Rede von
Frank
Seiboth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Wir meinen, daß gerade hinsichtlich der bisherigen Investitionssteuerpolitik der Bundesregierung in dieser Hinsicht Wandel geschaffen werden muß.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß in steuerpolitischer Hinsicht gezielte Senkungsmaßnahmen durch generelle Erleichterungen für Betriebe regional unterentwickelter Gebiete, für Vertriebenen- und Flüchtlingsunternehmungen und für jene Branchen, die mit der Entwicklung nicht Schritt halten konnten, zusätzlich zu den vom Herrn Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagenen Maßnahmen ins Auge gefaßt werden müssen.
Wenn man solche gezielten Steuersenkungen einführt, dann wird im Hinblick auf die, besonders schwierige Situation dieser Unternehmungen, auf ihre schwache Ertragslage und im Hinblick auf die immer wieder bei ihnen zutage getretene Unmöglichkeit, Eigenkapital zu bilden, endlich der Grundsatz der Steuergerechtigkeit verwirklicht werden.
In diesem Zusammenhang hat auch unser Antrag auf Drucksache 1760 auf Einführung einer Rüstungsgewinnabgabe Bedeutung. Wir haben hierbei ausdrücklich vorgesehen, daß von der von uns beantragten Rüstungsgewinnabgabe, zu der mein Kollege Keller vermutlich heute noch in der Begründung näher sprechen wird, die Betriebe in Berlin, im Zonenrandgebiet und in Notstandsgebieten und die Unternehmungen von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen ausgenommen werden oder zumindest fühlbare Erleichterungen erhalten. Neben Erleichterungen steuerlicher Art, die der Festigung dieser Betriebe dienen sollen, wollen wir mit dieser Ausnahmebestimmung in unserem Antrag für die Berliner, die Vertriebenenbetriebe und die Unternehmen in unterentwickelten Gebieten bessere Startmöglichkeiten im Wettbewerb um Rüstungsaufträge, soweit das möglich ist, schaffen.
Beim Anlaufen der Rüstungsaufträge muß nach unserem Dafürhalten im Interesse der Erhaltung einer gesunden Konjunkturlage Wert darauf gelegt werden, die Aufträge auf einen möglichst langen Zeitraum zu verteilen. Nur so können Stoßanforderungen vermieden werden. Gegebenenfalls sollte unumgänglicher Stoßbedarf durch Einfuhren gedeckt werden, um die kostspielige Errichtung neuer und später womöglich überflüssig werdender Rüstungskapazitäten zu vermeiden. Im übrigen muß unbedingt vorgesorgt werden, daß die Vergabe von Rüstungsaufträgen die wirtschaftliche Ballung in gewissen Gebieten unseres Staates nicht noch mehr fördert. Sie muß vielmehr so gehandhabt werden, daß alle Möglichkeiten zur Annäherung der Leistungsfähigkeit wirtschaftlich unterentwickelter Gebiete an die von Gebieten mit Wirtschaftsballung ausgeschöpft werden.
Die bedenklichsten Auswirkungen der Konjunktur haben sich, wie gestern in allen Reden erwähnt worden ist, auf dem Bausektor gezeigt. Die dort zutage tretenden Übersteigerungen sind nicht auf den Wohnungsbau zurückzuführen. Zwar können wir hier mit Genugtuung feststellen, daß das Ergebnis von 1954 auch in diesem Jahre gehalten, wahrscheinlich sogar etwas überschritten wird. Die Überhitzung im Bausektor hat hingegen konjunkturelle Gründe. Für dieses Jahr ist im gewerblichen und industriellen Bausektor mit 20 % höherer Arbeitsleistung, auf dem öffentlichen Sektor, mit dem des Straßenbaus, ebenfalls mit 20 %, beim öffentlichen Tiefbau sogar mit 30 % und selbst bei landwirtschaftlichen Bauten mit etwa 8 % höherer Bauleistung zu rechnen.
Der Wohnungsbau aber ist und bleibt die vordringlichste Aufgabe unserer Bauwirtschaft. Es muß deshalb alles getan werden, damit diese Sparte nicht benachteiligt wird. Die Benachteiligung droht durch Überinanspruchnahme von Arbeitskräften und Baustoffen für andere Bauvorhaben. Noch gefährlicher ist die konjunkturbedingte Preissteigerung, weil sie, besonders beim sozialen Wohnungsbau, die langfristig vorgeplanten Finanzierungen über den Haufen zu werfen droht.
Gegen diese bedenklichen Erscheinungen müssen gezielte Abwehrmaßnahmen in verstärktem Maße ergriffen werden. Die gewerbliche Wirtschaft wird bei der von ihr verlangten Zurückhaltung von Investitionen vornehmlich den Bausektor ins Auge
fassen müssen. Für die öffentliche Hand aber ist es nunmehr ein zwingendes Gebot, eigene Bauvorhaben, soweit das nur irgend geht, zu drosseln oder völlig zurückzustellen. Dabei soll natürlich nicht schematisch verfahren werden. Der Straßenbau, der Tiefbau sowie der Bau von Schulen und Krankenhäusern bilden weitgehend eine Ausnahme, da es sich hier sehr oft um die Behebung von Notständen handelt.
Für den sozialen Wohnungsbau sind aber noch zusätzliche Schwierigkeiten aufgetreten. Im sozialen Wohnungsbau werden bekanntlich die Bauvorhaben für den Personenkreis der Geschädigten nach dem Lastenausgleichsgesetz aus Mitteln des Ausgleichsfonds mitfinanziert. Die für das laufende Jahr vorgeplanten Lastenausgleichsmittel, nach denen auch die Inanspruchnahme der Mittel des Kapitalmarkts und der öffentlichen Mittel gesichert wurde, stehen nicht in der veranschlagten Höhe zur Verfügung. Es klafft zur Zeit zwischen den vorliegenden Anträgen und den aus dem Lastenausgleichsfonds zur Verfügung stehenden Mitteln eine Finanzierungslücke, die im gesamten Bundesgebiet bei sehr vorsichtiger Schätzung etwa 140 bis 180 Millionen DM ausmachen dürfte. Dabei handelt es sich — ich erwähne das zur Verdeutlichung — durchweg um fehlende Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau nach dem Lastenausgleichsgesetz. Infolge des Fehlens dieser Mittel liegen aber auch die zur Verfügung stehenden anderen Mittel brach.