Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe der bisherigen Aussprache ist an die Bundesregierung und insbesondere auch an den Bundesfinanzminister die Frage gerichtet worden, wie sie zu den Anträgen stehen, die Gegenstand der Tagesordnung sind, und ob der Finanzminister diese Anträge mit dem Regierungsprogramm, das Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard verkündet hat, für vereinbar hält. Ich darf zunächst einmal vorausschicken, daß die sachliche Würdigung, die das Regierungsprogramm gefunden hat, angenehm berührt hat.
Wenn nun die Frage, die insbesondere Herr Kollege Deist gestellt hat mit Bezug auf die Stellung, die die Bundesregierung zu den Anträgen einnimmt, sich zunächst nur auf die Anträge der CDU/CSU bezogen hat, so darf ich sie doch auf alle Anträge ausdehnen. Zu den Anträgen der CDU/ CSU möchte ich zunächst bemerken, und ich glaube meine Freunde von der CDU/CSU verstehen mich richtig: Die CDU/CSU stellt ihre Popträge selbständig. Diese Anträge sind nicht etwa von der Regierung formuliert und von der Regierung vorgelegt.
Im Gegenteil, sie stellt sie völlig selbständig, und ob der Bundesfinanzminister und ob die Bundesregierung allen Einzelheiten der Anträge zustimmt, das bitte ich noch abzuwarten. Ich darf mich auf die Erklärung beschränken, daß die Anträge der CDU/CSU das sind, was man in der Diplomatensprache eine „geeignete Grundlage für weitere Verhandlungen" heißt.
Jedenfalls möchte ich feststellen, daß diese Anträge den Grundsätzen des Regierungsprogramms mir nicht zu widersprechen scheinen.
Das Regierungsprogramm ist entstanden nicht etwa allein aus deutschen Verhältnissen heraus. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß im Hochsommer dieses Jahres in verschiedenen Ländern dieselben Sorgen und dieselben Überlegungen aufgetaucht sind. In Deutschland hat die Notenbank, die Bank deutscher Länder, am 3. August zunächst ihre Maßnahmen getroffen. Die BdL ist unabhängig; sie trifft ihre Maßnahmen regelmäßig, ohne die Öffentlichkeit vorher darüber zu unterrichten und ohne mit irgend jemandem zu konsultieren. Auch die Maßnahmen vom 3. August sind völlig aus eigenem Entschluß der BdL entstanden. Es ist aber selbstverständlich, daß die Kreditpolitik, die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik in der deutschen Bundesrepublik nur ein einheitliches Ganzes sein können. Es ist selbstverständlich, daß, wenn vom Standpunkt der Kreditpolitik aus ein Eingreifen erforderlich scheint, Wirtschafts-, Finanz- und Kreditpolitik aufeinander abgestimmt werden müssen. Deswegen sind diese Maßnahmen vom ersten Tag an im engsten Benehmen, im engsten Einvernehmen zwischen den Personen erfolgt, die die Verantwortung auf diesen drei Gebieten tragen, mit dem Ziel, ein Programm vorlegen zu können, das die gesamte Bundesregierung anzunehmen in der Lage ist. Dieses Programm liegt Ihnen heute vor.
Die Gründe, die die Bank deutscher Länder zu ihrem Vorgehen veranlaßt haben, sind ähnlich den Gründen, die auch in anderen Ländern hervorgetreten sind. Wir haben fünf Jahre lang gegen ein Gespenst, gegen eine Sorge gekämpft. Diese Sorge
für das deutsche Volk war: Ist es nach dem Zusamenbruch, ist es, nachdem eine neue Währung geschaffen worden ist, möglich, den deutschen Wiederaufbau durchzuführen, für Millionen von Menschen Arbeitsplätze zu schaffen? Ist es möglich, all die sozialen Leistungen aufzubringen, die von uns gefordert werden; ist es möglich, das zu tun ohne Überhöhung der Lasten, die auf dem Steuerzahler liegen? Ist es möglich, dabei eine geordnete Finanzwirtschaft durchzuführen und damit dem Sparer das Vertrauen in die deutsche Währung zu geben und zu erhalten?
Wenn wir heute zurückdenken an die Zeiten, als wir uns im Deutschen Bundestag, etwa im Winter 1949/1950 oder im Winter 1950/1951, über die Interpellationen wegen der Arbeitslosigkeit unterhielten, können wir heute sagen: Wir können eigentlich stolz darauf sein, daß neue Sorgen an uns herangetreten sind, Sorgen, die nicht etwa daher kommen, daß wir heute noch eine Arbeitslosigkeit hätten. Was wir erreichen wollten, ist heute voll erreicht; aber weil es erreicht ist, sind neue Überlegungen notwendig geworden, Überlegungen, die aus dem Erreichten notwendigerweise folgen. Nicht die Arbeitslosigkeit, sondern der Arbeitermangel ist heute die Frage, mit der wir uns beschäftigen, nicht eine Unterbeschäftigung der Industrie und Wirtschaft. Die Fragen einer Überbeschäftigung, einer völligen Ausnutzung der Kapazitäten, einer Abnützung und des Verschleißes in der Wirtschaft sind heute die Sorgen, die an uns herantreten. Wenn wir in den Jahren 1949/1950 geahnt hätten, daß wir uns im Jahre 1955 über diese Sorgen unterhalten werden, dann wären wir im Jahre 1949 sehr glücklich gewesen.
Aber trotzdem tragen wir nach wie vor die Verantwortung vor dem deutschen Volk für die Stetigkeit in der Währung, für die Stetigkeit in der Wirtschaft und für die Stetigkeit des Arbeitsmarktes. Daraus sind die Überlegungen geboren.
Und nun bitte ich an folgendes zu denken. Anfang August ging durch den deutschen Blätterwald eine Forderung bis in die letzte Dorfzeitung hinein: Steuersenkung! Alles, was in der Zeit des vergangenen Jahres an Argumenten für eine Steuerreform — meist falschen Argumenten — vorgebracht worden ist, ist wieder aufgetaucht. Es kam der Ruf nach Steuersenkung, nach Weiterführung der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren getroffen worden sind. Wir haben damals Darlehen für Arbeitsplatzbeschaffung gegeben. Das war sinnvoll in der Zeit, als wir die Arbeitslosigkeit noch hatten. Wir haben damals Kredite gegeben. Wir haben damals Garantien übernommen und Bürgschaften des Bundes in die Milliardenbeträge hinein gegeben, um den Wiederaufbau zu schaffen und eine Investition zu bilden. Wir haben Hunderte von Millionen in Bewegung gesetzt, um nicht nur den Wohnungsbau durchzuführen, sondern auch innerhalb des deutschen Volkes die Umsiedlung der Heimatvertriebenen aus überlasteten Grenzländern zu den Arbeitsplätzen im Innern des Landes. Aber wer Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, der soll sich heute mit mir vielleicht einmal in ein solches früher als überlastetes Notstandsgebiet bezeichnetes Gebiet hineinbegeben und dort eine Rede halten, die staatlich gelenkte Umsiedlung müsse weiter getrieben werden! Ich wünsche ihm viel Glück. Heute ist es Gott sei Dank so geworden, daß die Leute auch im letzten Grenzdorf draußen die Arbeitskräfte, die noch vorhanden sind, zu behalten wünschen
und daß sie eher Vorwürfe erheben, wenn ihnen die Kräfte, die ihnen wertvoll geworden sind, heute vom Staat entzogen würden. Die Freizügigkeit wird heute allseitig anerkannt, aber die staatlich gelenkte Umsiedlung ist etwas, was in den Gegenden heute kein Verständnis findet.
— Ich bin ja froh darüber, daß beides zusammengetroffen ist.
Ich sage nur: Der ist ein schlechter Jäger, der dann, wenn der Hirsch erlegt ist, immer noch weiter auf den toten Hirsch schießt.
Wenn das Ziel erreicht ist, dann muß ich meine Mittel auf ein neues Ziel einstellen. Dieses neue Ziel heißt nun so, meine Damen und Herren: Wir haben, um der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit zu geben zu investieren, zu rationalisieren und Arbeitsplätze zu schaffen, um damit das Verhältnis von Eigenkapital und Fremdkapital zu bessern, über das so viel geklagt wurde, unter anderem auch, um nur ein Beispiel zu nennen, ein Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes geschaffen. Wir können darauf verweisen, daß diese Gesetzgebung ihr Ziel erreicht hat und für die Privatwirtschaft ein Kapitalmarkt vorhanden ist. Wir können darauf verweisen, daß im ersten Halbjahr 1955 an Aktienemissionen allein 1100 Millionen DM aufgenommen worden sind. Wir hätten vielleicht gewünscht, daß diese Aktienemissionen in das breite Publikum gelenkt worden wären und sich nicht zum großen Teil auf den Kreis der alten Aktionäre in Form der Bezugsrechte beschränkt hätten. Wir haben gewünscht, daß diese Vermehrung des Eigenkapitals genützt wird, um das Fremdkapital, das kurzfristige Fremdkapital entweder in ein Eigenkapital umzuwandeln oder es wenigstens zu konsolidieren. Wir mußten feststellen, daß die Aufnahme kurzfristiger Kredite in der Wirtschaft trotz der Möglichkeit, Eigenkapital zu gewinnen und zu schaffen, nicht abgenommen, sondern zugenommen hat, daß in demselben Halbjahr 2700 Millionen — rund — neue kurzfristige Kredite aufgenommen worden sind gegenüber dem Vorjahr mit rund 1600 Millionen. Und, meine Damen und Herren, wenn die Notenbank als Trägerin der Kreditpolitik und verantwortlich für sie sagt, darin besteht eine Gefahr, daß die Summe der kurzfristigen Kredite zu groß wird und die Grundlage für langfristige Investitionen bilden soll, dann hat die Bank deutscher Länder, wenn wir an die Erfahrungen früherer Jahrzehnte denken, von ihrem Standpunkt aus wohl recht, und es war eine Notwendigkeit, daß sie eingriff und die Maßnahmen am 3. August durchgeführt hat. Deshalb wurde sie bei diesen Maßnahmen auch von der Bundesregierung unterstützt. Nun ziehen aber wir die weiteren Folgerungen, und die Folgerungen haben wir in diesem Regierungsprogramm bekanntgegeben.
Jetzt darf ich, um auf die Anträge zu sprechen zu kommen, doch an etwas erinnern. Alle Redner dieses Hauses haben den Grundsatz „Stetigkeit der Wirtschaft, Stetigkeit der Währung" in den Vordergrund geschoben. Wer die Stetigkeit der
Wirtschaft und die Stetigkeit der Währung will, meine Damen und Herren, der muß für die finanzielle Ordnung im Staat und bei der öffentlichen Hand eintreten.
Infolgedessen müssen alle Anträge in ihrer Summe und ihren Rückwirkungen daraufhin geprüft werden, ob sie diesem Ziel: der Stetigkeit der Währung und der finanziellen Ordnung, auch wirklich dienen.
Nun, meine Damen und Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Ihnen einmal sage, wie ich im großen und ganzen in der Summe die Anträge betrachte und welche Schlußfolgerungen ich daraus ziehe. Ich nehme nun einmal eine haushaltswirtschaftliche und bitte, diese nicht als die allein ausschlaggebende zu betrachten. Ausschlaggebend ist auch die Rückwirkung auf unser ganzes wirtschaftspolitsches Geschehen. Aber vielleicht am klarsten sind einige Zahlen, die ich Ihnen geben kann. Ich darf eines vorausschicken. Ich kann und will heute nicht über den Rechnungsabschluß des Bundeshaushalts 1955 und über den Bundeshaushalt 1956 sprechen. Das wird erst dann geschehen können, wenn ich den Haushalt dem Kabinett vorgelegt habe und im Namen der Bundesregierung über diese Frage sprechen kann. Ich kann aber heute schon sagen, daß der Abschluß 1955 wieder einen recht beträchtlichen rechnerischen Fehlbetrag aufweisen wird.
— Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Probleme so leicht nehmen, dann wünschte ich, ich könnte die Leichtigkeit — um keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen — mit Ihnen teilen.
Ich möchte feststellen, daß der Bundeshaushalt 1956 wahrscheinlich größere Schwierigkeiten bringen wird, wenn wir, wie es das Regierungsprogramm erklärt und was wohl die selbstverständliche Voraussetzung ist, die finanzielle Vorsorge, die der Bundeshaushalt für die Zwecke der in den nächsten Jahren auf uns zukommenden Aufgaben zu treffen hat, nicht gefährdet sehen wollen. Es ist die Voraussetzung, daß wir die Rechtsverpflichtung, die wir im Inland und gegenüber dem Ausland eingegangen sind, einhalten, wenn wir in der Welt den deutschen Kredit halten wollen.
Unter dieser Voraussetzung darf ich einmal folgendes sagen. Ich habe mir die Ausgabenanträge zusammengestellt, die heute hier vorliegen — in der Summe —, und habe mir die Einnahmesenkungsanträge zusammengestellt. Ich nehme zunächst die Ausgabenanträge. Um alle zu schonen, nenne ich nur die Drucksachen-Nummern:
Drucksache Nr. 1687, 1708, 1705, 1680 und 1747. Ich nehme nur die unmittelbare Belastung des Bundes. Konjunkturpolitisch wird doch entscheiden, was andere Träger daneben zu leisten haben, weil es sich ja auch um die Frage handelt, ob die Steigerung der Kaufkraft, die hiermit verbunden ist, in dem konjunkturpolitischen Sinn sich heute in dem Maße hält, daß eine Steigerung verantwortet werden kann. Vielleicht haben Sie in den heutigen Vormittagszeitungen gelesen, was in England geplant ist, welche Erklärungen Schatzkanzler Butler
nach der Richtung abgegeben hat. Sie werden verstehen, daß konjunkturpolitisch jede Erweiterung der Kaufkraft nun einmal ihre Rückwirkungen hat.
Wenn ich aber nur das nehme, was auf den Bundeshaushalt zukommt, ergibt sich, daß dieser Aufwand allein schon 2170 Millionen DM an Mehrausgaben bedeutet. Diese Anträge sind aber noch nicht vollständig.
In meinem Büro wird bereits über einen anderen Antrag verhandelt, der sich auf den Personenkreis nach Art. 131 bezieht und der in der Fassung, in der er bei mir eingereicht wurde, eine weitere Mehrausgabe des Bundes von 800 bis 900 Millionen DM bedeuten würde, so daß wir allein schon ohne die Rückwirkungen, die sich automatisch aus diesen Anträgen auf dem Gebiet der Alfu etc. ergeben müßten, einen Betrag von 3 Milliarden DM zu verzeichnen hätten!
Dazu kommt — was die Damen und Herren ja auch wissen —, daß wir zur Zeit Forderungen der Beamten, der Angestellten und Arbeiter auf Erhöhung der Gehälter und Löhne haben, die, wenn sie in der gestellten Form akzeptiert würden, eine weitere Mehrausgabe von rund 2 Milliarden DM für Bund und Länder bedeuten würden. Insgesamt hätten also dann die Mehrausgaben eine Höhe von 5 Milliarden DM erreicht, Ausgaben, die zum größten Teil auf den Bund zukommen, aber alle in Form einer Kaufkraftstärkung die öffentliche Volkswirtschaft berühren.
Zweitens. Wenn ich nun die Anträge auf Senkung von Steuern behandle, darf ich einmal eines vorausschicken: Diese Anträge scheiden sich in Anträge auf Senkung der Körperschaft- und Einkommensteuer und Anträge auf Senkung der Verbrauchsteuern. Zu den Verbrauchsteuern möchte ich meine Erklärung, die ich von vornherein gegeben habe, wiederholen. In England sucht man die Verbrauchsteuern nicht zu senken, sondern man will sie sogar, wie die Presse heute berichtet, eher erhöhen. Der deutsche Bundesfinanzminister verfolgt diesen englischen Weg nicht. Die Verhältnisse sind in allen Ländern verschieden. Der deutsche Bundesfinanzminister ist mit dem Wirtschaftsminister und dem Gesamtkabinett einig, daß unser erstes Bestreben sein muß, eine Erhöhung der Preise zu vermeiden, und zu dem Zweck müssen alle Mittel, die zu Preissenkungen führen können, auch wirklich eingesetzt werden, selbst mit Opfern, die der Bundeshaushalt nach dieser Richtung im Rahmen des Möglichen zu übernehmen hat. Aber die Voraussetzung ist — und ich glaube, Sie haben dem ausdrücklich zugestimmt —, daß alle Senkungen von Verbrauchsteuern den Verbrauchern voll und dauernd zugute kommen.
— Die Tabaksteuer — das gestehe ich — ist ein Fortläufer der Mittelstandspolitik aus früherer Zeit. Dabei geht es übrigens um einen Betrag, der nicht wesentlich entscheidend ist. Hier kommt in Frage, lieber Herr Kollege Dresbach, daß wir bei der Tabaksteuer nun einmal den engen Zusammenhang zwischen Steuer und Preisbindung haben, weil ich durch die Preisbindung auf die Existenz
dieser mittelständischen Firmen unmittelbar einwirke und infolgedessen auch eine erhöhte Verantwortung für die Existenz dieser kleinen und Mittelbetriebe habe. Das ist ein Ausnahmefall. Ich kann nicht alles über einen Kamm scheren, trotzdem muß ich die Linie beibehalten. Diese Linie aber heißt: Senkung der Verbrauchsteuern dann, wenn sie dem Verbraucher voll und dauernd zugute kommt. Ich sehe keinen Anlaß, eine Verbrauchsteuer zu senken, um den Zwischengewinn zu steigern.
— Meine Damen und Herren, Sie stimmen mir zu. Aber ich bin ein Mensch, der gern auch auf die Folgen einer eingeschlagenen Linie und eines Grundsatzes hinweist.
Ich nenne nur ein Beispiel. Wir haben früher z. B. bei der Biersteuer bestimmte Erfahrungen gemacht. Damals habe ich in meinem jugendlichen Enthusiasmus — ich war fünf Jahre jünger als heute —
mit dem Deutschen Brauerbund eine Senkung des Bierpreises vereinbart. Wurde gemacht. Wie lange? Ein halbes Jahr! Nach einem halben Jahr ist der Bierpreis wieder nach oben geklettert. Ich erinnere auch an die Senkung der Kaffeesteuer.
Wir haben die Kaffeesteuer gesenkt. Zunächst ging der Preis, wie erwartet, auf die entsprechende Stufe herunter. Aber dann haben sich Unglücksfälle wie ein Frost in Brasilien und andere Dinge ereignet!
Meine Damen und Herren! Wenn die Bundesregierung einen Vorschlag macht, eine Verbrauchsteuer zu senken, wird sie mit dem Vorschlag dann hervortreten, wenn sie in freien Vereinbarungen eine Sicherheit für die Senkung der Preise erhalten hat, oder sie wird, was bei einzelnen Artikeln wie Zucker möglich wäre, den Preis gesetzlich regulieren.
Unter diesen Umständen sind aber Anträge, die eine Verbrauchsteuer ohne jede Bedingung und ohne jede Voraussetzung überhaupt aufheben wollen, völlig gegenstandslos, weil sie in den Fällen, in denen gesetzlich eine Preisbindung besteht, mit der Beseitigung der Steuer die Preisbindung zu Fall bringen und damit der Spekulation freien Lauf lassen würden.
Ich sage also, daß wir diese Zusammenhänge überlegen müssen. Wie schwierig die Dinge sind, dafür ein Beispiel. Wenn die Zuckersteuer gesenkt wird, kann der Preis für den Haushaltszucker gesetzlich gesenkt werden. Der Haushaltszucker macht aber nur zwei Drittel des Verbrauchs aus, während ein Drittel in die gewerbliche Wirtschaft, in die Süßwarenindustrie geht. Wenn ich dann berücksichtigen müßte, daß eine solche Senkung der deutschen Süßwarenindustrie 76 Millionen DM Steuern ersparen würde, d. h. ihre Gewinne um 76 Millionen DM erhöht werden würden, wenn keine Preissenkung erfolgte, dann werden Sie verstehen, wenn ich mich jetzt bemühe, in Verhandlungen eine solche Folgerung zu vermeiden, und
Ihnen den Gesetzentwurf dann vorlegen werde, wenn dies geklärt ist.
Unter diesen Voraussetzungen also habe ich mein Wort gegeben, dem Gedanken einer Verbrauchsteuersenkung nicht aus fiskalischen Gründen entgegenzutreten, aber aus volkswirtschaftlichen, sozialen Gründen nur mit dem Vorbehalt der vollen Weitergabe an den Verbraucher.
Jetzt darf ich aber zu den Anträgen zurückkommen. Zu den Anträgen, die die Einkommen- und Körperschaftsteuer betreffen, möchte ich eine weitere Vorbemerkung machen. In der Erklärung der Bundesregierung ist gesagt, daß die Regierung den früheren Beschlüssen des Deutschen Bundestages, die einstimmig gefaßt worden sind und dahin gehen, daß eine Denkschrift über Senkung und Verbesserung der Besteuerung der Ehegatten sowie Erhöhung der Werbungskostenpauschale für Lohn- und Gehaltsempfänger vorgelegt werden soll, Rechnung zu tragen bereit ist und Ihnen diese Denkschrift übermittelt wird. Ich bemerke, daß man konjunkturpolitisch im jetzigen Augenblick dagegen Bedenken haben könnte. Aber ich habe mich für verpflichtet gehalten, dem Bundestag das, was er in seinem Beschluß von der Bundesregierung verlangt hat, vorzulegen. Wenn wir die Denkschrift vorlegen, ist immer noch Raum, uns über konjunkturpolitische Modalitäten etc. zu unterhalten. Aber die Vorlage erfolgt unter der Voraussetzung, daß weitere Steuersenkungen über diese Beträge hinaus nicht mehr verlangt werden. Und diese Steuersenkungen sind schon sehr hoch. Sie liegen zwischen 700 und 800 Millionen DM jährlich, werden also das, was man in der Öffentlichkeit immer als erwartetes Mehraufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer bezeichnet, voll aufzehren.
Nun kommen Anträge dazu. Wenn ich die Auswirkungen des Antrags Drucksache 1764 — Erhöhung der Freigrenze für Weihnachtszuwendungen, Erhöhung des Werbungskostenpauschalbetrages auf 624 DM, Wiedereinführung des § 10 a, Ermäßigung der Einkommensteuersätze um 10 v. H., Erhöhung des Freibetrags der Steuerklasse II um 12 v. H., steuerliche Begünstigung einer Investitionsrücklage, steuerliche Begünstigungen im Kohlenbergbau — zusammennehme, sind das wieder 2,020 Milliarden DM Ausfall, also mit Ehegattenbesteuerung und Werbungskostenpauschale 2,720 Milliarden DM.
Dazu kommen nun die sehr radikalen Anträge auf Aufhebung von Verbrauchsteuern. Das würde einen Betrag ausmachen, der an 900 Millionen DM herangeht. Dabei habe ich den Antrag, der sich auf die Branntweinsteuersenkung bezieht, noch gar nicht durchrechnen lassen. Wir werden also aus diesen Anträgen einen Ausfall von wenigstens 3,6 Milliarden DM haben. Hinzu kommen ferner die Anträge Drucksachen 1695, 1688 und 1677 — die übrigen werden verbraucht durch die weitergehenden vorhin genannten Anträge —, ein weiterer Betrag von ungefähr 630 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nur die beiden Seiten gegenüberzustellen: Ausgabenerhöhung von wenigstens 3, vielleicht 5 Milliarden DM, Einnahmenminderung von 3,6 bis 4 Milliarden DM — vielleicht mehr —, und Sie werden mir zugeben, es wird notwendig sein, daß wir nicht nur alle diese Anträge einzeln behandeln, sondern bei der Behandlung jedes einzelnen Antrags seine
Rückwirkungen auf den übrigen Gebieten, seine Abstimmung mit dem Konjunkturprogramm der Regierung überlegen, das sich sachlich im allgemeinen als richtig erwiesen hat. Ich würde es sehr begrüßen, wenn vor der Beratung der einzelnen Anträge 'in den Fachausschüssen und insbesondere vor der Fassung von Beschlüssen dazu, die nicht auf das Gesamtbild abgestimmt sein können, etwa — das muß ich dem Hohen Haus überlassen —Haushaltsausschuß und Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sich einmal zusammensetzten, um das Gesamtprogramm und die Gesamtmäglichkeiten zu überprüfen, damit sie den Fachausschüssen sagen können, was unter Wahrung der finanziellen Ordnung möglich ist.
Meine Damen und Herren! Hier in Berlin, wo wir heute tagen, wird fast jede Rede geschlossen mit dem Appell, die deutsche Wiedervereinigung zu erstreben. Ich möchte mit einem anderen Appell schließen. Wir sind am Eisernen Vorhang. Der Eiserne Vorhang scheidet die freie und eine unfrei Welt. Entscheidend für die freie Welt — staatsbürgerlich — ist der Gedanke der Demokratie, und keine Demokratie ist lebensfähig, die dem eigenen Volk, dem eigenen Sparer nicht die finanzielle Ordnung und damit das Vertrauen in den Staat gewährleistet.