Rede von
Werner
Jacobi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht sich nicht in der Lage, hier Lobsprüche auszuteilen. Sie ist der Meinung, daß dieses Gesetz durch die langen Beratungen keineswegs kürzer und auch nicht besser geworden ist. Sie ist auch der Meinung, daß dieses Gesetz keine Auswege zeigt, der schlimmsten Wohnungsnot, nämlich der Wohnungsnot der wirtschaftlich leistungsschwachen Schichten entscheidend zu begegnen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt fest, daß auch die hier wiederholt erwähnte Erhöhung der allgemeinen Förderungsmittel des Bundes in keiner Weise ausreicht, den leistungsschwachen Bevölkerungsschichten eine größere Sicherheit zu geben, so daß sie alsbald ebenfalls in angemessener Weise mit Wohnungen versorgt werden. Wir haben zu erklären, daß der — jetzt schon rückläufige — soziale Wohnungsbau durch dieses Gesetz keine zusätzliche Förderung erfährt, sondern daß die Gefahr besteht, daß er weiterhin absinkt. Das ergibt sich nicht nur aus der im Augenblick doch wirklich nicht erfreulichen Lage auf dem Kapitalmarkt, das ergibt sich nicht nur wegen der, wie wir fürchten müssen, weiterhin steigenden Baukosten, das ergibt sich nicht nur infolge der weiterhin beachtlichen und wahrscheinlich nicht zu überwindenden Baulandnot, sondern auch aus den Maßnahmen, die durch dieses Gesetz notwendig werden und die eine Ausweitung der bisherigen Belastungen bedingen.
Obwohl dem so ist, obwohl höhere öffentliche Mittel erforderlich sind, haben Sie entsprechende Anträge der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion abgelehnt. Sie haben dies getan im Schlepptau des Bundesfinanzministers und im Widerspruch zur Finanzlage des Bundes. Damit tragen Sie, damit trägt die Mehrheit dieses Hauses die Verantwortung dafür, wenn auch in den nächsten Jahren der besonders großen Wohnungsnot der sozial Schwachen nicht in ausreichendem Maße begegnet werden kann.
Sie, die Mehrheit dieses Hauses, haben sich nicht einmal dazu verstehen können, wenigstens einen Teil der Bundesmittel in klarer und verbindlicher Form für den Wohnungsbau zu binden, der den Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen vorbehalten werden müßte. Dabei haben unsere diesbezüglichen, wie auch alle anderen der Ablehnung anheimgefallenen Anträge in keiner Weise die auch von uns begrüßte Tendenz des Gesetzes beeinträchtigt, die öffentlichen Förderungsmittel vor allem auch dem Bau von Eigenheimen und Kleinsiedlungen zuzuführen. Die Sozialdemokratische Partei ist sich der positiven gesellschafts- und staatspolitischen Bedeutung des kleinen Wohnungseigentums bewußt. Ihren von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnten Anträgen lag nicht zuletzt die Absicht zugrunde, der Bildung derartigen Kleineigentums durch die verstärkte Bereitstellung öffentlicher Förderungsmittel besonders zugunsten der wirtschaftlich leistungsschwachen Bevölkerungskreise zu dienen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bedauert, ihrer Überzeugung Ausdruck geben zu müssen, daß das Gesetz in seiner vorliegenden Form im wesentlichen der verbesserten Wohnversorgung der gehobenen Einkommensschichten zum Nachteil des dringlichsten sozialen Wohnungsbaus dienen wird.
— Die Wahrheit dieser Aussage wird die Praxis des Wohnungsbaus in den nächsten Jahren erweisen.
Darüber hinaus hält die SPD das Gesetz auch als Ergebnis einer fast zweijährigen Ausschußarbeit für außerordentlich enttäuschend. Es ist ebenso lang wie unverständlich, in vielen seiner Bestimmungen widerspruchsvoll oder unklar und ein Instrument weiterer Verwaltungsaufblähung.
— Ja, Ihre Gesetze sind auch zumeist so schlecht, daß wir es sagen können.
So wie das Gesetz der Erhöhung der Baukosten keine Rechnung trägt, geht es auch an der Tatsache vorbei, daß sich die Bedingungen für die Erschließung und Beschaffung von Bauland immer weiter verschlechtert haben. Das Gesetz bürdet in dieser Hinsicht den Gemeinden neue Verpflichtungen auf, denen sie weder sachlich noch rechtlich gewachsen sind, ohne daß es gangbare Wege zur Überwindung der ihnen hieraus entstehenden zusätzlichen Schwierigkeiten aufzeigt.
— Verzeihen Sie, die Vorfinanzierung der Eigenleistung hat mit der Baulanderschließung, der Baulandbeschaffung und den hier von mir berührten Schwierigkeiten nichts zu tun.
— Die Vorfinanzierung der Aufschließungskosten in diesem Gesetz ist für diese Maßnahme ein Pappenstiel, worauf wir Sie gestern schon hingewiesen haben, und reicht in keiner Weise aus. Sie dient im übrigen ja nur einseitig bestimmten Maßnahmen und nicht der Versorgung der wirtschaftlich leistungsschwachen Schichten mit Wohnungen ohne Ansehung der Rechts- und Wohnform. Sie haben ja weitergehende Anträge abgelehnt. Das hilft den Gemeinden nichts; das überläßt sie ihren Schwierigkeiten.
Was die sozialdemokratische Fraktion aber mit besonderer Sorge erfüllt, ist die Abschaffung des bisherigen sozialen Regulativs der fest bestimmten Richtsatzmieten auch für die einkommenschwachen Bevölkerungskreise. Gegenüber den mit der Einführung der Kostenmiete im gesamten Bereich des sozialen Wohnungsbaus verbundenen Gefahren einer erheblichen Steigerung der vom einzelnen zu tragenden Mieten und Lasten erscheinen die im Gesetz vorgesehenen Schutzmaßnahmen für die wirtschaftlich leistungsschwachen Bevölkerungsschichten völlig unzulänglich. Dies gilt auch hinsichtlich des Systems der Miet- und Lastenbeihilfen.
Nachdem die Mehrheit dieses Hauses diese und andere Einwände sowohl im Ausschuß als auch in der Plenarberatung unbeachtet gelassen und alle entscheidenden Verbesserungsvorschläge der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion niedergestimmt hat, bedaure ich, erklären zu müssen, daß wir das Gesetz nicht als einen konstruktiven Beitrag zur Behebung der Wohnungsnot und zur konsequenten Weiterführung eines wirklich sozialen Wohnungsbaus betrachten können.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht sich daher gezwungen, das Gesetz abzulehnen.