Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Die Debatte über das Haushaltsgesetz soll vereinbarungsgemäß morgen stattfinden.
Es ist gebeten worden, Punkt 4 der Tagesordnung vorzuziehen und nach Punkt 2 zu beraten.
— Gut, Herr Kunze. Dann können wir die Tagesordnung so lassen, wie sie vereinbart war.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verfahren bei Rüstungsaufträgen .
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Schmidt .
Schmidt (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das erstaunliche Vorkommnis, das die Sozialdemokratie zu ihrer Großen Anfrage bewegt hat, muß Anlaß zur Erörterung der großen Sorgen geben, mit denen die Fachleute aller Fraktionen die rüstungswirtschaftliche, ich möchte sagen: Leichtfertigkeit in Bonn betrachten. Was ist passiert? Um die Handvoll Soldaten des Freiwilligengesetzes einkleiden zu können, hat man alle früheren Proklamationen über marktwirtschaftliche Beschaffung über Bord geworfen. Man hat darauf verzichtet, eine Ausschreibung zu veranstalten, und hat die Aufträge freihändig vergeben. Man hat diese Aufträge an Firmen vergeben, mit denen man schon vorher längere Zeit in Kontakt stand, an Firmen, die schon vorher bei der Entwicklung dieser Uniformen maßgebend mitgewirkt hatten. Diese Entscheidung, auf eine Ausschreibung zu verzichten und statt dessen kurzerhand eine freihändige Vergabe durchzuführen, hat man ohne eine entsprechende Beratung in dem Sechserausschuß getroffen, den das Verteidigungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam gebildet und in dem alle strittigen Fragen und alle Fragen dieser Art entscheiden zu wollen sie sich verpflichtet haben. Statt dessen hat in diesem Falle der Herr Bundesverteidigungsminister einen lakonischen Brief an den Bundeswirtschaftsminister geschrieben: er habe sich veranlaßt gesehen, darauf zu verzichten, und der Herr Bundeswirtschaftsminister hat lakonisch zurückgeschrieben, er könne damit nicht einverstanden sein. Daraufhin hat der Herr Bundesverteidigungsminister öffentlich erklärt, es solle nicht wieder vorkommen.
Nun ist es eine eigenartige Sache mit den öffentlichen und feierlichen Erklärungen des Verteidigungsressorts. Sie werden allmählich zweifelhaft. Das darf man, glaube ich, sagen angesichts der Historie und der Erfahrungen, die wir mit solchen Erklärungen aus dem Verteidigungsressort gemacht haben. Das fing an mit dem überraschenden Entwurf eines Freiwilligengesetzes, der offenbar auch den Verteidigungsminister selbst überrascht hat. Das ging weiter mit der Erklärung über den Grenzschutz, den man nie en bloc übernehmen wollte, und dann war es eines Tages plötzlich anders. Ich bin also außerordentlich skeptisch, ob alle die feierlichen Erklärungen, die wir über den Ablauf der Rüstungswirtschaft gehört haben, nicht vielleicht in ähnlicher Weise eines Tages plötzlich über den Haufen geworfen werden. Die Tatsache, daß man sich bereits am Anfang bei einer so kleinen Quantität — Uniformen, Stiefel, Strümpfe und Schlipse für 6000 Mann — veranlaßt sieht, die feierlichen Proklamationen über den Haufen zu werfen, muß doch wohl bedenklich stimmen.
Was hat der Bundesverteidigungsminister bisher als Entschuldigung angeführt? Erstens — wie immer in diesen Fällen — die außenpolitische Dringlichkeit. Es sei eben, von NATO her gesehen, notwendig gewesen, endlich diese Uniformen vorzuführen. Zweitens hat er angeführt, es handle sich doch nur um so kleine Mengen, für 6000 Mann, das spiele doch keine Rolle. Dem ist zu antworten: erstens hat man ja wohl „seit Jahrenden" — wie man bei uns zu Hause in Hamburg zu sagen pflegt — gewußt, daß man irgendwann für diese Leute Uniformen brauchen würde.