Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt die Vorlage des Organisationsgesetzes, das im Juli vorigen Jahres bei dem Beschluß über das Freiwilligengesetz gefordert worden ist und das leider erst jetzt, im Mai, hier in erster Lesung behandelt wird. Ich darf einige Ergänzungen zu dem machen, was Herr Kollege Reichstein bezüglich der Sanitätsinspektion hier dargelegt hat.
Wir glauben, daß es dem möglichen atomaren Krieg mit seinen unerhörten Verwüstungen durch die radioaktiven Gammastrahlen nicht entspricht, wenn man das Sanitätswesen lediglich als Unterabteilung einer Hauptabteilung organisiert. Uns scheint, daß die Erhaltung der Substanz und auch die Erhaltung des Kämpfers ein so hohes Ziel jeder modernen Kriegführung ist, daß man daher das Sanitätswesen wesentlich stärker, etwa im Rahmen eines Sanitätsinspekteurs, in die Organisation einbauen und dem Verteidigungsminister sowie seinem Staatssekretär unmittelbar unterstellen sollte; denn der Verteidigungsminister ist auch für das gesamte Sanitätswesen der Bundeswehr verantwortlich. Eine solche Entwicklung scheint sich jetzt auch anzubahnen, nicht zuletzt unter dem Einfluß der ärztlichen Standesorganisationen. Ich glaube, daß wir den ersten Sanitätsoffizier bereits in wenigen Tagen sehen werden, nachdem die Entscheidung über einen oberen Sanitätsoffizier bereits gefallen sein soll.
Die zweite Frage ist, ob nicht die Technik und Forschung etwas stärker im Organisationswesen der Bundeswehr herausgestellt werden müßten. Wir wissen aus den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges, wie sich Altstrategen und Jungstrategen leider. zuwenig darum gekümmert haben, die Kriegsentscheidungen auch technisch vorzubereiten, wie das England 1940 so meisterhaft bei der Schlacht um England bewiesen hat, die durch die Radartechnik und durch junge Piloten gewonnen wurde und nicht durch irgendwelche großen strategischen Planer. Also sollten auch wir im Organisationswesen der neuen Bundeswehr ein technisches Forschungsamt einrichten, ebenfalls mit einem hochqualifizierten Ingenieur, beispielsweise einem Typ unseres großen Radarspezialisten, des Staatssekretärs Professor Brandt aus Düsseldorf. Einen solchen Typ findet man vielleicht bei der Abwicklung der Zentraltechnik des Nordwestdeutschen Rundfunks, jene Spezialisten der Radartechnik, die wir dann für diese wichtige Aufgabe einsetzen könnten.
Der Fraktion der Freien Demokraten liegt sehr daran, auch einiges zu den Bestimmungen über die militärische Seelsorge zu sagen, wie sie in § 11 niedergelegt sind. Wir wissen uns in Übereinstimmung mit großen Teilen beider Kirchen, wenn wir nicht den wohluniformierten beamteten Militärgeistlichen einer staatlichen Militärseelsorge wünschen, sondern dem Militärseelsorger kirchlicher Art in dem Ornat des Priesters den Vorzug geben. Wir glauben, daß die Frage sehr eingehend, auch aus den Erfahrungen der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, geprüft werden sollte, ob nicht der kirchliche Militärseelsorger im Ornat des Priesters den geistlichen und kirchlichen Aufgaben mehr gerecht werden würde als der uniformierte beamtete Militärgeistliche. Im übrigen gilt das, was ich sage, ohnehin nur für eine friedliche Entwicklung. Im Kampf wird selbstverständlich der Priester nicht in seinem Ornat auftreten können.
Einige Worte auch noch zu dieser späten Stunde zu der Frage der Wehrverwaltung. Es hat hier ausgezeichnete Militärbeamte gegeben, die wir uns als Vorbild nehmen können und die einen hohen Ruf der deutschen Militärverwaltung begründet haben. Es hat auch Nebenerscheinungen negativer Art gegeben, die man aber zu verallgemeinern sich hüten sollte. Daß dies vor einem Jahr hier geschehen ist, bedauere ich sehr. Wenn jetzt von dem einen Extrem der uniformierten Militärverwaltung übergegangen wird auf das andere Extrem der nur zivilen Verwaltung, so glauben wir, daß auch hier der goldene Mittelweg besser wäre. Wir schlagen ein Mischsystem sowohl ziviler wie militärischer Verwaltung vor. Die Aufgaben sollten geteilt werden in erstens zivile Verwaltungsauf-
gaben, die standortgebunden sind, und zweitens in Truppenverwaltungsaufgaben, die im Verband der Truppe an keinen Ort gebunden sind. Zu der ersten, zur zivilen Verwaltung sollten gehören das Unterkunftswesen, das Kassen- und Rechnungswesen, das Besoldungswesen für Beamte und Soldaten, das Personalwesen für Beamte, Angestellte und Arbeiter, während der Truppenverwaltung Aufgaben wie die Verpflegung der Truppe, die Bekleidung der Truppe, die Bewirtschaftung der Haushaltmittel, die der Truppe zur Selbstbewirtschaftung zugewiesen werden, und andere unmittelbar bei der Truppe zu erledigende Aufgaben zufallen sollten.
Zur Erfüllung der zivilen Verwaltungsaufgaben sollten Beamte, Angestellte und Arbeiter herangezogen werden, die ihre Planstellen bei bodenständigen Verwaltungen haben, etwa bei den Standortverwaltungen, Wehrbereichsverwaltungen, während für die militärischen Verwaltungsaufgaben bei der Truppe etwa für eine Übergangszeit bewährte frühere Truppen-Sonderdienst-Offiziere der alten Wehrmacht übernommen werden könnten und man für die zukünftige Entwicklung die Laufbahn des Quartiermeister-Offiziers schaffen könnte, eines Offiziers, der die allgemeine Ausbildung bis zum Leutnant genießt wie jeder andere Offizier auch, der dann aber eine Ausbildung speziell für Verwaltungstätigkeit erhält, so daß die Minderwertigkeitskomplexe, die leider mancher Zahlmeister gegenüber dem Truppenoffizier hatte, entfallen, da beide den gleichen Ausbildungsgang haben, der Quartiermeister-Offizier zusätzlich sogar noch eine Sonderausbildung aufzuweisen hat.
Wir glauben, daß diese Kombination einer zivilen mit einer Militärverwaltung, wie wir sie soeben vorschlugen und wie wir sie im einzelnen im Ausschuß für Verteidigung noch darlegen wollen, eine glücklichere Lösung als Kompromiß darstellt als die gegenwärtige rein zivile, die bei der Truppe zwangsläufig zu Schwierigkeiten führen muß.
Wir stimmen der Überweisung dieses Gesetzes an den Ausschuß zu und bitten den Ausschuß, dieses Gesetz vorrangig als das wichtigere Gesetz zu behandeln, damit baldigst über die Spitzengliederung und die Gesamtorganisation unserer Bundeswehr Klarheit besteht.