Rede von
Detlef
Struve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle uns heute vorliegenden Anträge verfolgen das Ziel, die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die gegenwärtige Konjunktur zu stabilisieren. Soweit sie greifbare Tatsachen schaffen sollen, erstreben sie eine Unkostensenkung auf die verschiedenste Art und Weise. Nun hätte sicher mancher unter uns eine ausreichende Steuersenkung im weitesten Sinne angestrebt. Ich glaube jedoch, unser Herr Finanzminister hat es wieder einmal ausgezeichnet verstanden, uns hier zur nüchternen Realität zurückzuführen. Ich glaube, er hat es darüber hinaus verstanden, klarzumachen, daß der Optimismus in dieser Hinsicht bei unserer Ausschußarbeit keine allzugroßen Früchte zeitigen wird. In erster Linie ist es die Rücksichtnahme auf die Währung, die uns zwingt, das erstrebte Ziel auf sehr verschiedene Art und Weise anzustreben.
Unsere konjunkturpolitischen Entscheidungen dürfen allerdings nicht nur darauf bedacht sein, mit der Stabilisierung der Währung die Stabilität der Preise zu sichern. Wir müssen uns darüber klar sein, daß es heute noch weite Bereiche in unserer Wirtschaft gibt, die die sogenannte Konjunkturüberhitzung nur vom Hörensagen kennen. Das Ziel muß etwas weiter gesteckt sein. Die konjunkturellen Auftriebskräfte verlangen eine Verlagerung. Sie gehören von den Stellen des Übermaßes dorthin, wo man noch auf sie wartet. Dabei gibt es einmal sehr große Unterschiede in der Bundesrepublik, wenn wir die Verhältnisse rein regional betrachten. Der Herr Bundeswirtschaftsminister war in der letzten Woche Gast von Schleswig-Holstein. Es hat sich dabei sehr deutlich gezeigt, daß die Marktferne eines Landes für dessen ganze Wirtschaft mit nur geringen Ausnahmen eine harte Tatsache ist.
Sie hat es mit sich gebracht, daß die notwendigen Investitionen in einem solchen Land für die Unternehmungen — das dürfte für viele Rand- und Grenzländer unserer Bundesrepublik zutreffen — in einem verhältnismäßig sehr kleinen Umfange über den Preis haben erreicht werden können.
Die Folgen dieser Situation liegen klar auf der Hand. Sie bedingen eine verhältnismäßig hohe kurzfristige Verschuldung, die sich beispielsweise bei den jüngsten kreditpolitischen Maßnahmen des Zentralbankrats sehr hindernd auswirkt. Man kann in einem solchen Falle nicht behaupten, daß etwa im ganzen Lande hier — ich denke da vor allen Dingen auch an Bayern — eine Konjunkturüberhitzung vorhanden ist.
Wesentlich spürbarer allerdings als die regionalen Unterschiede in der Konjunktur ist das Konjunkturgefälle in der Wirtschaft selbst. Mit der nahezu einmütigen Annahme des Landwirtschaftsgesetzes haben wir erst vor wenigen Monaten diese Tatsache in diesem Hohen Hause anerkannt Auf die Landwirtschaft der Bundesrepublik trifft in ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage keine einzige der Voraussetzungen zu, die die bisherigen Sorgen über die Konjunktur entstehen ließen.
Das ist auch in allen Diskussionsreden anerkannt worden. Selbst wenn der Zentralbankrat den Diskontsatz noch weiter heraufsetzte, die Landwirtschaft wird leider trotzdem Maschinen weiter kaufen müssen, und sie wird trotzdem weiter in die Wirtschaftsgebäude erhebliche Kapitalien hineinstecken müssen, um den veränderten Arbeitsverhältnissen weiter gerecht zu werden. Sie macht diese Aufwendungen nicht in falscher Einsetzung und Einschätzung konjunktureller Erwartungen, sie macht sie vielmehr unter dem Zwang der immer mehr um sich greifenden Landflucht. Ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen muß die deutsche Landwirtschaft investieren, um die Arbeit zu erleichtern und um das Fehlen von Arbeitskräften auszugleichen.
Weitaus die meisten dieser Investitionen wurden und werden durch kurzfristige Kredite finanziert. Dabei aber wird der Zins- und Tilgungsdienst in zunehmendem Maße immer deutlicher zu einem bedenklichen Gefahrenherd in der deutschen Landwirtschaft.
Daß sich daraus möglicherweise weit über die Landwirtschaft hinausreichende Folgen ergeben können, brauche ich im einzelnen nicht auszuführen.
Aus diesem Grunde darf eine Konjunkturpolitik, die sich an den Erscheinungen der ganzen Wirtschaft orientiert, an den besonderen Umständen der gegenwärtigen landwirtschaftlichen Verschuldung nicht vorübergehen. Die uns vorliegenden Anträge aber berücksichtigen diese Lage der Landwirtschaft nicht, und deshalb bedürfen sie der Ergänzung, insbesondere im Hinblick auf den Antrag auf Drucksache 1748, eine Umschuldungsaktion für den Mittelstand einzuleiten. Die Landwirtschaft ist nun einmal angesichts der ihr eigenen Struktur in ihrer Finanzierung auf langfristige Kredite angewiesen, und diese langfristigen Kredite müssen einen entsprechenden Zinssatz haben. Kurzfristige Kredite, die das normale Maß übersteigen, sind wegen des langsamen Kapitalumschlags Gift für die
deutsche Landwirtschaft; sie müssen unter allen Umständen früher oder später einen konjunkturellen Krisenherd schaffen, dessen allgemeine wirtschaftliche und politische Bedeutung möglicherweise in den betroffenen Gebieten unseren gegenwärtigen Sorgen um nichts nachsteht.
Wir haben das alles schon einmal erlebt. Ich darf an die Zeit vor mehr als zwei Jahrzehnten erinnern. Die Gesetzgebung hat damals diese Gefahr nicht erkannt. Es ist deshalb nach meinem Dafürhalten dringend notwendig, daß wir im Rahmen der heutigen Diskussion auf diesen Zusammenhang mit aller Deutlichkeit hinweisen.
Die im sogenannten Lübke-Plan angelaufenen Maßnahmen sind gut; aber sie bedürfen einer wesentlichen Ausweitung. Das Hohe Haus wird sich meines Erachtens in Kürze in sehr konkreter Form mit der Frage des Agrarkredits und mit den landwirtschaftlichen Investitionen befassen müssen.
Aber, meine Damen und Herren, ein verbessertes System des Agrarkredits allein kann die großen gegenwärtigen Lücken in der landwirtschaftlichen Ertragslage nicht schließen. Zusätzliche Maßnahmen sind deshalb sehr schnell und dringend notwendig. Sie wissen, daß unser Trinkmilchpreis uns dabei besonders am Herzen liegt. Es hat um diese Frage in den letzten Wochen sehr viel Aufregung gegeben. Daß der Deutsche Gewerkschaftsbund daran entscheidend beteiligt war, obwohl er das Fehlen der Rentabilität der Milchwirtschaft ausdrücklich zugibt, ist schwer zu verstehen.
Natürlich wollen wir Verbraucher — denn das sind wir ja am Ende alle miteinander — unseren Bedarf so billig wie möglich decken. Aber dieser natürliche Egoismus kann doch nicht so weit gehen, Preise mit Gewalt so niedrig zu halten, daß sie für den jeweiligen Erzeuger einen Verlust bedeuten. Das aber ist die eindeutige Lage beim heutigen Trinkmilchpreis. Man braucht sich doch nur zu vergegenwärtigen, daß nach den amtlichen Unterlagen der Index für Milcherzeugerpreise bei 183 liegt, während der Index der milchwirtschaftlichen Produktionskosten inzwischen auf 230 Punkte stieg. Wenn wir uns dann daran erinnern, daß der Trinkmilchpreis durch eine Preisverordnung, die am 8. Juli 1951, also vor vier Jahren, herausgegeben wurde, festgesetzt ist, dann dürfen wir diese vier Jahre auf der Unkostenseite nicht außer Betracht lassen.
Ich darf daran erinnern, daß wir durch, mehrfache Lohnerhöhungen in diesen vier Jahren die Tariflöhne um 28% erhöht haben. Ihnen ist bekannt, daß diese Löhne
von der Landarbeitergewerkschaft im ganzen Bundesgebiet aufgekündigt sind. Ich glaube, wir sind uns einig, wenn ich sage, jede Aufkündigung der Tarife hat zu einer weiteren Lohnsteigerung geführt. Ich darf daran erinnern, daß die Ausgaben der deutschen Landwirtschaft für künstlichen Dünger mit über einer Milliarde um 26% gestiegen sind. Die Preise der neuen Maschinen sind um 23% gestiegen, die Kosten der Gebäudeunterhaltung sind um etwa 24 % gestiegen. Zu gleicher Zeit hat die deutsche Landwirtschaft erhebliche Aufwendungen gemacht, um innerhalb der Milchviehbestände die Leistungen zu steigern. Die Leistungen, nicht nur die Leistungskontrolle, sondern auch die Qualitätskontrolle sind auf der Unkostenseite der Landwirtschaft zu finden. Zucht und Haltung, mit einem Wort: Rationalisierung im weitesten Sinne ist in der deutschen Landwirtschaft in diesen vier Jahren eine Tatsache, ohne daß diese auf der Preisseite irgendwie berücksichtigt wurde.
Wenn wir bedenken, daß die Einnahmen aus der Milch über ein Viertel der gesamten Einnahmen, die die deutsche Landwirtschaft der Bundesrepublik hat, ausmachen, ich glaube, dann wird klar, welche Bedeutung der Trinkmilchpreis für die deutsche Landwirtschaft hat.
Für die große Zahl der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe ist dieser Prozentsatz allerdings sehr viel größer —.er macht über 50 aus —, ja er ist für viele Kleinbetriebe die einzige laufende Bareinnahme, die überhaupt in diesen Betrieben zu verzeichnen ist. Meine Damen und Herren, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß rund 85 % aller Milchkühe in den Kleinbetrieben stehen, dann, glaube ich, wird klar, welche Bedeutung der Trinkmilchpreis hat. Das Milchgeld ist der Lohn für die Kleinbauern.
Ich glaube, wir müssen diese Dinge auch bei den Auseinandersetzungen, die der Alltag mit sich gebracht hat, nicht als eine Forderung nach einer zusätzlichen Einnahme der deutschen Landwirtschaft sehen, sondern wir müssen sie sehen als das Problem des Kleinbauerntums der Bundesrepublik schlechthin.
Beachten Sie, bitte, meine Damen und Herren, den Lebensstandard in diesen bäuerlichen Familien.
Sie werden feststellen, daß dort im besten Sinne des Wortes ein gemeinsamer Existenzkampf von Frau und Mann ist, der in den Kleinbetrieben geführt wird.
Wenn wir dabei den langen und schweren Arbeitstag, den keiner im Hohen Hause leugnen wird, berücksichtigen, dann müssen wir klar erkennen, daß wir diese Dinge fern von politischen Auseinandersetzungen sachlich klären und sachlich entscheiden müssen.
Angleichung des Trinkmilchpreises an die gestiegenen Erzeugungskosten schließt also nach meiner Ansicht in letzter Hinsicht auf eine große soziale Aufgabe, weil die Struktur der Bundesrepublik nun einmal eine kleinbäuerliche ist.
Bedenken Sie bitte diese unbestreitbaren Tatsachen, wenn wir uns hier über diese Frage unterhalten, die auch in der Diskussion von den verschiedenen Rednern angesprochen wurde. Lassen Sie sich dabei bitte auch nicht durch die immer wiederkehrende Behauptung irremachen, die unmodernen Molkereien verteuerten die Milcherzeugung und die Milchverarbeitung. Selbstverständlich war der Nachholbedarf in der deutschen Landwirtschaft, vor allen Dingen im Molkereiwesen, nach dem Kriege besonders groß. Aber nach der Währungsreform sind hier sehr große Aufwendungen
gemacht worden, und es dürfte kaum noch eine Meierei geben, die nicht den geforderten Ansprüchen genügt. Ebenso abwegig ist die Forderung, daß alle kleinen Molkereien zugunsten größerer Betriebe verschwinden sollen. In den großen Trinkmilchgebieten ist dieser Forderung längst weithin Rechnung getragen. In den übrigen, verbrauchsfernen Gebieten aber, wo das molkereiwirtschaftliche Schwergewicht in der Butter- und in der Käseerzeugung liegt, sind der Konzentration aus Gründen der Rentabilität sehr enge Grenzen gezogen. Seien Sie bitte davon überzeugt, daß die Landwirtschaft, genau so wie die ganze übrige Wirtschaft, um ihres eigenen Ertrags willen das wirtschaftlich Sinnvolle schon aus eigenem Antrieb macht. Die führenden Männer der landwirtschaftlichen Berufsvertretung haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß auch sie die Notwendigkeit der Preisstabilität respektieren. Aber die Gültigkeit dieses Grundsatzes hört dort auf, wo er die Wirtschaftlichkeit und damit die Produktion lebenswichtiger Nahrungsmittel in Frage stellt. Die rückläufigen Milchviehbestände, meine Damen und Herren, beweisen es. Vergegenwärtigen wir uns, daß in vielen Kleinbetrieben das Pferd durch den Kleinschlepper abgelöst worden ist, erinnern wir uns daran, daß man von der Kuhbespannung immer mehr abgeht, daß wir also in zunehmendem Maße noch in den letzten Jahren eine Verlagerung erlebt haben, indem der Großbetrieb die Milchviehhaltung und damit die Milchproduktion einschränkte zugunsten des Kleinbetriebes; dann wird uns klar, was der augenblickliche Trinkmilchpreis auch für den Verbraucher für die Zukunft zu bedeuten hat.
Die Entwicklung, die wir im Augenblick haben, muß, wenn sie anhält, auf dem Milch- und Buttersektor zwangsläufig zu denselben und ähnlichen Zuständen führen, wie wir sie heute auf dem Eiermarkt haben. Weil die deutsche Erzeugung gegenwärtig an der Deckung des deutschen Eierbedarfs aus jahreszeitlichen Gründen nur in geringem Umfange beteiligt ist, liegt der Eierpreis im Augenblick verhältnismäßig hoch und weit über dem Jahresdurchschnitt, obwohl der Zoll im Augenblick bekanntlich nur 5 % — statt 15 % im Sommer — ausmacht. Das Ausland nutzt es aus, daß an den deutschen Eiermärkten kein konkurrierendes deutsches Angebot ist, und der deutsche Verbraucher, meine Damen und Herren, muß es bezahlen.
Diese Tatsache beweist zur Genüge, daß trotz aller entgegenstehenden immer wiederkehrenden Behauptungen am Ende die ausreichende deutsche Erzeugung sowohl für den Erzeuger, für den Bauernstand, als auch für den Verbraucher das Sinnvolle und Richtige ist.
Diese deutsche Erzeugung wird auf die Dauer auch die billigste Bedarfsdeckung sichern.
Nun hat die Bundesregierung in ihrer Erklärung erfreulicherweise in dem Punkte, wo sie zu den staatlich gebundenen Preisen Stellung nahm, hier die Ausnahme für die Landwirtschaft ausdrücklich anerkannt. Ich darf auch mit Befriedigung feststellen, daß die Herren Diskussionsredner in dieser Frage weitestgehend mit der Erklärung der Regierung einiggehen. Ich habe in diesem Zusammenhang allerdings bedauert daß gestern der Vertreter der Opposition in diesem Punkte anderer Meinung war, und habe die Bitte, daß doch dieser Standpunkt überprüft wird. Ich darf daran erinnern, daß wir auch im Bundesmietengesetz einen ähnlichen Weg gegangen sind, und ich darf das Hohe Haus doch darum bitten, zu prüfen, ob es möglich und sinnvoll ist, in dem Augenblick, wo man glaubt, daß gewisse sozial schwache Kreise diesen Preis von sich aus nicht zahlen können, dies zu Lasten eines Standes, in diesem Fall zu Lasten des deutschen Kleinbauerntums, auszutragen und zu entscheiden.
Das Hohe Haus dürfte sich darin einig sein, daß hier eine echte Aufgabe des ganzen deutschen Volkes vorliegt. Sie werden uns immer als Ihre Partner finden, wenn es darum geht, zugunsten der sozial Schwächsten etwas zu tun. Wir meinen aber, die Entscheidung in der Frage des Trinkmilchpreises darf nicht länger aufgeschoben werden.
Hier handelt es sich, wie ich darzulegen versuchte, nicht um eine einseitige wirtschaftliche Maßnahme, sondern in letzter Konsequenz um die soziale, ja auch die politische Aufgabe für unser deutsches Kleinbauerntum schlechthin.
Ich darf daher das Bundeskabinett bitten, die Bemühungen unseres Herrn Ernährungsministers, die Verordnung von Juli 1951 nun endlich zu ändern, zu unterstützen. Die verschiedenen Beiträge der gestrigen und der heutigen Diskussion haben gezeigt, daß hier eine weitere Aufschiebung nicht mehr verantwortet werden kann.
So wird es sicher auch verständlich, daß meine politischen Freunde bereits im Juli unmittelbar nach Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes mit einem diesbezüglichen Antrag an das Hohe Haus herantraten. Leider finden wir erst heute Gelegenheit, diesen Antrag im Parlament zu besprechen.
Der zweite Antrag, den ich kurz zu begründen habe, befaßt sich mit der Umsatzsteuer. Der materielle Inhalt des Antrags auf Drucksache 1628 wird auch im Zusammenhang mit einem andern Antrag im Hohen Hause behandelt. Es wird beantragt, die landwirtschaftliche Produktion von der Umsatzsteuer völlig zu befreien. Auch dieser Antrag ist zum Teil noch umstritten. Ein Verzicht auf die Umsatzsteuer bedeutet ohne Zweifel auch ein Opfer der Allgemeinheit zugunsten der Landwirtschaft. Aber bedenken Sie bitte, daß diesem scheinbaren Opfer der greifbare Verzicht der Landwirtschaft vorausgeht. Die Landwirtschaft hat nicht die Möglichkeit des kalkulatorischen Ausgleichs für die laufend entstehenden Unkosten. Sie muß sich mit der Vorbelastung des politischen Preises für ihre Erzeugnisse auseinandersetzen. Wäre die Landwirtschaft in der Lage, ähnlich wie die übrige Wirtschaft die Umsatzsteuer zum Bestandteil des Preises zu machen, wie es der Wille des Gesetzgebers bei der Schaffung der Umsatzsteuer war, dann wäre es nicht nötig, den heutigen Antrag hier zu behandeln. Aber diese Möglichkeit hat die Landwirtschaft nicht, und deshalb haben wir diesen Antrag auf Befreiung von der Umsatzsteuer gestellt.
Sehen Sie bitte in diesem Antrag einen Beitrag,
die Bemühungen unseres Ministers Lübke zu
unterstützen, der mit seinem Programm zur Un-
kostensenkung, das er vor zwei Jahren verkündete, in der Öffentlichkeit viel Anklang und viel Beachtung gefunden hat. Wir sind uns aber wohl auch alle darüber im klaren, daß dieses von ihm vor zwei Jahren aufgestellte Programm bisher leider doch noch zuwenig beachtet worden ist.
Es ist nun aber fällig, Die deutsche Landwirtschaft — ich darf feststellen, daß das erfreulicherweise aus den Ausführungen aller Diskussionsredner her-ausklang — ist an den Preissteigerungen der letzten vier Jahre nur sehr bescheiden beteiligt gewesen. Sie ist — auch das wurde anerkannt — zurückgeblieben. Wenn wir von solcher Warte aus an die Dinge herangehen, dürfte es, glaube ich, nicht schwerfallen, auch diesem Antrage meiner Fraktion zu folgen.
Aus demselben Grunde bitte ich, auch dem Antrag meiner Fraktion, Drucksache 1755, nach Überprüfung der Realsteuergesetzgebung zuzustimmen. Der darin niedergelegte Wunsch nach Abbau der überhöhten Grund- und Gewerbesteuern in den einzelnen Ländern berührt neben dem gewerblichen Mittelstand auch die Landwirtschaft in außerordentlich hohem Maße. Es ist das Schicksal der Urproduktion in allen demokratischen Ländern, daß sie die großen und fortschreitenden Möglichkeiten der Technisierung und des Kapitaleinsatzes nicht annähernd so nützen kann, wie es die übrige Wirtschaft tut. Die Landwirtschaft befindet sich eben in einer Sonderlage. Das hat mit der berühmten, immer wieder behaupteten Rückständigkeit der Landwirtschaft nicht das geringste zu tun.
Es ist ein natürlicher Mangel, dessen Ausgleich überall als eine unumgängliche staatliche Aufgabe angesehen wird. Die agrarpolitische Gesetzgebung der Nachkriegszeit und insonderheit die Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes beweisen hinreichend, daß auch die Bundesrepublik sich zu dieser Aufgabe bekennt. Das gibt mir die Hoffnung, daß Sie den von meinen politischen Freunden und mir eingebrachten Anträgen Ihre Zustimmung nicht versagen werden. Der volkswirtschaftlichen Leistungskraft der westdeutschen Landwirtschaft würde eine solche Entscheidung in hohem Maße zugute kommen.