Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An diesem an Zitaten so reichen Nachmittag darf ich meine Ausführungen vielleicht auch mit einem Zitat beginnen, das Sie gern hören werden: „Da Kürze nun des Witzes Seele ist, faß' ich mich kurz".
Ich möchte auf zwei Dinge in diesem Gesetz zu sprechen kommen, zunächst auf das Bemühen, dem der Herr Verteidigungsminister bei der Begründung einen gewissen Raum gegeben hat, nämlich mit Hilfe dieses Gesetzes eine sinnvolle Einfügung unserer bewaffneten Macht in das Verfassungssystem der parlamentarischen Demokratie herzustellen. Damit wird also das Problem des Gleichgewichts zwischen dem Militärischen und dem Zivilen angesprochen. Es ist das Problem der parla-
mentarisch-politischen Kontrolle, das Problem der bewaffneten Macht in der Demokratie überhaupt. Wir — das ganze Haus — haben uns in den bisherigen Wehrgesetzen und auch in der Grundgesetzänderung bemüht, diesen Gedanken den uns richtig scheinenden Ausdruck zu geben.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal bedauern, daß das Haus mit Mehrheit unseren Antrag abgelehnt hat, wegen der besonderen Verantwortungsfülle, die der Verteidigungsminister hat, ihn auch einer besonderen parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen. Bei aller Begründung der Ablehnung aus rechtlichen und insbesondere verfassungsrechtlichen Erwägungen sehen wir doch nach wie vor die Gefahr, daß einmal eine nicht mehr ausreichende Vertrauensbasis vielleicht deshalb zu spät festgestellt werden könnte, weil die Mehrheit des Hauses das nicht gleich in die Form eines Mißtrauens gegen den Regierungschef selber kleiden möchte.
Wir müssen uns — das gilt für das Verteidigungsministerium und auch für uns im allgemeinen — darüber im klaren sein, daß unser Anliegen nicht allein durch die Organisation gelöst werden kann. Es wird vielmehr von der Politik, die der verantwortliche Minister treibt, abhängen, ob das, was wir wollen, auch eintritt, nämlich daß der Militärdienst immer und zu allen Zeiten den Charakter eines öffentlichen Dienstes zum Schutze des Staates behält, ohne jemals die freiheitliche Grundordnung unseres Staates, das Recht und den Frieden zu gefährden. Wir müssen darauf achten, daß aus dem Besitz einer vielleicht noch ungeahnten Macht keine pathologischen Rauschzustände mehr eintreten, auf der andern Seite aber ebenso wenig ein pathetisches Hingebungsbedürfnis!
Wer nach den letzten Kriegen noch den Mut zu einer idealistischen Verklärung des Krieges aufbringt, gehört ins Narrenhaus, auch wenn er Redakteur von vielleicht subventionierten Zeitschriften sein sollte.
Wir dürfen in dem Zusammenhang auch noch einmal auf ein Zitat des Historikers Ritter verweisen, der sehr deutlich sagt, daß alle äußere Organisation der staatlichen Führungsstellen wenig bedeute im Vergleich mit dem Geist, der die leitenden Männer erfüllt.
Es ist bei der Organisation des Ministeriums, bei der Organisation der bewaffneten Macht in der Demokratie, doch sehr zu beachten, daß zum erstenmal in unserem neuen Staatswesen eine Massenorganisation, eine zum Teil über die Pflicht herbeigeführte Zwangsorganisation entsteht mit sonst nirgends vorhandenen Einwirkungsmöglichkeiten. Man wird dabei berücksichtigen müssen, daß sich die Jugend von manchen Denkformen und Lebensformen, die gewisse Leute, offenbar auch im Verteidigungsministerium, auch unter dem Begriff der Tradition fassen wollen, längst verabschiedet hat!
Ein Zweites: daß unsere Staatsform nicht etwa schon durch unser Wahlrecht oder durch Gesetze ausreichend geschützt ist — ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß man in der vergangenen Zeit nicht ganz unberechtigt manchmal von „Adolf Légalité" gesprochen hat, sondern daß unser neues Staatswesen seinen echten Schutz durch das innere Verhältnis erhält, das die Bürger an dieses ihr Staatswesen bindet. Es soll darauf geachtet werden, daß die Bundeswehr nicht eine Gemeinschaft wird, in der der Soldat als fertige Ware die Meinungen bezieht, von denen er lebt.
Der Entwurf dieses Gesetzes und auch der mit ihm zusammenhängende Organisationsplan werden gründlicher Beratungen im Ausschuß bedürfen. Denn es müssen — das ist nicht immer leicht — Dinge verschiedener Wertigkeit durch dieses Gesetz und diesen Plan in das gebührende Verhältnis zueinander gebracht werden.
In der Begründung wird darauf hingewiesen, daß die Abteilungen gleichgeordnet sein sollen und daß dadurch auch erkennbar sein soll, daß alle Aufgaben gleich gewertet werden sollen. Nun, meine Damen und Herren, in einem eigenen Paragraphen, dem § 11, ist ein gebührender Raum der Militärseelsorge gewidmet. Wir werden das begrüßen, wenn es der Ausdruck dafür sein soll, daß das, was so oft mit dem Begriff „Menschlichkeit" — vielleicht ohne daß man sich Gedanken darüber macht — gesagt werden soll, und das Recht der freien Persönlichkeit auch und gerade bei der bewaffneten Macht beachtet werden soll. Aber es erhebt sich dann sofort die Frage: Wie steht es denn — nach berechtigter Berücksichtigung des seelischen Wohls — mit dem leiblichen Wohl? Meine Damen und Herren, ich darf Sie — und auch Sie, Herr Verteidigungsminister — in allem Ernst darauf aufmerksam machen, daß im Gesetz von diesen Dingen, nämlich vom Gesundheitswesen, mit keinem Wort die Rede ist und daß in dem Plan dieser Teil der Fürsorge für die Soldaten als eine Unterabteilung aufgeführt wird und damit nach außen und für jedermann erkennbar eine geringere Bedeutung erhält als etwa Recht, Liegenschaften oder Technik! Es müssen daraufhin berechtigte Zweifel auftreten, ob im Ministerium diesem Gebiet die gebotene
Beachtung geschenkt wird. Es entsteht damit in der Öffentlichkeit der Eindruck — woran niemand, am wenigsten das Ministerium selbst, interessiert sein kann! —, daß die Organisation des Kampfes und des Zerstörens und alles das, was damit zusammenhängt — wenn es auch zum Zwecke der Verteidigung geschieht —, höher gewertet werden als die Bemühungen, das Leben zu erhalten.
Die deutsche Bevölkerung, der nun wieder die allgemeine Wehrpflicht zugemutet wird, muß erwarten können — ich glaube, sie wird es auch sehr deutlich fordern! —, daß zu ihrem direkten Schutz und insbesondere zu dem der Soldaten die größten Anstrengungen gerade gut genug sind. Ich meine, erkennbare Zeichen, daß die Ehrfurcht vor dem Leben auch zu den Grundsätzen unseres Staates gehört, sind hier am Platze.
Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß in manchen Kreisen — erlauben Sie mir diese allgemeine Umschreibung — das Gesundheitswesen in der Bundeswehr unter dem Zerrbild des Sanitätsgefreiten Neumann gesehen wird, den man nur im Ernstfall dicht genug neben sich wünscht!
Schon diese Gesichtspunkte allein begründen nach meiner Auffassung die Forderungen nach einer der Aufgabe entsprechenden Stellung in der Organisation, d. h. eine eigene Abteilung für den Gesundheitsdienst bei der Bundeswehr. Dieses
Haus wird sich — so hoffe ich — dieser Ansicht anschließen und damit erkennbar für die deutsche Öffentlichkeit bekunden, daß es eine gesundheitliche Hilfe für die Soldaten wünscht, die vor dem eigenen Gewissen und vor dem ganzen Volk auch verantwortet werden kann. Nur bei ganz oberflächlicher Betrachtung, die aber offenbar in gewissen verantwortlichen Kreisen noch Raum hat, kann man unterstellen, es handle sich bei diesem Gedanken um die Sonderwünsche eines Standes. Es geht bei dieser Frage nicht etwa um den Stand der Ärzte, von denen übrigens im letzten Krieg die Hälfte Soldat war und etwa ein Fünftel gefallen ist, sondern ausschließlich um die Sicherstellung der bestmöglichen gesundheitlichen Versorgung der Soldaten.
Über diese allgemeinen Überlegungen hinaus wird die gleiche Forderung zu erheben sein bei der gebotenen Beachtung der Erfahrungen in der Vergangenheit und der Berücksichtigung dessen, was noch unbekannte technische Entwicklungen auf diesem Gebiete uns an Vorbereitungen aufzwingen, von denen wir zwar hoffen wollen, sie im Ernst nie erleben zu müssen, auf die wir uns aber vorbereiten müssen. Wir werden Gelegenheit haben, im Ausschuß diese sehr wichtige Frage in seiner ganzen Breite zu behandeln, und, Herr Verteidigungsminister, ich darf an dieser Stelle sagen: wir werden es, wenn es notwendig ist, mit einer Leidenschaft und einer Härte tun, die nur gute Dinge verdienen. Vielleicht aber verschließt sich der Herr Verteidigungsminister am allerwenigsten diesen Argumenten und gibt schon jetzt nach der Rückkehr in sein „Pentabonn" die Anweisung zur Einleitung erfolgreicher Absetzbewegungen in diesem Punkte.
Ich knüpfte die Bemerkungen über die auch in dem Organisationsgesetz zu regelnde Fürsorge für das leibliche Wohl an die zu begrüßenden Bestimmungen zur Wahrung des seelischen Wohles der Soldaten an. Lassen Sie mich dazu ein Schlußwort sagen. Ich weiß nicht, ob beabsichtigt ist, für das Bundesverteidigungsministerium Abendsprüche oder ein Abendgebet einzuführen. Ich möchte aber dann zu bedenken geben, ob nicht, wie auch vielleicht für uns im Parlament, der Ausspruch des englischen Dichters Meredith sehr geeignet wäre: „Gib uns, o Herr, mehr Klugheit, daß wir nicht die schöne Welt verderben statt gewinnen!"