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    2. Deutscher Bundestag — 107. Sitzung, Berlin-Charlottenburg, Donnerstag, den 20. Oktober 1955 5851 107. Sitzung Berlin-Charlottenburg, Donnerstag, den 20. Oktober 1955. Glückwunsch zum 74. Geburtstag des Abg. Dr. Kleindinst 5851 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung; Beratung der Anträge und Initiativgesetzentwürfe zur konjunkturpolitischen Lage 5851 C Seiboth (GB/BHE) 5851 C Dr. Elbrächter (DP) 5854 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5861 C Struve (CDU/CSU) 5865 A Dr. Reif (FDP) 5868 B Schmücker (CDU/CSU) 5870 D Dr. Schellenberg (SPD) 5872 D Stingl (CDU/CSU) . . . . 5874 C, 5876 A Frau Finselberger (GB/BHE) . . 5876 B Frau Kalinke (DP) 5877 B Margulies (FDP) 5879 D Dr. Gülich (SPD) 5880 C, D Dankesworte für die herzliche Aufnahme in Berlin: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 5883 C Geschäftliche Mitteilungen . . . 5876 A, 5883 D Nächste Sitzung 5883 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5884 A Anlage 2: Überweisung der Anträge zur konjunkturpolitischen Lage an die Ausschüsse 5884 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Gleisner (Unna) 19. November Frehsee 15. November Kühn (Bonn) 15. November Matthes 15. November Dr. Miessner 15. November Welke 15. November Hoogen 12. November Albers 5. November Dr.-Ing. E. h. Schuberth 5. November Dr. Bucerius 31. Oktober Gibbert 30. Oktober Dr. Greve 29. Oktober Dr. Köhler 29. Oktober Dr. Preller 29. Oktober Frau Rösch 29. Oktober Jahn (Frankfurt) 29. Oktober Altmaier 28. Oktober Dr. Becker (Hersfeld) 28. Oktober Fürst von Bismarck 28. Oktober Erler 28. Oktober Even 28. Oktober Gräfin Finckenstein 28. Oktober Gerns 28. Oktober Höfler 28. Oktober Kalbitzer 28. Oktober Kiesinger 28. Oktober Dr. Kopf 28. Oktober Dr. Lenz (Godesberg) 28. Oktober Dr. Leverkuehn 28. Oktober Lücker (München) 28. Oktober Dr. Lütkens 28. Oktober Marx 28. Oktober Dr. Mommer 28. Oktober Frau Meyer-Laule 28. Oktober Dr. Dr. h. c. Pünder 28. Oktober Dr. Oesterle 28. Oktober Paul 28. Oktober Frau Rehling 28. Oktober Schütz 28. Oktober Graf von Spreti 28. Oktober Dr. Wahl 28. Oktober Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 28. Oktober Miller 24. Oktober Günther 23. Oktober Bauer (Wasserburg) 22. Oktober Brockmann (Rinkerode) 22. Oktober Diekmann 22. Oktober Dr. Dollinger 22. Oktober Gefeller 22. Oktober Hilbert 22. Oktober Dr. Horlacher 22. Oktober Kahn 22. Oktober Könen (Düsseldorf) 22. Oktober Leibfried 22. Oktober Dr. Löhr 22. Oktober Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 22. Oktober Müller (Worms) 22. Oktober Müser 22. Oktober Frau Nadig 22. Oktober Neuburger 22; Oktober Pelster 22. Oktober Dr. Pferdmenges 22. Oktober Frau Pitz 22. Oktober Raestrup 22. Oktober Schill (Freiburg) 22. Oktober Schlick 22. Oktober Schloß 22. Oktober Seidl (Dorfen) 22. Oktober Dr. Starke 22. Oktober Dr. Werber 22. Oktober Winkelheide 22. Oktober Stahl 22. Oktober Peters 22. Oktober Dr. Maier (Stuttgart) 22. Oktober Dr. Baade 22. Oktober Dr. Bärsch 22. Oktober Dr. Furler 22. Oktober Kemper (Trier) 22. Oktober Kroll 22. Oktober Dr. Wellhausen 20. Oktober Scharnberg 20. Oktober Frau Schanzenbach 20. Oktober Anlage 2 Umdruck 488 (Vgl. S. 5883 A) Überweisung der Anträge zur konjunkturpolitischen Lage (Punkt 3 der Tagesordnung der 106. und 107. Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin) an die Ausschüsse: Nr. 1- Drucksache 1674 - Überweisung an: Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Federführung strittig); Nr. 2 - Drucksache 1686 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 3 - Drucksache 1678 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 4 - Drucksache 1754 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 5 - Drucksache 1766 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 6 - Drucksache 1627 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 7 - Drucksache 1751 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Haushaltsausschuß, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 8 - Drucksache 1750 - Überweisung an: Ausschuß für Geld und Kredit (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 9 - Drucksache 1765 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit; Nr. 10 - Drucksache 1769 - Überweisung an: Ausschuß für Geld und Kredit (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 11- Drucksache 1768 - Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 12 — Drucksache 1775 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit, Ausschuß. für Kommunalpolitik; Nr. 13 — Drucksache 1675 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen; Nr. 14 — Drucksache 1676 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 15 — Drucksache 1776 — Überweisung an: Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 16 — Drucksache 1770 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 17 — Drucksache 1748 — Überweisung an: Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 18 — Drucksache 1752 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit; Nr. 19 — Drucksache 1672 — Überweisung an: Ausschuß für Außenhandelsfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Nr. 20 — Drucksache 1673 — Überweisung an: Ausschuß für Außenhandelsfragen (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 21 — Drucksache 1688 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 22 — Drucksache 1628 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft ,und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 23 — Drucksache 1677 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 24 — Drucksache 1696 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 25 — Drucksache 1699 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 26 — Drucksache 1762 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 27 — Drucksache 1695 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 28 — Drucksache 1764 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 29 — Drucksache 1753 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 30 — Drucksache 1758 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 31 — Drucksache 1763 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 32 — Drucksache 1767 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Außenhandelsfragen, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 33 — Drucksache 1755 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 34 — Drucksache 1760 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 35 — Drucksache 1687 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 36 — Drucksache 1746 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 37 — Drucksache 1780 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 38 — Drucksache 1759 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Haushaltsausschuß, Ausschuß für Arbeit, Ausschuß für Heimatvertriebene, Ausschuß für den Lastenausgleich; Nr. 39 — Drucksache 1749 — Überweisung an: Ausschuß für Arbeit (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 40 — Drucksache 1757 — Überweisung an: Ausschuß für den Lastenausgleich (federführend), Haushaltsausschuß. Berlin. den 18. Oktober 1955
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe der bisherigen Aussprache ist an die Bundesregierung und insbesondere auch an den Bundesfinanzminister die Frage gerichtet worden, wie sie zu den Anträgen stehen, die Gegenstand der Tagesordnung sind, und ob der Finanzminister diese Anträge mit dem Regierungsprogramm, das Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard verkündet hat, für vereinbar hält. Ich darf zunächst einmal vorausschicken, daß die sachliche Würdigung, die das Regierungsprogramm gefunden hat, angenehm berührt hat.
    Wenn nun die Frage, die insbesondere Herr Kollege Deist gestellt hat mit Bezug auf die Stellung, die die Bundesregierung zu den Anträgen einnimmt, sich zunächst nur auf die Anträge der CDU/CSU bezogen hat, so darf ich sie doch auf alle Anträge ausdehnen. Zu den Anträgen der CDU/ CSU möchte ich zunächst bemerken, und ich glaube meine Freunde von der CDU/CSU verstehen mich richtig: Die CDU/CSU stellt ihre Popträge selbständig. Diese Anträge sind nicht etwa von der Regierung formuliert und von der Regierung vorgelegt.

    (Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Im Gegenteil, sie stellt sie völlig selbständig, und ob der Bundesfinanzminister und ob die Bundesregierung allen Einzelheiten der Anträge zustimmt, das bitte ich noch abzuwarten. Ich darf mich auf die Erklärung beschränken, daß die Anträge der CDU/CSU das sind, was man in der Diplomatensprache eine „geeignete Grundlage für weitere Verhandlungen" heißt.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Jedenfalls möchte ich feststellen, daß diese Anträge den Grundsätzen des Regierungsprogramms mir nicht zu widersprechen scheinen.
    Das Regierungsprogramm ist entstanden nicht etwa allein aus deutschen Verhältnissen heraus. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß im Hochsommer dieses Jahres in verschiedenen Ländern dieselben Sorgen und dieselben Überlegungen aufgetaucht sind. In Deutschland hat die Notenbank, die Bank deutscher Länder, am 3. August zunächst ihre Maßnahmen getroffen. Die BdL ist unabhängig; sie trifft ihre Maßnahmen regelmäßig, ohne die Öffentlichkeit vorher darüber zu unterrichten und ohne mit irgend jemandem zu konsultieren. Auch die Maßnahmen vom 3. August sind völlig aus eigenem Entschluß der BdL entstanden. Es ist aber selbstverständlich, daß die Kreditpolitik, die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik in der deutschen Bundesrepublik nur ein einheitliches Ganzes sein können. Es ist selbstverständlich, daß, wenn vom Standpunkt der Kreditpolitik aus ein Eingreifen erforderlich scheint, Wirtschafts-, Finanz- und Kreditpolitik aufeinander abgestimmt werden müssen. Deswegen sind diese Maßnahmen vom ersten Tag an im engsten Benehmen, im engsten Einvernehmen zwischen den Personen erfolgt, die die Verantwortung auf diesen drei Gebieten tragen, mit dem Ziel, ein Programm vorlegen zu können, das die gesamte Bundesregierung anzunehmen in der Lage ist. Dieses Programm liegt Ihnen heute vor.
    Die Gründe, die die Bank deutscher Länder zu ihrem Vorgehen veranlaßt haben, sind ähnlich den Gründen, die auch in anderen Ländern hervorgetreten sind. Wir haben fünf Jahre lang gegen ein Gespenst, gegen eine Sorge gekämpft. Diese Sorge


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    für das deutsche Volk war: Ist es nach dem Zusamenbruch, ist es, nachdem eine neue Währung geschaffen worden ist, möglich, den deutschen Wiederaufbau durchzuführen, für Millionen von Menschen Arbeitsplätze zu schaffen? Ist es möglich, all die sozialen Leistungen aufzubringen, die von uns gefordert werden; ist es möglich, das zu tun ohne Überhöhung der Lasten, die auf dem Steuerzahler liegen? Ist es möglich, dabei eine geordnete Finanzwirtschaft durchzuführen und damit dem Sparer das Vertrauen in die deutsche Währung zu geben und zu erhalten?
    Wenn wir heute zurückdenken an die Zeiten, als wir uns im Deutschen Bundestag, etwa im Winter 1949/1950 oder im Winter 1950/1951, über die Interpellationen wegen der Arbeitslosigkeit unterhielten, können wir heute sagen: Wir können eigentlich stolz darauf sein, daß neue Sorgen an uns herangetreten sind, Sorgen, die nicht etwa daher kommen, daß wir heute noch eine Arbeitslosigkeit hätten. Was wir erreichen wollten, ist heute voll erreicht; aber weil es erreicht ist, sind neue Überlegungen notwendig geworden, Überlegungen, die aus dem Erreichten notwendigerweise folgen. Nicht die Arbeitslosigkeit, sondern der Arbeitermangel ist heute die Frage, mit der wir uns beschäftigen, nicht eine Unterbeschäftigung der Industrie und Wirtschaft. Die Fragen einer Überbeschäftigung, einer völligen Ausnutzung der Kapazitäten, einer Abnützung und des Verschleißes in der Wirtschaft sind heute die Sorgen, die an uns herantreten. Wenn wir in den Jahren 1949/1950 geahnt hätten, daß wir uns im Jahre 1955 über diese Sorgen unterhalten werden, dann wären wir im Jahre 1949 sehr glücklich gewesen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber trotzdem tragen wir nach wie vor die Verantwortung vor dem deutschen Volk für die Stetigkeit in der Währung, für die Stetigkeit in der Wirtschaft und für die Stetigkeit des Arbeitsmarktes. Daraus sind die Überlegungen geboren.
    Und nun bitte ich an folgendes zu denken. Anfang August ging durch den deutschen Blätterwald eine Forderung bis in die letzte Dorfzeitung hinein: Steuersenkung! Alles, was in der Zeit des vergangenen Jahres an Argumenten für eine Steuerreform — meist falschen Argumenten — vorgebracht worden ist, ist wieder aufgetaucht. Es kam der Ruf nach Steuersenkung, nach Weiterführung der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren getroffen worden sind. Wir haben damals Darlehen für Arbeitsplatzbeschaffung gegeben. Das war sinnvoll in der Zeit, als wir die Arbeitslosigkeit noch hatten. Wir haben damals Kredite gegeben. Wir haben damals Garantien übernommen und Bürgschaften des Bundes in die Milliardenbeträge hinein gegeben, um den Wiederaufbau zu schaffen und eine Investition zu bilden. Wir haben Hunderte von Millionen in Bewegung gesetzt, um nicht nur den Wohnungsbau durchzuführen, sondern auch innerhalb des deutschen Volkes die Umsiedlung der Heimatvertriebenen aus überlasteten Grenzländern zu den Arbeitsplätzen im Innern des Landes. Aber wer Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, der soll sich heute mit mir vielleicht einmal in ein solches früher als überlastetes Notstandsgebiet bezeichnetes Gebiet hineinbegeben und dort eine Rede halten, die staatlich gelenkte Umsiedlung müsse weiter getrieben werden! Ich wünsche ihm viel Glück. Heute ist es Gott sei Dank so geworden, daß die Leute auch im letzten Grenzdorf draußen die Arbeitskräfte, die noch vorhanden sind, zu behalten wünschen

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und daß sie eher Vorwürfe erheben, wenn ihnen die Kräfte, die ihnen wertvoll geworden sind, heute vom Staat entzogen würden. Die Freizügigkeit wird heute allseitig anerkannt, aber die staatlich gelenkte Umsiedlung ist etwas, was in den Gegenden heute kein Verständnis findet.

    (Zuruf von der SPD: Seien Sie doch froh!)

    — Ich bin ja froh darüber, daß beides zusammengetroffen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich sage nur: Der ist ein schlechter Jäger, der dann, wenn der Hirsch erlegt ist, immer noch weiter auf den toten Hirsch schießt.

    (Große Heiterkeit und Beifall.)

    Wenn das Ziel erreicht ist, dann muß ich meine Mittel auf ein neues Ziel einstellen. Dieses neue Ziel heißt nun so, meine Damen und Herren: Wir haben, um der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit zu geben zu investieren, zu rationalisieren und Arbeitsplätze zu schaffen, um damit das Verhältnis von Eigenkapital und Fremdkapital zu bessern, über das so viel geklagt wurde, unter anderem auch, um nur ein Beispiel zu nennen, ein Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes geschaffen. Wir können darauf verweisen, daß diese Gesetzgebung ihr Ziel erreicht hat und für die Privatwirtschaft ein Kapitalmarkt vorhanden ist. Wir können darauf verweisen, daß im ersten Halbjahr 1955 an Aktienemissionen allein 1100 Millionen DM aufgenommen worden sind. Wir hätten vielleicht gewünscht, daß diese Aktienemissionen in das breite Publikum gelenkt worden wären und sich nicht zum großen Teil auf den Kreis der alten Aktionäre in Form der Bezugsrechte beschränkt hätten. Wir haben gewünscht, daß diese Vermehrung des Eigenkapitals genützt wird, um das Fremdkapital, das kurzfristige Fremdkapital entweder in ein Eigenkapital umzuwandeln oder es wenigstens zu konsolidieren. Wir mußten feststellen, daß die Aufnahme kurzfristiger Kredite in der Wirtschaft trotz der Möglichkeit, Eigenkapital zu gewinnen und zu schaffen, nicht abgenommen, sondern zugenommen hat, daß in demselben Halbjahr 2700 Millionen — rund — neue kurzfristige Kredite aufgenommen worden sind gegenüber dem Vorjahr mit rund 1600 Millionen. Und, meine Damen und Herren, wenn die Notenbank als Trägerin der Kreditpolitik und verantwortlich für sie sagt, darin besteht eine Gefahr, daß die Summe der kurzfristigen Kredite zu groß wird und die Grundlage für langfristige Investitionen bilden soll, dann hat die Bank deutscher Länder, wenn wir an die Erfahrungen früherer Jahrzehnte denken, von ihrem Standpunkt aus wohl recht, und es war eine Notwendigkeit, daß sie eingriff und die Maßnahmen am 3. August durchgeführt hat. Deshalb wurde sie bei diesen Maßnahmen auch von der Bundesregierung unterstützt. Nun ziehen aber wir die weiteren Folgerungen, und die Folgerungen haben wir in diesem Regierungsprogramm bekanntgegeben.
    Jetzt darf ich, um auf die Anträge zu sprechen zu kommen, doch an etwas erinnern. Alle Redner dieses Hauses haben den Grundsatz „Stetigkeit der Wirtschaft, Stetigkeit der Währung" in den Vordergrund geschoben. Wer die Stetigkeit der


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    Wirtschaft und die Stetigkeit der Währung will, meine Damen und Herren, der muß für die finanzielle Ordnung im Staat und bei der öffentlichen Hand eintreten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Infolgedessen müssen alle Anträge in ihrer Summe und ihren Rückwirkungen daraufhin geprüft werden, ob sie diesem Ziel: der Stetigkeit der Währung und der finanziellen Ordnung, auch wirklich dienen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Nun, meine Damen und Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Ihnen einmal sage, wie ich im großen und ganzen in der Summe die Anträge betrachte und welche Schlußfolgerungen ich daraus ziehe. Ich nehme nun einmal eine haushaltswirtschaftliche und bitte, diese nicht als die allein ausschlaggebende zu betrachten. Ausschlaggebend ist auch die Rückwirkung auf unser ganzes wirtschaftspolitsches Geschehen. Aber vielleicht am klarsten sind einige Zahlen, die ich Ihnen geben kann. Ich darf eines vorausschicken. Ich kann und will heute nicht über den Rechnungsabschluß des Bundeshaushalts 1955 und über den Bundeshaushalt 1956 sprechen. Das wird erst dann geschehen können, wenn ich den Haushalt dem Kabinett vorgelegt habe und im Namen der Bundesregierung über diese Frage sprechen kann. Ich kann aber heute schon sagen, daß der Abschluß 1955 wieder einen recht beträchtlichen rechnerischen Fehlbetrag aufweisen wird.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Probleme so leicht nehmen, dann wünschte ich, ich könnte die Leichtigkeit — um keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen — mit Ihnen teilen.
    Ich möchte feststellen, daß der Bundeshaushalt 1956 wahrscheinlich größere Schwierigkeiten bringen wird, wenn wir, wie es das Regierungsprogramm erklärt und was wohl die selbstverständliche Voraussetzung ist, die finanzielle Vorsorge, die der Bundeshaushalt für die Zwecke der in den nächsten Jahren auf uns zukommenden Aufgaben zu treffen hat, nicht gefährdet sehen wollen. Es ist die Voraussetzung, daß wir die Rechtsverpflichtung, die wir im Inland und gegenüber dem Ausland eingegangen sind, einhalten, wenn wir in der Welt den deutschen Kredit halten wollen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Unter dieser Voraussetzung darf ich einmal folgendes sagen. Ich habe mir die Ausgabenanträge zusammengestellt, die heute hier vorliegen — in der Summe —, und habe mir die Einnahmesenkungsanträge zusammengestellt. Ich nehme zunächst die Ausgabenanträge. Um alle zu schonen, nenne ich nur die Drucksachen-Nummern:

    (Heiterkeit.)

    Drucksache Nr. 1687, 1708, 1705, 1680 und 1747. Ich nehme nur die unmittelbare Belastung des Bundes. Konjunkturpolitisch wird doch entscheiden, was andere Träger daneben zu leisten haben, weil es sich ja auch um die Frage handelt, ob die Steigerung der Kaufkraft, die hiermit verbunden ist, in dem konjunkturpolitischen Sinn sich heute in dem Maße hält, daß eine Steigerung verantwortet werden kann. Vielleicht haben Sie in den heutigen Vormittagszeitungen gelesen, was in England geplant ist, welche Erklärungen Schatzkanzler Butler
    nach der Richtung abgegeben hat. Sie werden verstehen, daß konjunkturpolitisch jede Erweiterung der Kaufkraft nun einmal ihre Rückwirkungen hat.
    Wenn ich aber nur das nehme, was auf den Bundeshaushalt zukommt, ergibt sich, daß dieser Aufwand allein schon 2170 Millionen DM an Mehrausgaben bedeutet. Diese Anträge sind aber noch nicht vollständig.

    (Zuruf von der SPD: Rüstung!)

    In meinem Büro wird bereits über einen anderen Antrag verhandelt, der sich auf den Personenkreis nach Art. 131 bezieht und der in der Fassung, in der er bei mir eingereicht wurde, eine weitere Mehrausgabe des Bundes von 800 bis 900 Millionen DM bedeuten würde, so daß wir allein schon ohne die Rückwirkungen, die sich automatisch aus diesen Anträgen auf dem Gebiet der Alfu etc. ergeben müßten, einen Betrag von 3 Milliarden DM zu verzeichnen hätten!
    Dazu kommt — was die Damen und Herren ja auch wissen —, daß wir zur Zeit Forderungen der Beamten, der Angestellten und Arbeiter auf Erhöhung der Gehälter und Löhne haben, die, wenn sie in der gestellten Form akzeptiert würden, eine weitere Mehrausgabe von rund 2 Milliarden DM für Bund und Länder bedeuten würden. Insgesamt hätten also dann die Mehrausgaben eine Höhe von 5 Milliarden DM erreicht, Ausgaben, die zum größten Teil auf den Bund zukommen, aber alle in Form einer Kaufkraftstärkung die öffentliche Volkswirtschaft berühren.
    Zweitens. Wenn ich nun die Anträge auf Senkung von Steuern behandle, darf ich einmal eines vorausschicken: Diese Anträge scheiden sich in Anträge auf Senkung der Körperschaft- und Einkommensteuer und Anträge auf Senkung der Verbrauchsteuern. Zu den Verbrauchsteuern möchte ich meine Erklärung, die ich von vornherein gegeben habe, wiederholen. In England sucht man die Verbrauchsteuern nicht zu senken, sondern man will sie sogar, wie die Presse heute berichtet, eher erhöhen. Der deutsche Bundesfinanzminister verfolgt diesen englischen Weg nicht. Die Verhältnisse sind in allen Ländern verschieden. Der deutsche Bundesfinanzminister ist mit dem Wirtschaftsminister und dem Gesamtkabinett einig, daß unser erstes Bestreben sein muß, eine Erhöhung der Preise zu vermeiden, und zu dem Zweck müssen alle Mittel, die zu Preissenkungen führen können, auch wirklich eingesetzt werden, selbst mit Opfern, die der Bundeshaushalt nach dieser Richtung im Rahmen des Möglichen zu übernehmen hat. Aber die Voraussetzung ist — und ich glaube, Sie haben dem ausdrücklich zugestimmt —, daß alle Senkungen von Verbrauchsteuern den Verbrauchern voll und dauernd zugute kommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Dresbach: Herr Schäffer, aber bei der Tabaksteuer noch nicht!)

    — Die Tabaksteuer — das gestehe ich — ist ein Fortläufer der Mittelstandspolitik aus früherer Zeit. Dabei geht es übrigens um einen Betrag, der nicht wesentlich entscheidend ist. Hier kommt in Frage, lieber Herr Kollege Dresbach, daß wir bei der Tabaksteuer nun einmal den engen Zusammenhang zwischen Steuer und Preisbindung haben, weil ich durch die Preisbindung auf die Existenz


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    dieser mittelständischen Firmen unmittelbar einwirke und infolgedessen auch eine erhöhte Verantwortung für die Existenz dieser kleinen und Mittelbetriebe habe. Das ist ein Ausnahmefall. Ich kann nicht alles über einen Kamm scheren, trotzdem muß ich die Linie beibehalten. Diese Linie aber heißt: Senkung der Verbrauchsteuern dann, wenn sie dem Verbraucher voll und dauernd zugute kommt. Ich sehe keinen Anlaß, eine Verbrauchsteuer zu senken, um den Zwischengewinn zu steigern.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    — Meine Damen und Herren, Sie stimmen mir zu. Aber ich bin ein Mensch, der gern auch auf die Folgen einer eingeschlagenen Linie und eines Grundsatzes hinweist.
    Ich nenne nur ein Beispiel. Wir haben früher z. B. bei der Biersteuer bestimmte Erfahrungen gemacht. Damals habe ich in meinem jugendlichen Enthusiasmus — ich war fünf Jahre jünger als heute —

    (große Heiterkeit)

    mit dem Deutschen Brauerbund eine Senkung des Bierpreises vereinbart. Wurde gemacht. Wie lange? Ein halbes Jahr! Nach einem halben Jahr ist der Bierpreis wieder nach oben geklettert. Ich erinnere auch an die Senkung der Kaffeesteuer.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir haben die Kaffeesteuer gesenkt. Zunächst ging der Preis, wie erwartet, auf die entsprechende Stufe herunter. Aber dann haben sich Unglücksfälle wie ein Frost in Brasilien und andere Dinge ereignet!

    (Große Heiterkeit und Beifall.)

    Meine Damen und Herren! Wenn die Bundesregierung einen Vorschlag macht, eine Verbrauchsteuer zu senken, wird sie mit dem Vorschlag dann hervortreten, wenn sie in freien Vereinbarungen eine Sicherheit für die Senkung der Preise erhalten hat, oder sie wird, was bei einzelnen Artikeln wie Zucker möglich wäre, den Preis gesetzlich regulieren.

    (Beifall links und in der Mitte.)

    Unter diesen Umständen sind aber Anträge, die eine Verbrauchsteuer ohne jede Bedingung und ohne jede Voraussetzung überhaupt aufheben wollen, völlig gegenstandslos, weil sie in den Fällen, in denen gesetzlich eine Preisbindung besteht, mit der Beseitigung der Steuer die Preisbindung zu Fall bringen und damit der Spekulation freien Lauf lassen würden.

    (Beifall.)

    Ich sage also, daß wir diese Zusammenhänge überlegen müssen. Wie schwierig die Dinge sind, dafür ein Beispiel. Wenn die Zuckersteuer gesenkt wird, kann der Preis für den Haushaltszucker gesetzlich gesenkt werden. Der Haushaltszucker macht aber nur zwei Drittel des Verbrauchs aus, während ein Drittel in die gewerbliche Wirtschaft, in die Süßwarenindustrie geht. Wenn ich dann berücksichtigen müßte, daß eine solche Senkung der deutschen Süßwarenindustrie 76 Millionen DM Steuern ersparen würde, d. h. ihre Gewinne um 76 Millionen DM erhöht werden würden, wenn keine Preissenkung erfolgte, dann werden Sie verstehen, wenn ich mich jetzt bemühe, in Verhandlungen eine solche Folgerung zu vermeiden, und
    Ihnen den Gesetzentwurf dann vorlegen werde, wenn dies geklärt ist.

    (Beifall in der Mitte, links und rechts.)

    Unter diesen Voraussetzungen also habe ich mein Wort gegeben, dem Gedanken einer Verbrauchsteuersenkung nicht aus fiskalischen Gründen entgegenzutreten, aber aus volkswirtschaftlichen, sozialen Gründen nur mit dem Vorbehalt der vollen Weitergabe an den Verbraucher.
    Jetzt darf ich aber zu den Anträgen zurückkommen. Zu den Anträgen, die die Einkommen- und Körperschaftsteuer betreffen, möchte ich eine weitere Vorbemerkung machen. In der Erklärung der Bundesregierung ist gesagt, daß die Regierung den früheren Beschlüssen des Deutschen Bundestages, die einstimmig gefaßt worden sind und dahin gehen, daß eine Denkschrift über Senkung und Verbesserung der Besteuerung der Ehegatten sowie Erhöhung der Werbungskostenpauschale für Lohn- und Gehaltsempfänger vorgelegt werden soll, Rechnung zu tragen bereit ist und Ihnen diese Denkschrift übermittelt wird. Ich bemerke, daß man konjunkturpolitisch im jetzigen Augenblick dagegen Bedenken haben könnte. Aber ich habe mich für verpflichtet gehalten, dem Bundestag das, was er in seinem Beschluß von der Bundesregierung verlangt hat, vorzulegen. Wenn wir die Denkschrift vorlegen, ist immer noch Raum, uns über konjunkturpolitische Modalitäten etc. zu unterhalten. Aber die Vorlage erfolgt unter der Voraussetzung, daß weitere Steuersenkungen über diese Beträge hinaus nicht mehr verlangt werden. Und diese Steuersenkungen sind schon sehr hoch. Sie liegen zwischen 700 und 800 Millionen DM jährlich, werden also das, was man in der Öffentlichkeit immer als erwartetes Mehraufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer bezeichnet, voll aufzehren.
    Nun kommen Anträge dazu. Wenn ich die Auswirkungen des Antrags Drucksache 1764 — Erhöhung der Freigrenze für Weihnachtszuwendungen, Erhöhung des Werbungskostenpauschalbetrages auf 624 DM, Wiedereinführung des § 10 a, Ermäßigung der Einkommensteuersätze um 10 v. H., Erhöhung des Freibetrags der Steuerklasse II um 12 v. H., steuerliche Begünstigung einer Investitionsrücklage, steuerliche Begünstigungen im Kohlenbergbau — zusammennehme, sind das wieder 2,020 Milliarden DM Ausfall, also mit Ehegattenbesteuerung und Werbungskostenpauschale 2,720 Milliarden DM.
    Dazu kommen nun die sehr radikalen Anträge auf Aufhebung von Verbrauchsteuern. Das würde einen Betrag ausmachen, der an 900 Millionen DM herangeht. Dabei habe ich den Antrag, der sich auf die Branntweinsteuersenkung bezieht, noch gar nicht durchrechnen lassen. Wir werden also aus diesen Anträgen einen Ausfall von wenigstens 3,6 Milliarden DM haben. Hinzu kommen ferner die Anträge Drucksachen 1695, 1688 und 1677 — die übrigen werden verbraucht durch die weitergehenden vorhin genannten Anträge —, ein weiterer Betrag von ungefähr 630 Millionen DM.
    Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nur die beiden Seiten gegenüberzustellen: Ausgabenerhöhung von wenigstens 3, vielleicht 5 Milliarden DM, Einnahmenminderung von 3,6 bis 4 Milliarden DM — vielleicht mehr —, und Sie werden mir zugeben, es wird notwendig sein, daß wir nicht nur alle diese Anträge einzeln behandeln, sondern bei der Behandlung jedes einzelnen Antrags seine


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    Rückwirkungen auf den übrigen Gebieten, seine Abstimmung mit dem Konjunkturprogramm der Regierung überlegen, das sich sachlich im allgemeinen als richtig erwiesen hat. Ich würde es sehr begrüßen, wenn vor der Beratung der einzelnen Anträge 'in den Fachausschüssen und insbesondere vor der Fassung von Beschlüssen dazu, die nicht auf das Gesamtbild abgestimmt sein können, etwa — das muß ich dem Hohen Haus überlassen —Haushaltsausschuß und Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sich einmal zusammensetzten, um das Gesamtprogramm und die Gesamtmäglichkeiten zu überprüfen, damit sie den Fachausschüssen sagen können, was unter Wahrung der finanziellen Ordnung möglich ist.
    Meine Damen und Herren! Hier in Berlin, wo wir heute tagen, wird fast jede Rede geschlossen mit dem Appell, die deutsche Wiedervereinigung zu erstreben. Ich möchte mit einem anderen Appell schließen. Wir sind am Eisernen Vorhang. Der Eiserne Vorhang scheidet die freie und eine unfrei Welt. Entscheidend für die freie Welt — staatsbürgerlich — ist der Gedanke der Demokratie, und keine Demokratie ist lebensfähig, die dem eigenen Volk, dem eigenen Sparer nicht die finanzielle Ordnung und damit das Vertrauen in den Staat gewährleistet.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und teilweise rechts.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Struve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle uns heute vorliegenden Anträge verfolgen das Ziel, die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die gegenwärtige Konjunktur zu stabilisieren. Soweit sie greifbare Tatsachen schaffen sollen, erstreben sie eine Unkostensenkung auf die verschiedenste Art und Weise. Nun hätte sicher mancher unter uns eine ausreichende Steuersenkung im weitesten Sinne angestrebt. Ich glaube jedoch, unser Herr Finanzminister hat es wieder einmal ausgezeichnet verstanden, uns hier zur nüchternen Realität zurückzuführen. Ich glaube, er hat es darüber hinaus verstanden, klarzumachen, daß der Optimismus in dieser Hinsicht bei unserer Ausschußarbeit keine allzugroßen Früchte zeitigen wird. In erster Linie ist es die Rücksichtnahme auf die Währung, die uns zwingt, das erstrebte Ziel auf sehr verschiedene Art und Weise anzustreben.
    Unsere konjunkturpolitischen Entscheidungen dürfen allerdings nicht nur darauf bedacht sein, mit der Stabilisierung der Währung die Stabilität der Preise zu sichern. Wir müssen uns darüber klar sein, daß es heute noch weite Bereiche in unserer Wirtschaft gibt, die die sogenannte Konjunkturüberhitzung nur vom Hörensagen kennen. Das Ziel muß etwas weiter gesteckt sein. Die konjunkturellen Auftriebskräfte verlangen eine Verlagerung. Sie gehören von den Stellen des Übermaßes dorthin, wo man noch auf sie wartet. Dabei gibt es einmal sehr große Unterschiede in der Bundesrepublik, wenn wir die Verhältnisse rein regional betrachten. Der Herr Bundeswirtschaftsminister war in der letzten Woche Gast von Schleswig-Holstein. Es hat sich dabei sehr deutlich gezeigt, daß die Marktferne eines Landes für dessen ganze Wirtschaft mit nur geringen Ausnahmen eine harte Tatsache ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Sie hat es mit sich gebracht, daß die notwendigen Investitionen in einem solchen Land für die Unternehmungen — das dürfte für viele Rand- und Grenzländer unserer Bundesrepublik zutreffen — in einem verhältnismäßig sehr kleinen Umfange über den Preis haben erreicht werden können.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Die Folgen dieser Situation liegen klar auf der Hand. Sie bedingen eine verhältnismäßig hohe kurzfristige Verschuldung, die sich beispielsweise bei den jüngsten kreditpolitischen Maßnahmen des Zentralbankrats sehr hindernd auswirkt. Man kann in einem solchen Falle nicht behaupten, daß etwa im ganzen Lande hier — ich denke da vor allen Dingen auch an Bayern — eine Konjunkturüberhitzung vorhanden ist.
    Wesentlich spürbarer allerdings als die regionalen Unterschiede in der Konjunktur ist das Konjunkturgefälle in der Wirtschaft selbst. Mit der nahezu einmütigen Annahme des Landwirtschaftsgesetzes haben wir erst vor wenigen Monaten diese Tatsache in diesem Hohen Hause anerkannt Auf die Landwirtschaft der Bundesrepublik trifft in ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage keine einzige der Voraussetzungen zu, die die bisherigen Sorgen über die Konjunktur entstehen ließen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das ist auch in allen Diskussionsreden anerkannt worden. Selbst wenn der Zentralbankrat den Diskontsatz noch weiter heraufsetzte, die Landwirtschaft wird leider trotzdem Maschinen weiter kaufen müssen, und sie wird trotzdem weiter in die Wirtschaftsgebäude erhebliche Kapitalien hineinstecken müssen, um den veränderten Arbeitsverhältnissen weiter gerecht zu werden. Sie macht diese Aufwendungen nicht in falscher Einsetzung und Einschätzung konjunktureller Erwartungen, sie macht sie vielmehr unter dem Zwang der immer mehr um sich greifenden Landflucht. Ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen muß die deutsche Landwirtschaft investieren, um die Arbeit zu erleichtern und um das Fehlen von Arbeitskräften auszugleichen.
    Weitaus die meisten dieser Investitionen wurden und werden durch kurzfristige Kredite finanziert. Dabei aber wird der Zins- und Tilgungsdienst in zunehmendem Maße immer deutlicher zu einem bedenklichen Gefahrenherd in der deutschen Landwirtschaft.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Daß sich daraus möglicherweise weit über die Landwirtschaft hinausreichende Folgen ergeben können, brauche ich im einzelnen nicht auszuführen.
    Aus diesem Grunde darf eine Konjunkturpolitik, die sich an den Erscheinungen der ganzen Wirtschaft orientiert, an den besonderen Umständen der gegenwärtigen landwirtschaftlichen Verschuldung nicht vorübergehen. Die uns vorliegenden Anträge aber berücksichtigen diese Lage der Landwirtschaft nicht, und deshalb bedürfen sie der Ergänzung, insbesondere im Hinblick auf den Antrag auf Drucksache 1748, eine Umschuldungsaktion für den Mittelstand einzuleiten. Die Landwirtschaft ist nun einmal angesichts der ihr eigenen Struktur in ihrer Finanzierung auf langfristige Kredite angewiesen, und diese langfristigen Kredite müssen einen entsprechenden Zinssatz haben. Kurzfristige Kredite, die das normale Maß übersteigen, sind wegen des langsamen Kapitalumschlags Gift für die


    (Struve)

    deutsche Landwirtschaft; sie müssen unter allen Umständen früher oder später einen konjunkturellen Krisenherd schaffen, dessen allgemeine wirtschaftliche und politische Bedeutung möglicherweise in den betroffenen Gebieten unseren gegenwärtigen Sorgen um nichts nachsteht.
    Wir haben das alles schon einmal erlebt. Ich darf an die Zeit vor mehr als zwei Jahrzehnten erinnern. Die Gesetzgebung hat damals diese Gefahr nicht erkannt. Es ist deshalb nach meinem Dafürhalten dringend notwendig, daß wir im Rahmen der heutigen Diskussion auf diesen Zusammenhang mit aller Deutlichkeit hinweisen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die im sogenannten Lübke-Plan angelaufenen Maßnahmen sind gut; aber sie bedürfen einer wesentlichen Ausweitung. Das Hohe Haus wird sich meines Erachtens in Kürze in sehr konkreter Form mit der Frage des Agrarkredits und mit den landwirtschaftlichen Investitionen befassen müssen.
    Aber, meine Damen und Herren, ein verbessertes System des Agrarkredits allein kann die großen gegenwärtigen Lücken in der landwirtschaftlichen Ertragslage nicht schließen. Zusätzliche Maßnahmen sind deshalb sehr schnell und dringend notwendig. Sie wissen, daß unser Trinkmilchpreis uns dabei besonders am Herzen liegt. Es hat um diese Frage in den letzten Wochen sehr viel Aufregung gegeben. Daß der Deutsche Gewerkschaftsbund daran entscheidend beteiligt war, obwohl er das Fehlen der Rentabilität der Milchwirtschaft ausdrücklich zugibt, ist schwer zu verstehen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Natürlich wollen wir Verbraucher — denn das sind wir ja am Ende alle miteinander — unseren Bedarf so billig wie möglich decken. Aber dieser natürliche Egoismus kann doch nicht so weit gehen, Preise mit Gewalt so niedrig zu halten, daß sie für den jeweiligen Erzeuger einen Verlust bedeuten. Das aber ist die eindeutige Lage beim heutigen Trinkmilchpreis. Man braucht sich doch nur zu vergegenwärtigen, daß nach den amtlichen Unterlagen der Index für Milcherzeugerpreise bei 183 liegt, während der Index der milchwirtschaftlichen Produktionskosten inzwischen auf 230 Punkte stieg. Wenn wir uns dann daran erinnern, daß der Trinkmilchpreis durch eine Preisverordnung, die am 8. Juli 1951, also vor vier Jahren, herausgegeben wurde, festgesetzt ist, dann dürfen wir diese vier Jahre auf der Unkostenseite nicht außer Betracht lassen.
    Ich darf daran erinnern, daß wir durch, mehrfache Lohnerhöhungen in diesen vier Jahren die Tariflöhne um 28% erhöht haben. Ihnen ist bekannt, daß diese Löhne

    (Zuruf von der SPD: Hungerlöhne sind!)

    von der Landarbeitergewerkschaft im ganzen Bundesgebiet aufgekündigt sind. Ich glaube, wir sind uns einig, wenn ich sage, jede Aufkündigung der Tarife hat zu einer weiteren Lohnsteigerung geführt. Ich darf daran erinnern, daß die Ausgaben der deutschen Landwirtschaft für künstlichen Dünger mit über einer Milliarde um 26% gestiegen sind. Die Preise der neuen Maschinen sind um 23% gestiegen, die Kosten der Gebäudeunterhaltung sind um etwa 24 % gestiegen. Zu gleicher Zeit hat die deutsche Landwirtschaft erhebliche Aufwendungen gemacht, um innerhalb der Milchviehbestände die Leistungen zu steigern. Die Leistungen, nicht nur die Leistungskontrolle, sondern auch die Qualitätskontrolle sind auf der Unkostenseite der Landwirtschaft zu finden. Zucht und Haltung, mit einem Wort: Rationalisierung im weitesten Sinne ist in der deutschen Landwirtschaft in diesen vier Jahren eine Tatsache, ohne daß diese auf der Preisseite irgendwie berücksichtigt wurde.
    Wenn wir bedenken, daß die Einnahmen aus der Milch über ein Viertel der gesamten Einnahmen, die die deutsche Landwirtschaft der Bundesrepublik hat, ausmachen, ich glaube, dann wird klar, welche Bedeutung der Trinkmilchpreis für die deutsche Landwirtschaft hat.

    (Abg. Lücke: Für den Kleinbauern!)

    Für die große Zahl der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe ist dieser Prozentsatz allerdings sehr viel größer —.er macht über 50 aus —, ja er ist für viele Kleinbetriebe die einzige laufende Bareinnahme, die überhaupt in diesen Betrieben zu verzeichnen ist. Meine Damen und Herren, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß rund 85 % aller Milchkühe in den Kleinbetrieben stehen, dann, glaube ich, wird klar, welche Bedeutung der Trinkmilchpreis hat. Das Milchgeld ist der Lohn für die Kleinbauern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, wir müssen diese Dinge auch bei den Auseinandersetzungen, die der Alltag mit sich gebracht hat, nicht als eine Forderung nach einer zusätzlichen Einnahme der deutschen Landwirtschaft sehen, sondern wir müssen sie sehen als das Problem des Kleinbauerntums der Bundesrepublik schlechthin.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Beachten Sie, bitte, meine Damen und Herren, den Lebensstandard in diesen bäuerlichen Familien.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Sie werden feststellen, daß dort im besten Sinne des Wortes ein gemeinsamer Existenzkampf von Frau und Mann ist, der in den Kleinbetrieben geführt wird.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wenn wir dabei den langen und schweren Arbeitstag, den keiner im Hohen Hause leugnen wird, berücksichtigen, dann müssen wir klar erkennen, daß wir diese Dinge fern von politischen Auseinandersetzungen sachlich klären und sachlich entscheiden müssen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Angleichung des Trinkmilchpreises an die gestiegenen Erzeugungskosten schließt also nach meiner Ansicht in letzter Hinsicht auf eine große soziale Aufgabe, weil die Struktur der Bundesrepublik nun einmal eine kleinbäuerliche ist.
    Bedenken Sie bitte diese unbestreitbaren Tatsachen, wenn wir uns hier über diese Frage unterhalten, die auch in der Diskussion von den verschiedenen Rednern angesprochen wurde. Lassen Sie sich dabei bitte auch nicht durch die immer wiederkehrende Behauptung irremachen, die unmodernen Molkereien verteuerten die Milcherzeugung und die Milchverarbeitung. Selbstverständlich war der Nachholbedarf in der deutschen Landwirtschaft, vor allen Dingen im Molkereiwesen, nach dem Kriege besonders groß. Aber nach der Währungsreform sind hier sehr große Aufwendungen


    (Struve)

    gemacht worden, und es dürfte kaum noch eine Meierei geben, die nicht den geforderten Ansprüchen genügt. Ebenso abwegig ist die Forderung, daß alle kleinen Molkereien zugunsten größerer Betriebe verschwinden sollen. In den großen Trinkmilchgebieten ist dieser Forderung längst weithin Rechnung getragen. In den übrigen, verbrauchsfernen Gebieten aber, wo das molkereiwirtschaftliche Schwergewicht in der Butter- und in der Käseerzeugung liegt, sind der Konzentration aus Gründen der Rentabilität sehr enge Grenzen gezogen. Seien Sie bitte davon überzeugt, daß die Landwirtschaft, genau so wie die ganze übrige Wirtschaft, um ihres eigenen Ertrags willen das wirtschaftlich Sinnvolle schon aus eigenem Antrieb macht. Die führenden Männer der landwirtschaftlichen Berufsvertretung haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß auch sie die Notwendigkeit der Preisstabilität respektieren. Aber die Gültigkeit dieses Grundsatzes hört dort auf, wo er die Wirtschaftlichkeit und damit die Produktion lebenswichtiger Nahrungsmittel in Frage stellt. Die rückläufigen Milchviehbestände, meine Damen und Herren, beweisen es. Vergegenwärtigen wir uns, daß in vielen Kleinbetrieben das Pferd durch den Kleinschlepper abgelöst worden ist, erinnern wir uns daran, daß man von der Kuhbespannung immer mehr abgeht, daß wir also in zunehmendem Maße noch in den letzten Jahren eine Verlagerung erlebt haben, indem der Großbetrieb die Milchviehhaltung und damit die Milchproduktion einschränkte zugunsten des Kleinbetriebes; dann wird uns klar, was der augenblickliche Trinkmilchpreis auch für den Verbraucher für die Zukunft zu bedeuten hat.
    Die Entwicklung, die wir im Augenblick haben, muß, wenn sie anhält, auf dem Milch- und Buttersektor zwangsläufig zu denselben und ähnlichen Zuständen führen, wie wir sie heute auf dem Eiermarkt haben. Weil die deutsche Erzeugung gegenwärtig an der Deckung des deutschen Eierbedarfs aus jahreszeitlichen Gründen nur in geringem Umfange beteiligt ist, liegt der Eierpreis im Augenblick verhältnismäßig hoch und weit über dem Jahresdurchschnitt, obwohl der Zoll im Augenblick bekanntlich nur 5 % — statt 15 % im Sommer — ausmacht. Das Ausland nutzt es aus, daß an den deutschen Eiermärkten kein konkurrierendes deutsches Angebot ist, und der deutsche Verbraucher, meine Damen und Herren, muß es bezahlen.
    Diese Tatsache beweist zur Genüge, daß trotz aller entgegenstehenden immer wiederkehrenden Behauptungen am Ende die ausreichende deutsche Erzeugung sowohl für den Erzeuger, für den Bauernstand, als auch für den Verbraucher das Sinnvolle und Richtige ist.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Diese deutsche Erzeugung wird auf die Dauer auch die billigste Bedarfsdeckung sichern.
    Nun hat die Bundesregierung in ihrer Erklärung erfreulicherweise in dem Punkte, wo sie zu den staatlich gebundenen Preisen Stellung nahm, hier die Ausnahme für die Landwirtschaft ausdrücklich anerkannt. Ich darf auch mit Befriedigung feststellen, daß die Herren Diskussionsredner in dieser Frage weitestgehend mit der Erklärung der Regierung einiggehen. Ich habe in diesem Zusammenhang allerdings bedauert daß gestern der Vertreter der Opposition in diesem Punkte anderer Meinung war, und habe die Bitte, daß doch dieser Standpunkt überprüft wird. Ich darf daran erinnern, daß wir auch im Bundesmietengesetz einen ähnlichen Weg gegangen sind, und ich darf das Hohe Haus doch darum bitten, zu prüfen, ob es möglich und sinnvoll ist, in dem Augenblick, wo man glaubt, daß gewisse sozial schwache Kreise diesen Preis von sich aus nicht zahlen können, dies zu Lasten eines Standes, in diesem Fall zu Lasten des deutschen Kleinbauerntums, auszutragen und zu entscheiden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das Hohe Haus dürfte sich darin einig sein, daß hier eine echte Aufgabe des ganzen deutschen Volkes vorliegt. Sie werden uns immer als Ihre Partner finden, wenn es darum geht, zugunsten der sozial Schwächsten etwas zu tun. Wir meinen aber, die Entscheidung in der Frage des Trinkmilchpreises darf nicht länger aufgeschoben werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Hier handelt es sich, wie ich darzulegen versuchte, nicht um eine einseitige wirtschaftliche Maßnahme, sondern in letzter Konsequenz um die soziale, ja auch die politische Aufgabe für unser deutsches Kleinbauerntum schlechthin.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich darf daher das Bundeskabinett bitten, die Bemühungen unseres Herrn Ernährungsministers, die Verordnung von Juli 1951 nun endlich zu ändern, zu unterstützen. Die verschiedenen Beiträge der gestrigen und der heutigen Diskussion haben gezeigt, daß hier eine weitere Aufschiebung nicht mehr verantwortet werden kann.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    So wird es sicher auch verständlich, daß meine politischen Freunde bereits im Juli unmittelbar nach Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes mit einem diesbezüglichen Antrag an das Hohe Haus herantraten. Leider finden wir erst heute Gelegenheit, diesen Antrag im Parlament zu besprechen.
    Der zweite Antrag, den ich kurz zu begründen habe, befaßt sich mit der Umsatzsteuer. Der materielle Inhalt des Antrags auf Drucksache 1628 wird auch im Zusammenhang mit einem andern Antrag im Hohen Hause behandelt. Es wird beantragt, die landwirtschaftliche Produktion von der Umsatzsteuer völlig zu befreien. Auch dieser Antrag ist zum Teil noch umstritten. Ein Verzicht auf die Umsatzsteuer bedeutet ohne Zweifel auch ein Opfer der Allgemeinheit zugunsten der Landwirtschaft. Aber bedenken Sie bitte, daß diesem scheinbaren Opfer der greifbare Verzicht der Landwirtschaft vorausgeht. Die Landwirtschaft hat nicht die Möglichkeit des kalkulatorischen Ausgleichs für die laufend entstehenden Unkosten. Sie muß sich mit der Vorbelastung des politischen Preises für ihre Erzeugnisse auseinandersetzen. Wäre die Landwirtschaft in der Lage, ähnlich wie die übrige Wirtschaft die Umsatzsteuer zum Bestandteil des Preises zu machen, wie es der Wille des Gesetzgebers bei der Schaffung der Umsatzsteuer war, dann wäre es nicht nötig, den heutigen Antrag hier zu behandeln. Aber diese Möglichkeit hat die Landwirtschaft nicht, und deshalb haben wir diesen Antrag auf Befreiung von der Umsatzsteuer gestellt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Sehen Sie bitte in diesem Antrag einen Beitrag,
    die Bemühungen unseres Ministers Lübke zu
    unterstützen, der mit seinem Programm zur Un-


    (Struve)

    kostensenkung, das er vor zwei Jahren verkündete, in der Öffentlichkeit viel Anklang und viel Beachtung gefunden hat. Wir sind uns aber wohl auch alle darüber im klaren, daß dieses von ihm vor zwei Jahren aufgestellte Programm bisher leider doch noch zuwenig beachtet worden ist.

    (Abg. Lücke: Das lag nicht an Lübke, das lag an den Verhältnissen!)

    Es ist nun aber fällig, Die deutsche Landwirtschaft — ich darf feststellen, daß das erfreulicherweise aus den Ausführungen aller Diskussionsredner her-ausklang — ist an den Preissteigerungen der letzten vier Jahre nur sehr bescheiden beteiligt gewesen. Sie ist — auch das wurde anerkannt — zurückgeblieben. Wenn wir von solcher Warte aus an die Dinge herangehen, dürfte es, glaube ich, nicht schwerfallen, auch diesem Antrage meiner Fraktion zu folgen.
    Aus demselben Grunde bitte ich, auch dem Antrag meiner Fraktion, Drucksache 1755, nach Überprüfung der Realsteuergesetzgebung zuzustimmen. Der darin niedergelegte Wunsch nach Abbau der überhöhten Grund- und Gewerbesteuern in den einzelnen Ländern berührt neben dem gewerblichen Mittelstand auch die Landwirtschaft in außerordentlich hohem Maße. Es ist das Schicksal der Urproduktion in allen demokratischen Ländern, daß sie die großen und fortschreitenden Möglichkeiten der Technisierung und des Kapitaleinsatzes nicht annähernd so nützen kann, wie es die übrige Wirtschaft tut. Die Landwirtschaft befindet sich eben in einer Sonderlage. Das hat mit der berühmten, immer wieder behaupteten Rückständigkeit der Landwirtschaft nicht das geringste zu tun.

    (Abg. Lücke: Richtig!)

    Es ist ein natürlicher Mangel, dessen Ausgleich überall als eine unumgängliche staatliche Aufgabe angesehen wird. Die agrarpolitische Gesetzgebung der Nachkriegszeit und insonderheit die Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes beweisen hinreichend, daß auch die Bundesrepublik sich zu dieser Aufgabe bekennt. Das gibt mir die Hoffnung, daß Sie den von meinen politischen Freunden und mir eingebrachten Anträgen Ihre Zustimmung nicht versagen werden. Der volkswirtschaftlichen Leistungskraft der westdeutschen Landwirtschaft würde eine solche Entscheidung in hohem Maße zugute kommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)