen in den Vertreibungsgebieten verstorben sind, also Hinterbliebene von Heimatverbliebenen. Bei der vierten Gruppe handelt es sich um die ehemaligen Insassen deutscher Staats- und Volkszugehörigkeit aus den Lagern in Dänemark.
    Zur allgemeinen Begründung dieses Antrags ist zu sagen: Von Hilfen an die Spätaussiedler wird viel gesprochen und geschrieben. Wenn man jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen einer genauen Nachprüfung unterzieht, stellt sich heraus, daß die Spätaussiedler von den Vergünstigungen fast aller Gesetze ausgeschlossen sind.
    Zur ersten Gruppe ist zu sagen: Spätaussiedler, die in den Vertreibungsgebieten gesundheitliche Schäden davongetragen haben, können in der Regel Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz nicht erhalten, da für solche Leistungen außer den Kriegsgefangenen nur Internierte in Betracht kommen. Die in der Heimat Zurückgehaltenen sind aber meist nicht förmlich interniert gewesen. Der vorliegende Gesetzentwurf meiner Fraktion erstrebt die Gleichstellung der Spätaussiedler mit den Internierten. Da die Spätaussiedler nicht in Gefangenschaft und meist auch nicht interniert waren, erhalten sie keine Leistungen aus Heimkehrerhilfemaßnahmen. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß es gerechtfertigt und notwendig ist, ihnen wie einem Heimkehrer Entlassungsgeld, Übergangsbeihilfe, Wohnraum, Kündigungsschutz, Arbeitsplatzvermittlung, Ausbildungsbeihilfe und Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Das erstreben wir mit § 2 Abs. 2 des Entwurfs.
    Hinsichtlich der zweiten Gruppe, der Angehörigen der Heimatverbliebenen, ist davon auszugehen, daß nur die Angehörigen solcher Personen, die „auf eng begrenztem Raum unter ständiger Bewachung" festgehalten wurden, Leistungen nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfen für Angehörige von Kriegsgefangenen vom 30. April 1952 erhalten. Diese Voraussetzung ist aber meist nicht gegeben. Deshalb halten wir es für notwendig, den Angehörigen der immer noch in der Heimat Zurückgehaltenen derartige Unterhaltsbeihilfen zu gewähren, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Die Angehörigen dieser Gruppe erhalten auch keinerlei Sozialversicherungsrenten, auch wenn der in der Heimat verbliebene Ehegatte rentenberechtigt war oder es inzwischen geworden wäre. Auch das soll nach unserer Meinung geändert werden.
    Bei der dritten Gruppe, bei den Hinterbliebenen von Heimatverbliebenen, also Personen, die in der Heimat zurückgehalten wurden und dort gestorben sind, fehlt es nahezu an jeder gesetzlichen Regelung. Sie erhalten keine Witwen- oder Waisenrenten aus der Sozialversicherung. Nur wenn der Tod als Folge einer Internierung eingetreten ist, werden die Leistungen nach dem Bundesversor-


    (Dr. Kather)

    gungsgesetz gewährt. Wir halten auch in diesem Fall die Gleichstellung mit den Internierten für geboten.
    Bei der vierten und letzten Gruppe ist bemerkenswert, daß der Lageraufenthalt in Dänemark nicht als Internierung im Sinne des Heimkehrergesetzes und des Bundesversorgungsgesetzes anerkannt wird. Man begründet das damit, daß sich die Bewachung nicht gegen die Lagerinsassen gerichtet habe, sondern zu ihrem Schutz gegen dänische Nationalisten bestimmt gewesen sei. Das ist eine etwas seltsame Begründung. Eingesperrt ist eingesperrt; die Dänemark-Lager unterschieden sich kaum von den Gefangenenlagern.

    (Sehr wahr! beim GB/BHE.)

    Deshalb schlagen wir vor, die Festhaltung in diesen Lagern der Internierung gleichzustellen. Für die Durchführung des Gesetzes ist das Verfahren des Häftlingshilfegesetzes vorgeschlagen worden. Der Personenkreis ist in beiden Gesetzen von ähnlicher Art, und das gleiche gilt von den Rechten, die in den beiden Gesetzen gegeben worden sind oder gegeben werden sollen.
    Ich beantrage Überweisung unseres Antrags an den Ausschuß für Heimatvertriebene.

    (Beifall beim GB/BHE.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfs gehört. Ich eröffne die Beratung der ersten Lesung. Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Reinhold Rehs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt die Initiative des vorliegenden Antrags, weil damit erneut die Hilfe) maßnahmen für einen Kreis von Personen zur Erörterung gestellt werden, die einer besonderen Fürsorge und Betreuung bedürfen. Es bedarf in der Tat einer eingehenden und umfassenden Prüfung, ob die auf diesem Gebiet bisher getroffenen Maßnahmen ausreichen und wie sie sich für die von dem Herrn Vorredner genannten Gruppen auswirken.
    Ich kann es mir versagen, auf die Lage dieses Personenkreises, das Schicksal, das die Betreffenden hinter sich haben, die Drangsalierungen und Leiden, die sie durchgemacht haben, noch einmal näher einzugehen. Ich brauche auch nichts über die menschliche und politische Verantwortung zu sagen, die wir alle dafür haben, daß die Hoffnungen, die dieser Personenkreis beim Übergang in die Bundesrepublik gehabt hat, erfüllt werden.
    Der Bundestag hat, als er am 28. Juni dieses Jahres den Kreis der Bezugsberechtigten einer Begrüßungsgabe erweiterte und die Notwendigkeit zusätzlicher Wohnungsbaumaßnahmen anerkannte, bereits bewiesen, daß er in dieser Frage eines Sinnes und eines Willens ist. Mit diesen Beschlüssen wurden zwei materiell sehr wichtige Teile des Gesamtproblems der Versorgung der Aussiedler vorangebracht. Denn außer Zweifel ist neben der ersten finanziellen Hilfe beim Übergang in die Bundesrepublik die schnellstmögliche Beschaffung angemessenen Wohnraums das Wichtigste.
    Wegen des Zusammenhangs mit dem Gesamtproblem möchte ich die Gelegenheit benutzen, hierzu einige kritische Bemerkungen zu machen. Wenn zutrifft, was mir berichtet wurde, können wir mit dem Fortgang der wichtigen Maßnahme für die Umsiedler, nämlich mit der Entwicklung des Wohnungsbaus, nicht zufrieden sein. Wir werden den Beschluß vom 28. Juni, der laufende Berichte darüber anforderte, wahrmachen und die Bundesregierung darum bitten müssen, uns einen Zwischenbericht über den Gang dieser Dinge vorzulegen. Nach meiner Kenntnis der Verhältnisse in den Ländern hält der Bau von Wohnungen für die Aussiedler mit der Zahl der Umsiedler auch nicht annähernd Schritt. Das liegt allerdings weniger an den Ländern als an dem Prinzip der nachträglichen Mittelzuteilung durch den Bund, also daran, daß der Herr Bundesfinanzminister genau wie beim Bau von Wohnungen für die Sowjetzonenflüchtlinge die Mittel immer erst nachträglich, also für das Jahr 1955 erst im Jahre 1956 usw., zur Verfügung stellt.
    Bekanntlich vergehen von der Projektierung bis zur Fertigstellung und zum Bezug neuer Wohnungen ohnehin 18 Monate bis zwei Jahre. Hinzu kommen die Schwierigkeiten bei der Beschaffung erststelliger Hypotheken und der Umstand, daß die bisherigen Förderungsmittel von 1500 DM je Zuwanderer nicht mehr ausreichen. Wenn dann noch die Zahl der Umsiedler zunimmt und das Prinzip der nachträglichen Mittelbereitstellung durch den Bund beibehalten wird, muß zwangsläufig ein Wohnungsrückstand eintreten, der zu einer erneuten hoffnungslosen Überfüllung der Lager führt und der von uns nicht verantwortet werden kann.
    Ich bitte das Hohe Haus daher schon jetzt bei dieser Gelegenheit um die Unterstützung unserer Bitte, das Bundesfinanzministerium möge das Prinzip der nachträglichen Mittelbereitstellung in diesem Fall und für diesen Zweck ändern und den Ländern alle Hilfe zuteil werden lassen, die sie brauchen, um unseren gemeinsamen Willen, den Wohnungsbau für diesen Personenkreis in jeder nur denkbaren Weise zu beschleunigen, verwirklichen zu können.
    Meine Damen und Herren! Was das Anliegen des Antrages im einzelnen anlangt, so werden wir in den Ausschußberatungen eingehend prüfen müssen, ob die materiellen Tatbestände, deren Regelung mit dem vorliegenden Antrag erstrebt wird, ein besonderes Gesetz erfordern oder ob eine Korrektur oder Ergänzung der schon bestehenden Gesetze hierfür ausreicht. Ohne Zweifel weisen die gesetzlichen Regelungen der Fürsorge und Betreuung der Aussiedler erhebliche Lücken auf. So erscheint mir — darauf möchte ich ergänzend zu den Ausführungen des Vorredners hinweisen — eine erweiterte Krankenhilfe und Heilfürsorge notwendig. Ein Erholungsaufenthalt muß ähnlich wie bei den Heimkehrern vorgesehen werden können, um die Menschen, die zum Teil jahrelang fast vitaminlos haben leben müssen, physisch und psychisch überhaupt erst zu befähigen, ihre Angelegenheiten selber in die Hand zu nehmen.
    Einer besonderen Überprüfung bedarf unseres Erachtens auch der Bereich der beruflichen und schulischen Maßnahmen für die Jugendlichen. Diese Frage ist in dem Antrag bisher allerdings nicht berührt. Wir werden uns trotzdem damit beschäftigen müssen; denn gerade hier wird mehr geleistet werden müssen, als zur Zeit möglich ist. Das, was auf diese jungen Menschenkinder einstürmt, die zum Teil noch nicht einmal deutsch sprechen können und die in ihrer Entwicklung zehn bis zwölf Jahre nachzuholen haben, ist so außerordentlich, daß die Jugendlichen einer besonderen Pflege und Betreuung bedürfen.


    (Rehs)

    Vor allem aber sollten wir — diese Anregung möchte ich an die Ministerien richten — die Frage prüfen, was geschehen kann, um eine zentrale Betreuung der Aussiedler wenigstens in den Städten zu gewährleisten. Gewiß, der Herr Bundesvertriebenenminister hat dankenswerterweise in Gestalt des „Wegweisers für Aussiedler" eine Art Fibel für die ersten Schritte und einen Leitfaden über die verschiedenen gesetzlichen Hilfsmöglichkeiten herausgegeben. Das ist aber — ich will damit den Wert nicht schmälern — mehr ein Wegweiser für die Helfer als für diejenigen, die die Hilfe benötigen. Es ist ja schon für einen ein- und ausgewachsenen Bundesbürger sehr schwer, sich in dem Labyrinth der Bestimmungen und Behörden zurechtzufinden. Für den, der jahrelang in Lagern hinter dem Ural leben mußte, ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Da ist auch der Ariadne-Faden dieses „Wegweisers für Aussiedler" zu dünn. Da sollte wirklich ohne Rücksicht auf die Zuständigkeit geprüft werden, ob eine zentrale Beratung möglich ist, ohne daß deshalb eine neue Institution oder ein neuer Behördenapparat aufgezogen werden muß. Ich denke mir, daß eine Anregung an den Städtetag, in den Sozialämtern eine solche zentrale Stelle zu schaffen, nicht auf unfruchtbaren Boden fallen wird.
    Meine Damen und Herren! Nur eine kurze kritische Bemerkung zum Schluß. Daß die Maßnahmen der Betreuung und Fürsorge für die Aussiedler über die seinerzeit vom Bundestag gefaßten Beschlüsse hinaus einer Ergänzung bedürfen, ist, glaube ich, die Meinung aller. Ich sagte: ob dafür ein besonderes Gesetz notwendig ist, werden die Beratungen im Ausschuß ergeben. Aber ich frage: Warum hat die Bundesregierung, die die Verhältnisse doch kennt und übersehen muß, diese Frage nicht längst von sich aus aufgegriffen

    (Sehr richtig! bei der SPD und beim GB/BHE)

    und im Hause die Vorstellungen entwickelt, die sie von einer ausreichenden Betreuung dieser Aussiedler hat? Oder hat sie noch keine Vorstellungen in dieser Hinsicht? Warum hinkt die Bundesregierung immer hinter den sozialen Problemen nach?

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE; lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Wenn sie der Meinung ist, daß es zur Versorgung eines besonderen Gesetzes nicht bedarf, warum hat sie dann die notwendigen materiellen Maßnahmen nicht schon von sich aus getroffen?

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Muß sie dazu erst immer wieder durch die Initiative dieses Hauses und die Initiative der Opposition angehalten werden?

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Meine Fraktion jedenfalls wird bei den Beratungen im Ausschuß alles tun, um für diesen Personenkreis eine menschlich und sozial wirklich befriedigende Regelung herbeizuführen, und stimmt der Überweisung an den Ausschuß zu.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)