Rede:
ID0210001800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Schneider: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955 5579 100. Sitzung Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955. Beurlaubte Abgeordnete (Anlage) 5616 A Mitteilung über Aufnahme der Abg. Gräfin Finckenstein, Bender, Dr. Eckhardt, Haasler, Kraft, Dr. Dr. Oberländer, Samwer als Hospitanten in die Fraktion der CDU/CSU 5579 C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Personalvertretungsgesetz (Drucksache 1605) . . 5579 C Sabel (CDU/CSU), Berichterstatter . . 5579 C Beschlußfassung . . . 5581 B Erklärung der Bundesregierung gemäß § 47 der Geschäftsordnung (Genfer Konferenz und Wiedervereinigung Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5581 C Ollenhauer (SPD) 5581 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1600, 1467) 5582 A Cillien (CDU/CSU) 5582 A Mellies (SPD) 5584 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5588 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 5588 D von Manteuffel (Neuß) (FDP) . . . 5590 C Feller (GB/BHE) 5591 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5594 A Blachstein (SPD) 5597 D Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben 5603 A, 5612 C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 5610 D Erler (SPD) 5611 B, 5612 C Euler (FDP) 5613 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 5614 D Schlußabstimmung 5615 C Rückblick auf die Arbeiten des Bundestags, Wünsche für die Parlamentsferien: Vizepräsident Dr. Schmid 5615 C Nächste Sitzung 5616 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5616 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Pelster 10. September D. Dr. Gerstenmaier 15. August Dr. Höck 31. Juli Bauer (Würzburg) 30. Juli Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli Dr. Kreyssig 30. Juli Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli Schoettle 30. Juli Dr. Vogel 30. Juli Albers 23. Juli Dr. Graf Henckel 23. Juli Dr. Arndt 16. Juli Dr. Bartram 16. Juli Bauereisen 16. Juli Birkelbach 16. Juli Böhm (Düsseldorf) 16. Juli Caspers 16. Juli Dr. Czermak 16. Juli Donhauser 16. Juli Dr. Dresbach 16. Juli Ehren 16. Juli Günther 16. Juli Harnischfeger 16. Juli Koenen (Lippstadt) 16. Juli Frau Dr. Kuchtner 16. Juli Leibfried 16. Juli Lemmer 16. Juli Frau Dr. Maxsein 16. Juli Metzger 16. Juli Morgenthaler 16. Juli Neuburger 16. Juli Onnen 16. Juli Raestrup 16. Juli Dr. Starke 16. Juli Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 16. Juli Wiedeck 16. Juli Wullenhaupt 16. Juli Margulies 16. Juli Dr. Dr. h. c. Pünder 16. Juli Struve 16. Juli Dr. Eckhardt 16. Juli Dr. Schneider (Lollar) 16. Juli Dr. Keller 16. Juli b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß vom 18. Juli bis einschließlich 23. September.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Feller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Auftrag und die Absicht, Ihnen hier die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem vorliegenden Entwurf eines Freiwilligengesetzes vorzutragen und zu begründen, weshalb wir diesem Gesetz zustimmen werden. Ich habe keineswegs den persönlichen Ehrgeiz, bei allen nunmehr sich häufig bietenden Gelegenheiten hier als Wehr- und Waffenredner in Erscheinung zu treten und über alle denkbaren militärfachlichen und strategischen Probleme Ausführungen zu machen. Das bedeutet jedoch nicht, daß ich die Bedeutung dieser Frage verkenne und es für unangebracht halte, daß wir uns darüber Gedanken machen. Aber einmal geht es hier um


    (Feller)

    die Annahme eines Gesetzes mit einer zunächst streng begrenzten Geltung und Auswirkung. Es erscheint mir angebracht, dies auch der Öffentlichkeit bewußt zu machen oder es in ihrem Bewußtsein zu erhalten. Denn sonst könnte sich ihrer leicht eine gewisse Unruhe und Unsicherheit darüber bemächtigen, was eigentlich an weitreichenden militärischen Entscheidungen schon im Gange ist. Zum anderen könnte — darauf deuten doch einige Anzeichen in der Öffentlichkeit schon hin —das eigentlich Politische überdeckt oder verdrängt werden, das uns hier zunächst beschäftigt und unsere Entscheidung bedingt. Das besteht doch darin — davon haben wir auszugehen —, daß gegebene oder von uns mitgeschaffene Tatbestände vorliegen, die uns ein bestimmtes Handeln abnötigen. Wir haben auf Grund der weltpolitischen Lage und unserer Stellung darin mehrheitliche Beschlüsse gefaßt, die uns Bindungen und Verpflichtungen auferlegt haben: die Verpflichtung zum Aufbau einer Wehrmacht von 12 Divisionen. Man sagt uns, daß unsere Partner von uns erwarten, daß wir in Einhaltung dieser Verpflichtungen nun mit dem Aufbau dieser Divisionen beginnen und schon jetzt vorbereitende Handlungen dazu unternehmen. Wenn ich sage: „Schon jetzt", dann beziehe ich mich auf eine auch heute wieder von der Opposition vertretene Meinung, daß der Zeitpunkt für den Beginn dieser Handlungen im Hinblick auf die bevorstehenden außenpolitischen Konferenzen zu früh gewählt sei. Ich gebe zu, daß es dafür eine Reihe von Argumenten gibt, über die sich diskutieren läßt. Aber niemand kann heute mit Gewißheit sagen, ob sie sich als berechtigt erweisen werden.
    Es ist doch nicht so, daß sich beweiskräftig behaupten ließe, der Osten sei dann nicht mehr bereit, mit uns überhaupt noch über die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands zu sprechen, wenn wir das vorliegende Gesetz angenommen hätten, nachdem die Entschlüsse, welche nun dieses Gesetz zur zwingenden Folge haben, ihn nicht daran , gehindert haben, es dennoch zu versuchen. Welche Konzessionen im Zuge beginnender und weiter zu führender Verhandlungen für eine Freigabe der mittel- und ostdeutschen Gebiete endgültig von uns gefordert werden, wissen wir heute noch nicht. Aber wir können doch wohl annehmen, dazu werde nicht etwa die Forderung gehören, daß die 6000 Freiwilligen, die nunmehr auf Grund dieses Gesetzes eingestellt werden, eines Tages in ihre Zivilberufe zurückkehren. Das wird und kann auch schon deshalb nicht der Fall sein — ich bin mir natürlich bewußt, daß das eine gewisse Vereinfachung bedeutet; aber ich sage es einmal bewußt in dieser vereinfachenden, zugespitzten Form —, weil sich ja jenseits der Zonengrenze eine vielfache Zahl von Deutschen seit Jahren unter Waffen und in militärischer Ausbildung befinden; sie werden am Tage X, nämlich am Tage der Wiedervereinigung, ebensowenig aus der Welt, j a nicht einmal aus Deutschland verschwinden. Über das Problem, was dann mit diesen 6000 werden soll, die nunmehr im Rahmen dieses Gesetzes zunächst, wenn Sie wollen, unter Waffen oder jedenfalls in militärische Funktionen berufen werden, würde es, wenn die bevorstehenden Verhandlungen zu einem in der deutschen Frage überraschend günstigen Ergebnis führen sollten, nicht mehr Schwierigkeiten geben als über die vielfach stärkere Zahl der Volkspolizei in der Zone.
    Von hier aus lassen sich also, meine Damen und Herren, wohl keine stichhaltigen Bedenken gegen eine Annahme gerade dieses Freiwilligengesetzes vorbringen, selbst dann nicht, wenn man das nach den letzten Erklärungen der Sowjetunion unmöglicher denn je Erscheinende für möglich halten sollte.
    Die Frage, die wir uns hier und heute zu stellen haben, ist vielmehr die, ob das, was wir mit diesem Gesetz schaffen, im Ansatz richtig oder falsch ist. Dazu meinen wir, daß der Entwurf bei allen durch die Eile bedingten Mängeln, die ihm noch anhaften, nunmehr doch eine richtige Grundkonzeption insofern erhalten hat, als er zunächst einmal eine streng begrenzte Zahl von freiwilligen Soldaten mit ganz bestimmten Aufgaben an die Arbeit gehen lassen will, damit die Voraussetzungen geschaffen werden können, auf denen alles Weitere aufgebaut werden kann.
    Ich habe bei der ersten Lesung des reichlich unglücklichen Gesetzentwurfes gemeint: Wir sollten versuchen, das Beste aus ihm zu machen. Ich glaube, daß uns das, wenn auch nicht in vollkommener Weise, so doch in vielfacher Hinsicht, gelungen ist, gerade durch die neue Fassung des § 1. Wenn man ihn mit § 2 c in Verbindung setzt, erkennt man, daß erreicht worden ist, was zu erreichen war: die Ingangsetzung einer Vorbereitung, über die sich das Parlament kraft seines Kontrollrechts zu gegebener Zeit wird informieren und sein Urteil bilden müssen, aus dem dann die weiteren Entschlüsse erwachsen werden.
    Unter diesem Gesichtspunkt kann die mit der Verkündung des Gesetzes beginnende Anlaufperiode nur als ein Vorteil für die weitere Entwicklung betrachtet werden. Wir werden ausreichend Zeit und hoffentlich auch die notwendige Ruhe haben, die weitere Gesetzgebungsarbeit für den Aufbau der neuen Streitkräfte durchzuführen, und in der Zwischenzeit in vielerlei Hinsicht Erfahrungen sammeln können, die wir doch alle wohl noch dringend benötigen; denn es handelt sich bei dem ganzen Vorgang des Neuaufbaues der deutschen Streitkräfte, wie schon von verschiedener Seite gesagt wurde, um eine einmalige Aufgabe, die weder in unserer noch in der Geschichte anderer Staaten ein Beispiel hat. Deshalb wird uns auch jeder weitere Schritt der Wehrgesetzgebung vor neue Entscheidungen stellen, die von der Verantwortung jedes einzelnen und von den Erfahrungen getragen sein müssen, die ihm in der Zwischenzeit zu machen möglich war. Wir konnten sie nicht alle in der Vergangenheit so umfangreich und in so unmittelbarer Weise sammeln, wie es der Kollege Heye konnte. Was er uns gestern darüber sagte, war eindrucksvoll genug, uns alle darüber klarwerden zu lassen, daß es keineswegs schaden kann, wenn uns die kommenden Monate noch Zeit lassen, unsere endgültigen, wohl abgewogenen Entscheidungen in vollem Verantwortungsbewußtsein zu fällen.
    Das gilt zunächst für alle die Fragenkomplexe, die das Gesetz nur vorläufig regelt und die ihre endgültige Regelung im Soldatengesetz, in einer Besoldungsordnung für die Soldaten, im Haushaltsplan und in einem Gesetz über die Organisation der Verteidigung und des Verteidigungsministeriums finden müssen. Wir sind — um das hier einzufügen — der Meinung, daß gerade die besoldungsrechtliche Regelung, über die sich die Regie-


    (Feller)

    rung selbst noch nicht ganz einig und schlüssig zu sein scheint, besonders schnell mit Rücksicht auf die kommenden Soldaten und wohl abgewogen im Hinblick auf das Gesamtgefüge der Besoldung der öffentlich Bediensteten erfolgen muß.
    Das gilt aber auch vor allem für die hier schon oft angesprochenen Fragen, die einer verfassungsrechtlichen Regelung bedürfen. Über ihre Notwendigkeit scheint auf allen Seiten dieses Hauses Übereinstimmung zu bestehen, noch nicht aber über ihre inhaltliche Gestaltung. Auch meine Fraktion hat sich darüber, wie ich schon bei der ersten Lesung betont habe, noch keine endgültige Meinung gebildet. Ich halte es aber für sehr gut möglich, daß sich aus den Besprechungen, die in den letzten Tagen darüber stattgefunden haben, eine Lösung insbesondere der Frage des Oberbefehls ergeben wird, die für alle Parteien des Hauses annehmbar sein wird und der auch meine Fraktion ihre Zustimmung wird geben können. Ich sehe sie etwa auf dem Wege einer Teilung von Befehls- und Kommandogewalt, einer Delegation der ersteren ähnlich der Regelung der Weimarer Verfassung und einer verfassungsrechtlich hervorgehobenen Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers.

    (Abg. Erler: Sehr richtig!)

    Der dagegen schon geltend gemachte Einwand, daß damit eine Schwächung der Stellung des Verteidigungsministers verbunden sein müsse, scheint mir nicht stichhaltig zu sein; denn die Stellung und die Aufgaben des Verteidigungsministers lassen keinen Vergleich mit denen anderer Minister zu. Sie erfordern eine Persönlichkeit, die sich nach allen Seiten zu behaupten wissen muß und die dann auch, durch das besondere Vertrauen des Parlaments getragen, schon einen erheblichen Teil dessen in sich verwirklicht, was zwar von allen Seiten als das Postulat der parlamentarischen Kontrolle aufgestellt wird, über dessen Inhalt, Art und Abgrenzung aber noch sehr große Meinungsunterschiede bestehen.
    Die Debatten erweisen immer wieder, daß hierbei echte Grenzprobleme entstehen, die wie alle Grenzprobleme nicht in Normen gefaßt, sondern von Fall zu Fall entschieden werden müssen. Ich meine, daß hierin nicht eine Gefahr für Staat oder Wehrmacht zu sehen ist, oder, wenn doch, daß diese Gefahr in Kauf zu nehmen oder gering zu schätzen ist gegenüber der Gefahr, die sich für das Ganze ergeben könnte, wenn eine Fehlentwicklung einträte, wie wir sie aus der Weimarer Zeit kennen. Es ist müßig, über deren Ursachen an dieser Stelle ins einzelne gehende Betrachtungen anzustellen; denn eine solche Gefahr liegt in der Natur der Sache, in der Agglomeration der Machtmittel. Sie ist damit stets latent verbunden, und schon manches, was bei der Beratung dieses Gesetz gesagt wurde, weist uns darauf hin: Vestigia terrent!
    Aber es ist auch schon gesagt worden, daß alles eine Vertrauensfrage sei, daß man den neuen Streitkräften und ihrer Leitung ein besonderes Vertrauen entgegenbringen müsse, wenn das schwierige Werk ihres Aufbaus gelingen solle. Wir sind dazu bereit. Nur erlauben Sie mir, dies zu betonen: Wer besonderes Vertrauen braucht, darf sich der Frage danach nie entziehen. Wer sich ihr nicht stellt, kann es schon dadurch leicht verlieren!
    Wie man diesem Grundsatz gerecht wird und wie man ihn in Übereinstimmung mit unserer Verfassungswirklichkeit bringt, ist hier nicht der Ort zu untersuchen. Das wird Aufgabe der Verfassungsrechtler sein. Wir, die gewöhnlichen Volksvertreter, wenn ich einmal so sagen darf, haben die Dinge vor allem unter wehrpsychologischen Gesichtspunkten zu sehen.
    Damit darf ich nochmals an etwas anknüpfen, was gestern der Herr Kollege H e y e hier meinte, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Er sagte, im Soldaten stecke ebensosehr der Untertan wie in uns Deutschen allen, und erklärte daraus mit die merkwürdige Stellung, welche die Reichswehr im und zum Weimarer Staat eingenommen habe. Diese Erklärung des Herrn Kollegen Heye scheint mir für die Reichswehr durchaus zutreffend zu sein. Aber sie hängt zusammen mit deren soziologischer Zusammensetzung. Denn diese wurde nach Angaben, die Seeckt selbst in seinem Buch über die Reichswehr gemacht hat, bewußt homogen gehalten in dem Sinne, daß der Nachwuchs für Offiziere und Mannschaften vornehmlich in den Bevölkerungskreisen gesucht wurde, von denen man ein Verständnis für militärische Tradition und ihre Pflege erwarten durfte. Es gibt statistische Aufstellungen, die in diesem Falle wohl durchaus zuverlässig und sehr interessant sind und die einwandfrei beweisen, daß die soziologische Zusammensetzung der Rechswehr sich ganz wesentlich von der unterscheidet, die die deutsche Wehrmacht etwa im Jahre 1913 gehabt hat. Aus dieser Zusammensetzung ergab sich der unpolitische Untertanengeist, der weite Teile der Reichswehr in Übereinstimmung allerdings mit gewissen Teilen der Bevölkerung beseelte. Das hätte nun mit der Einführung der Wehrpflicht anders werden können. Aber an Stelle des Geistes freier Staatsbürger trat damals leider die Ideologie des Nationalsozialismus mit der Bindung des einzelnen an Begriffe wie Führer, Volkgemeinschaft, Reich usw.
    Inzwischen hat sich doch einiges in unserem Volke geändert. Es hat eine Umerziehung zum demokratischen Denken stattgefunden. Ich meine hier weniger das, was uns die Besatzungsmächte mit mehr oder weniger geeigneten Methoden und mit entsprechend unterschiedlichem Erfolg in dieser Hinsicht beigebracht haben, als das, was uns aus unserem Schicksal an Erkenntnissen zugewachsen ist.

    (Abg. Dr. Strosche: Sehr gut!)

    Wir sind uns unseres Staatsbürgertums bewußter geworden. Aber wir haben uns gleichzeitig auch von dem entfernt, was früher als unentbehrliche Voraussetzung für einen guten Soldaten angesehen wurde. Das hat sich teilweise sogar bis zu einer mentalen und bewußten Ablehnung alles Militärischen gesteigert, mit der bei der Wiedereinführung der Wehrpflicht gerechnet werden muß und mit der es sich auseinanderzusetzen gilt.
    Deshalb kann das heutige Gesetz auch kein Anfang sein, sondern nur der Vorbereitung auf die eigentlichen Aufgaben dienen, die mit der Einziehung von Wehrpflichtigen und den dafür zu schaffenden Gesetzen beginnen. Freiwillige sind noch keine Wehrpflichtigen, und eine Gruppe von Berufssoldaten ist noch kein Volksheer. Man kann etwas von Politik und von der Mentalität des Wählers verstehen. Etwas anderes aber ist die Psychologie junger Menschen, die Soldat werden sollen oder müssen. Diese beiden Komplexe sollten auch nicht miteinander vermengt werden. Wir sollten eine ganz saubere Trennung vornehmen.


    (Feller)

    Was wir heute hier vornehmen, ist die Bewältigung einer gesetzestechnischen Aufgabe, welche die Bewältigung militärtechnischer Aufgaben vorbereitender Art ermöglichen soll. Darum ist es gut, daß alle Vorbehalte eingebaut worden sind, die verhindern, daß ein Vorgriff auf das erfolgt, was noch zu bewältigen sein wird, oder Fakten geschaffen werden, die kommende Entscheidungen präjudizieren. Diese kommenden Entscheidungen müssen wir uns im einzelnen vorbehalten, weil sie unter denselben psychologischen Aspekten zu erfolgen haben, wie sie auch bei der Schaffung des Gesetzes über den Personalgutachterausschuß von entscheidender Bedeutung waren.
    Dem vorliegenden Gesetzentwurf wird meine Fraktion aus den aufgezeichneten Gründen ihre ungeteilte Zustimmung geben.

    (Beifall beim GB/BHE.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits bei der Vorlage des Freiwilligengesetzes hat meine Fraktion gewisse Bedenken angemeldet. Diese Bedenken sind auch, nachdem der Sicherheitsausschuß in ausgiebigen Beratungen die verschiedensten Verbesserungen angebracht hat, noch nicht vollends ausgeräumt. Andererseits sind meine Freunde von der Deutschen Partei und ich fest davon überzeugt, daß es notwendig ist, dieses Gesetz umgehend unter Dach und Fach zu bringen, und zwar aus außenpolitischen Überlegungen. Denn wenn wir bedenken, daß in diesen Tagen die Führer der Großmächte in Genf zusammentreten, dann gibt es in unserer Situation nur die Alternative, ob wir, ich möchte sagen: als unsichtbarer Verhandlungspartner mit am Verhandlungstisch sitzen oder oh wir als Faustpfand dafür dasein sollen, daß eventuell Konzessionen auf unserem Rücken ausgehandelt werden können. Es ist dabei noch keineswegs entschieden, welche Rolle Deutschland bei diesen Beratungen endgültig spielen wird, ob es aktiver Mitspieler sein kann oder ob es die Rolle eines passiven Objekts zugewiesen bekommen wird.
    Meine Freunde und ich haben aber das Vertrauen in die Westmächte, daß sie ihre gegebenen Zusagen in dem Umfang einhalten, wie das bisher stets der Fall gewesen ist und wie andererseits auch die Bundesrepublik die eingegangenen Verpflichtungen stets getreulich erfüllt hat. Trotzdem dürfen wir uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß angesichts der sicherlich langwierigen Verhandlungen, die bevorstehen, Überraschungen nicht ausgeschlossen erscheinen. Dieses Moment macht es notwendig — das muß hier mit aller Deutlichkeit gesagt werden, denn es ist meines Erachtens in der Vergangenheit in der Öffentlichkeit und in der Presse noch nicht deutlich genug geworden —, daß wir jetzt zur Verabschiedung dieses Gesetzes schreiten.
    Meine Damen und Herren, wir sind fest überzeugt — wir können es natürlich, wie hier vorhin schon gesagt wurde, nicht beweisen; den Beweis muß sowohl der Führer der Opposition wie der Regierungschef schuldig bleiben; ob der eingeschlagene Weg richtig ist, wird erst die Zukunft beweisen —, wir sind aber überzeugt davon, daß wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzes unter anderem in dem diplomatischen Kräftemessen der Zukunft eine weit aktivere Rolle spielen können, als es bisher der Fall war, und daß insonderheit die konsequente Verfolgung der bisher eingeschlagenen Außenpolitik schlechthin dazu führen wird, daß die deutschen Probleme eher einer uns genehmen Regelung zugeführt werden können, als es unter den derzeitigen Umständen der Fall ist.
    Ich hoffe mir nicht wieder einen Zuruf wie gestern zuzuziehen, wenn ich hier feststelle, daß wir mit der großen Mehrheit der Koalitionsfraktionen in der Außenpolitik der vergangenen Jahre absolut übereingestimmt haben. Der beste Beweis dafür, daß dies eine gute Außenpolitik war, ist, glaube ich, die Tatsache, daß wir heute wieder über unsere volle Handlungsfreiheit und Souveränität verfügen, und schließlich auch die Tatsache, daß die Russen sich veranlaßt sahen, den Bundeskanzler nach Moskau einzuladen.
    Unter diesen Umständen ist es meinen Freunden und mir unverständlich, wie von seiten der Opposition noch in so heftiger Weise Kritik an der Außenpolitik der Regierung geübt werden kann. Ich möchte dem, was hier schon mehrfach von verschiedenen Sprechern anderer Fraktionen gesagt wurde, ebenfalls Ausdruck geben: daß wir uns als Ganzes einschließlich der Opposition in diesem Hause schließlich und endlich doch zu einer gemeinsamen Linie der Außenpolitik finden können.
    Wenn ich sage, daß wir die bisherige Außenpolitik konsequent weiterverfolgen wollen, dann meine ich damit die Grundlinien dieser Außenpolitik, wobei wir in einzelnen Fällen uns selbstverständlich auch entsprechend geschmeidig verhalten müssen.
    Wenn wir das beachten, glauben meine Freunde und ich, daß wir für die eine Seite durchaus interessant sein können, für eine andere Seite vielleicht sogar interessant sein müssen.
    Um es abschließend zu sagen: Wir erachten die Beschlußfassung über das vorliegende Gesetz als eine Honorierung der eingegangenen Verpflichtungen innerhalb der NATO bzw. der Westeuropäischen Union. Wenn von den Kritikern der Wehrgesetze in der Öffentlichkeit immer wieder schlechthin gesagt wird, dieser bescheidene Verteidigungsbeitrag könne niemals verhindern, daß böse Ereignisse eventuell doch einträten und über uns hinweggingen, dann stehe ich nicht an zu erklären, daß auf der einen Seite durch die Erfüllung der eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen wir uns wieder ein Stück moralischen Kredits mehr zuziehen und daß auf der anderen Seite selbstverständlich dies auch nur ein Beginn sein kann. Es wäre jedenfalls das Dümmste und Schlechteste, was die Bundesrepublik tun könnte, wenn sie wie eine Windfahne auf jeden Luftzug reagieren und einmal in diese, einmal in jene Richtung schwenken würde. Gerade die Tatsache, daß wir in der Vergangenheit konsequent eine klare und gerade Linie verfolgt haben, hat uns den Kredit in der Welt wieder eingebracht, den wir heute haben.
    Im übrigen ist die Deutsche Partei der Auffassung, daß ein standhaftes und sich selbst getreues Volk auch nicht das ständige Objekt fremder Interessen auf alle Zeiten sein kann.
    Meine Damen und Herren! Die psychologische Situation, die wir im Zeitpunkt der Verabschie-


    (Schneider [Bremerhaven])

    dung des Freiwilligengesetzes und damit des ersten Wehrgesetzes vorfinden, ist dagegen keineswegs so erfreulich. Darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen.
    Herr Kollege Cillien hat heute morgen hier sehr richtig ein Wort gesprochen, das meine Freunde von der DP schon vor Jahren oftmals ausgesprochen haben, das ihnen aber manchmal recht unfreundliche Bemerkungen eingebracht hat, nämlich daß es notwendig ist, daß wir uns als Deutsche zu den Höhen und zu den Tiefen unserer Geschichte bekennen, da es nicht möglich ist, eine Geschichtsära einfach zu verschweigen oder den Kopf vor ihr in den Sand zu stecken. Wir sind darüber hinaus sogar der Meinung, daß, wenn man sich aufrichtig auch mit einer Ara wie der verflossenen auseinanderzusetzen vermag, dann der Sache des ganzen Volkes nur ein großer Dienst erwiesen ist.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Krieg selbst und die Not und das Elend der Nachkriegszeit, die langjährige Gefangenschaft vieler Hunderttausender von Männern und Frauen, die teilweise heute noch nicht zurückgekehrt sind, das, was nach dem Kriege, nach 1945 als Entnazifizierung durch unser Land ging, die Art und Weise, in der die ehemaligen Soldaten nach 1945 nicht nur von den Alliierten, sondern leider Gottes auch von Deutschen oftmals behandelt wurden, haben nicht dazu beitragen können, daß heute eine wirkliche Wehrbereitschaft im deutschen Volke, sei es bei den Alteren, sei es bei der Jugend, vorhanden ist. Wenn wir uns daranbegeben, eine Wehrgesetzgebung zu machen, sollten wir über allen Formalien nicht vergessen, gerade dieser äußerst schlechten psychologischen Situation entsprechend Rechnung zu tragen und alles zu tun auf sozialen und anderen Sektoren, um eine größere Bereitschaft für diese notwendigen Dinge zu schaffen, als wir sie bisher haben.
    Wir haben auch heute noch die Nachwirkungen unserer totalen Niederlage im Lande, obwohl sie natürlich gegenüber den früheren Jahren erheblich abgeschwächt sind. Herr Kollege Heye hat hier gestern ganz mit Recht darauf hingewiesen, daß die Verärgerung in den Kreisen der Soldaten über die vielfältigen Bestimmungen des 131er-Gesetzes vorhanden ist. Ich darf Sie auch daran erinnern, meine Damen und Herren, daß heute noch ein Teil der Soldaten außerhalb der Gemeinschaft der ehemaligen deutschen Soldaten steht. Das ist ein Teil der Waffen-SS, die wir auch nicht kollektiv verurteilen können. Und ich darf Sie vor allem daran erinnern, daß wir noch mit einer schweren Hypothek belastet sind. Das ist die Tatsache, daß bis zum heutigen Tage immer noch nicht alle jene Männer und Frauen aus alliierten Kerkern und Gefängnissen entlassen sind, daß wir heute, zehn Jahre nach Kriegsende und in einem Augenblick, in dem wir uns anschicken, eine neue Wehrmacht aufzustellen, vermerken müssen — angesichts noch dazu der Tatsache, daß wir uns mit vielen Nationen freundschaftlich verbunden haben —, daß diese selben Nationen unsere ehemaligen Soldaten noch zurückhalten. Das ist eine tiefbetrübliche Tatsache, und ich kann nur hoffen, daß die Informationen richtig sind, die mir in jüngster Zeit geworden sind, daß nämlich im Herbst dieses Jahres mit einer Bereinigung dieses Problems von alliierter Seite gerechnet werden könne, die so weit gehen solle, daß man zwar nicht diejenigen, die wirklich
    Verbrechen begangen hätten und die wahrscheinlich auch vor deutsche Gerichte gestellt werden müßten, entlassen wolle, daß aber alle diejenigen, die den zweifelhaften Methoden der damaligen Gerichte erlegen seien, ihre Freiheit wiedererlangen sollten. Vorsichtshalber möchte ich aber für meine Freunde und, ich glaube, sicherlich auch für viele Angehörige der übrigen Fraktionen von hier aus noch einmal den Appell an die Gewahrsamsmächte richten, endlich dem Recht seinen freien Lauf zu lassen.
    Wir dürfen auch nicht übersehen, meine Damen und Herren, wenn die Wehrmacht, die wir jetzt aufstellen wollen und deren erste Grundlage das Freiwilligengesetz ist, auch eine absolute Verteidigungswehrmacht sein soll, was wir nicht oft genug betonen können, daß wir den Opfern des letzten und des vorletzten Krieges gegenüber noch Verpflichtungen haben, die noch nicht in vollem Umfange eingelöst sind; diese Einlösung wäre auch ein Stück psychologischen Wehrbeitrages. Für meine Freunde von der Deutschen Partei und mich steht es aber fest, daß es keine Freiheit ohne Sicherheit geben kann, und wenn wir das erkennen, meine Damen und Herren, dann müssen wir den Mut haben, der Öffentlichkeit die sicherlich unpopuläre Gesetzgebung klarzumachen und ihr zu erklären, daß das, was wir jetzt unternehmen, einfach sein muß. Denn es ist ein ungeschriebenes Gesetz aller freien Nationen, daß sie eine Wehrmacht haben, diese aber nicht haben, um etwa ihre Nachbarn zu überfallen, sondern um im Falle eines Angriffs gewappnet zu sein. Und wer wollte in Westdeutschland behaupten, daß wir im Falle eines Angriffs erwarten könnten, daß etwa Franzosen, Engländer, Amerikaner und andere Nationen unser Volk, unsere Frauen und Kinder, unser Land verteidigen, während wir selbst mit den Händen in den Hosentaschen dabei ständen!?

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Es ist eine verwerfliche und sehr durchsichtige Propaganda, die dem deutschen Volk weiszumachen versucht, daß mit der Aufstellung der Streitkräfte der neue Krieg bereits im Kommen sei und selbstverständlich von Deutschland angezettelt würde. Meine Damen und Herren, ein ernsthafter Mensch kann so etwas doch nicht glauben; denn Deutschland verfügt ja, um nur ein Beispiel zu nennen, gar nicht über die entsprechende Rüstungswirtschaft. Man würde uns die Waffen, die man uns jetzt gibt, um uns in den Stand der Verteidigungsbereitschaft zu setzen, sehr schnell wegnehmen und unter Umständen diese Waffen gegen uns selbst gebrauchen müssen. Der deutschen Öffentlichkeit kann daher nicht nachdrücklich genug gesagt werden, daß mit diesem Beitrag, den die einen als viel zu gering bezeichnen, niemals eine Propaganda in dem Sinne getrieben werden darf, daß wir etwa militaristisch und kriegslüstern seien. Aber eins lassen wir uns nicht nehmen: diesen freiheitlichen Raum so zu schützen, wie es in einer Welt voller Unfrieden und voller Hinterhalt notwendig ist.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vorhin vom psychologischen Wehrbeitrag gesprochen und einige Beispiele dafür genannt. Dazu gehört auch die Ehrenerklärung, die Herr Verteidigungsminister Blank anläßlich der ersten Lesung des Freiwilligengesetzes abgegeben hat, indem er der Wehrmacht bescheinigte, daß sie, abge-


    (Schneider [Bremerhaven])

    sehen selbstverständlich von einigen Elementen, die es überall gibt, ehrenhaft, brav und tapfer gekämpft habe. Diese Erklärung kommt zwar zehn Jahre nach Kriegsende etwas spät von dieser Tribüne, aber meines Erachtens noch nicht zu spät.
    Ich will nicht in Einzelheiten der gestrigen Auseinandersetzung über unsern Standpunkt zum Personalgutachtergesetz einsteigen. Erlauben Sie mir aber bitte noch kurz zu bemerken, daß wir uns bei der Ablehnung des Personalgutachterausschusses in der angenehmen Gesellschaft der Professoren Bergstraeßer und Eschenburg befinden. Wenn Herr Kollege Mende gestern hier verkündete, daß auch 1807 — nach Tilsit — Königliche Kommissionen eingesetzt wurden, die die Aufgabe hatten, eine solche Überprüfung vorzunehmen, und wenn heute vielfach in der Presse gerade dieses Beispiel genannt wird, dann muß ich um der Wahrheit der Geschichte willen richtigstellen, daß es solche Königlichen Kommissionen zwar gab, daß sie aber unmittelbar nach Beendigung der Feindseligkeiten eingerichtet wurden und daß sie sich mit ganz konkreten militärischen Vorgängen zu befassen, aber nicht eine charakterliche oder persönliche Eignungsprüfung vorzunehmen hatten. Das ist der Unterschied.

    (Beifall bei der DP.)

    Verzeihen Sie, wenn ich im Rahmen dieser Debatte, ohne alte Wunden — es war zwar gestern, aber ich betrachte es als alte Wunden — aufreißen zu wollen, noch einmal nachdrücklich darauf hinweise: Wenn meine Fraktion, von wirklich ernster Sorge um die Entwicklung dieser Dinge getragen, den Personalgutachterausschuß abgelehnt hat, dann ist es nicht aus irgendwelchen parteipolitischen Gründen geschehen,

    (Zuruf von der SPD)

    — ich bitte doch, uns den guten Willen so zu unterstellen, wie wir das bei Ihnen auch tun —

    (Abg. Mellies: Das müssen Sie auch in der Begründung der Ablehnung zum Ausdruck bringen!)

    sondern weil wir uns ernsthafte Gedanken über dieses Gesetz und seine Bestimmungen gemacht haben. Ich erkläre auf Grund der Zwischenrufe der Opposition, daß wir selbstverständlich auch den Standpunkt jeder anderen Fraktion dieses Hauses und ihre Argumentation anerkennen, die ja nicht von irgendeinem Führer diktiert worden ist, sondern die von den Fraktionen in ihrer Gesamtheit nach ernsthaftester Gewissensprüfung erarbeitet worden ist. Ich habe gestern allerdings einen Hinweis der Koalitionsfraktionen und auch des Herrn Kollegen Mellies vermißt, daß Einmütigkeit darüber bestände, daß dieser Personalgutachterausschuß unter allen Umständen, wenn es auch nicht formal im Gesetz verankert ist, zu unserem Bedauern eines Tages seine Tätigkeit einstellen muß und daß es nicht dahin kommen darf, daß man ihn bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag als Instrument gebraucht, um diese oder jene Maßnahmen zu begründen bzw. zu erforschen. Wir werden also darauf achten, — —

    (Abg. Mellies: Herr Schneider, was haben Sie denn von den Verhandlungen eigentlich mitbekommen?)

    — Ich habe alles mitbekommen, Herr Mellies. Im Gesetz steht aber kein Termin; deswegen lege ich Wert darauf, daß das hier protokollarisch festgehalten wird.
    Es war der Kollege Heye, der gestern verschiedentlich sehr tiefschürfende und auch mir sehr zu Herzen gehende Ausführungen machte. Er hat doch auch indirekt zum Ausdruck gebracht, daß auf Grund der Vorkommnisse der verflossenen Jahrzehnte eine gewisse Vorsicht und ein gewisses Mißtrauen angebracht seien. Aber, meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie alle: Bitte, betrachten Sie den Soldaten, auch den neuen deutschen Soldaten, nicht von vornherein als etwas, was vielleicht nicht so innerhalb der zivilen Gemeinschaft stehen könnte. Ich weiß, daß die Vergangenheit dazu reizt, ihm von vornherein eine besondere Stellung zuzuschieben. Ich bin aber andererseits überzeugt, daß gerade die, man kann schon sagen, ausgezeichnet gelungene Umerziehung der letzten zehn Jahre auch dem deutschen Soldaten innerhalb unserer zivilen Gemeinschaft eine Stellung geben wird die wir alle respektieren können und bei der wir vor allen Dingen erwarten können, daß der Soldat auch das zivile Element, das Parlament und die Regierung, respektiert. Wir können keinen größeren psychologischen Fehler machen, als immer wieder darauf hinzuweisen, daß eine neue Wehrmacht etwa eine potentielle Gefahr für die Demokratie darstelle. Damit bringen wir diese neuen Soldaten und Offiziere von vornherein in eine Abwehrstellung gegenüber unserem jungen Staate. Ich glaube im übrigen, daß die ehemaligen Soldaten aller Dienstgrade, gleichgültig ob Unteroffiziere, Mannschaften oder Offiziere, inzwischen wahrhaftig nicht die schlechtesten Zivilisten geworden sind. Sie haben es, nachdem sie ihren Beruf nach der totalen Kapitulation aufgeben mußten, alle verstanden, durch ihrer Hände und ihres Kopfes Arbeit sich wieder eine entsprechende Stellung zu erwerben.
    Ich nehme auch hier die wenigen aus, die immer aus der Reihe tanzen werden, wie es aber, was ich immer wieder betone, auch in vielen anderen Berufssparten der Fall ist.
    Gewisse weitere Bedenken meldet meine Fraktion zu § 2 c an, der bekanntlich die Spitzengliederung und die Organisation in etwa präjudiziert. Hierüber sind verfassungsrechtliche Streitereien im Gange gewesen. Ganz geklärt sind die Dinge zwischen Parlament und Regierung in diesem Fall noch nicht. Deswegen haben wir uns gestern der Stimme enthalten. Ich 'betone bei der Gelegenheit ausdrücklich, damit auch seitens der Opposition und auch seitens der Presse, die sich heute morgen jedenfalls in Bonn bemüßigt fühlte, die Dinge so darzustellen, als wolle die Deutsche Partei das Parlament in der Wehrgesetzgebungausschalten, Klarheit besteht: das ist eine böswillige Verdrehung, gegen die ich von dieser Stelle aus mit aller Entschiedenheit protestiere. Ich erkläre hier für die Fraktion der Deutschen Partei, daß wir uns in unserem Verlangen und unserem Wunsche, die parlamentarische Kontrolle so stark wie möglich zu machen und im übrigen auch die zivile Kraft in der Wehrmacht so stark wie möglich zu machen, mit allen Fraktionen dieses Hauses treffen, wenn wir auch in Details manchmal verschiedener Auffassung sind. Im vorliegenden Fall des § 2 c kann vielleicht nicht ganz bestritten werden, daß ein gewisses Präjudiz vorliegt, indem hier die Legislative in die Exekutive in einer Form eingreift, die vielleicht für andere Fälle Schule machen könnte. Aber auch hier ist noch ein psychologisches Moment dabei, indem eine solche Formulierung leicht dazu führen kann,


    (Schneider [Bremerhaven])

    als eine Sonderregelung für die Wehrmacht bzw. als ein Vorurteil gegen die Wehrmacht ausgelegt zu werden. Wir sind, da wir natürlich auf rechtsstaatlichem Boden stehen, absolut für klare Begrenzung der Gewalten, für klare Begrenzung der Verantwortlichkeiten und Befugnisse. Insofern ist uns bei dem § 2 c nicht so ganz wohl in unserer Haut. Wenn eingewandt wird, daß gegen den jetzigen Bundesverteidigungsminister keine Bedenken bestünden — und ich glaube, aus den Erörterungen mit Kollegen der Opposition schließen zu können, daß diese Meinung auch dort vielfach vorherrscht —, dann darf ich vielleicht darauf verweisen, daß, wenn Herr Blank nicht Minister wäre, wahrscheinlich ein anderer Minister aus diesem Hause an seiner Stelle säße und daß letzten Endes keine Bundesregierung es wagen könnte, auch keine sozialdemokratisch geführte, sich über ein etwaiges Mißtrauensvotum des Parlaments hinwegzusetzen. Ich darf hierbei auf Art. 67 des Grundgesetzes verweisen.
    Es ist im Rahmen der Wehrgesetzgebung sehr viel vom inneren Gefüge gesprochen worden. Ich denke, wir werden bei der Erörterung des eigentlichen Soldatengesetzes auf diese Dinge noch zu sprechen kommen. Aber es sei mir gestattet, einen Satz zum inneren Gefüge der Dienststelle Blank selber zu sagen, wobei ich betonen möchte, daß ich selbstverständlich keiner Abteilung und keiner Person in diesem Amte zu nahe treten will. Meine Freunde und ich würden es bedauern — unseres Wissens haben sich dafür noch keine Ansätze gezeigt, aber wir wollen rechtzeitig darauf hinweisen —, wenn so wie in der Vergangenheit etwa ein edler Wettlauf oder Wettstreit der einzelnen Wehrmachtteile um die Gunst des Ministers in diesem Amt beginnen würde, der sich in der Vergangenheit nicht zum Guten für die Wehrmacht und für ihre Aufgaben ausgewirkt hat. Darüber hinaus möchten wir den Herrn Verteidigungsminister bitten, darauf zu sehen, daß auch die Personalpolitik keinen Anlaß dazu bietet, daß etwa von außenstehender Seite eine Kritik zutage treten kann, wie sie in den letzten Monaten leider Gottes schon vielfach laut geworden ist. Wie gesagt: über das innere Gefüge der Wehrmacht und über den Status und die Behandlung der Soldaten werden wir zu sprechen haben. Aber auf diese Punkte des inneren Gefüges des Amtes Blank meinte ich heute schon hinweisen zu müssen. Es erübrigt sich also, hier noch einmal besonders zu betonen, daß selbstverständlich die zivile Gewalt auch den Vorrang vor der militärischen haben muß.
    Noch ein kurzes Wort zu den Erörterungen über die atomare Kriegführung. Ich will hier keine lange Debatte entfesseln. Ich möchte nur feststellen — wie es vorhin der Herr Verteidigungsminister getan hat; wir können es nur 100%ig unterstreichen —: es ist dilettantisch, zu glauben, daß es im Falle eines Atomangriffs genügen würde, sich in den Luftschutzbunker zu verkriechen und dann irgendwann einmal wieder hervorzukommen, und daß es sich damit überhaupt erübrige, andere Waffengattungen und Wehrmachtteile noch aufzustellen und zu unterhalten. Wenn dem so wäre, meine ich, wären die anderen Staaten, die ja in dieser Hinsicht weit besser ausgerüstet sind als wir, längst mit gutem Beispiel vorangegangen. Es wird nach meiner Überzeugung trotz aller Fortentwicklung der Technik auch in einem künftigen Kriege nicht möglich sein, ohne den Menschen auszukommen.
    Deswegen ist es unsinnig, zu behaupten, es sei auf der einen Seite gar nicht mehr notwendig, Streitkräfte aufzustellen, und auf der anderen Seite schon deswegen nicht angebracht, weil es jetzt notwendig sei, die gesamten Mittel nur in den Luftschutz hineinzutun.
    Wenn ich das schon sage, dann möchte ich auch nur mit einem Satz betonen, daß das gesamte Parlament — ich nehme an, daß hierüber von der Opposition bis zur Koalition Einmütigkeit herrscht — und auch das Bundesverteidigungsministerium sich darin einig sind, daß diese Dinge besonders aufmerksam beobachtet werden müssen und daß wir in Zukunft bereit sein müssen, auch größere materielle Opfer zu bringen, als dies zur Zeit der Fall ist, um einen ausreichenden Schutz unserer Zivilbevölkerung gegen Angriffe aus der Luft zu gewährleisten.
    Die deutsche Presse möchte ich bei der Erörterung in dieser Stunde, die ja in gewisser Weise eine historische Bedeutung hat, nicht auslassen. Ich möchte die verantwortungsvolle Aufgabe unterstreichen, die sie hat und die darin besteht, jetzt und auch in Zukunft die Öffentlichkeit so zu unterrichten, wie es notwendig ist, damit sie sich von der Meinung der Parteien zu dem, was das ganze Volk, die ganze Nation betrifft, ein richtiges Bild machen kann. Insofern bedaure ich es, wenn beispielsweise in der heutigen Presse parteipolitische Auseinandersetzungen, die ja niemals ausbleiben können, gerade bei schwerwiegenden Fragen nicht, in den Vordergrund gestellt werden und die sachlichen Meinungsverschiedenheiten darüber zu kurz kommen. Dies soll nicht etwa ein allgemeiner Vorwurf an die gesamte Presse sein. Wer sich getroffen fühlt, möge sich diesen Vorwurf bzw. diese Mahnung zuziehen.
    Meine Freunde von der Deutschen Partei werden dem Freiwilligengesetz zustimmen in der Hoffnung, daß wir damit in Verfolgung unserer bisherigen konsequenten Außenpolitik das Richtige getan haben, und mit dem Wunsch, daß der Allmächtige seinen Segen dazu geben möge.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)