Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen im Namen der Bundesregierung den Haushaltsplan des Bundes für das Rechnungsjahr 1956/57 vorzulegen. Der Haushaltsplan wird von der Bundesregierung auch in diesem Jahr einen Monat vor der vorgeschriebenen Zeit, also so rechtzeitig vorgelegt, daß die Verabschiedung des Haushaltsplans zu dem im Grundgesetz vorgesehenen Zeitpunkt möglich sein sollte.
Ich darf daran erinnern, daß es in den ersten Jahren seit Bestehen der Bundesrepublik eine besonders schwere Aufgabe war, diese Vorlagefristen einzuhalten. Es hat auch in diesem Jahre einer sehr angestrengten Arbeit aller Beteiligten bedurft, um den Haushaltsplan wieder in der gewünschten übersichtlichen Form vorzulegen, und ich darf die Gelegenheit benützen, um von dieser Stelle aus allen an diesem Werk Beteiligten den Dank für die große Arbeitsleistung auszusprechen.
Ich habe in den früheren Jahren schon immer betont, daß es mein Wunsch wäre, den Haushaltsentwurf als erstem dem Deutschen Bundestag bekanntzugeben. Daß dies nicht möglich ist, ergibt sich aus der im Grundgesetz vorgesehenen Regelung des Weges unserer Gesetzgebung.
Ich denke etwas mit Neid an das Gewohnheitsrecht, das sich in Großbritannien nach dieser Richtung hin entwickelt hat. Der britische Schatzkanzler stellt nach Besprechungen mit den Ressorts den Haushaltsplan im Entwurf auf und teilt ihn dem britischen Kabinett an dem Vormittag des Tages mit, an dem am Nachmittag die Bekanntgabe des Haushalts mit allen damit verbundenen steuergesetzlichen Regelungen im englischen Unterhaus stattfindet.
Das ist in England die Praxis; sie ist in der deutschen Bundesrepublik nicht möglich. Das Grundgesetz schreibt vor, daß der Haushalt zuerst dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt wird. An dem
Tag, an dem er dem Bundesrat mitgeteilt wird, wird er ebenso wie alle anderen Vorlagen der Öffentlichkeit bekannt. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, daß der Bundesfinanzminister am gleichen Tag auch der Öffentlichkeit einen Überblick über den dem Bundesrat zugeleiteten Haushaltsentwurf geben muß. Diese Übung, die nun schon mehrere Jahre im Gange ist, hat Kritik — und nicht ganz unberechtigt — gefunden. Aber sollte der Bundesfinanzminister die Bekanntgabe Leuten überlassen, die vielleicht weniger dazu berufen und weniger dazu geeignet sind?
Ich möchte aber natürlich die Gelegenheit der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes benutzen, um dem Deutschen Bundestag ein besonders geschlossenes Bild der Finanzlage, insbesondere der politischen Grundgedanken, die im jeweiligen Haushalt zum Ausdruck kommen, zu geben.
Auch in den früheren Jahren habe ich den jeweiligen Haushalt unter ein besonders kennzeichnendes Wort gestellt. Ich darf dies auch heute versuchen. Dieses Wort müßte wohl heißen: „Haushalt der Sicherheit nach innen und nach außen". Ich will das kurz begründen.
Der Haushalt 1956/57 trägt ein besonderes Gepräge. Er ist schon, bevor er geboren wurde, in der Öffentlichkeit stark umstritten worden, nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Konjunktur, sondern insbesondere mit der These, daß die Kassen des Bundes ja übervoll seien und daß deshalb die Möglichkeit zu großen Steuersenkungen und zu großen Erhöhungen von Ausgaben bestehe. Lassen Sie mich nun zunächst hierzu ein grundsätzliches Wort sagen: Die Finanzpolitik hat zu dienen. Sie hat dem Staatsganzen zu dienen; sie hat die Aufgabe, die Mittel zu beschaffen, die notwendig sind, um diejenige Staatspolitik zu ermöglichen, zu der sich Parlament und Regierung entschlossen haben.
Der Haushaltsplan 1956 ist nun der erste Haushalt, den die deutsche Bundesrepublik nach dem Tag der Wiedererlangung der Souveränität unseres Staatswesens vorlegt. Es ist der erste Haushalt, den die Bundesregierung nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge vorlegt. Sie übermittelt ihn diesem Hause in den Tagen nach der zweiten Genfer Konferenz, nachdem wohl überall klargeworden ist, daß die russische Großmacht ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands jetzt nur geben würde, wenn das vereinigte Deutschland den Weg der Bolschewisierung des gesamten deutschen Volkes ginge. Sie legt ihn vor in einer Zeit, in der es für das deutsche Schicksal entscheidend sein wird, ob das Volk diesem Druck standhalten und in Gemeinschaft mit den freien Mächten der Welt der russischen Großmacht die Überzeugung beibringen kann, daß alle Versuche zu einer Bolschewisierung Deutschlands ergebnislos sind und immer sein werden.
Entscheidend wird ferner sein, ob der Zusammenhalt unter den Mächten der freien Welt sich als unerschütterlich erweist.
Dies alles hat aber zur Voraussetzung — was auch einmal der Finanzminister klar aussprechen muß —, daß die deutsche Bundesrepublik die Verpflichtungen, die sie auf sich genommen hat, um die Hilfe der Mächte der freien Welt für das Ziel einer friedlichen Wiedervereinigung des freien Deutschlands zu erhalten, auch erfüllt. Dem Ziel der Sicherung unseres Staates nach außen, dem
Ziel, ein wiedervereinigtes Deutschland mit freier Selbstbestimmung seines Schicksals zu erhalten, hat auch die deutsche Finanzpolitik zu dienen. Sie hat daher die Mittel aufzubringen und zu sichern, die notwendig sind auf diesem Wege.
In der gleichen Überzeugung hat die Bundesregierung schon in den vergangenen Jahren dem deutschen Parlament vorgeschlagen, in den Haushalt den Betrag von 9000 Millionen DM als deutsche Verteidigungsleistung einzusetzen. Dieser Betrag tritt an die Stelle der Besatzungskosten, die in den Jahren vor der deutschen Souveränität jährlich mit etwa 7200 Millionen DM in unseren Haushaltsrechnungen erschienen sind. Der Betrag von 9000 Millionen DM war, wie Sie wissen, auch in den früheren Jahren im Bundeshaushaltsplan als deutscher Verteidigungsbeitrag für den Fall vorgesehen, daß die EVG während des Haushaltsjahres ins Leben treten sollte. Nunmehr sind an Stelle der EVG die Pariser Verträge in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat den gleichen Betrag wie damals eingesetzt und glaubt, damit auch den Verpflichtungen, die sie in den Pariser Verträgen übernommen hat, voll zu entsprechen. Sie glaubt, damit eine Leistung zu vollbringen, die der Leistung aller anderen Mitgliedstaaten, gemessen an ihrer Leistungskraft, gleichkommt. In den nächsten Tagen wird die Konferenz der NATO-Mitgliedstaaten in Paris zusammentreten, die die Empfehlungen für die Verteidigungsleistungen der einzelnen Mitgliedstaaten, diesmal und erstmals auch der deutschen Bundesrepublik, aussprechen wird. Die Leistungen, die die deutsche Bundesrepublik zu vollbringen hat, sind bekanntlich keine Geldzahlungen an die Kasse einer übernationalen Gemeinschaft, von der dann die Mittel für die Aufstellung der Streitkräfte bestritten würden. Wir haben vielmehr selbst die Verpflichtung übernommen, Streitkräfte bestimmter Zahl und bestimmter Ausrüstung mit eigenen Mitteln aufzustellen. Ich bin der Hoffnung, daß alle übrigen NATO-Mitgliedstaaten sich überzeugen werden, daß der in diesem Haushalt vorgesehene Betrag für diese Zwecke ausreichend ist. Es darf nie vergessen werden, daß im deutschen Haushalt auch große Ausgaben wie z. B. für die Besatzungskosten der Stadt Berlin, für die Versorgung früherer Wehrmachtangehöriger, für Bereitschaftspolizei, Grenzschutz etc. sich befinden, die anrechnungsfähige Verteidigungsausgaben darstellen, wie sie zum Teil in den Wehrhaushalten anderer Länder unmittelbar enthalten sind. Ferner ist nicht zu vergessen, daß neben anderen auch die große Hilfe, die die deutsche Bundesrepublik der Stadt Berlin gewährt, hier mit zu veranschlagen ist. Diese Hilfe wird gegeben, um die seelische Widerstandskraft der Bevölkerung der Stadt Berlin aufrechtzuerhalten und damit den Frieden nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt zu sichern.
Nachdem dieser politische Weg nun feststeht, kann eine Haushaltsdebatte natürlich keinen Anlaß geben, die Frage aufzuwerfen, ob er richtig ist. Sie kann höchstens zu einer Aussprache darüber führen, ob die zur Verfügung gestellten Mittel ausreichen, zuviel oder zuwenig sind.
Die Ausgaben auch auf dem Verteidigungsgebiet treten nur in Kraft nach Bewilligung durch das deutsche Parlament. Auch Empfehlungen, die die NATO-Konferenz ausspricht, sind keine Bindung des Parlaments. Aber es besteht in diesem Hause wohl Klarheit darüber, welche politischen Folgen eintreten würden, wenn finanzielle Bedenken dazu führen sollten, die außenpolitischen Notwendigkeiten anders zu sehen oder gar zu verneinen.
Hierzu darf ich noch ein weiteres Wort sagen. Es ist klar, daß die Aufstellung der deutschen Streitkräfte und die Erfüllung der Verpflichtungen aus den Pariser Verträgen einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch nehmen werden. Sie bedeuten eine schwere Belastung des deutschen Volkes, wie auch die Besatzungskosten bisher eine solche schwere Belastung bedeutet haben. Es ist nun zuzugeben, daß sich die Ausgaben nicht völlig gleichmäßig auf den für die Aufstellung der Streitkräfte notwendigen Zeitraum verteilen können. Vielmehr ist damit zu rechnen, daß in der Anlaufzeit die Ausgaben geringer sind, um in den späteren Jahren Spitzen zu erreichen, die für das einzelne Jahr zu überhohen Belastungen führen würden, wenn nicht vorausschauend auch finanzpolitisch für diese Jahre vorgesorgt würde.
Wir würden das Vertrauen der Welt in das deutsche Wort erschüttern, wenn wir zwar erklärten, daß wir bereit sind, unsere Verpflichtungen voll zu erfüllen, wenn wir aber nicht auch die Mittel, die wir für die Erfüllung dieser Verpflichtungen jetzt aufbringen können, dafür sicherstellten. Wollen wir die Belastung des deutschen Volkes aber gleichmäßig und damit für die deutsche Steuerkraft und die deutsche Wirtschaft tragbar gestalten, dann müssen wir es in Kauf nehmen, daß wir in den ersten Jahren die Mittel, die wir für diesen Zweck sichern, nicht auch schon voll ausgeben können. Dafür brauchen wir in den folgenden Jahren nicht übermäßig große Lasten aufzubringen, Lasten, die wir andernfalls der deutschen Steuerkraft und der deutschen Wirtschaft zusätzlich zumuten müßten.
Gegen diese nach meiner Überzeugung klare und einfache Überlegung wenden sich nun Behauptungen, die in der Öffentlichkeit aus leicht erklärlichen und nicht immer uneigennützigen Beweggründen erhoben worden sind. Ich habe neulich in einer Sitzung des Bundesrats das Wort gehört: „Sorgt zuerst dafür, daß alle Schulen und Krankenhäuser gebaut werden können, und dann baut erst Kasernen!" Ich kann das Wort auch anders benennen. Es könnte lauten: „Denkt zuerst an die Wünsche der Länderhaushalte und dann erst an das, was die Sicherung der deutschen Bundesrepublik nach außen erfordert!"
Von anderer Seite ist erklärt worden, man möge gerade die sogenannten „Ersparnisse" des Verteidigungshaushalts dazu verwenden, große Steuersenkungen durchzuführen oder auch große Aufgaben zu beschließen. Man könne es ja dann der späteren Zeit überlassen, die Aufwendungen, die für die deutsche Verteidigung und die Sicherung nach außen notwendig sind, aufzubringen. Schließlich ist auch gesagt worden, daß es eine finanzielle Vorsorge dieser Art gar nicht gebe und daß sie volkswirtschaftlich nicht an ihr Ziel gelangen könne.
Meine Damen und Herren, dazu zunächst ein Beispiel aus der Vergangenheit! Der deutsche Bundesfinanzminister ist schon im vorigen Jahr aus dem gleichen Grund wie jetzt heftigen Angriffen ausgesetzt gewesen. Es hat sich damals um den sogenannten Überhang an Besatzungskosten gehandelt, Die Besatzungsmächte durften Besatzungs-
kosten anfordern bis zu einem Höchstbetrag von 7200 Millionen DM jährlich. Es war damals schon unsicher, ob sich dieser Betrag jährlich auch wirklich zweckmäßig verwenden ließe. Deshalb war in den Verträgen die Bestimmung enthalten, daß die Alliierten aus dem, was von den 7200 Millionen DM Höchstbetrag nicht verwendet würde, die notwendigen Mittel entnehmen könnten, um die Verpflichtungen zu erfüllen, die sie vor dem Tag der Souveränität eingegangen waren, die aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Zahlung erledigt waren.
Die Besatzungsmächte haben in der Vergangenheit von den Besatzungskosten rund 4020 Millionen DM weniger verbraucht, als ihnen zustand. Wir haben diesen Unterschiedsbetrag mit Zustimmung dieses Hauses auf einem besonderen Konto festgelegt, weil wir wußten, daß vom Tag der Souveränität an diese Gelder verwendet werden müssen, um die von den Alliierten bis dahin eingegangenen Verpflichtungen zu bezahlen. Es handelt sich dabei um die Bezahlung der Lieferungen und Leistungen, die die deutsche Wirtschaft an die Besatzungsmächte auf Grund des Besatzungsstatuts gemacht hat. In dem vorliegenden Haushalt sehen Sie als Restbetrag des Überhangs an Besatzungskosten für das Jahr 1956 noch einen Betrag von 1620 Millionen DM, zu dem noch ein Betrag von 800 Millionen DM restlicher Stationierungskosten aus dem Jahre 1955 hinzukommt. Beide stehen im außerordentlichen Haushalt, und es steht ihnen ein Einnahmeposten in gleicher Höhe gegenüber als Abhebung von dem Konto, das für diesen Zweck angelegt wurde. Dieses Konto war also nie für den deutschen Finanzminister für irgendeinen anderen Zweck verfügbar, weder für Steuersenkungen noch für Ausgabenerhöhungen!
Wenn das Konto bei Inkrafttreten der Verteidigungsverträge nicht zur Verfügung gestanden hätte und wenn diese restlichen Besatzungskosten aus früherer Zeit heute bezahlt und aufgebracht werden müßten, würde dem Bundeshaushalt eine Einnahme von 2420 Millionen DM fehlen, und es wäre unmöglich, neben den anderen Verpflichtungen hierfür eine Deckung ohne eine zusätzliche Belastung des deutschen Steuerzahlers zu beschaffen.
Ich glaube also, daß sich diese vorausschauende und aus dem Zwang der Umstände geborene Überlegung gelohnt hat. Man sieht das heute auch überall ein. Man will nur bestreiten, daß das Ganze planmäßig war. Mir genügt, daß es richtig war.
Wir haben in der gegenwärtigen Zeit ein zweites, unmittelbares ähnliches Beispiel in Gestalt der Stationierungskosten. Die Stationierungsmächte haben das Recht, im Jahre 1955 von der deutschen Bundesrepublik 2968 Millionen DM anzufordern. Sie haben davon bis November erst rund 854 Millionen DM verausgabt. Die Vereinbarungen mit den Stationierungsmächten sehen aber vor, daß die Bundesrepublik die am Schluß des ersten deutschen Verteidigungsjahres, also am 5. Mai 1956 nicht in Anspruch genommenen Stationierungskosten für ein weiteres Jahr zur Verfügung halten muß. Wir müssen im Rechnungsjahr 1955 infolgedessen mit einem nicht ausgegebenen Rest an Stationierungskosten von schätzungsweise 800 Millionen DM rechnen. Dieser Betrag ist in dem oben erwähnten Betrag von 2420 Millionen DM altem Überhang an Besatzungskosten und neuem Überhang an Stationierungskosten enthalten.
Weder über den Betrag von 1620 Millionen DM restlicher Besatzungskosten noch über den Betrag von 800 Millionen DM restlicher Stationierungskosten hätte der Bundesfinanzminister je für andere Zwecke verfügen können. Das gleiche gilt jedoch auch bezüglich des Betrages, der als Verteidigungsbeitrag nun in den Haushalt eingesetzt ist. Falls etwa dieser Betrag im nächsten Rechnungsjahr nicht voll verbraucht wird, ebenso wie der im laufenden Jahr für eigene Verteidigungsstreitkräfte vorgesehene Betrag von rund 5,2 Milliarden DM in diesem Jahr nicht voll verbraucht werden kann, handelt es sich hier nicht um „echte" Ersparnisse. Ich muß das mit allem Nachdruck klarstellen. Echte Ersparnisse sind nur solche, die frei verfügbar sind und für andere Zwecke verwendet werden können. Würde die deutsche Bundesrepublik das aber tun, dann würde sie, wie gesagt, das Vertrauen der Welt in ihre feste Zusage und in ihren Willen verlieren, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Sie würde aber gar nicht in der Lage sein — und das scheint mir nun entscheidend zu sein —, in späteren Jahren das nachzuholen, was sie jetzt versäumt hat.
So wie beim Überhang an Besatzungskosten und Stationierungskosten von Anfang an nicht nur feststand, daß sie aufgebracht werden müssen, sondern auch der Zeitraum, bis wann sie aufgebracht werden müssen, so steht auch bei den Verteidigungsleistungen von vornherein fest, daß sie aufgebracht werden müssen, und es kann heute nach den Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, auch der Zeitraum bestimmt werden, bis zu dem sie aufgebracht sein müssen. Steuersenkungen aber in dem Bewußtsein zu machen, sie in späteren Jahren, und zwar in verhältnismäßig kurzer Zeit, durch viel größere Steuererhöhungen ausgleichen zu müssen, wäre psychologisch unsinnig.
Wegen einer einmaligen und zeitlich sehr kurzen Minderung von Ausgaben etwa andere Ausgaben zu beschließen, die von Dauer und unwiderruflich sind, wäre noch weniger zu verantworten.
Der Bundesfinanzminister ist übrigens in diesen ganzen Fragen der Überzeugung, daß die Lasten, die sich um der Verteidigung, um der Sicherung nach außen willen ergeben, auch für die deutsche Wirtschaft tragbar sind.
Ich darf nur darauf verweisen, daß wir bisher Besatzungskosten von 7200 Millionen DM zu tragen hatten und daß der Unterschied zwischen der Höhe des Verteidigungsbeitrags und diesen alten Besatzungskosten 1800 Millionen DM beträgt. Ich darf weiter darauf verweisen, daß es infolge des Steigens unseres Volkseinkommens — und nur deswegen — trotzdem möglich ist — ich werde noch darauf zu sprechen kommen —, große und nicht nur vorübergehende Steuererleichterungen zu geben, und ich darf schließlich im Haushalt selbst auf die sozialen Leistungen des deutschen Volkes aufmerksam machen, die nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar vermehrt werden konnten.
Ich halte es für töricht, wenn von anderer Seite gesagt wird, es widerspreche den gesunden Grundsätzen einer finanzwirtschaftlichen Konjunkturpflege, die Mittel für die Verteidigung zu einem entsprechenden Teilbetrag schon in diesem Jahr
zu sichern. Der Finanzminister des Bundes muß erklären, daß er nicht aus Gründen einer Überlegung für die Konjunktur, sondern um der Lebensnotwendigkeit des deutschen Volkes willen handelt. Er legt nicht aus falschen konjunkturpolitischen Erwägungen einen Schatz in den „Spandauer Turm", wo er dann generationenlang liegenbleiben soll. Es handelt sich überhaupt nicht um gewollte Geldstillegungen. Selbstverständlich habe ich mir ebenso wie die deutsche Bundesregierung Gedanken darüber gemacht, welches die Folgen für die deutsche Wirtschaft sein werden, sobald die Mittel, die für Verteidigungszwecke bereitgestellt sind, auch zur wirklichen Verwendung kommen, und in welchem Tempo dies zu geschehen hat. Aber ich weiß, daß die Vorstellung, diese Mittel würden schlagartig und zusätzlich in die deutsche Wirtschaft geworfen, völlig unrichtig ist. Ich weiß, daß es möglich sein wird, im Rahmen einer gesunden Zahlungsbilanz auch die Produktion des Auslandes zur Verfügung gestellt zu erhalten, und ich bin mit der Bundesregierung der Überzeugung, daß diese Zukunftsfrage ohne Erschütterung der deutschen Wirtschaft gelöst werden kann und wird. Ich muß aber heute davon ausgehen, daß die für Verteidigung vorgesehenen Mittel ihrem Zweck gesichert bleiben müssen und daß sie für andere Zwecke nicht verwendbar sind. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß für andere Zwecke nur verwendbar bleibt, was der Bundeshaushalt an Einnahmen, die nicht für Verteidigungszwecke zu sichern sind, übrig hat.
Aber bevor ich diesen Punkt verlasse, möchte ich noch etwas anderes ganz klar herausstellen: Wenn der Haushalt am heutigen Tag alle fälligen Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber den Alliierten erfüllen und ferner dem Bundesverteidigungsminister seine 2,5 Milliarden DM auf den Tisch legen müßte, würde das Geld in unserem „Spandauer Turm" dazu nicht ausreichen; es würden trotz der guten Einnahmen im laufenden Jahr daran etwa bis zu 1 Milliarde DM — ohne die Restverpflichtungen aus dem Vorjahr — fehlen.
Das ist die Haushaltswirklichkeit, wenn sie auch überall, wie ich annehme, sehr ungern gehört und gesehen wird.
Ich sprach bisher von der Aufgabe des Bundeshaushalts, die Mittel für die äußere Sicherung zur Verfügung zu stellen. Ich habe schon erwähnt, daß ich dies für möglich halte, ohne die Sicherung nach innen zu gefährden. Ich habe erwähnt, daß die sozialen Leistungen des deutschen Volkes aufrechterhalten bleiben, sogar gestärkt werden. Es ist ferner selbstverständlich, daß die finanzielle Ordnung oberstes Ziel der deutschen Finanzpolitik bleibt.
Man muß hier die Dinge bei ihrem Namen nennen. Steuerpolitik hat nicht die Aufgabe, dirigistisch in die Wirtschaft einzugreifen. Wer das dem Bundesfinanzminister unterschiebt, tut ihm sehr unrecht. Steuerpolitik hat die Aufgabe, in gerechter Weise die Mittel für die Ausgaben des Staates aufzubringen.
Aber bei dem großen Anteil, den nun einmal die Abgaben an die öffentliche Hand in all ihren Formen an dem Bruttosozialprodukt haben, würde der Steuerpolitiker schlecht handeln, der sich nicht bewußt wäre, daß die Steuerpolitik auch so gehandhabt werden muß, daß sie möglichst gerecht und für die Wirtschaft möglichst tragbar ist.
Seit dem Sommer dieses Jahres beschäftigen sich fast alle europäischen Länder mit dem Wort von den Gefahren der Konjunkturentwicklung, und wir haben uns ja auch in der Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin am 17. Oktober darüber unterhalten. Sie haben das Programm der Bundesregierung gehört. Es spiegelt sich im Haushalt wider. Ich habe mich kürzlich mit einer britischen Wirtschaftsjournalistin unterhalten, die an mich die Frage richtete, wie es denn komme, daß wir in Deutschland, die wir doch ungefähr dieselben Erscheinungen hätten, wie sie sich in Großbritannien zeigten, ganz andere Wege gingen als Großbritannien. Dort würden nicht nur die Mittel der Kreditpolitik — Erhöhung des Diskontsatzes, Einschränkung der Kredite, insbesondere auch gegenüber den Gemeinden — eingesetzt, sondern es würde insbesondere eine Steuervorlage gemacht, die das Ziel habe, den Inlandsverbrauch stark durch Steuererhöhungen zu drosseln, um die Ausfuhr möglichst steigern zu können und damit die Zahlungsbilanz des Landes günstig zu beeinflussen. Ich habe ihr zur Antwort gegeben, daß nicht nur jedes Land nach seinen Verhältnissen handeln muß, sondern daß wir uns vielleicht auch dadurch unterscheiden, daß wir nicht Wirtschaftsprinzipien um dieser selbst willen zu Tode reiten wollen, sondern daß wir von Fall zu Fall nach den jeweiligen Gegebenheiten vorzugehen wünschen.
Sie finden im Bundeshaushalt die verschiedensten Wege, die die Bundesregierung zu gehen vorschlägt. Einmal den Versuch, die öffentlichen Ausgaben, insbesondere die Bauausgaben, in einem vernünftigen Maß zu halten mit dem Ziel eine weitere Übersteigerung der Baukosten zu verhindern. Sie finden bei verschiedenen Ansätzen im Bundeshaushalt, insbesondere solchen, die Bauzwecken dienen, Sperrvermerke, die die Möglichkeit geben sollen, wenn Gefahren auftreten, hier einzugreifen. Sie sehen ferner aus dem Bundeshaushalt, daß die Bundesregierung Lohn-, Gehalts- und Rentenerhöhungen nicht etwa schlechthin abweist, aber sie in einem Maß halten will, daß möglichst Preiserhöhungen in der privaten Wirtschaft und Steuererhöhungen in dem öffentlichen Haushalt vermieden werden. Sie finden also das Bestreben, einer Übersteigerung des Konsums entgegenzutreten, finden auf der andern Seite aber auch Ansätze, die eine Verbrauchsteuersenkung und sonstige Steuersenkungen ermöglichen sollen, obwohl damit die Nachfrage nach Verbrauchsgütern in bestimmtem Umfange gesteigert wird. Ich hoffe, Sie gewinnen daraus den Eindruck, daß die Bundesregierung zwar den Gefahren, die in allen Ländern, auch in der Bundesrepublik, sich zeigten, rechtzeitig entgegentreten wollte, daß sie aber auch nicht in nervöser Hast und Unruhe mit diesen Maßnahmen über das Ziel hinausschießen wollte.
Etwas, was ich schon in Berlin vor Ihnen darlegte: Als die Bundesregierung ihre Arbeit im Jahre 1949 übernahm, waren die Sorgen, die vor uns standen, andere, nämlich die, Arbeitsplätze zu schaffen und die Millionen Menschen, die in Deutschland wohnten und nach Deutschland hereinströmten, auch zu beschäftigen, ihnen ein lebenswürdiges Leben zu gewähren und die soziale Not zu bannen. Ich glaube, wir dürfen sagen, daß wir den Erfolg hatten, daß das Gespenst der Arbeitslosigkeit verschwunden ist, daß die deutsche
Wirtschaft wieder blüht und das Volkseinkommen stark gestiegen ist. Jeder Bevölkerungsteil hat an dem größer gewordenen Volkseinkommen seinen Anteil erhalten;
aber es hat sich jetzt eine Gefahr gezeigt. Es finden bekanntlich in einem Volk immer soziologische Verschiebungen statt, und der Anteil des einzelnen an dem gesamten Volkseinkommen wechselt. Bei allen Lohn- und Gehaltsbewegungen wird heute nicht so sehr die Behauptung vorgetragen, daß gestiegene Lebenshaltungskosten die Lohnforderungen neu begründeten, vielmehr die Behauptung, daß andere Teile des deutschen Volkes einen größeren Hundertteil an dem gesamten Volkseinkommen erworben hätten und daß man infolgedessen auch einen größeren Hundertteil an dem Volkseinkommen haben müsse. Eine solche Entwicklung würde aber mit Sicherheit dazu führen, daß der Kuchen Bruttosozialprodukt nicht mehr aus 100 Hundertteilen, sondern aus 150 oder mehr Hundertteilen bestehen müßte; und ein solcher Kuchen ist noch nie gefunden worden.
Die Bundesregierung mußte daher dafür sorgen, daß diese Bewegungen in einem gesunden Maße bleiben. Das zeigt sich im Bundeshaushalt schon in der Frage der Löhne und Gehälter. Beispielsweise finden Sie im Bundeshaushalt 1956, daß bei den Personalausgaben für Besoldungs- und Gehaltsverbesserungen lediglich rund 150 Millionen DM zusätzlich enthalten sind. Von diesem Betrag entfallen 130 Millionen DM auf das Bundesbesoldungsgesetz, und zwar auf der Grundlage des Gesetzentwurfs, der inzwischen auch vom Bundesrat verabschiedet und in seinen Grundzügen gebilligt worden ist. In wirtschaftlicher Hinsicht sieht der Entwurf eine Anhebung der Grundgehälter der Beamten auf 150 % des Standes von 1927 vor. Gewisse zusätzliche Verbesserungen bringt er für junge Beamte und für Beamte mit Kindern. Ebenso ist eine entsprechende Hebung der Versorgungsbezüge und der Übergangsbezüge des Personenkreises nach Art. 131 des Grundgesetzes vorgesehen. Ein weiterer Betrag von 20 Millionen DM ist für gewisse Erhöhungen der Angestelltenvergütungen und der Arbeiterlöhne eingesetzt. Die Tarifverhandlungen darüber haben letzten Dienstag, also vorgestern, ihren vorläufigen Abschluß gefunden, dem der im Haushalt vorgesehene Betrag ungefähr entspricht. Ich darf hier übrigens darauf verweisen, daß -die Bezüge für Angestellte und Arbeiter bereits in den Tarifverträgen vom Dezember 1954 eine Hebung erfahren hatten. Es ist bekannt und wohl nicht überraschend, daß die Forderungen der Beamtenverbände und der Tarifpartner über das hinausgehen, was der Regierungsentwurf eines Bundesbesoldungsgesetzes vorgesehen hatte.
Die Bundesregierung muß an dem Grundsatz festhalten, daß Lohnbewegungen, die zu Preiserhöhungen und Gehaltserhöhungen, die zu Steuererhöhungen führen, in sich wirkungslos verpuffen, da sie den Reallohn und das Realgehalt nicht steigern, sondern dann nur eine trügerische Ziffer bedeuten.
Sie wissen vielleicht auch schon, daß im Bundeshaushalt für Verbesserungen von sozialen Leistungen, von Einzelheiten ganz abgesehen, mit einem Betrag von 350 Millionen DM gerechnet ist. Aber ich komme zu gewissen grundsätzlichen Fragen unseren Sozialhaushalts später.
In dem Ihnen vorliegenden Haushaltsentwurf ist, wie Ihnen bekannt ist, Vorsorge für gewisse Steuersenkungen getroffen, auf die ich nun eingehen darf. Auf dem Gebiet der Ertragsteuern ist an eine Verbesserung der sogenannten Ehegattenbesteuerung gedacht — die entsprechende Denkschrift liegt Ihnen bereits vor —, ebenso an eine Erhöhung des Pauschales für Werbungskosten bei Lohn- und Gehaltsempfängern. Beide zusammen bringen einen Ausfall von 775 bis 800 Millionen DM, wovon auf den Bundeshaushalt allein etwa 280 Millionen DM entfallen. Auf die Einzelheiten dieser Denkschriften, die einer Beratung in diesem Hohen Hause unterworfen werden sollen, ist hier wohl nicht einzugehen, ebenso nicht auf die Einzelheiten jener Denkschrift, die Ihnen zum Thema einer etwaigen Verbesserung der Umsatzsteuer zugegangen ist.
Daneben sieht der Bundeshaushalt vor, daß etwa 400 Millionen DM auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern einschließlich Umsatzsteuer für Steuererleichterungen zur Verfügung gestellt werden.
— Ich spreche jetzt über die Steuersenkungen, Herr Kollege.
Hier ist in erster Linie an eine Senkung der Zuckersteuer gedacht, die von 26,50 DM auf 10 DM gesenkt werden soll. Die Senkung soll und kann beim Haushaltszucker dem Verbraucher durch Preisermäßigung voll zugute kommen. Das ist nämlich hier möglich, da für Zucker ein gebundener Preis besteht. Ob auch für den Zucker, der in der Süßwarenindustrie zur Verwendung kommt, eine entsprechende Preissenkung erzielt und gesichert werden kann, ist noch fraglich. Sollte dies nicht möglich sein, so wäre daran zu denken, wenigstens für die Großbetriebe der Süßwarenindustrie durch einen Zuschlag zur Umsatzsteuer diesen Gewinn auszugleichen, um die Mittel für andere Zwecke, die dem Verbraucher zugute kommen sollen, zur Verfügung zu haben.
Das gilt insbesondere für die Umsatzsteuer auf Milch. Es ist Ihnen ja bekannt, daß die Umsatzsteuer für Milcherzeugnisse in der ersten Verarbeitungsstufe aufgehoben werden soll, um dem Milcherzeuger eine Verbesserung des Milchpreises zu geben, ohne den Verbraucher allzustark belasten zu müssen. Die Senkung der Zuckersteuer und die Freistellung der Milcherzeugnisse in der ersten Verarbeitungsstufe von der Umsatzsteuer würden für den Bundeshaushalt allein schon einen Ausfall von schätzungsweise 280 Millionen DM bedeuten. Es wird wohl auch damit gerechnet werden müssen, daß die Umsatzsteuer für Milch beim Erzeuger und beim Milchhandel noch im Laufe dieses Rechnungsjahres wenigstens zur Hälfte aufgehoben bzw. gesenkt wird, was einen weiteren Ausfall von rund 80 Millionen DM bedeutet. Daneben soll entsprechend einem von allen Fraktionen des Bundestags gestellten Antrag die Zündwarensteuer um 90 % gesenkt werden, was wieder einen Ausfall
von 50 Millionen DM für den Bundeshaushalt bringt. Damit wären die Mittel in Höhe von 400 Millionen DM, die für Verbrauchsteuerverbesserungen zur Verfügung gestellt sind, verbraucht.
Beim Berliner Notopfer ist im Haushalt als Einnahme nur der Betrag angegeben, der dem Vorjahressoll entspricht. Das ist geschehen, weil im Bundesfinanzministerium daran gedacht wird, das Berliner Notopfer, soweit es 30 DM für den einzelnen bisher nicht übersteigt, ab 1. April 1956 nicht mehr zu erheben. Das würde bedeuten, daß z. B. eine Familie mit einem Kind bis zu etwa 3800 DM Einkommen — der entsprechende Arbeitslohn wäre in diesem Falle 4736 DM — und eine Familie mit drei Kindern bis zu etwa 5250 DM Einkommen — Arbeitslohn bis zu etwa 6186 DM —ab 1. April 1956 kein Notopfer mehr zu zahlen brauchten. Dadurch würden 5 Millionen Abgabepflichtige von der Abgabe „Notopfer Berlin" völlig befreit werden.
Die Maßnahme hätte eine große Verwaltungsvereinfachung zur Folge.
Insgesamt betragen die in Aussicht genommenen Steuersenkungen also rund 1400 Millionen DM, von denen etwa 800 Millionen DM allein auf den Bundeshaushalt entfallen. Damit dürften die Möglichkeiten zu Steuersenkungen in diesem Haushaltsjahr erschöpft sein. Auch sie sind nur gegeben, wenn keine neue unerwartete Ausgabenerhöhung eintritt. Für alle weiteren Steuersenkungen wäre die Beschaffung einer Deckung erforderlich, und ich darf noch einmal betonen: die Deckung kann unter keinen Umständen darin gesucht werden, daß für die außenpolitischen Verpflichtungen die Aufwendungen, die um der Sicherheit und Freiheit des deutschen Volkes willen notwendig sind, gekürzt werden.
Die Bundesregierung hat auch auf dem Gebiet der- Zollpolitik, um allen ungerechtfertigten Bestrebungen auf Preiserhöhungen entgegenzutreten, sich entschlossen, Zölle zu senken. Es muß aber dabei auf die Handelspolitik Rücksicht genommen werden, und der Schutz der deutschen Wirtschaft im Innern darf nicht übersehen werden.
Dieser Entschluß ist aber ein Beweis dafür, daß die Bundesregierung glaubt, daß die deutsche Wirtschaft stark genug ist, ihre Stellung innerhalb der gesamten Weltwirtschaft zu behaupten.
Wenn Sie an mich nun die Frage richten, ob die Einnahmen des Bundes nicht weitere Maßnahmen gestatten, so darf ich Ihnen zunächst einmal ein Bild über die Entwicklung der Einnahmen geben. Der Bundeshaushalt erreicht in diesem Jahr einen Umfang von 29 Milliarden DM im ordentlichen und 3,5 Milliarden DM im außerordentlichen Haushalt, insgesamt also eine Größe von 32,5 Milliarden DM. Der Bundesfinanzminister muß bei der Schätzung der Einnahmen von den Zahlen ausgehen, die über die Entwicklung des Bruttosozialprodukts in einer Zusammenarbeit aller beteiligten Verwaltungen des Bundes gefunden und auch der OEEC jeweils übermittelt werden. Es ist auch für das nächste Jahr angenommen, daß das Bruttosozialprodukt weiter anwachsen wird. Diesmal ist den Schätzungen eine Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von mehr als 7 % in gleichbleibenden — das sind also etwa 8 bis 9 % in jeweiligen — Preisen zugrunde gelegt. Ich glaube, daß diese Annahme optimistisch ist, da auf keiner Seite das Bestreben besteht, unsere Konjunktur noch künstlich zu steigern, sondern wir alle einig sind, einem etwaigen Spekulationsfieber entgegenzutreten und auf eine Gesundung und Stetigkeit der gegenwärtigen Konjunktur hinzuwirken.
Von dieser Grundlage ausgehend ist für das Jahr 1956 eine Zunahme der Gesamteinnahmen des ordentlichen Haushalts gegenüber dem Vorjahr von rund 2,5 Milliarden DM angenommen, worunter auf die Besitz- und Verkehrsteuern allein rund 1,8 Milliarden DM entfallen. Diese Schätzung findet ihre Rechtfertigung allein darin, daß infolge des im Jahre 1955 für alle überraschend eingetretenen weiteren hohen Konjunkturaufschwungs das Aufkommen bei einigen Steuerarten die Voranschläge des Jahres 1955 übersteigen wird. In den ersten sieben Monaten des Rechnungsjahres 1955 ist im ordentlichen Haushalt eine Mehreinnahme von 442 Millionen DM entstanden.
— Nur Ruhe, ich sage noch etwas Weiteres!
Daneben entstand eine erhebliche Minderausgabe, nämlich in Höhe von fast 2,9 Milliarden DM. Diese Minderausgabe ist aber fast ausschließlich auf die Ausgabenentwicklung bei den Verteidigungslasten zurückzuführen.
Wenn nun im Sinne meiner Darlegungen von vorhin der Einzelplan für Verteidigung außer Betracht bleibt, ergibt sich, daß die Mehr- und Minderausgaben der übrigen Einzelpläne in den ersten sieben Monaten des Rechnungsjahres 1955 im Saldo einen Mehraufwand von rund 459 Millionen DM ausweisen. Es steht also einer Mehreinnahme von 442 Millionen DM eine Mehrausgabe von 459 Millionen DM in den ersten sieben Monaten des Rechnungsjahres 1955 gegenüber. Die vermeintliche Kassenfülle des Bundes beruht also allein auf den Minderausgaben des Einzelplans für Verteidigungslasten, die nach meiner Überzeugung der Verfügungsgewalt des Bundes in der gleichen Weise entzogen sind, wie es seinerzeit die Rückstellung an Besatzungskosten in Höhe von 4020 Millionen DM für den Zeitraum vom 1. April 1952 bis zum 31. März 1955 gewesen ist. Die nichtverbrauchten Reste des Einzelplans für Verteidigungslasten werden selbstverständlich als Ausgabereste in das nächste Rechnungsjahr übertragen werden.
Ein kurzes Wort zu den Ausgaberesten grundsätzlich. Man ist vielfach geneigt, in diesen Resten eine stille Reserve des Bundesfinanzministers zu erblicken, weil er die Entscheidung darüber habe, ob sie freigegeben werden oder nicht. Dagegen ist aber zu betonen, daß es sich bei den Ausgaberesten regelmäßig um Beträge handelt, die auf frühere Haushaltsbewilligungen zurückzuführen sind und für die zum größten Teil feste Verpflichtungen bestehen. Im Bedarfsfall m ü s s en sie daher freigegeben werden.
Von dem Gesamtbetrag der aus dem Rechnungsjahr 1954 übernommenen Ausgabereste in Höhe von insgesamt 2124 Millionen DM entfallen auf den ordentlichen Haushalt 1235, auf den außerordentlichen Haushalt 889 Millionen DM. Der überwiegende Teil dieser Ausgabereste ist für Bauvorhaben bestimmt, die entweder fest verplant oder
bereits in Ausführung begriffen sind. Ein Betrag von rund 500 Millionen DM ist bei den Verteidigungslasten entstanden und wird für Verteidigungszwecke benötigt. Im Verkehrshaushalt stehen Ausgabereste in Höhe von rund 410 Millionen DM zu Buch, die zur Weiterführung begonnener oder zur Durchführung schon genehmigter Maßnahmen erforderlich sind. Bei diesen Ausgaberesten aus früheren Rechnungsjahren handelt es sich also um feste Zahlungsanforderungen an den Bund, die mit geringen Schwankungen auch erfüllt werden müssen.
Und nun zum Haushaltsausgleich.
Der Haushaltsentwurf 1956 ist in Einnahmen und Ausgaben abgeglichen. Er entspricht insofern der Vorschrift des Art. 110 des Grundgesetzes. Dieser Ausgleich konnte nur dadurch erreicht werden, daß die Bundesregierung wiederum, wie schon mehrfach in den letzten Jahren, keine Deckungsmittel für den Fehlbetrag aus früheren Jahren eingesetzt hat. Ich glaube aber auch sagen zu können, daß er nicht nur formell, sondern auch materiell ausgeglichen ist, da der derzeitige rechnungsmäßige Fehlbetrag des Gesamthaushalts zu 90 % aus solchen Ausgaberesten besteht, wie ich sie eben geschildert habe, die also zwar das neue Rechnungsjahr kassenmäßig belasten, denen aber vielleicht rim Rechnungsjahr 1956 neue Reste in etwa gleicher Höhe gegenüberstehen werden. Diese neuen Reste des Jahres 1956 würden infolgedessen wieder eine kassenmäßige Entlastung für dieses Rechnungsjahr bedeuten.
Daher hat auch der Bundesrat anerkannt, daß der Bundeshaushalt innerlich gesund ist. Er hat allerdings trotzdem Beanstandungen erhoben, auf die ich zu sprechen komme. Die Rechnung des Bundesrats besagt, daß der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in der Höhe, wie ihn die Länder vorschlagen, nämlich mit 33 1/3%, völlig ausreiche. Er kommt zu dieser Rechnung hauptsächlich durch zwei Einwendungen: daß einmal die im ordentlichen Haushalt vorgesehene Liquiditätshilfe für die Bundesbahn in Höhe von 200 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt einzustellen sei und zweitens ebenso die Mittel zur Förderung der ländlichen Siedlung wenigstens mit einem Betrag von 40 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt verlagert werden müßten.
Die erste Forderung des Bundesrates ist nicht neu, sie wurde schon im vergangenen Jahr erhoben. Die Bundesregierung hat sie damals schon entschieden zurückgewiesen. Ich darf mich auf die Feststellung beschränken, daß sich auch bei den vorjährigen Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag keine einzige Stimme erhoben hat, die die vom Bundesrat angeregte Veranschlagung der Liquiditätshilfe für die Bundesbahn im außerordentlichen Haushalt gutgeheißen hätte; im Gegenteil: es wurde im Vorjahr sogar gefordert, daß dieser Ansatz in voller Höhe in einen verlorenen Zuschuß umzuwandeln sei. Ich möchte hierauf nicht mehr eingehen, aber noch betonen: Auch diesmal kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß bei einer endgültigen Sanierung der Bundesbahn wenigstens ein Teil der bisher gewährten Liquiditätshilfe als endgültiger Zuschuß des Bundes an die Bundesbahn gegeben werden muß. Bis zu einer solchen Regelung müssen die Zahlungen des Bundes aber als Leistungen aus dem ordentlichen Haushalt bestehenbleiben, da nicht mit Sicherheit mit einer Rückzahlung an den Bund gerechnet werden kann.
Die Darlehnsmittel zur Förderung ländlicher Siedlung sind erhöht worden, weil die Bundesregierung die Zusage einlösen wollte und mußte, die sie bei der zweiten Lesung des Bundeshaushaltsplans 1955 im Plenum des Deutschen Bundestages gegeben hat. Sie hat sich damals bereit erklärt, wenn für die ländliche Siedlung im Rechnungsjahr 1955 ein Mehrbedarf über den Haushaltsansatz von 94,6 Millionen DM hinaus auftreten sollte, ihn überplanmäßig bereitzustellen. Der Bundesfinanzminister hat daher solche Haushaltsüberschreitungen inzwischen genehmigt, nachdem der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hiervon vorher unterrichtet wurde und Bedenken nicht erhoben hat. Es handelt sich um einen Betrag von 60 Millionen DM. Dieser ist als Vorgriff auf den Haushalt 1956 zu behandeln. Von diesem Vorgriff entfallen 40 Millionen DM auf Darlehen und 20 Millionen DM auf Zuschüsse. Die für die ländliche Siedlung im Rechnungsjahr 1956 vorgesehenen Ansätze vertragen aber keine Vorwegkürzung; daher mußten sie zur Abdeckung des Vorgriffs von 60 Millionen DM um diesen Betrag erhöht werden.
Es erscheint mir nun schon haushaltsrechtlich unmöglich, im Rechnungsjahr 1956 für diese Siedlungszwecke Anleihemittel einzusetzen — die Verlagerung in den außerordentlichen Haushalt würde das ja bedeuten —, um einen Vorgriff des früheren Jahres abzudecken.
Abgesehen davon scheint es der Bundesregierung auch unmöglich, den außerordentlichen Haushalt über das vorgesehene Maß von rund 1,1 Milliarde DM zu erhöhen.
In den vergangenen Jahren konnte bekanntlich der außerordentliche Haushalt ohne Inanspruchnahme einer Anleihe dadurch gedeckt werden, daß die für den Fall des Inkrafttretens des EVG-Vertrags im Haushalt vorgesehenen zusätzlichen Mittel für den Verteidigungsbeitrag nicht benötigt wurden. Sie überstiegen die während dieser Zeit weiterlaufenden Besatzungskosten um 1800 Millionen DM. Es war infolgedessen nicht nötig und nicht möglich, für Zwecke des außerordentlichen Haushalts an den Kapitalmarkt heranzugehen.
Der Bund hätte ja auch bestimmt damals die veranschlagten Anleihemittel am Kapitalmarkt nicht erhalten. Einsparen konnte er die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts nicht, da es sich bei diesen Ausgaben ganz überwiegend um unvermeidbare Ausgaben handelt. 90 % finden für den sozialen Wohnungsbau Verwendung. Aber auch im nächsten Jahr sind die Möglichkeiten, Bundesanleihen auf dem Kapitalmarkt aufzulegen, voraussichtlich noch beschränkt. Der Ansatz von 1,1 Milliarden DM kann daher nicht erhöht werden.
Ich kann mich jedenfalls des Eindrucks nicht erwehren: die Einwendungen des Bundesrates ha b e n nicht nur das förmliche Ergebnis, daß ein Bundesanteil in geringerer Höhe als angefordert gerechtfertigt sei, sondern ich glaube auch, die Einwendungen s o 11 en dieses Ergebnis haben. Damit verlieren sie stark an sachlicher Überzeugungskraft.
Im Bundesrat ist nun behauptet worden, die bisherige Finanzpolitik des Bundes entspreche nicht dem Grundsatz der Parität zwischen Bund und Ländern, insbesondere sei die Verschuldung der Länder viel stärker als die des Bundes. Ich darf hierzu grundsätzlich folgendes feststellen.
I Erstens. Zur Frage der Verschuldung: Wenn man die Schulden von Ländern und Gemeinden unterschiedslos zusammenrechnet — und dem Bund stehen Länder und Gemeinden ja finanzpolitisch als eine untrennbare Einheit gegenüber —, so sind es nach dem Stand vom 31. März tatsächlich 25,8 Milliarden DM bei Ländern und Gemeinden im Vergleich zu 20,1 Milliarden DM, die der Bund als seine Verschuldung derzeit ausweist.
Bei einer Aufgliederung der Schulden nach Schuldarten und Zinsbelastung zeigt sich aber, daß von den Schulden der Länder und Gemeinden 11,9 Milliarden DM auf Ausgleichsforderungen entfallen, die nur einen geringen Schuldendienst erfordern, und daß 7,4 Milliarden DM Schulden bei anderen Gebietskörperschaften, insbesondere beim Bund und daneben auch beim Lastenausgleichsfonds bestehen, die ebenfalls niedrig verzinst werden.
Die Inlandsschulden aus Kreditmarktmitteln sowie aus Mitteln der Sozialversicherung sowie die Auslandsschulden, die allgemein einen höheren Schuldendienst erfordern, erreichen bei Ländern und Gemeinden nur die Höhe von 6,1 Milliarden DM; beim Bund erreichen sie den Betrag von 12,3 Milliarden DM. Das Verhältnis des Schuldenstandes weist also bei dieser Betrachtung auf eine höhere Verschuldung des Bundes hin, da die Haushaltsgrößen des Bundes einerseits und der Länder und Gemeinden andererseits annähernd gleich sind.
Dabei ist aber zum Schuldenstand des Bundes noch etwas hinzuzufügen. Ausgewiesen werden die von der Bundesschuldenverwaltung verwalteten und von ihr verbrieften Schulden des Bundes, fundierte und schwebende Schulden. Diese haben am 30. September 1955 20,6 Milliarden DM betragen. Dieser Betrag ist unvollständig. Bei den Auslandsbonds, die der Bund auf Grund des Londoner Abkommens übernommen hat, sind nur die bisher umgetauschten Beträge berücksichtigt und ausgewiesen worden. Bei der Dawes-, Young- und Preußenanleihe sowie bei den Schuldverschreibungen der Konversionskasse für deutsche Auslandsschulden kommen noch die Beträge dazu, die noch nicht in neue Bonds umgetauscht sind. Diese Beträge werden auf 0,6 Milliarden DM geschätzt.
Weiter müssen noch hinzugerechnet werden die sogenannten politischen Schulden, die nicht der Verwaltung der Bundesschuldenverwaltung unterliegen. Dazu gehören insbesondere die Verpflichtungen aus dem Abkommen mit Israel, mit der Schweiz, die Verbindlichkeiten, die sich aus den Erstattungen an die Konversionskasse ergeben, usw. Diese Verbindlichkeiten sind insgesamt mit rund 4,2 Milliarden DM zu veranschlagen. Außerdem müssen die Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die sich für den Bund aus der Umstellung der verbrieften Reichsschuldtitel ergeben. Nach der Regierungsvorlage zum Kriegsfolgenschlußgesetz müssen hierfür mindestens weitere 1,2 Milliarden DM eingesetzt werden. Endlich müssen hier angerechnet werden die Verpflichtungen des Bundes aus rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reiches, die auf Grund internationaler Verpflichtungen mit 1,5 Milliarden DM einzusetzen sind. Es kommt also zu dem Betrag von 20,6 Milliarden DM — Stand vom 30. September — noch ein Betrag von insgesamt rund 7,5 Milliarden DM Schulden des Bundes hinzu.
Zweitens. Was die Haushaltslage betrifft, so ist die finanzielle Situation der Länder und Gemeinden im allgemeinen günstig. Die großen Unterschiede zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern sind durch Verstärkung des Finanzausgleichs für 1955 sehr verringert worden. Die Beträge und Zuweisungen im Finanzausgleich erhöhen sich nämlich von 265,7 Millionen DM im Jahre 1954 auf voraussichtlich 522 Millionen DM im Jahre 1955. Für die verbleibenden Steuerkraft-unterschiede möchte ich als Beispiel Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen anführen. Ohne Finanzausgleich beträgt der Steuerkraftunterschied zwischen diesen Ländern 74 : 116 v. H., also 42 %; nach dem Finanzausgleich beträgt er 84 : 109 v. H., also 25 % Von diesen 25 % entfallen schätzungsweise 10 % auf einen echten Bedarfsunterschied. Als Unterschied in der Leistungsfähigkeit verbleiben 15%, also ein Verhältnis 90 : 105 v. H.
Im folgenden gehe ich nun von der durchschnittlichen Finanzlage der Länder und Gemeinden aus. Die Unterschiede in der Finanzkraft, die namentlich bei den Gemeinden noch in erheblichem Umfang bestehen, muß ich außer Betracht lassen. Ich bin mir bewußt, daß an der günstigen Entwicklung der Gemeindefinanzen, die von der Gewerbesteuereinnahme herrührt, nicht alle Gemeinden, insbesondere nicht die kleinen Gemeinden, teilhaben.
Die Finanzlage der Länder und Gemeinden können wir für 1953 aus dem Rechnungsergebnis entnehmen, das das Statistische Bundesamt feststellt, für 1954 und 1955 auf Grund von Teilerhebungen schätzen und für 1956 wohl sicher vorausberechnen.
In diesem Zeitraum von 1953 bis 1956 erhöhen sich die Einnahmen der Länder und Gemeinden aus Steuern, Erwerbseinkünften und sonstigen allgemeinen Deckungsmitteln von 14,3 auf 17,6 Milliarden DM, also um 3,3 Milliarden DM oder 23 v. H.
Im gleichen Zeitraum erhöht sich der Zuschußbedarf der Länder und Gemeinden für laufende Ausgaben und für Tilgung von Schulden von 11,2 auf 14,7 Milliarden DM, also um rund 3,5 Milliarden DM oder 31 %.
Es bleibt den Ländern und Gemeinden also auch 1956 voraussichtlich eine Verfügungssumme für vermögenswirksame Ausgaben in Höhe von ungefähr 2,9 Milliarden DM. Es verbleibt ihnen also annähernd der gleiche Betrag für Investitionen aus Steuermitteln, wie er ihnen 1953 zur Verfügung stand.
Ein Zeichen für die günstige Haushaltslage der Länder und Gemeinden ist, daß die Inanspruchnahme von Steuern für Neuinvestitionen von 1,4 Milliarden DM im Jahr 1953 auf 1,8 Milliarden DM im Jahre 1956 ansteigt.
Eine Vermögens- und Schuldenrechnung der Länder und Gemeinden von 1953 bis 1956 ergibt folgende Ubersicht:
a) Zuwachs an unbeweglichem Vermögen durch Bauten und Grunderwerb . . . . 13,7 Milliarden DM,
b) Zuwachs an Kapitalvermögen durch Darlehen und Rücklagen abzüglich Darlehensrückflüssen und Entnahmen aus Rücklagen . . 9,7 Milliarden DM,
c) Erhöhung des Schuldenstandes abzüglich Schuldentilgung 11 Milliarden DM.
Einem Schuldenzuwachs von 11 Milliarden DM steht also ein Vermögenszuwachs von 23,4 Milliarden DM gegenüber.
Das Gesamtbild über die Finanzlage der Länder und Gemeinden ist also nicht ungünstig. Ich stelle das ohne jeden Vorwurf fest. Ich glaube aber, mit gutem Gewissen einen Vorwurf ablehnen zu müssen: die Finanzpolitik des Bundes habe übersehen, daß auch die Aufgaben, die Länder und Gemeinden zu erfüllen haben, für das gesamte deutsche Volk lebenswichtig sind und deshalb den Ländern und Gemeinden die notwendigen Mittel hierfür zur Verfügung stehen müssen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, nachdem ich über die Grundgedanken des Bundeshaushalts 1955 gesprochen habe, nun über die Einzelpläne des Bundeshaushalts sprechen, aus denen sich auf besonderen Gebieten die Absichten der Bundesregierung ergeben. Ich denke hier zunächst an den Wirtschaftshaushalt. Die günstige konjunkturelle Entwicklung hat doch noch Unebenheiten in unserer wirtschaftlichen Entwicklung bestehen lassen, die zu beseitigen ein besonderes Anliegen der Bundesregierung ist. Hier sind es vor allem Fragen des Mittelstandes, insbesondere der kleinen und mittleren Betriebe in Handwerk und Handel. Wir haben die Förderungsmaßnahmen, die im Bundeshaushalt auf diesem Gebiet vorgesehen sind, gegenüber den Vorjahren wieder verbessert.
Ein besonderes Sorgenkind waren auch bestimmte Vertriebenen- und Flüchtlingsbetriebe, insbesondere in Grenzlandgebieten, die durch Aufnahme kurzfristiger und hochverzinslicher Bankkredite in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sind. Sie sollen in ihrer Umschuldungsaktion durch die Lastenausgleichsbank von den drückenden Zinsververpflichtungen befreit werden, wobei der Bund und die Länder je zur Hälfte einen Zinszuschuß gewähren.
Ihr Interesse dürfte insbesondere auch der Ansatz für die Förderung der Industrieforschung finden. Die hierfür vorgesehenen Mittel sind von 2,9 Millionen DM auf 5,6 Millionen DM erhöht worden. In diesem Titel sind auch die Mittel für die Kernenergieforschung zu wirtschaftlichen, also rein friedlichen Zwecken in Höhe von 2,1 Millionen DM ausgeworfen.
Diese 2,1 Millionen DM stellen die dritte Rate eines vorläufigen Programms der Bundesregierung dar, das insgesamt 6 Millionen DM umfaßt. Sie sind in der Hauptsache zur Deckung der Planungskosten für den ersten deutschen Atomreaktor bestimmt. Die Bundesregierung wird der Kernenergieforschung ihre ganz besondere Aufmerksamkeit widmen, um innerhalb ihrer Zuständigkeit dazu beizutragen, daß der weite Vorsprung, den die übrige Welt auf diesem Gebiet errungen hat, bald aufgeholt wird. Als besonders dringlich wird dabei angesehen, eine Forschungsstätte für die Fragen der Kernenergie zu schaffen. Damit im Zusammenhang steht der Bau eines Atomreaktors, der einerseits der Ausbildung von Wissenschaftlern und Technikern auf allen Gebieten der Atomtechnik dienen soll, auf der anderen Seite der Vorbereitung, Entwicklung und Planung weiterer Reaktoren zur Energiegewinnung, also von Atomkraftwerken, die in späteren Zeiten unseren erheblich ansteigenden Bedarf an Energie befriedigen sollen,
außerdem der Gewinnung von Neutronen und radioaktiven Isotopen. Die Finanzierung des Baues des Kernreaktors ist so gedacht, daß entsprechend der gegebenen Interessenlage sich der Bund, das Belegenheitsland und die Industrie an den Baukosten beteiligen. Die Planungsarbeiten werden durch die von zahlreichen Industriefirmen geschaffene „Physikalische Studiengesellschaft" durchgeführt. Beabsichtigt ist, eine „Reaktor-Bau-
und Betriebsgesellschaft" zu errichten, an der sich die drei vorgenannten Körperschaften beteiligen. Als erster Beitrag hierfür ist im Bundeshaushalt 1956 unter den einmaligen Ausgaben im Einzelplan des Bundesministers für Wirtschaft ein Betrag von 5 Millionen DM veranschlagt.
Die Bundesregierung hat am 6. Oktober 1955 beschlossen, ein Bundesministerium für Atomfragen .zu bilden. Dem Hohen Hause wird ein besonderer Einzelplan für dieses Ministerium sofort nach Abschluß der zur Zeit laufenden Verhandlungen als Ergänzungsvorlage zugeleitet werden. Schon jetzt ist zu sagen: Die Bundesregierung sieht die Aufgaben dieses Ministeriums als so wichtig und umfangreich an, daß es als eigenes Fachministerium zu betrachten ist. Die bisher bei verschiedenen Einzelplänen ausgebrachten Mittel für die Kernenergieforschung und für sonstige kernernergetische Aufgaben werden bei diesem Ministerium zusammengefaßt.
Bei den Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung der deutschen Wirtschaft kommt insbesondere der Gewährung von Bürgschaften und Garantien Bedeutung zu. Die Ermächtigung, Bürgschaften und Garantien zu geben, hat nunmehr einen Betrag von 15 Milliarden DM erreicht. Hiervon ist bereits ein Betrag von mehr als 7 Milliarden DM belegt. Auch für einen Haushalt von rund 32 Milliarden DM dürfte dies eine sehr ins Gewicht fallende Größenordnung sein. Denn in dem Betrag von 7 Milliarden DM sind Risiken enthalten, die bei einem Zusammentreffen mehrerer widriger Umstände eine gefährliche Bedeutung für die Haushaltspolitik erhalten können. Die Bundesregierung hat sich daher veranlaßt gesehen, den entsprechenden Ausgabenansatz im Haushaltsplan 1956 von 50 Millionen DM auf 200 Millionen DM zu erhöhen. Das sind immer noch weniger als 3 % der bereits bestehenden Bürgschaftsverpflichtungen. Bei der Unsicherheit, die in der Wirtschaftslage einzelner Länder eingetreten ist, scheint es aber notwendig, gerade wegen der handelspolitischen Risiken diese Erhöhung vorzunehmen.
Unter den Bürgschaften nehmen nämlich solche zugunsten der Ausfuhr sowohl hinsichtlich der Größenordnung wie auch hinsichtlich des finanziellen Risikos den ersten Platz ein. Sie umfassen rund 5 Milliarden DM. In der Vergangenheit haben die Bürgschaften zweifellos stark dazu beigetragen, der deutschen Ausfuhrwirtschaft einen Rückhalt zu geben bei ihren erfolgreichen Bemühungen, auch die Grundlagen für die notwendigen Einfuhren zu schaffen.
Die Bürgschaften zugunsten der Förderung der übrigen deutschen Wirtschaft nehmen erst die zweite Stelle ein. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Errichtung von Kreditgarantiegemeinschaften zugunsten des Handwerks und des Handels. Auf dieser Grundlage ist auch die vorerwähnte Umschuldung von Krediten in Höhe von insgesamt 100 Millionen DM in Vorbereitung, die Heimatvertriebenen gewährt worden sind. Auch
der Aufbau der Handelsflotte soll künftig auf dieser Grundlage in einem Umfang von rund 100 Millionen DM gefördert werden.
In diesem Zusammenhang ist beachtlich auch die Bürgschaftsermächtigung im Betrage von 1,2 Milliarden DM, die der Finanzierung der Lebensmittelbevorratung dient. Sie kommt sowohl der Gesamtheit der Verbraucher als auch in Verbindung mit den Marktordnungsgesetzen der Landwirtschaft zugute.
Ferner werden Bürgschaftsmaßnahmen durchgeführt, die sich ausschließlich für die Berliner Wirtschaft auswirken.
Bei den Subventionen nehmen die Maßnahmen auf Grund des Verkehrsfinanzgesetzes nunmehr einen besonders breiten Raum ein. Die Gesamtzahlungen des Bundes für diese Zwecke werden im Haushaltsjahr 1956 voraussichtlich mindestens rund 120 Millionen DM betragen, wovon der größte Teil, nämlich rund 80 Millionen DM, auf die Landwirtschaft entfällt. Daneben sind Zahlungen vorgesehen zugunsten der Schiffahrt, des Schienenverkehrs, der Fischerei und auch des Bergbaus.
Bei Würdigung der finanziellen Leistungen des Bundes für die deutsche Wirtschaft muß man auch an die Leistungen des ERP-Sondervermögens denken. Dieses hat bekanntlich einen Bestand von nahezu 7 Milliarden DM und gewährt Jahr für Jahr Kredite und zum Teil auch Zuschüsse für die mannigfaltigsten Zwecke der Wirtschaft. Das für diese Zwecke im Rechnungsjahr 1956 verfügbare Aufkommen aus dem ERP-Vermögen wird sich für das Bundesgebiet auf fast 500 Millionen DM und für Berlin auf etwa 180 Millionen DM belaufen. Während es in den ersten Jahren nach der Währungsreform vor allem die Grundstoffindustrien waren, die aus diesen Mitteln dringende Investitionen finanzieren konnten, werden die Mittel jetzt auf alle diejenigen Bereiche der Wirtschaft verlagert, die ebenfalls volkswirtschaftlich einer solchen Förderung bedürfen, denen aber bei der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts Schwierigkeiten begegnen. Es darf ferner hier nicht vergessen werden, daß auf Grund der Londoner Vereinbarungen der Bundeshaushalt seit 1952 für die Auslandswirtschaftshilfe, im wesentlichen für die Marshallplanhilfe, einen Zinsendienst von jährlich 105 Millionen DM zu leisten hat. Ab 1958 ist diese Schuld außerdem zu tilgen, so daß der Bundeshaushalt von da ab jährlich rund 200 Millionen DM für diesen Zweck aufbringen muß.
Zu den Maßnahmen der Förderung der Wirtschaft gehören insbesondere auch die Mittel, die im Bundeshaushalt bereitgestellt werden für regionale Förderungsmaßnahmen, insbesondere für Grenzland- und sonstige Notstandsgebiete. Diese Hilfsmaßnahmen werden trotz der derzeitigen guten Konjunktur fortgesetzt. In diesen Gebieten besteht zum Teil noch ein reichliches Angebot an Arbeitskräften. Dieses Angebot an Arbeitskräften eröffnet die Aussicht zur nachhaltigen Verstärkung der gewerblichen Wirtschaft in diesen Gebieten. Durch Investitionshilfen sollen diese Gebiete Gelegenheit erhalten, den dadurch gegebenen Standortvorteil auszunutzen. Es kann erhofft werden, daß damit der Konzentration der Wirtschaftskraft in anderen, jetzt überlasteten Wohlstandsgebieten entgegengewirkt werden kann.
Die für das Wirtschaftsgebiet des Landes und der Stadt Berlin vorgesehene Hilfe — sei es als Bundeszuschuß zum Landeshaushalt, sei es als unmittelbare Bundesausgabe zugunsten der Berliner Bevölkerung und der Berliner Wirtschaft — wird ebenfalls fortgesetzt. Diese Ausgaben sind in ihrer Gesamtsumme höher als das Aufkommen aus dem Notopfer und das Aufkommen der dem Bund aus Berlin zufließenden Steuern. Der eigentliche Zuschuß zum Haushalt Berlin ist im Haushaltsplan 1956 erneut mit 800 Millionen DM angesetzt. Der diesem Ansatz zugrunde liegende Haushaltsplan des Landes Berlin für das Rechnungsjahr 1956 liegt noch nicht vor. Erst nach seiner Prüfung wird eine endgültige Entscheidung über den Zuschuß des Bundes zum Landeshaushaltsplan Berlin möglich sein.
Die wachsende Bedeutung des Verkehrswesens für eine leistungsfähige Volkswirtschaft kommt im Einzelplan des Bundesministers für Verkehr dadurch zum Ausdruck, daß die Ausgaben des Verkehrshaushalts gegenüber dem Rechnungsjahr 1955 um rund 150 Millionen DM auf rund 1500 Millionen DM steigen. Ich darf dabei ausdrücklich bemerken: Ich teile die Auffassung, daß angesichts des Mißverhältnisses zwischen dem Zustand und Umfang unseres Straßennetzes und der stark zunehmenden Belastung dieses Straßennetzes durch die ständig wachsende Motorisierung alles getan werden muß, um das Straßenbauprogramm der Bundesregierung ungeschmälert durchzuführen. Die Straßenbaumittel sind gegenüber dem laufenden Rechnungsjahr um 205 Millionen DM auf 648 Millionen DM verstärkt worden. In diesem Betrag sind die Mittel aus dem Verkehrsfinanzgesetz von 1955 für Bundesautobahnen und Bundesstraßen erstmalig für ein ganzes Rechnungsjahr mit 240 Millionen DM enthalten. Weiterhin sind für ein umfassendes weiteres Programm zum Ausbau der Straßendecken, das die wichtigsten Bundesstraßen frostsicher ausbauen und verbreitern soll, erstmalig zusätzlich 100 Millionen DM vorgesehen.
Unter Berücksichtigung der durch die Öffa zu beschaffenden Kredite für den Bau von Autobahnen erhöht sich somit das Gesamtvolumen für die Bundesautobahnen und Bundesstraßen auf 794 Millionen DM.
Das Verkehrsfinanzgesetz 1955 schafft die Grundlage dafür, nunmehr den Straßenbau auf weite Sicht zu planen. Auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 23. März 1955 ist ein Zehnjahresplan für den Straßenbau in Vorbereitung.
Die Bundesbahn konnte eine wesentliche Verbesserung ihrer Einnahmen erzielen. Der Kassenfehlbetrag am Ende des Geschäftsjahrs 1955 wird daher voraussichtlich um rund 260 Millionen DM unter dem zunächst veranschlagten Betrag von 810 Millionen DM liegen. Die Ursachen hierfür liegen nicht allein in der günstigen Entwicklung der wirtschaftlichen Konjunktur. Sie hängen auch zusammen mit den Auswirkungen der inneren betrieblichen Rationalisierung und der beträchtlichen Investitionen, die seit einer Reihe von Jahren, nicht zuletzt mit Hilfe des Bundes, ermöglicht wurden. Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 1956 ist dem Bundeshaushaltsplan beigefügt. Er weist immer noch einen Verlust aus, hält sich aber mit etwas über 200 Millionen DM in Grenzen. Die Hoffnung ist berechtigt, daß die Bundesbahn nach Durchführung der eingeleiteten Maßnahmen auf betriebswirtschaftlichem und verkehrspolitischem
Gebiet zu einer ausgeglichenen Gewinn- und Verlustrechnung kommen wird. Immerhin bleiben die Leistungen des Bundes an die Bundesbahn auch im Rechnungsjahr 1956 noch sehr hoch. Im Haushaltsplan 1956 sind zwar nur Ansätze über 395 Millionen DM vorgesehen; zu ihnen kommen aber noch die Stundung der Beförderungsteuer und Darlehen aus dem ERP-Sondervermögen, wodurch sich diese Leistungen schon auf 763 Millionen DM erhöhen. Berücksichtigt man weiter die Kreditfinanzierung, die durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 ermöglicht wird, so werden der Bundesbahn durch Bundeshilfe aller Art über 900 Millionen DM zufließen. Damit dürfte jede Behauptung, daß der Bund seine Pflichten gegenüber der Bundesbahn vernachlässigt, widerlegt sein. Alle diese Leistungen können aber nur den Zweck haben, die Bundesbahn wieder selbst wirtschaftlich und rentabel zu machen, und werden infolgedessen nur in-. soweit und so lange erbracht werden können, als dies zur Aufrechterhaltung und Liquidität des Sondervermögens Bundesbahn erforderlich ist.
Auch die deutsche Seeschiffahrt ist durch Bundeshilfe wiederaufgebaut worden. Die verschiedenen Finanzierungsquellen wie z. B. Wiederaufbaudarlehen, steuerbegünstigte Zuschüsse, zinslose Darlehen und ERP-Kredite, die den Reedereien zum Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte in den letzten Jahren zugeführt worden sind, erreichen in ihrer Gesamtheit einen Betrag von etwa 2,7 Milliarden DM. Im Laufe des Rechnungsjahres 1956 dürfte eine Handelsflotte von über 3 Millionen BRT wieder vorhanden sein.
Damit ist eine Grundlage geschaffen, auf der nun zu einer privatwirtschaftlichen Finanzierung der Seeschiffahrt übergegangen werden kann. Um das zu ermöglichen, sind inzwischen die Richtlinien für die Übernahme von Bürgschaften und die Gewährung von Zinsbeihilfen für Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen erlassen worden. Danach wird es möglich sein, für Kredite zum Bau von Handelschiffen Bundesbürgschaften bis zur Höhe von 100 Millionen DM zu übernehmen und im Rahmen der bereits im laufenden Rechnungsjahr ausgebrachten Mittel Zinszuschüsse zu gewähren.
Die Zinsverbilligung beträgt bei längerfristigen Darlehen 3,25 %. Im Entwurf des Haushaltsplanes 1956 ist für sie wieder ein gleichhoher Ansatz wie im laufenden Rechnungsjahr vorgesehen. Durch sie werden Kredite bis zum Gesamtbetrag von 200 Millionen DM bewilligt. Mit Hilfe dieser Maßnahmen können Schiffe mit einer Bau- und Erwerbssumme von rund 270 Millionen DM beschafft werden.
Mit der Seeschiffahrt hat der Luftlinienverkehr gemeinsam, daß er außerordentlich hohe Kreditaufwendungen erfordert, um eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige Flotte zu schaffen. Ertragreich kann der Luftlinienverkehr erst werden, wenn ein weitreichendes Liniennetz und eine entsprechende Verkaufsorganisation aufgebaut sind. Die Privatwirtschaft wird sich sicher an der Lufthansa im größeren Ausmaß erst dann beteiligen, wenn die Schwierigkeiten des ersten Aufbaus überwunden sind. Diese wahrscheinliche Entwicklung spiegelt sich im Bundeshaltsplan 1956 wider. Die Rate der Kreditbeteiligung bleibt gleich, der Betriebszuschuß an die Lufthansa konnte dagegen von 15 auf 10 Millionen DM gesenkt werden. Gleichwohl kann der jetzige Bestand von 15 Flugzeugen erst als ein Beginn angesehen werden. Es schweben Verhandlungen über die Finanzierung des Erwerbs weiterer Langstreckenmaschinen, um die Wirtschaftlichkeit der Deutschen Lufthansa auch für die Zukunft zu sichern.
Nun eine kurze Betrachtung des Agrarhaushalts. Im Einzelplan für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist ein Gesamtzuschuß von 361 Millionen DM vorgesehen. Das bedeutet, daß sich der Zuschuß gegenüber dem Vorjahr um rund 102 Millionen DM erhöht hat. Das gesamte Ausgabenvolumen steigert sich auf rund 748 Millionen DM gegenüber rund 671 Millionen DM im Vorjahr. Verglichen mit dem Jahre 1952 ergibt sich — nach Ausschaltung gewisser stark schwankender Subventionen — eine Steigerung von 130 %.
Von den einzelnen Ausgabenpositionen steht die ländliche Siedlung mit einer Erhöhung um 60 Millionen DM auf 154,6 Millionen DM an erster Stelle. Hierzu treten Leistungen aus dem Ausgleichsfonds, über die später zu sprechen sein wird. Die Bundesregierung muß bei dem heutigen Anlaß die Erwartung aussprechen, daß diese großen Leistungen des Bundes für die ländliche Siedlung nicht die Bundesländer veranlassen, in ihren Leistungen nachzulassen.
Das ist leider im Siedlungsprogramm 1955 in beträchtlichem Maße geschehen.
In den Erläuterungen zu den entsprechenden Titeln des Haushaltsplans 1956 ist infolgedessen ein Appell an die Länder enthalten, ihre Leistungen entsprechend dem Bedarf zu erhöhen, wobei die Bundesregierung daran denkt, daß — auf die Gesamtheit der Länder bezogen — die Länder das Verhältnis bindend aufrechterhalten, das im Jahre 1954 zwischen den Haushaltsmitteln des Bundes und den Haushaltsmitteln der Länder für Zwecke der ländlichen Siedlung bestanden hat.
Ich darf hier weiter erwähnen die Leistungen des Bundes für die Wasserwirtschaft im Binnenland und in den Küstengebieten sowie auch die großen in Angriff genommenen Werke landes-kultureller Art, wie z. B. die Erschließung des Ems-landes, das Nordprogramm und den sogenannten Küstenplan in den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Für wichtigste Gebiete der landwirtschaftlichen Förderung, wie Wasserwirtschaft, Technisierung, Rationalisierung und Modernisierung fließen bedeutende Bundesmittel aus anderen Quellen, insbesondere aus ERP-Mitteln. Im Jahre 1954 waren es rund 46 Millionen DM, im Jahre 1955 rund 85 Millionen DM, die für diese Zwecke aus dem ERP-Vermögen zur Verfügung gestellt werden. Der Bund hat diese Mittel gegeben, obwohl nach dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik und dem Grundgesetz die Förderung der Landwirtschaft in erster Linie in den Aufgabenbereich, aber damit auch in den Ausgabenbereich der Länder fällt.
In diesem Zusammenhang muß auch der Hilfen gedacht werden, die der deutschen Landwirtschaft durch Steuervergünstigungen zuteil geworden sind.
Ich erinnere an die besonderen Bestimmungen bei der letzten Einkommensteuerreform, ferner an die Tatsache, daß weitaus der größte Teil der Landwirte nur mit Durchschnittssätzen zur Steuer herangezogen wird, die dem tatsächlichen Wirtschaftsergebnis vielfach nicht voll entsprechen,
an den steuergesetzlichen Freibetrag, an die Tarifsenkung bei der Erbschaftsteuer, weiter daran,
daß der Eigenverbrauch bei Betrieben mit Umsätzen von 10 000 DM von der Umsatzsteuer befreit ist, ferner, daß die Einheitswerte heute noch
auf den Wertverhältnissen von 1935 berechnet sind,
wodurch sich bei Vermögensteuer und Vermögensabgabe starke Ermäßigungen ergeben, Herr Kollege Brese, an die Befreiung der landwirtschaftlichen Zugmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer und anderes.
Zusammenfassend kann ich sagen, daß die gesamte Steuerleistung der Land- und Forstwirtschaft an ihrer Wertschöpfung gemessen von 15,1 v. H. im Kalenderjahre 1950 im Jahre 1954 auf 10,3 v. H. gesunken ist,
während bei der übrigen Wirtschaft die Steuerleistung von 25,7 v. H. auf 29,4 v. H. gestiegen ist.
— Ja, ich freue mich, wenn man die Gelegenheit hat, in der Offentlichkeit Behauptungen von Kreisen, die die Dinge nicht kennen, aber Unzufriedenheit erzeugen wollen, mit sachlichen Gründen entgegenzutreten.
Was den Wohnungsbau betrifft, so belaufen sich die Gesamtaufwendungen des Bundes auf diesem Gebiet auf rund 1,3 Milliarden DM. Dazu kommen Mittel aus dem Ausgleichfonds in Höhe von rund 1,1 Milliarden DM. Obwohl in der Bauwirtschaft bedenkliche Erscheinungen zutage getreten sind, die eine Übersteigerung der Baukosten befürchten lassen, sind die Mittel für den Wohnungsbau nicht gekürzt worden, sondern bestehengeblieben.
Hierher gehört auch die Frage des zivilen Luftschutzes. Im Haushalt 1955 waren die ersten Aufwendungen für Luftschutzzwecke in einem Umfang von rund 12 Millionen DM ausgebracht. Durch den Nachtragshaushalt 1955 werden weitere 70 Millionen DM für diesen Zweck angefordert. Die Luftschutzkosten sind im Haushaltsplan 1956 darüber hinaus um weitere rund 6 Millionen DM erhöht. Die Bundesregierung nimmt an, daß die bereitgestellten Mittel zunächst ausreichen, um die 1955 angelaufenen Maßnahmen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten durchzuführen und auszubauen. Länder und Gemeinden sollen sich mit ebenso hohen und zusätzlich zu veranschlagenden Beträgen an diesem Aufbau beteiligen.
Über die Frage des Verteidigungsbeitrags, der Besatzungs- und Stationierungskosten habe ich mich schon ausführlich geäußert. Ich darf nur noch bitten, weiteres aus dem Vorwort zu dem Einzelplan des Bundesverteidigungsministeriums zu entnehmen. Ich hoffe, im Laufe der Ausschußberatungen Ihnen noch einen normal gegliederten Entwurf dieses Einzelplans vorlegen zu können. Die Einzelaufstellungen lassen sich nämlich mit Zuverlässigkeit erst dann bewerkstelligen, wenn das Aufstellungsprogramm für die Streitkräfte feststeht, die im Gang befindlichen Bewilligungen für das Rechnungsjahr 1955 abgeschlossen und die unentbehrlichen gesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiete der Verteidigung ergangen sind.
Ich komme nunmehr zu 'dem Sozialetat. Der Sozialetat für das Rechnungsjahr 1956 beläuft sich auf rund 8,1 Milliarden DM. Obwohl infolge der günstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes für die Arbeitslosenfürsorge 250 Millionen DM weniger veranschlagt werden konnten, ist der Sozialetat im ganzen nicht vermindert, sondern um einen Betrag von 30 Millionen DM immer noch erhöht. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, daß durch das Sonderzulagengesetz und die geplanten Leistungsverbesserungen der Kriegsopferversorgung neue Ausgaben entstehen werden.
Von dem für die Sozialausgaben veranschlagten Betrag von insgesamt 8,1 Milliarden DM entfallen auf die Kriegsopferversorgung rund 3,5 Milliarden DM, auf die Zuschüsse zur Sozialversicherung rund 3 Milliarden DM und auf Kriegsfolgenhilfe und Arbeitslosenhilfe je 0,6 Milliarden DM. Das bedeutet, daß etwa ein Viertel der gesamten Einnahmen des Bundes an die Empfänger der Sozialausgaben weitergeleitet wird, d. h. daß der Bund von den mehr begünstigten Schichten der Bevölkerung eine Umschichtung von Einnahmen in großem Maße vornimmt, um der sozialen Not im Lande abzuhelfen. Der Bund hat den Willen, auf diesem Gebiet das Möglichste zu tun, selbst wenn er um der finanziellen Ordnung willen dann gezwungen ist, Wünsche auf Steuersenkungen nicht in dem Umfange befriedigen zu können, wie sie vorgetragen werden.
Bei der Kriegsopferversorgung wurde in früheren Jahren vorgesehen, daß sich wegen des natürlichen Rückgangs der Zahl der Kriegsopfer infolge Todes, Herauswachsens der Waisen aus der Versorgung und aus anderen Gründen eine bedeutende Verminderung ergeben müsse. Richtig ist, daß für das neue Jahr mit einem Rückgang von rund 169 500 Rentenfällen gerechnet wird. Trotzdem steigen die Aufwendungen auf diesem Gebiet noch um rund 80 Millionen DM an und erreichen damit die oben genannte Summe von rund 3,5 Milliarden DM. Das ist so, weil 140 Millionen DM zusätzlich für die vom Bundestag geplante Verbesserung der Leistungen in der Kriegsopferversorgung in den Haushaltsplan bereits eingesetzt sind.
Zu dem zweiten großen Posten der Sozialausgaben, nämlich den Zuschüssen zur Sozialversicherung, die 3 068 Millionen DM betragen, treten noch die Erstattungen für die Mehraufwendungen der Rentenversicherungsträger hinzu, die gemäß § 90 des Bundesversorgungsgesetzes im Kriegsopferhaushalt vorgesehen sind. Damit erhöht sich der vorgesehene Bundeszuschuß an die Rentenversicherung auf insgesamt 3 386 Millionen DM.
Die Gesamtleistungen des Bundes und der Länder, der Sozialversicherungsträger und des Sondervermögens des Lastenausgleichs werden im Jahre 1956 auf rund 21,7 Milliarden DM geschätzt. Sie steigen also gegenüber 1955 um weitere rund 400 Millionen DM an. Das beruht zum großen Teil auf der Zunahme der Alterslast, aber auch auf den vor kurzem verabschiedeten oder kurz vor der Verabschiedung stehenden Sozialgesetzen. Der gesamte Sozialaufwand von 21,7 Milliarden DM nimmt rund
36,4 % der gesamten Abgabenbelastung, d. h. aller Steuern und Beiträge, in Anspruch. Mit anderen Worten: Von dem in Form von Steuern und Beiträgen in Höhe von 59,5 Milliarden DM vom Sozialprodukt abgeschöpften Arbeitsertrag wird über ein Drittel auf die sozial schwache Bevölkerung umgelegt.