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    2. Deutscher Bundestag - 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1955 6239 117. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1955. Ergänzung der Tagesordnung 6239 D Gedenken der Opfer eines Hauseinsturzes in Frankfurt und des Deckeneinsturzes einer Fabrikhalle in Braunschweig: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6239 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956) (Drucksache 1900) 6240 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6240 A Weiterberatung vertagt 6255 D Unterbrechung der Sitzung . 6255 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Verfahren bei Rüstungsaufträgen (Drucksache 1862, Umdruck 497) 6255 D Schmidt (Hamburg) (SPD), Anfragender . . . ... . . 6256 A, 6261 D, 6269 C Blank, Bundesminister für Verteidigung . . 6261 B, C, D, 6267 D, 6268 A, 6269 D Mellies (SPD) 6261 C Naegel (CDU/CSU) . . . . 6264 B, 6272 A Dr. Atzenroth (FDP) . . . . 6266 A, 6268 B Vizepräsident Dr. Schmid (betr. Fragerecht) 6267 D, 6268 A Wieninger (CDU/CSU) 6268 C Oetzel (CDU/CSU) 6270 A Überweisung des Antrags Umdruck 497 an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Sonderfragen des Mittelstandes, für Fragen der europäischen Sicherheit und an den Haushaltsausschuß 6272 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (Drucksache 1905); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 1935) . . . 6272 B Kunze (Bethel) (CDU/CSU), Berichterstatter . 6272 B Beschlußfassung 6272 C Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Achtundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung) (Drucksachen 1920, 1868) 6272 C Dr. Serres (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 6275 A Kalbitzer (SPD) 6272 D Margulies (FDP) 6273 D Beschlußfassung 6274 A Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Siebenundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Schwefelsäure usw.) (Drucksachen 1930, 1869) 6274 A Dr. Löhr (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 6275 A Beschlußfassung 6274 C Nächste Sitzung 6274 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6274 B Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Achtundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung) (Drucksache 1920) 6275 A Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Siebenundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Schwefelsäure usw.) (Drucksache 1930) . 6275 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 31. März 1956 Mensing 1. März 1956 Dr. Starke 28. Februar 1956 Jahn (Frankfurt) 9. Januar 1956 Moll 1. Januar 1956 Peters 1. Januar 1956 Klingelhöfer 31. Dezember 1955 Neumann 21. Dezember 1955 Feldmann 17. Dezember 1955 Heiland 17. Dezember 1955 Hörauf 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Prinz 17. Dezember 1955 zu Löwenstein Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 17. Dezember 1955 Welke 17. Dezember 1955 Dr. Luchtenberg 16. Dezember 1955 Dr. Reichstein 16. Dezember 1955 Dr. Graf (München) 15. Dezember 1955 Frau Rudoll 15. Dezember 1955 Schröter (Wilmersdorf) 15. Dezember 1955 Frau Albertz 10. Dezember 1955 Dr. Baade 10. Dezember 1955 Gedat 10. Dezember 1955 Eberhard 10. Dezember 1955 Kiesinger 10. Dezember 1955 Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Kriedemann 10. Dezember 1955 Kutschera 10. Dezember 1955 Onnen 10. Dezember 1955 Op den Orth 10. Dezember 1955 Frau Renger 10. Dezember 1955 Brandt (Berlin) 9. Dezember 1955 Gockeln 9. Dezember 1955 Dr. Horlacher 9. Dezember 1955 Keuning 9. Dezember 1955 Leibfried 9. Dezember 1955 Dr. Leverkuehn 9. Dezember 1955 Lücker 9. Dezember 1955 Dr. Menzel 9. Dezember 1955 Morgenthaler 9. Dezember 1955 Scharnberg 9. Dezember 1955 Dr.-Ing. E. h. Schuberth 9. Dezember 1955 Stahl 9. Dezember 1955 Frau Vietje 9. Dezember 1955 Wehking 9. Dezember 1955 Bauknecht 8. Dezember 1955 Dr. Jentzsch 8. Dezember 1955 Kahn-Ackermann 8. Dezember 1955 Dr. Orth 8. Dezember 1955 Frau Pitz 8. Dezember 1955 Pöhler 8. Dezember 1955 Schill (Freiburg) 8. Dezember 1955 Schmitt (Vockenhausen) 8. Dezember 1955 Schmücker 8. Dezember 1955 Dr. Welskop 8. Dezember 1955 Anlage 2 Drucksache 1930 (Vgl. S. 6274 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Siebenundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Schwefelsäure usw.) (Drucksache 1869). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Löhr Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 7. Dezember 1955 mit dem Entwurf einer Siebenundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Schwefelsäure usw.) beschäftigt und einstimmig beschlossen, dem Verordnungsentwurf laut Vorlage der Bundesregierung zuzustimmen. Bonn, den 7. Dezember 1955 Dr. Löhr Berichterstatter Anlage 3 Drucksache 1920 (Vgl. S. 6272 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Achtundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung) (Drucksache 1868). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 6. Dezember 1955 mit dem Entwurf einer Achtundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung) — Drucksache 1868 — in Gegenwart von Vertretern der beteiligten Ministerien befaßt. Es hat zunächst eine Grundsatzdebatte über die Zweckmäßigkeit von kunjunkturpolitischen Zollsenkungen stattgefunden, die erstmalig in der Weise zur Durchführung kommen sollen, daß auf bestimmten ausgewählten Gebieten — Ernährungsgüter, landwirtschaftliche Produktionsmittel, Bauwirtschaft — Zölle linear gesenkt werden. Die Vorlage sieht durchweg eine Halbierung der z. Z. geltenden Zollsätze vor. In der Aussprache hat sich der Ausschuß im Grundsatz zu der Zweckmäßigkeit einer solchen Zollsenkung bekannt. Er hat sich lediglich vorbehalten, zu prüfen, ob die Aufnahme bestimmter Positionen aus allgemeinwirtschaftlichen oder aus handelspolitischen Gründen zweckmäßig erscheint. Vor Eintritt in die Einzeldebatte ist noch die Frage des Inkrafttretens und des Endtermins der Verordnung erörtert worden. Es bestand Einmütigkeit darüber, daß eine Rückwirkung aus technischen Gründen nicht zweckmäßig sei. Aus diesem Grunde konnte der ursprünglich in der Vorlage vorgesehene Termin vom 1. Dezember d. J. nicht beibehalten werden. Der Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums äußerte den dringenden Wunsch, daß die Verordnung noch rechtzeitig vor Weihnachten in Kraft treten solle. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums gab zu bedenken, daß seinem Hause ausreichend Zeit für die Durchführung der gefaßten Beschlüsse gegeben werden müsse. Nach kurzer Aussprache beschloß der Ausschuß, den Zeitpunkt des Inkrafttretens —§ 1 der Verordnung — auf den 10. Dezember d. J. festzusetzen unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß die Verabschiedung im Plenum spätestens am Tage vorher erfolgen werde. Bezüglich des Endtermins der geplanten Zollmaßnahme entstand im Ausschuß eine Diskussion darüber, ob es zweckmäßig sei, zumindest für bestimmte Warengattungen, den Termin über den 30. Juni 1956 hinaus zu erstrecken. Hiergegen wurden regierungsseitig handelspolitische Bedenken mit Rücksicht auf die internationalen Zollgespräche zu Beginn des kommenden Jahres erhoben. Der Ausschuß beschloß daher, es insofern bei der Regierungsvorlage zu belassen. Die sehr eingehende Einzelberatung ergab, daß der Ausschuß nur in wenigen Punkten nicht in Übereinstimmung mit der Regierungsvorlage war. Es handelte sich dabei um die folgenden Positionen (lfd. Nummernfolge der Vorlage — Drucksache 1868 —): 1. lfd. Nr. 2 — Tarifnr. 02 02, Geflügel, nicht lebend, usw. — Hier wurden insbesondere Bedenken von landwirtschaftlicher Seite geäußert, die in einer weiteren Zollsenkung über den derzeitigen Vertragszollsatz hinaus eine Gefährdung der anlaufenden langfristigen Förderungsmaßnahmen zugunsten der deutschen Geflügelwirtschaft erblickte. Der Ausschuß hat mit Mehrheit beschlosen, diese Position aus der Regierungsvorlage zu streichen. 2. lfd. Nr. 13 — Tarifnr. 08 12 D — Pflaumen und Zwetschgen — Hierzu wurde aus der Mitte des Ausschusses beantragt, die Vorlage der Regierung zu streichen, da in einige Gebieten Deutschlands die Erträge der Pflaumen und Zwetschgen so erheblich seien, daß der Absatz gefährdet erscheine. Der Ausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, antragsgemäß zu verfahren, d. h. die Position zu streichen. 3. Aus denselben Gründen wie zu 2. wurde die lfd. Nr. 18 — Tarifnr. aus 20 05 — gestrichen. 4. lfd. Nr. 27 — Tarifnr. 31 03 D - Superphosphate (einfache, doppelte und dreifache) — Zu dieser Position wurde aus der Mitte des Ausschusses der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die bisher vorhandene Preisstabilität durch Einfuhren aus dem Ausland in Frage gestellt werde, insbesondere könnten Einfuhren aus Holland die deutsche Erzeugung gefährden. Der Ausschuß hat sich nach längerer Beratung mit Mehrheit dieser Auffassung angeschlossen und diese Position in der Regierungsvorlage gestrichen. 5. lfd. Nr. 80 — Tarifnr. 73 27 (Rohrformstücke, usw.) B 1 — aus schmiedbarem Guß — Die Aussprache zu dieser Position ergab, daß nicht damit gerechnet werden könne, durch Einfuhren aus dem Ausland den Inlandspreis in günstiger Weise zu beeinflussen. Unter diesen Umständen war nicht anzunehmen, daß der gewünschte konjunkturpolitische Effekt zu erzielen sei. Der Ausschuß beschloß daher, diese Position zu streichen. Zu § 2 erfolgte eine längere Erörterung über die Konsequenzen, die entstehen, wenn die Verord- (Dr. Serres) nung am 30. Juni 1956 außer Kraft tritt. Die Regierung erläuterte hierzu, sie lege Wert darauf, daß sichergestellt werde, daß bei Auslaufen der vorliegenden Verordnung diejenigen Zollsätze wiederhergestellt würden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Verordnung bestanden haben. Werde keine entsprechende Bestimmung in die Verordnung aufgenommen, so entstehe eine gewisse Unsicherheit über die eintretende Rechtslage. Um diese Ungewißheit auszuschalten, habe die Regierung § 2 in die Verordnung aufgenommen. Satz 2 des § 2 gewährleiste, daß Zollsenkungen, die auf Grund anderer Verordnungen in der Zeit zwischen dem 10. Dezember 1955 und dem 30. Juni 1956 auslaufen, von der vorliegenden Verordnung in ihrer Laufzeit nicht berührt werden. In der Schlußabstimmung billigte der Ausschuß für Außenhandelsfragen einstimmig die Verordnung in der von ihm geänderten Fassung. Bonn, den 6. Dezember 1955 Dr. Serres Berichterstatter
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    Es ist die beste soziale Leistung, wenn man den Empfängern von Sozialrente die Sicherheit dafür geben kann, daß die Kaufkraft ihrer Rente unverändert bleibt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es wäre ein trügerisches Spiel, die gewährten Renten auf die Gefahr hin zu erhöhen, daß der wirkliche Wert der Renten nach ihrer Kaufkraft gleichbleibt oder sogar in hohem Maße geschmälert wird. Infolgedessen muß bei allen Sozialmaßnahmen aus sozialen Gründen der Grundsatz gelten, daß sie im Rahmen dessen bleiben, was Währung und Kaufkraft des Geldes gewährleisten. Manche Forderungen, die nach dieser Richtung aufgestellt sind, scheinen mir diese Grenze nicht zu beachten.

    (Abg. Blachstein: Wie ist das bei den Rüstungsausgaben? Wirken die nicht auf die Währung?)

    Ich glaube, man hat z. B. bei der Forderung, die Renten auf 75 % des Arbeitseinkommens zu erhöhen, nicht an den Mehraufwand gedacht, der sich dabei ergeben würde. Geht man in dieser Frage von den durchschnittlichen Nettoeinkommen aus, dann ergibt sich bei einer Rente von 75% dieses Nettoeinkommens bei gleichmäßiger Berücksichtigung der Invaliden- und Altersrente gegenüber dem jetzigen Jahresaufwand in der gesetzlichen Rentenversicherung, der 6,5 Milliarden DM beträgt, bereits eine Erhöhung um weitere 4 Milliarden DM. Eine solche Erhöhung dürfte augenblicklich außerhalb des Bereichs des Möglichen liegen.
    Wenn ich die Grenzen der Möglichkeit betone, so tue ich es gleichzeitig mit der Betonung, daß innerhalb dieser Grenzen, die ich genannt habe — Erhaltung der Währung und Kaufkraft — der gute Wille und der feste Entschluß zu einer Verbesserung unserer Sozialleistungen ungeschmälert bestehen.

    (Abg. Dr. Vogel: Sehr gut!)

    Erhöht worden ist im Rahmen des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte der Ansatz für Kriegsgefangene. Ebenso sind erhöht worden die Kosten für die Suchdienste. Zu den Kriegsfolgen gehören auch die im Bundeshaushalt zum zweitenmal ausgebrachten Mittel zur Durchführung des Kriegsfolgenschlußgesetzes, das dem Hohen Hause bereits vorliegt. Es ist auf weite Sicht mit einer gleichbleibenden Belastung von jährlich 200 Millionen DM gerechnet.
    Eine beträchtliche Mehrbelastung des Bundes wird auch eintreten durch die Novelle zum Bundesergänzungsgesetz, also durch die Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Ich bemerke, daß dieser Gesetzentwurf, nachdem zu den sehr zahlreichen Einwendungen des Deutschen Bundesrats nunmehr Stellung genommen werden konnte, dem Bundeskabinett dieser Tage zugegangen ist und dann nach Beratung dort dem Hohen Hause sofort vorgelegt wird. Im Bundeshaushaltsplan 1956 sind als Leistungen des Bundes hierfür 400 Millionen DM vorgesehen. Das bedeutet gegenüber dem Haushaltsplan 1955 einen Mehraufwand von 240 Millionen DM. Der Gesetzentwurf bringt bekanntlich eine erhebliche Ausdehnung des Kreises der Entschädigungsberechtigten und eine bedeutende Erhöhung der Entschädigungsleistungen. Der Gesamtaufwand für die Durchführung des Gesetzes in der Fassung der Novelle wird damit auf mindestens rund 6,5 Milliarden DM insgesamt steigen. Bis zum 1. April 1956 — der Tag ist als Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle gedacht— wird voraussichtlich etwa eine Milliarde DM ausgezahlt sein. Es ist mit den Finanzministern der Länder in den Vorbesprechungen eine Einigung dahin erzielt worden, daß die im Entwurf vorgesehenen Lasten zur Hälfte auf den Bund und zur anderen Hälfte auf die Gesamtheit der Länder verteilt werden. Damit würden in den kommenden sieben Rechnungsjahren vom Bund insgesamt 2,8 Milliarden DM aufzubringen sein. Dem entspricht der Haushaltsansatz von 400 Millionen DM für das kommende Rechnungsjahr.
    Hierzu tritt ein Posten von 150 Millionen DM für Leistungen auf Grund der Rechtsvorschriften über die Rückerstattung von Vermögen. In den Vorjahren waren hier nur Mittel für Darlehen an Rückerstattungsberechtigte vorgesehen. Der Haushaltsplan für das Jahr 1956 sieht erstmalig Mittel für die Erfüllung rückerstattungsrechtlicher Geldverbindlichkeiten des ehemaligen Deutschen Reiches und gleichgestellter Rechtsträger vor. Der Entwurf eines solchen Gesetzes zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reiches ist im Bundesministerium der Finanzen bereits fertiggestellt und ist mit den Bundesressorts, den Ländern und den Verbänden der Verfolgten in Besprechungen zur Abstimmung.
    Mit diesen Haushaltsansätzen, zu denen noch die vertragsmäßigen Leistungen aus dem Israelabkommen treten, hat die deutsche Bundesrepublik, Bund und Länder zusammen, eine Last von annähernd 12 Milliarden DM übernommen.

    (Hört! Hört!)

    Sicher beweist dies, daß das deutsche Volk den guten Willen hat, das, was in der Zeit eines verbrecherischen Systems an Schaden angerichtet worden ist, im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit wiedergutzumachen.

    (Beifall in der Mitte.)

    In diese Betrachtungen gehört auch ein Wort über die Leistungen aus dem Sondervermögen Ausgleichsfonds. Als nach Kriegsende Millionen Deutscher aus ihrer Heimat vertrieben wurden und ohne Hab und Gut in das ausgeblutete, zusammengebrochene Gebiet der jetzigen deutschen Bundesrepublik gepreßt wurden, schien es eine fast unlösbare Aufgabe zu sein, diesen Millionen Menschen unter den gegebenen Umständen wieder ein lebenswertes Leben zu ermöglichen und ihnen die Hilfe zu geben, die zu geben der deutsche Bruder dem Deutschen verpflichtet ist. Wir dürfen


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    heute wohl mit Stolz bekennen, daß diese Aufgabe erfolgreicher angepackt und zum Teil schon gelöst worden ist, als es damals möglich erschien.
    Wir dürfen aber auch mit Dank anerkennen, daß zum Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft und des deutschen Volkes gerade die Heimatvertriebenen mit ihrem aus der Not geborenen Arbeits- und Unternehmergeist wesentlich beigetragen haben.

    (Beifall.)

    Es ist erfreulich, daß die Leistungen aus dem Ausgleichsfonds an die Geschädigten seit Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes fortlaufend haben gesteigert werden können. Im Jahre des Inkrafttretens des Lastenausgleichsgesetzes, 1952, haben die Auszahlungen des Ausgleichsfonds knapp 1,5 Milliarden DM betragen. Im Jahre 1953 waren es 3,5 Milliarden DM, 1954 rund 4,2 Milliarden DM; für 1955 werden sie mit 4,4 Milliarden DM veranschlagt. Dabei sind für Kriegsschadenrenten im Wirtschafts- und Finanzplan 1955 insgesamt 1 Milliarde DM veranschlagt; es handelt sich hier vorwiegend um Unterhaltshilfe und daneben um Entschädigungsrenten. Für den Wohnungsbau für die Geschädigten sind Auszahlungen in Höhe von nahezu 1,2 Milliarden DM vorgesehen, je zur Hälfte als Wohnraumhilfe und als Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau, daneben ein kleiner Betrag aus dem Härtefonds. Ferner sollen für die landwirtschaftliche Siedlung einschließlich der Darlehen nach § 46 des Vertriebenengesetzes für 1955 280 Millionen DM, für Aufbaudarlehen zur gewerblichen Existenzgründung 302 Millionen DM ausgezahlt werden. Die Auszahlungen für Hausrathilfe sind mit 852 Millionen DM vorgesehen, die nach dem Altsparergesetz und dem Währungsausgleichsgesetz mit 260 Millionen DM. Aus dem Härtefonds sollen insbesondere die Sowjetzonenflüchtlinge berücksichtigt werden. Es stehen hierfür 150 Millionen DM zur Verfügung, zu denen der Bundeshaushalt 1955 50 Millionen DM beisteuert und 1956 voraussichtlich 70 Millionen DM.
    Insgesamt kann also wohl gesagt werden, daß die Leistungen unseres Volkes für Lastenausgleich, Wiedergutmachung, Kriegsfolgenschlußgesetz, Kriegsgeschädigte und für allgemeine soziale Zwecke eine stolze Bilanz zeigen.
    Es war dabei immer Ziel der Finanzpolitik der deutschen Bundesrepublik, dem deutschen Sparer, dem deutschen Rentner und all den Schichten der Bevölkerung, die, ohne große Sachwerte zu besitzen, auf Arbeitseinkommen angewiesen sind, das feste und unerschütterliche Vertrauen in die Beständigkeit der Kaufkraft des Geldes, in die Beständigkeit der Währung zu geben. Es hat nie ein Anlaß bestanden, an dieser Beständigkeit zu zweifeln. Wenn auch unser Notenumlauf seit dem Jahre 1949 stark gestiegen ist, so hat sich diese Steigerung doch in dem Rahmen dessen gehalten, was infolge der Steigerung des gesamten Volkseinkommens notwendig und nützlich gewesen ist. Eine Gefahr für die deutsche Währung besteht nicht, es sei denn, daß die Unvernunft wieder eine ungemessene Lohn- und Preisbewegung erzeugen sollte.

    (Abg. Blachstein: Und die Rüstungsausgaben!)

    — Wenn die Unvernunft, habe ich gesagt, eine solche Preissteigerung zur Folge haben sollte. —
    Einer zuversichtlichen Beurteilung dieses Punktes entspricht auch die Politik der Bundesregierung, insbesondere auch die Devisenpolitik. In engster Zusammenarbeit mit der BdL hat die Bundesregierung auch im abgelaufenen Hauhaltsjahr Schritt für Schritt die Devisenbeschränkungen weiter abgebaut. Sie hat alles getan, was sie aus ihrer eigenen Kraft tun konnte, um die Umtauschbarkeit der Zahlungsmittel zu erreichen.
    Wir sehen heute, daß die umlaufenden Noten zu 100 °/o in Gold und Devisen gedeckt sind und die D-Mark tatsächlich voll umtauschbar in alle Währungen der Welt geworden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir dürfen aber die Augen nicht davor verschließen, daß die letzten Schritte vielleicht auch die schwersten sind. Es besteht immer noch die Dollarlücke. Die Handelsbilanz mit dem Dollarraum ist immer noch nicht ausgeglichen. Auf außenwirtschaftlichem Gebiet ist die Bundesrepublik nicht unabhängig. Bisher hat unsere Ausfuhr einen starken Überschuß über die Einfuhr gehabt. Im dritten Vierteljahr 1955 war die Handelsbilanz ausgeglichen. Der Anteil der deutschen Ausfuhr hat sich zwar weiterhin erhöht, aber die Einfuhr ist 'so rasch gestiegen, daß der Überschuß der Ausfuhr über die Einfuhr in diesem Zeitraum verschwunden ist. Eine Gefahr würde erst dann bestehen, wenn unter dem Einfluß von Lohnerhöhungen und einer übersteigerten Nachfrage im Inland die Preise für Verbrauchs- und Investitionsgüter so steigen sollten, daß die deutsche Ausfuhr nicht mehr wettbewerbsfähig bleibt.
    Die Bundesregierung tut, was in ihren Kräften steht, um eine solche Entwicklung zu verhindern.
    In dem Vertrauen auf die Festigkeit der Währung hat 'die Bundesregierung auch der Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Londoner Schuldenabkommen ergeben, ihr besonderes Augenmerk zugewandt. Durch den Beitritt weiterer Staaten zum Londoner Schuldenabkommen — es sind jetzt 25 Staaten — erweiterte sich der Umfang der Regelung der deutschen Außenschulden. Es sind jetzt bereits 90 % der vom Londoner Schuldenabkommen erfaßten deutschen Auslandsschulden geregelt. Bis zum 31. Juli 1955 wurden für Zinsen und Tilgung — in Deutsche Mark umgerechnet — über 1,7 Milliarden DM von den deutschen Schuldnern an die ausländischen Gläubiger bezahlt. Von diesem Betrag hat die öffentliche Hand etwa zwei Drittel aufgebracht.
    Das Londoner Schuldenabkommen hatte vorerst die Schulden der Stadt Berlin und ihrer Versorgungsbetriebe ungeregelt gelassen. Im Benehmen mit dem Berliner Senat hat die Bundesregierung die Hauptgläubigermächte wissen lassen, daß sie jetzt den Zeitpunkt für gekommen sieht, über die Frage der Regelung auch dieser Schulden zu verhandeln.
    Ein Hauptteil der inneren Schulden als Folge der Währungsumstellung sind die Ausgleichsforderungen. Im Zusammenhang mit der Währungsreform wurden diese Ausgleichsforderungen bekanntlich den Geldinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen gewährt zum Ausgleich ihrer durch andere Werte nicht gedeckten Verbindlichkeiten und zur Ausstattung mit einem gewissen Eigenkapital. Schuldner dieser Ausgleichsforderungen sind der Bund mit rund 8,5 Milliarden DM und die Länder mit rund 12 Milliarden DM. Diese Dek-


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    kungsmittel haben die Währungsreform erst ermöglicht und haben dazu beigetragen, wieder ein geordnetes Geld- und Kreditwesen zu schaffen. Der Gesetzgeber der Währungsreform hat eine Tilgung der Ausgleichsforderungen nicht vorgesehen. Die Bundesregierung hat nunmehr einen Gesetzentwurf über die Tilgung von Ausgleichsforderungen — mit Ausnahme derer des Zentralbanksystems und der Postverwaltung — dem Hohen Haus vorgelegt. Es handelt sich um eine Tilgungsmaßnahme größten Stils, nämlich von rund 12 Milliarden DM. Durch diesen Gesetzentwurf wird praktisch die Währungsreform zu einem gewissen Abschluß gebracht. Es ist das auch ein Beitrag zur Sicherung unserer Währung und ein weiterer Ausdruck des Willens, unser Geld- und Kreditwesen zu festigen und unsere Volkswirtschaft zu sichern.
    Damit im Zusammenhang stehen auch die Maßnahmen der Bundesregierung, den Einfluß der BdL auf die deutsche Kreditpolitik dadurch zu stärken, daß ihr eine sogenannte Offenmarktpolitik ermöglicht wird. Die BdL hat etwa 5,5 Milliarden DM Ausgleichsforderungen. Nach der Ihnen bekannten Vereinbarung mit der Bundesregierung kann die BdL für Zwecke der Offenmarktpolitik hiervon bis zu 2 Milliarden DM nach ihrer Wahl in Schatzwechsel oder unverzinsliche Schatzanweisungen des Bundes, letztere mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren, umtauschen. Die BdL ist der Bundesregierung gegenüber verpflichtet, diese Schatzwechsel und Schatzanweisungen bei Fälligkeit mit Mitteln der BdL einzulösen. Um den entsprechenden Betrag lebt alsdann die Ausgleichsforderung wieder auf. Damit dies nicht durch fiskalische Erwägungen unmöglich gemacht wird, zahlt der Bund auf den Gesamtbetrag der Ausgleichsforderung von rund 5,5 Milliarden DM der BdL weiterhin 3 % Zinsen. Die BdL trägt die Zinsen für die Schatzwechsel und unverzinslichen Schatzanweisungen, die zum Teil über 3 % liegen. Die Zinsausgaben des Bundes bleiben infolgedessen im wesentlichen unverändert. Es wird jedoch durch diese Vereinbarung der Betrag geringer, bis zu dem Kassenguthaben des Bundes und des Ausgleichsfonds in Ausgleichsforderungen verzinslich angelegt werden. Für den Bund und gegebenenfalls den Ausgleichsfonds ergeben sich alsdann nicht unerhebliche Spitzenbeträge, die zinslos bleiben. Der Bund bringt dieses Opfer, um der BdL die Durchführung ihrer notenbankpolitischen Aufgaben zu ermöglichen.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch über einige technische Fragen der Finanzverwaltung sprechen. Es ist in diesem Hohen Hause in den früheren Jahren häufig das Thema der Bundesbeteiligungen angeschnitten worden. Sie finden auch diesmal als Anlage zu den Vorbemerkungen des Haushaltsplans eine eingehende Darstellung der Beteiligungen des Bundes. Ich glaube, daß dieser Teil der Allgemeinen Vorbemerkungen einer besonderen Aufmerksamkeit gewiß sein kann. Er vermittelt Ihnen in besonders ausführlicher Weise ein umfassendes Bild der Entwicklung dieser Beteiligungen in den vergangenen zwölf Monaten. Die erstmalige Aufnahme konsolidierter Bilanzen der Bundeskonzerne und eine eingehende Darstellung der nicht in den Konzernen zusammengefaßten Gesellschaften bedeutet eine wesentliche Ergänzung der in den Vorbemerkungen des Vorjahrs enthaltenen Zusammenstellung. Ich glaube feststellen zu dürfen, daß damit allen berechtigten Wünschen an die Bundesregierung, die Verhältnisse der wirtschaftlichen Unternehmungen des Bundes offenzulegen, entsprochen ist, und zwar in einem Umfang, wie er bisher und anderweit nicht üblich ist.
    Der Bundesfinanzminister ist häufig Angriffen ausgesetzt gewesen, als ob er sich grundsätzlich und ausnahmslos einer Privatisierung von Unternehmen des Bundes, die hierzu geeignet sind, entgegenstelle. Ich glaube, daß diese Behauptung heute nicht mehr aufrechterhalten wird. Der Bundesfinanzminister hat aber immer den Standpunkt vertreten, daß er als getreuer Sachwalter des Bundes und seines Vermögens in eine Veräußerung geeigneter Unternehmen nur dann willigen kann, wenn der dafür gebotene Preis dem vollen Wert dieser Unternehmen entspricht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Sie haben inzwischen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages eine Reihe von Fällen behandeln können und werden sich dabei überzeugt haben, daß jeder Fall sorgsam und ernsthaft zu prüfen ist. Die Gründe sind vielfältig, weswegen der Privatisierung in Zeit und Umfang Grenzen gesetzt sind. Es schweben aussichtsreiche Verhandlungen auch derzeit in verschiedenen Fällen. Ich darf nur auf den Fall der Howaldtswerke Hamburg sowie auf die Verhandlungen über die Betriebe hinweisen, die aus dem Ufa-Vermögen ausgegliedert werden.
    Ebenso wichtig wie die Verwaltung der Bundesbeteiligungen ist die Verwaltung des sonstigen Bundesvermögens, insbesondere der Bundesliegenschaften.
    Wie Ihnen bekannt, werden im Bundesfinanzministerium schon seit längerer Zeit in Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof auch Überlegungen über eine Reform des Haushaltsrechts angestellt. Mitglieder des Haushaltsausschusses dieses Hohen Hauses haben zusammen mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums im Sommer dieses Jahres das Haushaltswesen in den Vereinigten Staaten studiert. Die Kommission hat einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Reise dem Hohen Hause vorgelegt, den ich dem Hohen Hause nur zu einem ernsten und eindringlichen Studium empfehlen kann.
    Am Schluß des Berichts sind die Punkte zusammengefaßt, die nach Ansicht der Kommission im Rahmen einer Reform des Haushaltsrechts behandelt werden sollen. Ich greife nur folgende Punkte heraus:
    Umstellung des Rechnungsjahrs auf das Kalenderjahr,

    (Beifall rechts)

    Abschaffung des außerordentlichen Haushalts, aber Schaffung eines Kapital- oder Investitionshaushalts,
    Mehrjährigkeit gewisser Ausgabeermächtigungen,
    Anpassung der Vorschriften der Haushaltsordnung an die veränderten staatsrechtlichen Verhältnisse,
    Fragen der Vermögensrechnung, des Rechnungsabschlusses, der Beteiligungen des Bundes usw.
    Ich halte diese Fragestellung für richtig und vor allem für durchführbar. Ich weiß, daß darüber hinaus manche Kreise eine umstürzende Reform des Haushaltsrechts überhaupt erwarten. Gerade


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    die geleisteten Vorarbeiten haben aber gezeigt, daß die geltende Haushaltsordnung im allgemeinen zweckmäßig und auch beweglich genug ist, um sich neuen Erfordernissen und Erkenntnissen anzupassen. Den im Vorjahr bei der Debatte des Haushaltsplans geäußerten Wünschen nach einer Gliederung des Haushalts auch nach Funktionen, also nicht nur nach Ministerien usw., sind wir inzwischen nachgekommen. Ihnen liegt, meine Damen und Herren, neben dem Haushalt eine entsprechende Übersicht nach dieser Richtung vor. Es liegt der Gedanke zugrunde, die Finanzplanung, d. h. die richtige Gewichtsverteilung der einzelnen Ausgabegruppen im Rahmen eines ausgeglichenen Haushalts zu erleichtern. Das ist zweifellos eine wichtige Aufgabe. Es bedarf aber dazu wohl kaum einer völlig neuen Gliederung des Haushalts. Es genügt nach meiner Überzeugung, die sich übrigens mit der Auffassung der sachverständigen Herren Amerikafahrer deckt, den Erfordernissen der Finanzplanung durch eine besondere Übersicht neben dem Haushalt Rechnung zu tragen. Wie gesagt, liegt Ihnen ein solcher Funktionenplan, der diesen Gedanken Rechnung trägt, erstmals mit dem heutigen Haushaltsplan vor. Er ist dem Gesamtplan angeheftet, hat ein erläuterndes Vorwort und soll weiter ausgebaut werden.
    Vielleicht könnte man die Vorlage solcher Übersichten neben dem Haushalt in der Haushaltsordnung gesetzlich vorschreiben.
    Die Durchführung einer Reform des Haushaltsrechts setzt aber auch Übereinstimmung mit den Länderfinanzverwaltungen voraus, die bisher die Verschiebung des Etatsjahrs abgelehnt haben. Eine Zersplitterung des Haushaltsrechts würde eine gemeinsame nationale Finanzwirtschaft erschweren oder unmöglich machen.

    (Abg. Schoettle: Ein sanfter Zwang könnte einmal ausgeübt werden, Herr Minister! — Abg. Stücklen: Das machen wir mit!)

    — Wobei ich das Parlament von dieser Stelle aus
    um seine begeisterte Unterstützung bitten möchte!

    (Abg. Schoettle: Die dürften Sie wahrscheinlich haben! — Abg. Stücklen: Sehr gut!)

    Damit, meine Damen und Herren, bin ich mit dem Überblick über den Bundeshaushalt 1956 zu Ende. Ich hoffe, Ihnen den Eindruck vermittelt zu haben, daß der Bundeshaushalt 1956 das ist, was ich ihn nannte: ein Bundeshaushalt, der der Sicherung des Friedens nach innen und der Sicherung des Friedens nach außen dient.
    Ich habe meine Ausführungen begonnen mit einem leisen Bedauern, daß der deutsche Bundesfinanzminister nicht die Möglichkeit hat, wie der britische Schatzkanzler den Bundeshaushalt als ganzes Werk aufzustellen und als ganzes Werk dem Parlament als erstem Hörer zu unterbreiten.
    Darf ich noch einen Vergleich mit dem britischen System der Haushaltspolitik führen. Für die Beratung des Haushalts und für alle Finanzvorlagen im englischen Unterhaus stehen im ganzen Jahr nur 26 Tage zur Verfügung. Es ist Übung und festes Gewohnheitsrecht, daß der Haushalt das ganze Jahr über unverändert bleibt, wenn er einmal beschlossen ist, und daß Anträge im Unterhaus, die ihn verschlechtern, sei es durch Minderung von Einnahmen, sei es durch Erhöhung von Ausgaben, nur mit besonderer Zustimmung der Regierung
    gestellt werden, die j a die Verantwortung für die finanzielle Ordnung des Landes trägt.
    Ich bin überzeugt, daß diesem System in England nicht etwa das Machtstreben der ja wechselnden Regierungen zugrunde liegt, sondern nur der Gedanke, daß eine Demokratie dann gesund ist, wenn sie dem Land auch die innere finanzielle Ordnung gewährleistet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Deutsche Bundestag hat in den letzten Monaten mit der Änderung seiner Geschäftsordnung einen nicht unwichtigen Schritt in ähnlicher Richtung getan. Ich möchte nicht versäumen, hierfür dem Hohen Hause besonderen Dank zu sagen.
    Die deutsche Bundesrepublik grenzt an die Länder jenseits des Eisernen Vorhangs. Im deutschen Volk wird der Geisteskampf zwischen Ost und West ausgefochten, staatspolitisch gesprochen der Geisteskampf zwischen dem Gedanken der Demokratie und dem System des totalitären Staates. Es ist die historische, dem deutschen Volk zugefallene Aufgabe, diesen Geisteskampf zu bestehen, nicht nur um sich, sondern um die Welt zu retten. So klein gelegentlich ein Paragraph der Geschäftsordnung erscheinen kann, so groß kann er in der Bedeutung werden, wenn er als Ausfluß des Geistes der Verantwortung gegenüber dem Ganzen, als Ausfluß des Geistes einer echten Demokratie verstanden wird.
    Ich hoffe, dieser Geist, aus dem der § 96 der Geschäftsordnung nahezu einstimmig vom gesamten Deutschen Bundestag angenommen worden ist, wird dazu beitragen, dem deutschen Volk und der Welt den Beweis dafür zu erbringen, daß die deutsche Demokratie und das deutsche Parlament lebensfähig und unzerbrechlich sind.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Einbringung des Bundeshaushalts 1956 gehört. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden wir jetzt die Sitzung unterbrechen bis heute 15 Uhr. Die Aussprache erster Lesung beginnt morgen vormittag.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung: 12 Uhr 13 Minuten.)

Die Sitzung wird um 15 Uhr 5 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
    Die Debatte über das Haushaltsgesetz soll vereinbarungsgemäß morgen stattfinden.
    Es ist gebeten worden, Punkt 4 der Tagesordnung vorzuziehen und nach Punkt 2 zu beraten.

    (Abg. Kunze [Bethel] : Ist nicht mehr notwendig!)

    — Gut, Herr Kunze. Dann können wir die Tagesordnung so lassen, wie sie vereinbart war.
    Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
    Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verfahren bei Rüstungsaufträgen (Drucksache 1862).


    (Vizepräsident Dr. Schmid)

    Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).
    Schmidt (Hamburg) (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das erstaunliche Vorkommnis, das die Sozialdemokratie zu ihrer Großen Anfrage bewegt hat, muß Anlaß zur Erörterung der großen Sorgen geben, mit denen die Fachleute aller Fraktionen die rüstungswirtschaftliche, ich möchte sagen: Leichtfertigkeit in Bonn betrachten. Was ist passiert? Um die Handvoll Soldaten des Freiwilligengesetzes einkleiden zu können, hat man alle früheren Proklamationen über marktwirtschaftliche Beschaffung über Bord geworfen. Man hat darauf verzichtet, eine Ausschreibung zu veranstalten, und hat die Aufträge freihändig vergeben. Man hat diese Aufträge an Firmen vergeben, mit denen man schon vorher längere Zeit in Kontakt stand, an Firmen, die schon vorher bei der Entwicklung dieser Uniformen maßgebend mitgewirkt hatten. Diese Entscheidung, auf eine Ausschreibung zu verzichten und statt dessen kurzerhand eine freihändige Vergabe durchzuführen, hat man ohne eine entsprechende Beratung in dem Sechserausschuß getroffen, den das Verteidigungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam gebildet und in dem alle strittigen Fragen und alle Fragen dieser Art entscheiden zu wollen sie sich verpflichtet haben. Statt dessen hat in diesem Falle der Herr Bundesverteidigungsminister einen lakonischen Brief an den Bundeswirtschaftsminister geschrieben: er habe sich veranlaßt gesehen, darauf zu verzichten, und der Herr Bundeswirtschaftsminister hat lakonisch zurückgeschrieben, er könne damit nicht einverstanden sein. Daraufhin hat der Herr Bundesverteidigungsminister öffentlich erklärt, es solle nicht wieder vorkommen.
    Nun ist es eine eigenartige Sache mit den öffentlichen und feierlichen Erklärungen des Verteidigungsressorts. Sie werden allmählich zweifelhaft. Das darf man, glaube ich, sagen angesichts der Historie und der Erfahrungen, die wir mit solchen Erklärungen aus dem Verteidigungsressort gemacht haben. Das fing an mit dem überraschenden Entwurf eines Freiwilligengesetzes, der offenbar auch den Verteidigungsminister selbst überrascht hat. Das ging weiter mit der Erklärung über den Grenzschutz, den man nie en bloc übernehmen wollte, und dann war es eines Tages plötzlich anders. Ich bin also außerordentlich skeptisch, ob alle die feierlichen Erklärungen, die wir über den Ablauf der Rüstungswirtschaft gehört haben, nicht vielleicht in ähnlicher Weise eines Tages plötzlich über den Haufen geworfen werden. Die Tatsache, daß man sich bereits am Anfang bei einer so kleinen Quantität — Uniformen, Stiefel, Strümpfe und Schlipse für 6000 Mann — veranlaßt sieht, die feierlichen Proklamationen über den Haufen zu werfen, muß doch wohl bedenklich stimmen.
    Was hat der Bundesverteidigungsminister bisher als Entschuldigung angeführt? Erstens — wie immer in diesen Fällen — die außenpolitische Dringlichkeit. Es sei eben, von NATO her gesehen, notwendig gewesen, endlich diese Uniformen vorzuführen. Zweitens hat er angeführt, es handle sich doch nur um so kleine Mengen, für 6000 Mann, das spiele doch keine Rolle. Dem ist zu antworten: erstens hat man ja wohl „seit Jahrenden" — wie man bei uns zu Hause in Hamburg zu sagen pflegt — gewußt, daß man irgendwann für diese Leute Uniformen brauchen würde.