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ID0210700200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 107. Sitzung, Berlin-Charlottenburg, Donnerstag, den 20. Oktober 1955 5851 107. Sitzung Berlin-Charlottenburg, Donnerstag, den 20. Oktober 1955. Glückwunsch zum 74. Geburtstag des Abg. Dr. Kleindinst 5851 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung; Beratung der Anträge und Initiativgesetzentwürfe zur konjunkturpolitischen Lage 5851 C Seiboth (GB/BHE) 5851 C Dr. Elbrächter (DP) 5854 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5861 C Struve (CDU/CSU) 5865 A Dr. Reif (FDP) 5868 B Schmücker (CDU/CSU) 5870 D Dr. Schellenberg (SPD) 5872 D Stingl (CDU/CSU) . . . . 5874 C, 5876 A Frau Finselberger (GB/BHE) . . 5876 B Frau Kalinke (DP) 5877 B Margulies (FDP) 5879 D Dr. Gülich (SPD) 5880 C, D Dankesworte für die herzliche Aufnahme in Berlin: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 5883 C Geschäftliche Mitteilungen . . . 5876 A, 5883 D Nächste Sitzung 5883 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5884 A Anlage 2: Überweisung der Anträge zur konjunkturpolitischen Lage an die Ausschüsse 5884 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Gleisner (Unna) 19. November Frehsee 15. November Kühn (Bonn) 15. November Matthes 15. November Dr. Miessner 15. November Welke 15. November Hoogen 12. November Albers 5. November Dr.-Ing. E. h. Schuberth 5. November Dr. Bucerius 31. Oktober Gibbert 30. Oktober Dr. Greve 29. Oktober Dr. Köhler 29. Oktober Dr. Preller 29. Oktober Frau Rösch 29. Oktober Jahn (Frankfurt) 29. Oktober Altmaier 28. Oktober Dr. Becker (Hersfeld) 28. Oktober Fürst von Bismarck 28. Oktober Erler 28. Oktober Even 28. Oktober Gräfin Finckenstein 28. Oktober Gerns 28. Oktober Höfler 28. Oktober Kalbitzer 28. Oktober Kiesinger 28. Oktober Dr. Kopf 28. Oktober Dr. Lenz (Godesberg) 28. Oktober Dr. Leverkuehn 28. Oktober Lücker (München) 28. Oktober Dr. Lütkens 28. Oktober Marx 28. Oktober Dr. Mommer 28. Oktober Frau Meyer-Laule 28. Oktober Dr. Dr. h. c. Pünder 28. Oktober Dr. Oesterle 28. Oktober Paul 28. Oktober Frau Rehling 28. Oktober Schütz 28. Oktober Graf von Spreti 28. Oktober Dr. Wahl 28. Oktober Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 28. Oktober Miller 24. Oktober Günther 23. Oktober Bauer (Wasserburg) 22. Oktober Brockmann (Rinkerode) 22. Oktober Diekmann 22. Oktober Dr. Dollinger 22. Oktober Gefeller 22. Oktober Hilbert 22. Oktober Dr. Horlacher 22. Oktober Kahn 22. Oktober Könen (Düsseldorf) 22. Oktober Leibfried 22. Oktober Dr. Löhr 22. Oktober Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 22. Oktober Müller (Worms) 22. Oktober Müser 22. Oktober Frau Nadig 22. Oktober Neuburger 22; Oktober Pelster 22. Oktober Dr. Pferdmenges 22. Oktober Frau Pitz 22. Oktober Raestrup 22. Oktober Schill (Freiburg) 22. Oktober Schlick 22. Oktober Schloß 22. Oktober Seidl (Dorfen) 22. Oktober Dr. Starke 22. Oktober Dr. Werber 22. Oktober Winkelheide 22. Oktober Stahl 22. Oktober Peters 22. Oktober Dr. Maier (Stuttgart) 22. Oktober Dr. Baade 22. Oktober Dr. Bärsch 22. Oktober Dr. Furler 22. Oktober Kemper (Trier) 22. Oktober Kroll 22. Oktober Dr. Wellhausen 20. Oktober Scharnberg 20. Oktober Frau Schanzenbach 20. Oktober Anlage 2 Umdruck 488 (Vgl. S. 5883 A) Überweisung der Anträge zur konjunkturpolitischen Lage (Punkt 3 der Tagesordnung der 106. und 107. Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin) an die Ausschüsse: Nr. 1- Drucksache 1674 - Überweisung an: Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Federführung strittig); Nr. 2 - Drucksache 1686 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 3 - Drucksache 1678 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 4 - Drucksache 1754 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 5 - Drucksache 1766 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 6 - Drucksache 1627 - Überweisung an: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 7 - Drucksache 1751 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Haushaltsausschuß, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 8 - Drucksache 1750 - Überweisung an: Ausschuß für Geld und Kredit (federführend), Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 9 - Drucksache 1765 - Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit; Nr. 10 - Drucksache 1769 - Überweisung an: Ausschuß für Geld und Kredit (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 11- Drucksache 1768 - Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 12 — Drucksache 1775 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit, Ausschuß. für Kommunalpolitik; Nr. 13 — Drucksache 1675 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen; Nr. 14 — Drucksache 1676 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 15 — Drucksache 1776 — Überweisung an: Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 16 — Drucksache 1770 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 17 — Drucksache 1748 — Überweisung an: Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 18 — Drucksache 1752 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Geld und Kredit; Nr. 19 — Drucksache 1672 — Überweisung an: Ausschuß für Außenhandelsfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Nr. 20 — Drucksache 1673 — Überweisung an: Ausschuß für Außenhandelsfragen (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 21 — Drucksache 1688 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 22 — Drucksache 1628 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft ,und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 23 — Drucksache 1677 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 24 — Drucksache 1696 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 25 — Drucksache 1699 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 26 — Drucksache 1762 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 27 — Drucksache 1695 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 28 — Drucksache 1764 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 29 — Drucksache 1753 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 30 — Drucksache 1758 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 31 — Drucksache 1763 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 32 — Drucksache 1767 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Außenhandelsfragen, Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 33 — Drucksache 1755 — Überweisung an: Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ausschuß für Kommunalpolitik; Nr. 34 — Drucksache 1760 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen; Nr. 35 — Drucksache 1687 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 36 — Drucksache 1746 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 37 — Drucksache 1780 — Überweisung an: Ausschuß für Sozialpolitik (federführend), Haushaltsausschuß; Nr. 38 — Drucksache 1759 — Überweisung an: Ausschuß für Wirtschaftspolitik (federführend), Haushaltsausschuß, Ausschuß für Arbeit, Ausschuß für Heimatvertriebene, Ausschuß für den Lastenausgleich; Nr. 39 — Drucksache 1749 — Überweisung an: Ausschuß für Arbeit (federführend), Ausschuß für Wirtschaftspolitik; Nr. 40 — Drucksache 1757 — Überweisung an: Ausschuß für den Lastenausgleich (federführend), Haushaltsausschuß. Berlin. den 18. Oktober 1955
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Frank Seiboth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, die Bundesregierung sei mit der Bank deutscher Länder der Auffassung, daß die bisherige Entwicklung der Preise keinen Anlaß zu ernster Besorgnis biete. Er hat andererseits von dem immer schwächer werdenden Widerstand sowohl der Verbraucher wie auch der Wirtschaft selbst gegen die allmählich höher werdenden Preise gesprochen und besorgt auf Gefahren hingewiesen, die durch Verfolgung egoistischer Gruppeninteressen für die Währung entstehen können.
    Auch meine Fraktion ist der Meinung, daß die Gefahren der derzeitigen Wirtschaftslage nicht überschätzt werden sollen. Sie dürfen aber auch nicht bagatellisiert werden. Die bisherige wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik hat es mit sich gebracht, daß der Unterschied zwischen arm und reich immer mehr erschreckende Ausmaße annimmt.

    (Widerspruch und Zurufe von der CDU/ CSU.)

    — Das mag für einzelne von Ihnen vielleicht nicht zutreffen; ich kann Ihnen genug Beispiele aus unserem Wirkungsbereich vortragen, wenn Sie wollen.
    Gleichlaufend mit dieser sehr bedenklichen Entwicklung ist die Tatsache zu registrieren, daß die sogenannten wirtschaftlich unterentwickelten Gebiete zum Teil immer mehr verelenden oder zum mindesten nicht in dem Ausmaß an der Aufwärtsentwicklung beteiligt sind, das eine weitestmögliche Annäherung der Leistungsfähigkeit aller Gebiete der Bundesrepublik erhoffen ließe. Der Bundeswirtschaftsminister hat selbst zugegeben, daß es noch Millionen von Rentnern in unserem Staate gibt, die von jeder Preissteigerung in ihrem sozialen Sein aufs härteste betroffen werden. Er hat daran die Forderung geknüpft, daß diese Menschen nicht verraten und nicht betrogen werden dürfen. Ich möchte hier nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Worte nicht nur zur Beruhigung gesprochen wurden, sondern daß sich die Bundesregierung darüber im klaren ist, daß diese Menschen jetzt, wo wir gezwungen sind, eine Konjunkturdebatte zu halten, mit ihrer lange geübten Geduld allmählich am Ende sind. Die Menschen, von denen hier die Rede ist, haben fast ausnahmslos ihr bitteres Schicksal ohne eigene Schuld, dafür aber zumeist stellvertretend für das ganze besiegte deutsche Volk ertragen. Ich denke hier an die Mil-


    (Seiboth)

    lionen Kriegsbeschädigter, Spätheimkehrer, Heimatvertriebener und Flüchtlinge. Ein hoher Prozentsatz von ihnen muß mit einem monatlichen Einkommen aus Renten oder Unterstützungen das Leben fristen, das klar unter dem gerichtlich anerkannten Existenzminimum liegt. Für alle diese Menschen wirken die schönen Worte wie Wirtschaftswunder, Hochkonjunktur, erfolgreiche Eingliederung usw. oft wie Hohn auf die realen Tatsachen ihres Lebens.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Wir stellen das keineswegs mit Genugtuung, sondern mit sehr tiefer Sorge dieser Menschen wegen hier fest. Wir bejahen ausdrücklich die Freiheit der Wirtschaft, wir meinen aber, daß diese Wirtschaft vom ganzen Volk in ihrer Freiheit nur so lange verteidigt und bejaht werden wird, solange sie es verdient, d. h. solange sie das Gesamtwohl aller deutschen Menschen, im besonderen aber der sozial Schwächsten im Auge behält. Wir müssen leider offen bekennen, wir können uns manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß die einsichtigen Kreise der Wirtschaft hier und da schon überspielt werden von jenen Kräften, die sich bereits im Grenzgebiet der ihnen zugestandenen wirtschaftlichen Freiheit bewegen und den Sinn für ihre soziale Verpflichtung verloren haben. Der Staat sollte nach unserer Meinung ohne dirigistische Maßnahmen auskommen. Es sollte zu solchen Maßnahmen durch das egozentrische Verhalten gewisser Faktoren der Wirtschaft aber auch nicht provoziert werden.
    Wir verkennen nicht, daß die derzeitige Konjunkturlage auch positive Auswirkungen hat. Zu diesen gehören vor allem der unerwartet hohe Steuereingang und höhere Einnahmen der Sozialversicherungsträger. Das höhere Aufkommen versetzt den Staat in die Lage, im Sinne der Regierungserklärung vom 10. Oktober 1953 auf sozialem Gebiet zum Teil das nachzuholen, was trotz Wirtschaftsaufschwung versäumt oder in nicht ausreichendem Maße durchgeführt wurde. Rentenhöhe und Lebenshaltungskosten geraten immer mehr in ein ständig steigendes Mißverhältnis. Die geringfügigen gesetzlichen Verbesserungen wie z. B. das Rentenmehrbetragsgesetz vom vorigen Jahr haben die jahrelangen Versäumnisse auf diesem Gebiet nicht wettmachen können.
    Unsere Fraktion hat mit der Drucksache 1746 einen Antrag auf Erhöhung der Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung eingebracht. Die CDU hat diesen Antrag offensichtlich für so gut befunden, daß sie zwei Tage später einen Antrag fast gleichen sachlichen Inhalts einbrachte.

    (Heiterkeit beim GB/BHE und bei der SPD. Abg. Arndgen: Denkste!)

    — Ja, lesen Sie nur das Datum der Einbringung nach; dann werden Sie das feststellen. — Wir sind uns darüber klar, daß auch die von uns verlangte nochmalige Erhöhung der Rentenmehrbeträge keinesfalls ausreicht und nur ein Teilstück der notwendigen Verbesserung aller sozialen Leistungen darstellt.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seinem Elf-Punkte-Programm u. a. das Problem der derzeitigen Arbeitsmarktverhältnisse angesprochen und angekündigt, daß die Bundesregierung Vorbereitungen treffen will, um für bestimmte kritische Arbeitsbereiche ausländische Arbeitskräfte heranzuziehen. Wir übersehen nicht, daß sowohl der Facharbeitermangel in gewissen Sparten der Wirtschaft wie auch der Bauarbeiter- und Landarbeitermangel zu solchen Maßnahmen zwingen kann. Andererseits müssen wir darauf hinweisen, daß heute noch in dem großen Heer der vom Staat oder den Versicherungsträgern sozial Unterstützten sich sehr viele befinden, die auf jede Unterstützung gern verzichten würden, wenn man ihnen einen festen Arbeitsplatz oder eine angemessene Existenz bieten könnte. Hier sind nach unserem Dafürhalten noch nicht alle Arbeitskraftreserven ausgeschöpft.
    Mit unserem Antrag Drucksache 1759 ersucht meine Fraktion die Bundesregierung, aus Haushaltsmitteln einen Betrag von zunächst 100 Millionen DM zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen bereitzustellen. Diese Dauerarbeitsplätze sollen vornehmlich jenem Personenkreis zugute kommen, der noch heute einen unverhältnismäßig hohen Anteil an der Arbeitslosigkeit aufweist. Es sind das die Flüchtlinge, die Heimatvertriebenen und ganz besonders die älteren arbeitslosen Angestellten. Ich möchte hier allerdings unseren Antrag für die Behandlung im zuständigen Ausschuß schon etwas erweitern, und zwar in dem Sinne, daß diese Mittel auch zur Berufsumschulung und im Hinblick auf konjunkturpolitische Erfordernisse auch für Rationalisierungsmaßnahmen in Geschädigtenbetrieben verwendet werden dürfen. Es kann hier nicht eingewandt werden, daß die hierfür im Lastenausgleichs fonds zur Verfügung stehenden Mittel nicht voll ausgeschöpft werden; Diese Tatsache ist keineswegs darauf zurückzuführen, daß kein echtes Bedürfnis für diese Aufgabe vorliegt, sondern die Bedingungen, unter denen diese Mittel aus dem LAG-Fonds vergeben werden, sind so hart und drückend, daß die Kreditbedürftigen diese Gelder nicht in Anspruch nehmen können.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Damit ist gleichzeitig gesagt, daß die nunmehr mit unserem Antrag geforderten Haushaltsmittel unter anderen, d. h. leichteren Vergabebedingungen vergeben werden sollten.
    Wir haben ein Interesse daran, daß die Bundesregierung alles tut, urn einerseits das Fortdauern der Konjunktur zu gewährleisten, andererseits mit Energie alle schädlichen Auswirkungen der Konjunktur von vornherein unterbindet. Die natürlichen Mittel des Staates, auf die Konjunkturlage einzuwirken, liegen wohl in der Steuerpolitik und in der Zollpolitik.
    Daneben ist für den Staat die Möglichkeit gegeben, in psychologischer und propagandistischer Weise auf die Gefahren, die sich aus der erreichten Vollbeschäftigung ergeben, hinzuweisen und einzuwirken.
    Vom Unternehmer muß der Staat fordern, daß er auf Kapazitätserweiterungen verzichtet und Investitionen nur dort vornimmt, wo sie zur Festigung seines Betriebes unbedingt erforderlich sind. Die Rationalisierung der bestehenden Betriebe zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität und zur Einsparung von Material und Arbeitskräften ist vordringlicher als Neuinvestition! Etwaige Überschüsse sollten die Unternehmer vordringlich zur Senkung ihrer Preise und zur Verbesserung ihrer Liquiditätslage verwenden!
    Andererseits muß den Arbeitnehmern und ihren Organisationen nahegelegt werden, mit zu hohen Lohnforderungen zurückzuhalten und erst abzuwarten, ob durch die zu ergreifenden Maßnahmen


    (Seiboth)

    die notwendige Verbesserung des Lebensstandards nicht in höherem Maße erreicht werden kann. Für dieses Verlangen kann man beim Arbeitnehmer aber nur dann Verständnis erwarten, wenn vorher der Appell zur Preissenkung Erfolg gehabt hat.
    Auch der Verbraucher muß seinen Beitrag zur Erhaltung einer gesunden Konjunkturlage leisten, indem er sich beim Kauf überteuerter Waren Beschränkungen auferlegt. Er wird dadurch die Preisstabilität oder die Preisminderung der Waren fördern.
    Wir sind gern bereit, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister die von ihm gewünschte Freiheit zu notwendigen zollpolitischen Maßnahmen einzuräumen, einschließlich der sogenannten JedermannEinfuhren. Diese Jedermann-Einfuhren dürfen aber nicht etwa ausgerechnet Wirtschaftszweige in Bedrängnis bringen, die an der Konjunktur bisher nicht teilhaben konnten. Wir denken hier insbesondere an die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie.
    Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinem Elfpunkteprogramm erklärt, daß es die Absicht der Bundesregierung sei, Senkungen von Verbrauchsteuern da vorzuschlagen, wo die Sicherheit besteht, daß die Senkung dieser Steuern dem Verbraucher zugute kommen wird, dann findet er uns ganz auf seiner Seite. Wir möchten aber möglichst heute schon wissen, welche konkreten Maßnahmen in dieser Hinsicht von der Bundesregierung vorgesehen sind.

    (Abg. Dr. Gülich: Jetzt hat doch der Bundestag das Wort! Nehmen Sie Stellung zu unseren Anträgen!)

    Wenn er weiter erklärt, daß eine lineare Steuersenkung von der Bundesregierung aus konjunkturpolitischen Gründen nicht erwogen werden kann, dann wird man dem nur dann zustimmen können, wenn die Bundesregierung zugleich bereit ist, in ihrer Investitionssteuerpolitik neue Wege zu beschreiten. Wir sind uns, vielleicht auch mit Ihnen, darüber im klaren, daß die steuerliche Begünstigung auch jener Investitionen, die über den Rand des wirtschaftlich Notwendigen hinaus gemacht wurden, wesentlich zur Überhitzung der Konjunktur in gewissen Wirtschaftszweigen beigetragen hat.

    (Anhaltende Unruhe.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich bitte, die offenbar erforderlichen Privatgespräche nicht mit voller Lautstärke zu führen. Der Redner ist sonst bei aller gespannten Aufmerksamkeit nicht zu verstehen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Frank Seiboth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Wir meinen, daß gerade hinsichtlich der bisherigen Investitionssteuerpolitik der Bundesregierung in dieser Hinsicht Wandel geschaffen werden muß.
    Wir sind allerdings der Auffassung, daß in steuerpolitischer Hinsicht gezielte Senkungsmaßnahmen durch generelle Erleichterungen für Betriebe regional unterentwickelter Gebiete, für Vertriebenen- und Flüchtlingsunternehmungen und für jene Branchen, die mit der Entwicklung nicht Schritt halten konnten, zusätzlich zu den vom Herrn Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagenen Maßnahmen ins Auge gefaßt werden müssen.
    Wenn man solche gezielten Steuersenkungen einführt, dann wird im Hinblick auf die, besonders schwierige Situation dieser Unternehmungen, auf ihre schwache Ertragslage und im Hinblick auf die immer wieder bei ihnen zutage getretene Unmöglichkeit, Eigenkapital zu bilden, endlich der Grundsatz der Steuergerechtigkeit verwirklicht werden.
    In diesem Zusammenhang hat auch unser Antrag auf Drucksache 1760 auf Einführung einer Rüstungsgewinnabgabe Bedeutung. Wir haben hierbei ausdrücklich vorgesehen, daß von der von uns beantragten Rüstungsgewinnabgabe, zu der mein Kollege Keller vermutlich heute noch in der Begründung näher sprechen wird, die Betriebe in Berlin, im Zonenrandgebiet und in Notstandsgebieten und die Unternehmungen von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen ausgenommen werden oder zumindest fühlbare Erleichterungen erhalten. Neben Erleichterungen steuerlicher Art, die der Festigung dieser Betriebe dienen sollen, wollen wir mit dieser Ausnahmebestimmung in unserem Antrag für die Berliner, die Vertriebenenbetriebe und die Unternehmen in unterentwickelten Gebieten bessere Startmöglichkeiten im Wettbewerb um Rüstungsaufträge, soweit das möglich ist, schaffen.
    Beim Anlaufen der Rüstungsaufträge muß nach unserem Dafürhalten im Interesse der Erhaltung einer gesunden Konjunkturlage Wert darauf gelegt werden, die Aufträge auf einen möglichst langen Zeitraum zu verteilen. Nur so können Stoßanforderungen vermieden werden. Gegebenenfalls sollte unumgänglicher Stoßbedarf durch Einfuhren gedeckt werden, um die kostspielige Errichtung neuer und später womöglich überflüssig werdender Rüstungskapazitäten zu vermeiden. Im übrigen muß unbedingt vorgesorgt werden, daß die Vergabe von Rüstungsaufträgen die wirtschaftliche Ballung in gewissen Gebieten unseres Staates nicht noch mehr fördert. Sie muß vielmehr so gehandhabt werden, daß alle Möglichkeiten zur Annäherung der Leistungsfähigkeit wirtschaftlich unterentwickelter Gebiete an die von Gebieten mit Wirtschaftsballung ausgeschöpft werden.
    Die bedenklichsten Auswirkungen der Konjunktur haben sich, wie gestern in allen Reden erwähnt worden ist, auf dem Bausektor gezeigt. Die dort zutage tretenden Übersteigerungen sind nicht auf den Wohnungsbau zurückzuführen. Zwar können wir hier mit Genugtuung feststellen, daß das Ergebnis von 1954 auch in diesem Jahre gehalten, wahrscheinlich sogar etwas überschritten wird. Die Überhitzung im Bausektor hat hingegen konjunkturelle Gründe. Für dieses Jahr ist im gewerblichen und industriellen Bausektor mit 20 % höherer Arbeitsleistung, auf dem öffentlichen Sektor, mit dem des Straßenbaus, ebenfalls mit 20 %, beim öffentlichen Tiefbau sogar mit 30 % und selbst bei landwirtschaftlichen Bauten mit etwa 8 % höherer Bauleistung zu rechnen.
    Der Wohnungsbau aber ist und bleibt die vordringlichste Aufgabe unserer Bauwirtschaft. Es muß deshalb alles getan werden, damit diese Sparte nicht benachteiligt wird. Die Benachteiligung droht durch Überinanspruchnahme von Arbeitskräften und Baustoffen für andere Bauvorhaben. Noch gefährlicher ist die konjunkturbedingte Preissteigerung, weil sie, besonders beim sozialen Wohnungsbau, die langfristig vorgeplanten Finanzierungen über den Haufen zu werfen droht.
    Gegen diese bedenklichen Erscheinungen müssen gezielte Abwehrmaßnahmen in verstärktem Maße ergriffen werden. Die gewerbliche Wirtschaft wird bei der von ihr verlangten Zurückhaltung von Investitionen vornehmlich den Bausektor ins Auge


    (Seiboth)

    fassen müssen. Für die öffentliche Hand aber ist es nunmehr ein zwingendes Gebot, eigene Bauvorhaben, soweit das nur irgend geht, zu drosseln oder völlig zurückzustellen. Dabei soll natürlich nicht schematisch verfahren werden. Der Straßenbau, der Tiefbau sowie der Bau von Schulen und Krankenhäusern bilden weitgehend eine Ausnahme, da es sich hier sehr oft um die Behebung von Notständen handelt.
    Für den sozialen Wohnungsbau sind aber noch zusätzliche Schwierigkeiten aufgetreten. Im sozialen Wohnungsbau werden bekanntlich die Bauvorhaben für den Personenkreis der Geschädigten nach dem Lastenausgleichsgesetz aus Mitteln des Ausgleichsfonds mitfinanziert. Die für das laufende Jahr vorgeplanten Lastenausgleichsmittel, nach denen auch die Inanspruchnahme der Mittel des Kapitalmarkts und der öffentlichen Mittel gesichert wurde, stehen nicht in der veranschlagten Höhe zur Verfügung. Es klafft zur Zeit zwischen den vorliegenden Anträgen und den aus dem Lastenausgleichsfonds zur Verfügung stehenden Mitteln eine Finanzierungslücke, die im gesamten Bundesgebiet bei sehr vorsichtiger Schätzung etwa 140 bis 180 Millionen DM ausmachen dürfte. Dabei handelt es sich — ich erwähne das zur Verdeutlichung — durchweg um fehlende Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau nach dem Lastenausgleichsgesetz. Infolge des Fehlens dieser Mittel liegen aber auch die zur Verfügung stehenden anderen Mittel brach.