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ID0207704600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 77. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955 4227 77. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4228 A, 4240 C Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . . 4293 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Pferdmenges 4228 B Mitteilung über Vorlage eines Berichts des Bundesministers der Finanzen betr. Mißstände auf dem Gebiet der Besatzungsbauten (Drucksache 1307) 4228 B Mitteilung über Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1953/54 4228 B Mitteilung über Zurückziehung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einfuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) . . . . 4228 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Statut der Saar (Drucksache 1245) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Veröffentlichung des Schreibens von Bundeskanzler Dr. Adenauer an den französischen Außenminister Pinay (Drucksache 1293 [neu]) 4228 B Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 4228 C, 4236 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 4232 C, 4236 B Dr Kopf (CDU/CSU) 4233 A Dr. Arndt (SPD) 4234 D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 4238 A Dr. Krone (CDU/CSU) 4238 B Abstimmungen 4237 D, 4238 B Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik im Mündlichen Bericht über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Steigerungsbeträge für Zeiten der Arbeitslosigkeit (Drucksachen 1162, 973; Antrag Umdruck 292) 4238 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1158) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Stücklen, Seidl (Dorfen), Dr. Dollinger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1253) und mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Böhm (Frankfurt), Dr. Dresbach, Ruf u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1269) . . . 4238 D Dr. Horlacher (CDU/CSU) 4239 A Dr. Reif (FDP) 4241 D Samwer (GB/BHE) 4244 D, 4280 B Illerhaus (CDU/CSU) 4246 A Dr. Elbrächter (DP) 4250 A Unterbrechung der Sitzung . . 4252 C Scheel (FDP) 4252 D Raestrup (CDU/CSU) 4256 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4260 B Bender (GB/BHE) 4260 D Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4264 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 4266 A Dr. Schöne (SPD): zur Sache 4267 D zur Geschäftsordnung 4280 D Lenz (Brühl) (CDU/CSU) 4279 D Dr. Köhler (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 4280 C Ausschußüberweisungen . . . . 4280 B, 4281 A Änderungen der Tagesordnung . . 4263 D, 4281 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Erhöhung der Straßenbenutzungsgebühren in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (Drucksache 1316) . . . . 4263 D Beschlußfassung 4264 B Erste Beratung des von den Abg. Platner, Dr. Leiske u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1083) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1233) 4281 A Platner (CDU/CSU), Antragsteller . 4281 A, 4292 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 4283 B, 4292 C Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 4284 D Dr. Hammer (FDP) 4285 D Geiger (München) (CDU/CSU) . . 4286 C Stegner (Fraktionslos) 4288 D Becker (Hamburg) (DP) 4289 B Dr. Reichstein (GB/BHE) 4290 A Lange (Essen) (SPD) 4290 D Horn (CDU/CSU) 4291 D Samwer (GB/BHE) 4292 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 4292 D Ausschußüberweisungen 4293 A Beschlußunfähigkeit festgestellt und Weiterberatung vertagt 4293 C Nächste Sitzung 4293 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4293 B, C, 4294 Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Wahl 14. Mai Stingl 14. Mai Feller 7. Mai Dr. Bucher 7. Mai Dr. Furler 7. Mai Dr. Rinke 7. Mai Neumann 7. Mai Heiland 7. Mai Dr. Lenz (Godesberg) 7. Mai Peters 23. April Pelster 23. April Kunze (Bethel) 23. April Dr. Maier (Stuttgart) 16. April Kühlthau 9. April Mißmahl 9. April Frau Lockmann 9. April Frau Kettig 2. April Dr. Pfleiderer 2. April Morgenthaler 2. April Dr. Kather 2. April Gedat 2. April Bauknecht 2. April Schuler 2. April Dr. Seffrin 2. April Frau Beyer (Frankfurt) 2. April Rademacher 2. April Dr. Jentzsch 2. April Euler 2. April Dr. Hesberg 2. April Kirchhoff 2. April Schrader 2. April Diedrichsen 2. April Frau Welter (Aachen) 2. April Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 1. April Ladebeck 1. April Frau Dr. Schwarzhaupt 1. April Feldmann 1. April Berendsen 1. April Hepp 31. März Dr. Baade 31. März Frau Nadig 31. März Dr. Wellhausen 31. März Naegel 31. März Frau Dr. Probst 31. März Hufnagel 31. März Brockmann (Rinkerode) 31. März Dr. Leverkuehn 31. März Even 31. März Seiboth 31. März Haasler 31. März Walz 31. März Paul 31. März Schütz 31. März Schneider (Bremerhaven) 31. März Neuburger 31. März Kalbitzer 31. März Jahn (Frankfurt) 31. März Dr. Kreyssig 31. März Dr. Schmid (Frankfurt) 31. März Brandt (Berlin) 31. März b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Becker (Hersfeld) 30. April Dr. Graf Henckel 30. April Kalbitzer vom 12. April bis zum 16. Mai Josten vom 4. April bis zum 20. Mai
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte auch noch sagen: Liebe Kartellgegner und weniger geschätzte Kartellfreunde, die ja hier im Saale sitzen. Die Neutralisten scheinen draußen zu sein, und ich stelle fest: das ist schon seit heute morgen die Mehrzahl in diesem Streit.
    Wir stehen vor einer etwas schwierigen Situation, vor einer Anzahl von Kartellgesetzentwürfen und Änderungsanträgen, die uns hier vorgelegt worden sind. Insgesamt sind es fünf oder sogar sechs verschiedene Versionen, die uns vorliegen: der alte Regierungsentwurf, die Änderungsanträge des Wirtschaftsausschusses, die des Bundesrates, dann der Entwurf des Kollegen Höcherl, der Entwurf des Kollegen Böhm und im Hintergrund, uns nicht vorliegend, aber doch hier mehrfach, auch durch die Anfrage der SPD-Fraktion, an die Wand gezaubert, die Abmachungen mit dem BDI. Ich persönlich muß gestehen: ich habe so das 'Gefühl, als


    (Scheel)

    ob von den Einreichern dieser Entwürfe recht wenige mit schrecklicher Leidenschaft ihren eigenen durchbringen möchten. Fast alle scheinen auch mit einer anderen Lösung zufrieden zu sein.
    Es ist hier schon vorn Grundsatz her das Problem der Wettbewerbswirtschaft angesprochen worden. Es haben, glaube ich, noch nicht alle Professoren dieses Hauses gesprochen. Ich weiß auch nicht, ob sie sich alle an dieser Diskussion beteiligen wollen. Ich stelle zu meiner Beruhigung fest, daß Professor Böhm im Augenblick nicht im Hause ist. Das wird mich der Sorge entheben, mit ihm in eine gewisse Verstimmung zu geraten, die zweifellos entstehen würde, wenn er das hörte, was ich jetzt zu sagen habe.
    Meine Damen und Herren, Eucken, der ja doch der Erfinder all dieser Gedanken ist — Erfinder ist zuviel gesagt; aber auf seinen Gedankengängen beruht ja immerhin die Grundsatzdiskussion —, hat nicht behauptet, daß es die reine Form der Marktwirtschaft geben könne. Er hat selber gesagt: Die Wirtschaftsordnung, wie sie sich in der Praxis zeigt, kann nur immer eine Verschmelzung der beiden Extreme, nämlich einer Verkehrswirtschaft und der Zentralverwaltungswirtschaft, sein, wobei der Beimischungsgrad je nach Lage unterschiedlich ist. Wir haben einen hohen Beimischungsgrad der Verkehrswirtschaft in unserer praktischen Wirtschaftspolitik. Es ist also unbestritten, daß die Wettbewerbswirtschaft in der chemisch reinen Form nicht besteht und nicht bestehen kann. Daher nennen wir unsere Wirtschaftsordnung ja
    Marktwirtschaft, weil wirr mit den Mitteln der Wirtschaftspolitik eine gesellschaftsformende Aufgabe erfüllen wollen. Die Grundlage. einer reinen Wettbewerbswirtschaft ist aber doch der Leistungswettbewerb, der hier so oft beschworen worden ist, von dem wir aber wissen, daß er in der Praxis durchaus nicht regelmäßig auftritt, daß er sogar selten auftritt. Nur 25 % aller gewerblichen und wirtschaftlichen Tätigkeit unterliegen überhaupt dem beabsichtigten Kartellgesetz, der ganze Rest ist ohnehin nicht drin.

    (Zuruf von der SPD: Woher haben Sie die Zahlen?)

    — Diese Zahlen sind hier in der Diskussion mehrfach genannt worden, unbestritten genannt worden. Ich dachte, Sie seien damit einverstanden.

    (Lachen bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es gibt eine Anzahl von Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung, sogar gegen den reinen Leistungswettbewerb oder gegen den Marktmechanismus anzugehen. Wenn ich z. B. an die Wirkung einer Werbung denke, — das ist doch nichts anderes als der Versuch eines Produzenten, den Mechanismus des Marktes ge- rade umzukehren, sich nicht von dort her seinen Preis diktieren zu lassen, sondern sich durch seine massive Werbung selber in die Lage zu versetzen, den Preis zu bestimmen. Ich habe auch nicht ge- hört, ,daß der Herr Wirtschaftsminister bisher etwas gegen die Werbung gesagt hätte. Oder: große Teile des Arbeitsmarktes sind ohnehin unbestritten aus dem Marktmechanismus herausgenommen. Niemand von uns würde so töricht sein, die Kartellbildungen auf dem Arbeitsmarkt anzugreifen. Auch der Staat und das Parlament selber wirken ja aus gutem Grund des öftern sogar gegen die Gesetze einer reinen Marktwirtschaft durch Interventionen, die wir bejahen. Ich denke beispielsweise an einen Fall, der hier vor einiger Zeit eine
    Rolle gespielt hat: die Erhaltung der Arbeitsplätze in dem Werk Sontra, einem Bundesbetrieb. Wenn wir aber echt marktwirtschaftlich handeln wollten, dann dürfte das alles nicht geschehen, sondern dann müßte man so etwas aus dem Wettbewerb ausscheiden. Wir tun genau das Gegenteil, und alles das doch nicht mit schlechten Absichten.
    Die Tatsache, daß ein Kartell der Volkswirtschaft schaden, aber auch nutzen kann, hat auch diese Debatte, wie sie bisher abgelaufen ist, nur unterstrichen. Das heißt aber doch, daß ein Kartell zunächst einmal und an sich neutral ist. Wenn wir den Schaden nun so rigoros verbieten, verbieten wir natürlich gleichzeitig auch den Nutzen. Das ist eine augenscheinlich vorsichtige, sichere, aber in der Tat kurzsichtige Methode; denn das würde heißen, daß wir meinetwegen Streichhölzer verbieten müßten, weil sie sich ja in der Tasche eines Brandstifters befinden könnten.
    Die Unterschätzung des Nutzens, den gewisse Formen von Kartellen für die Volkswirtschaft und für :den Konsumenten bringen, ist, glaube ich, in der Regierungsvorlage und auch in der Vorlage von Professor Böhm zu sehen.
    Die These von der Harmonie der vollkommenen Konkurrenz hat als gedankliches Modell durchaus ihre Bedeutung, und wir bemühen uns ja in unserer Wirtschaftspolitik fortgesetzt, uns diesem nützlichen Modell anzugleichen, weil seine Richtigkeit im Grundsatz von niemandem bestritten wird. Der wünschenswerte Automatismus, bei dem Anbieter und Nachfrager wie Seismographen auf Preisschwankungen reagieren, setzt aber neben der Markttransparenz eine Elastizität auf beiden Seiten, auch beim Angebot, voraus, die sicher in I verschiedenen Bereichen vorhanden ist und in größerem Maße früher einmal vorhanden war. Unsere moderne Wirtschaft, vor allem unsere moderne Industrie — um bei der Angebotsseite zu bleiben — ist alles andere als elastisch. Die hohen investierten Kapitalien, Zinsen, Amortisationen gestatten es einem Betriebe heute nicht mehr in allen Fällen, die Produktion bei verminderter Nachfrage einzuschränken; auch kann sich ein solcher Betrieb nun nicht etwa von Damenstrümpfen auf schlauchlose Autoreifen umstellen. Er will vielmehr unter allen Umständen seinen Umsatz erhalten und wird in völlig markt-gegenläufigem Verhalten nicht etwa seine Produktion einschränken, sondern wird versuchen, seine Konkurrenten im Preis zu unterbieten. Auf der anderen Seite können die Käufer nun auch noch mit der Nachfrage zurückhalten, was nicht :den Gesetzen des Marktes entspricht, sondern weil sie annehmen — es gibt viele psychologische Gründe dafür —, daß sinkende Preise noch weiter fallen.

    (Abg. Dr. Köhler: Seine Majestät der Käufer!)

    Solche Zeiten erfordern es auch im Interesse des Konsumenten, daß einem ruinösen Wettbewerb, der sich da ergeben könnte, Einhalt geboten wird durch eine Absprache, ,die sich nicht gegen den Konsumenten zu wenden braucht. Aber diese Absprache muß dann schnell geschehen, sonst hat sie ihre Wirkung vollkommen verfehlt, und darum muß es bei dem Gesetzentwurf gehen.
    Ich weiß nicht, warum man hier in unserem Hause von den Kartellen immer nur das Allerschlimmste, das Schrecklichste erwartet, was es


    (Scheel)

    überhaupt geben kann. An sich ist ja jeder Produzent und Händler, auch wenn er einem Kartell angehört, sorgfältig darauf bedacht, seine potentielle Konkurrenz in diesem Stadium zu halten und sie nicht so zu provozieren, daß sie als offene Konkurrenz auftritt. Das bedingt ohnehin schon eine vernünftige Preispolitik.
    Die Kartelle können potentielle Konkurrenz, die ja überall drinsteckt, nur dann ausschalten, wenn sie nach außen hin einen starken Zwang, etwa durch Rohstoffsperren und ähnliche Maßnahmen, ausüben. Dann allerdings ist wohl das Verbot am Platze; darüber besteht bei uns gar kein Zweifel.
    Es darf eben in unserer Diskussion nicht darum gehen, Kartelle generell zu verbieten, sondern man muß versuchen, die nützlichen von den schädlichen zu unterscheiden, die nützlichen zuzulassen und zu überwachen, die schädlichen allerdings zu verbieten, die nützlichen also in einer zweckmäßigen Form unserer marktwirtschaftlichen Ordnung einzugliedern.
    Das ist sicher auch der Gedanke gewesen, der unseren Kollegen Dr. Schöne , der gerade vor mir sitzt, bewogen hat, in der ersten Lesung im 1. Deutschen Bundestag zu sagen — ich zitiere ihn jetzt —:
    Aus den obigen Darlegungen zum Wettbewerb, wie wir ihn sehen, ist ersichtlich, daß es uns sehr darauf ankommt, die richtige 'Grenzlinie zwischen zweckmäßigen und unzweckmäßigen Erscheinungen wirtschaftlicher Macht zu ziehen. Aus dieser Konzeption
    — so sagte er damals —
    bietet sich eine Mißbrauchsgesetzgebung eher an als eine Verbotsgesetzgebung.
    Ich will Herrn Dr. Schöne nicht darauf festlegen, sondern ich will ihm durchaus die Freiheit lassen, im letzten Punkt seine Meinung zu ändern. Aber ich glaube, daß wir im ersten Teil —

    (Abg. Dr. Schöne: Sie müssen weiterlesen, Herr Scheel!)

    — Sie wissen, es ist Idas Geheimnis der Zitate, nicht allzuviel zu zitieren!

    (Heiterkeit. — Sehr gut! bei der SPD.)

    Herr Dr. Schöne, ich glaube, daß wir im ersten Teil Ihrer Aussage auch heute noch übereinstimmen, daß es nämlich notwendig ist, diese Grenzlinie zu finden.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, wir sollten doch einmal gerade hier in einem Parlament naheliegende Vergleiche wählen, um etwas über das Wesen von Kartellen zu erfahren. Sehen wir uns doch einmal hier unter uns selbst um! Was ist das, was wir vor uns sehen, denn anderes, als Zweckvereinigungen verschiedener Schattierungen, 'die man auch Fraktionskartelle nennen könnte! Wenn z. B. bei der SPD der Kollege Menzel — er ist nicht da —

    (Zuruf von der SPD: Doch!)

    — aha! — bei der namentlichen Abstimmung eine rote Karte hochhebt und 150 Leute wählen mit Nein — das ist ja die normale Form der Wahl —, dann ist das doch nichts anderes als ein Kartell!

    (Heiterkeit.)

    Ich will hier weiß Gott nicht die Opposition allein
    damit belasten. Ich biete Ihnen an, den Namen
    „Dr. Menzel" durch „Dr. Krone" und die Zahl 150 durch die Zahl 250 zu ersetzen; das ist Ihnen ganz überlassen. Natürlich gibt es auch unter uns hier starke potentielle Konkurrenz innerhalb der einzelnen Kartellvereinigungen. Dafür hat ja gerade meine Fraktion in der jüngsten Vergangenheit Beweise genug geboten, wobei diese potentielle Konkurrenz, ganz wie das in der praktischen Wirtschaft ist, vom großen Außenseiter mit leicht monopolistischen Tendenzen — der Herr Bundeskanzler ist nicht da — freundlich ermuntert worden war.
    Nun, meine Damen und Herren, wir haben diese Zweckverbände ja nicht gebildet, um unsere ,;Konsumenten", die Wähler, übers Ohr zu hauen. Nein, ganz im Gegenteil; wir haben sie doch gebildet, um ihnen dadurch besser dienen zu können. Warum wollen Sie das, was wir für uns in Anspruch nehmen, einem Wirtschaftler auf jeden Fall absprechen?
    Die Behauptung, 'daß Kartelle auf alle Fälle preissteigernde Wirkungen hätten, ist in dieser generellen Form ja auch nicht aufrechtzuerhalten. Wenn ich mich einmal an dien Korea-Boom und seine Auswirkungen und Begleiterscheinungen erinnere, dann fällt mir doch auf, daß zu jener Zeit unser Wirtschaftsminister Professor Erhard eine Rede gehalten hat, und zwar war es am 6. Februar 1952 vor dem Institut für Auslandsforschung an der Universität in Zürich, in der er sagte — vollkommen berechtigt —:
    Mit um so größerer Befriedigung kann ich feststellen, daß bei einem europäischen Vergleich die Schweiz und Deutschland die beiden Länder gewesen sind, die, bildlich gesprochen, am besten über die Runden kamen. Diese beiden Länder haben die geringsten Preissteigerungen aufzuweisen, und das Verhältnis zwischen Löhnen und Preisen hat sich in keinem anderen Land unter einem sozialen Aspekt so wohltätig entwickelt wie gerade bei uns.
    Nun, meine Damen und Herren, die Schweiz ist nicht gerade ein Land mit besonders scharfen Kartellverboten, im Gegenteil, sie 'ist ja das Land in Europa, das, auch nach den Aussagen des Bundeswirtschaftsministers, am härtesten kartelliert ist; und es steht in der Preisbewegung ganz unten, wie der Bundeswirtschaftsminister sagt, an letzter Stelle. Und wieso haben wir eigentlich da gestanden? Nun, ich erinnere mich sehr lebhaft, damals an verschiedenen Veranstaltungen von Wirtschaftsverbänden teilgenommen zu haben, bei denen der Bundeswirtschaftsminister als Redner aufgetreten ist. Er hat uns mit Recht und sicherlich zum Nutzen der Konsumenten mit aller Wärme, die er aufbringen konnte, beschworen, trotz der Bewegung auf dem Weltmarkt nur ja mit den Preisen unten zu bleiben. Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als der Versuch, ein Kartell zu bilden. Das wäre nach seinem eigenen Gesetzentwurf ja doch zu bestrafen, nicht wahr?

    (Heiterkeit.)

    Also unser Bundeswirtschaftsminister ist sicherlich einer der populärsten Kartellgründer der Nachkriegszeit gewesen, aber doch nicht, um den Konsumenten zu schädigen, sondern um die Preise möglichst unten zu halten; und das ist ihm ja Gott sei Dank auch gelungen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird des öfteren darauf hingewiesen, daß die Ameri-


    (Scheel)

    kaner so gute Erfahrungen mit ihrer Gesetzgebung gemacht haben. Ich habe es immer sehr dankbar begrüßt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei jeder Gelegenheit betont hat, daß die amerikanische Gesetzgebung weder für uns ein Vorbild sein kann noch unser eigenes Gesetz von ihr inspiriert ist. Ich habe das sehr dankbar begrüßt, und ich habe auch nie einen Verdacht in dieser Richtung gehabt. Aber wir müssen die Sherman Act doch eingebettet in die übrigen Gesetze der Vereinigten Staaten sehen. Wir dürfen nicht übersehen, daß z. B. das Gesetz der Rule of Reasons in der Rechtsprechung eine große Bedeutung hat. Wir dürfen nicht übersehen, daß es neben der Sherman Act auch eine Patman Act gibt, die preisdiskriminierende Maßnahmen verbietet. Das ist, glaube ich, von entscheidender Bedeutung; ich darf es deswegen hier einmal erwähnen. Sicher sind in den Vereinigten Staaten alle Kartelle verboten. Durch die Patman Act ist es dem Produzenten verboten, seinen Abnehmern unterschiedliche Preise zu machen, d. h. er darf sich nicht selber Konkurrenz machen. In der Praxis — das wird jeder zugeben, der die Märkte beobachtet — wirkt sich das eine genau so aus wie das andere, und deswegen werden Sie, wenn Sie nach den Vereinigten Staaten kommen, feststellen, daß auf den dortigen Märkten die Preise nicht etwa wild auseinanderklaffen, sondern Sie werden immer verwundert sein, daß sich unter einer Verbotsgesetzgebung eine außerordentliche, ich möchte fast sagen, Preisdisziplin für den Konsumenten auf dem amerikanischen Markt ergibt.
    Ich nehme an, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn er an einer Esso-Tankstelle 61,3 Pf, an einer Shell-Tankstelle 61,3 Pf und an einer BV-Tankstelle 61,3 Pf bezahlt hat, mit Recht auf den Gedanken gekommen ist, daß sich dieser Preis in schärfstem Wettbewerb ergeben hat. So sieht es allerdings auch auf dem Markt der USA aus, und wir dürfen das nicht unberücksichtigt lassen.
    Ich will allerdings auch darüber sprechen, welche soziologischen, welche gesellschaftspolitischen Wirkungen die Antikartell- und -monopolgesetzgebung in den Vereinigten Staaten gehabt hat. Die Monopole hat sie nämlich nicht getroffen. Niemand von uns wird etwa sagen, daß New Jersey Oil —oder was Sie wollen — kein Monopol oder Oligopol mit sehr gefährlichen Tendenzen wäre. Das ist also nie vermieden worden, und mir ist kein größerer Fall eines Rechtsstreites bekannt, wo etwa DuPont oder ein ähnlicher Konzern erheblich auseinandergefiattert wäre, obgleich die Amerikaner doch bei uns bewiesen haben, daß sie das Auseinanderdividieren, das Dekonzentrieren in der Technik recht gut verstehen. Sie haben es in ihrem eigenen Lande nur niemals angewandt. Andererseits ist doch nicht zu verkennen, daß sich unter dieser Gesetzgebung eine außerordentliche Konzentration vollzogen hat und darüber hinaus. was man meist, wenn man von small business spricht, übersieht. daß das small business in der Zahl allerdings noch besteht oder noch größer geworden ist, daß es sich aber vom Konsumentenmarkt entfernt hat: es konkurriert nicht mehr in der Härte des Marktwettbewerbs — das sind meist Oligopolisten, die konkurrieren -, sondern das small business ist zum abhängigen Zulieferer geworden, etwa wie heute der Hersteller von Wagenhebern ein verhältnismäßig abhängiger Zulieferer einer Automobilfabrik geworden ist. Ich bin davon überzeugt, daß Henry Ford — dies sei einmal eingestreut —, der sich außerordentlich für die Antikartellgesetzgebung eingesetzt hat, das mit gutem Grund getan hat. Ihm wäre es unangenehm, wenn sich etwa die Wagenheberproduzenten zu einem Kartell zusammenschließen wollten, und das möchte er vermeiden. Ihn trifft das Anti-Trust-Gesetz nicht.
    Ich darf hier noch einen Gedanken erwähnen, der im Zusammenhang mit der Diskussion in der Presse erörtert worden ist: Kartellgesetz und Grundgesetz. Es liegt ja ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Zusammenhang mit der Investitionshilfe vor, das sehr gut sagt, wie die Dinge liegen. „Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialform" — so sagt das Bundesverfassungsgericht —„ist zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche". Damit — so glaube ich — ist mit Recht herausgestellt, daß das Grundgesetz als solches keine technische Wirtschaftsform vorschreibt. Nun scheinen aber die Mitglieder unseres Hauses, die sich für eine generelle Verbotsgesetzgebung einsetzen, schlicht und einfach von der Voraussetzung auszugehen, daß diese ihre Meinung die Wirtschaftsdoktrin unseres Grundgesetzes wäre.

    (Abg. Dr. Reif: Das hat doch keiner gesagt! Nicht einer hat das gesagt!)

    — Ich sprach von einer Pressepolemik. In der Presse ist das so erschienen.

    (Abg. Dr. Reif: Die Mitglieder dieses Hauses, die für die Verbotsgesetzgebung sind, sagten Sie, pflegen so zu argumentieren!)

    — Ich sage also nicht: „die Mitglieder", sondern ich sage: „einige", und wenn einige sich dagegen wehren sollten, nehme ich das auch noch zurück und beschränke es auf die Pressepolemik. Ich will niemandem zu nahe treten. Weiß Gott, die Mitglieder dieses Hauses, die also sehr kräftige Verbotsgesetzgeber sind, sind mir lieb und wert. Das ist ganz klar. Ich nehme ja nicht in Anspruch, daß meine Auffassung die allein seligmachende ist, auf gar keinen Fall; ich lasse mich sogar in den Beratungen im Ausschuß belehren, wenn das mit den nötigen Beweismitteln getan wird. Meine Meinung liegt noch nicht einmal fest. Ich komme nachher noch darauf. Nur will ich sagen: da das Grundgesetz von einer wirtschaftstheoretischen Entscheidung doch abgesehen hat, ist damit auch die Behandlung der Kartellfrage unter wirtschaftstheoretischen Aspekten ausgeschlossen. Nach dem Grundgesetz ist lediglich zu prüfen — das steht allerdings drin —, ob Kartelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen und ob diese Gefahr konkret genug ist, um das Einschalten des Gesetzgebers zu rechtfertigen. Und dieser Beweis dürfte in solcher Allgemeingültigkeit — will ich einmal sagen — kaum zu erbringen sein. Eine starre — ich betone ausdrücklich: starre — Verbotsgesetzgebung kann daher als Folgerung aus dem Grundgesetz auf jeden Fall nicht in Betracht kommen.
    Es ist über die Frage der Beweislast — wir kommen jetzt schon in die Technik hinein — auch hier und in der Öffentlichkeit sehr viel gesprochen und geschrieben worden. Wenn sich z. B. Herr Dr. Ilau
    — ein alter Bekannter von mir, sogar ein Freund; ich bin ihm nie böse, wenn er anderer Auffassung ist —, in der FAZ über mangelnde Klärung der Mißbrauchsfragen beschwert, so tut er das gewiß in der Anwendung des Satzes, daß die Beweislast für jede Freiheitsbeschränkung auf seiten dessen


    (Dr. Elbrächter)

    liegt, der behauptet, die Freiheit beschränken zu können.

    (Abg. Dr. Köhler: Siehe § 10!)

    Er unterstellt also, daß es sich bei Kartellen a priori um Freiheitsbeschränkungen handelt. Nun darf man sich auf der anderen Seite auf die gleiche Prämisse stützen und argumentieren, daß das Kartellverbot eine Freiheitsbeschränkung sei; dann würde die Beweislast bei einem einzurichtenden Kartellamt liegen. Wie kommt es nun zu dieser paradoxen Gegenüberstellung? Nun, die Anhänger der Verbotsgesetzgebung gehen davon aus, daß sich die Harmonie der vollkommenen Konkurrenz verwirklichen läßt, in vollem Umfang verwirklichen läßt und Freiheit und Gerechtigkeit in sich verbürgt. Wenn sich das beweisen läßt — woran ich noch zweifle —, wären Kartelle in der Tat einem Ausnahmerecht zu unterwerfen. Oder: Wenn sich das Grundgesetz gar für eine bestimmte Wirtschaftsdoktrin in der Technik entschieden hätte, könnten Kartelle als solche schon verfassungswidrig sein. Professor Nipperdey unterstellt ja auch, daß sich das Grundgesetz für die neoliberale Wirtschaftstheorie entschieden habe, wenn er von den Rechten, die die Persönlichkeitsfreiheit betreffen, die Wettbewerbsfreiheit als eine der wesentlichen Bestandteile bezeichnet und ihr den Vorrang gegenüber allen anderen Rechten einräumt. Damit nimmt er aber eine Wertung der Wirtschaftsartikel des Grundgesetzes vor, die dem Grundgesetz sicher nicht immanent ist. Die Anhänger dieser Gesetzgebung können nicht für sich in Anspruch nehmen, allein mit dem Kartellverbot die Wettbewerbsfreiheit erhalten zu können. Das ist eine Auffassung, die nicht allgemein geteilt werden kann, sondern sie ist eine subjektive Auffassung.
    Nun kommt es mir darauf an, einmal wegzukommen von dieser schrecklichen Alternative: Verbot oder Mißbrauch. Das ist doch gar nicht das Entscheidende, ob man mit dieser oder jener Technik dieses Problem angeht. Ich muß Ihnen gestehen, ich würde mich zu der einen und zu der anderen bekennen, wenn damit das Problem so gelöst wird, wie wir es, glaube ich, zumindest zum größten Teil lösen wollen; das heißt, wahrscheinlich wird es in der Praxis so sein, daß wir für einen großen Teil Verbote aussprechen müssen, für einen anderen Teil, den wir mit Mißbrauchsmethoden bekämpfen müssen, aber nicht. Ich kann doch nicht sagen: Nur das eine oder nur das andere ist allein seligmachend.
    Das ist das Anliegen, was ich Ihnen heute als das allerdringendste vortragen möchte: Wegzukommen von dieser unglücklichen Formulierung „Verbot oder Mißbrauch" und sich zu beschränken auf die Untersuchung: Schaden oder Nutzen und dann eine Technik der Gesetzgebung zu finden. Das ist doch die Aufgabe des Wirtschaftspolitischen Ausschusses: nicht mit idem Schaden auch den Nutzen zu verhindern, sondern den Schaden in weitestem Umfang zu verhindern, auch prophylaktisch — dieser Meinung bin ich —, aber auch einen Nutzen, wo er erkennbar ist, zuzulassen. Dazu gehört auch eine gewisse Schnelligkeit in der Schaffung von Absprachen, wie ich das eben schon einmal ausgeführt habe.
    Dem Bundeswirtschaftsminister wirft man — meiner Auffassung nach zu Unrecht — häufig vor, er sei auf eine ganz bestimmte Form festgelegt. Ich glaube, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister das durchaus nicht ist. Er hat mehrfach, zuletzt bei der ersten Lesung hier im Bundestag, seiner Auffassung Ausdruck gegeben, daß er genau so beweglich zu denken beabsichtigt, wie wir es wollen. Ich zitiere ihn jetzt noch einmal. Er sagte am 27. Januar 1950 — bei Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht —:
    Wir wissen sehr wohl, daß die Kartelle sehr unterschiedliche Zielsetzungen haben, und da möchte ich Ihnen gleich sagen: wenn ich mich in der Öffentlichkeit
    — so sagte der Herr Bundeswirtschaftsminister —
    als entschiedener Gegner der Kartelle bekannt habe, dann schien mir diese Haltung notwendig zu sein, um einmal den Grundsatz, das Prinzip als solches völlig klar herauszustellen. Niemand konnte annehmen, ... daß es die Absicht der Regierung gewesen ist, mit der Konsequenz, die Sturheit bedeutet, nun etwa alles zu zerstören, was im Sinne einer organisierten Wettbewerbsordnung durchaus wertvoll sein könnte.
    Auf dieser Feststellung, glaube ich, kann sich das Haus treffen. Der Gesetzentwurf ist ein Grundgesetz der deutschen Volkswirtschaft. Die Arbeit in den Ausschüssen wird schwer und verantwortungsvoll sein. Es wird nötig sein, unvoreingenommen und mit Aufgeschlossenheit unsere Arbeit zu beginnen. Vielleicht opfern wir sogar einmal unsere unumstößliche Konzeption einer lebendigen, lebens- und wirtschaftsnahen Konstruktion.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Raestrup.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bernhard Raestrup


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, fast zum Schluß der heutigen Ausführungen als Rufer im Streit das Wort zu ergreifen, sondern ich zitiere den Schlußsatz unseres Wirtschaftsministers, mit dem er vor acht Tagen seinen Gesetzentwurf eingebracht hat. Er sagte damals:
    So bringe ich denn dieses Gesetz ein in der Erwartung, daß sich der Deutsche Bundestag der Tragweite dieses auf innerpolitischem Gebiet wahrscheinlich wichtigsten deutschen Gesetzes bewußt sein und eine gute, glückliche Lösung für unser Volk und für unsere Wirtschaft finden möge.
    Ich kann diese Worte des Herrn Wirtschaftsministers nur unterstreichen. Wir wollen, von diesem Geist und dieser Auffassung geleitet, in den Wirtschaftspolitischen Ausschuß hineingehen und, ohne voreingenommen zu sein, an dieser Aufgabe arbeiten. Sie haben gesagt, verehrter Herr Minister, Sie wollen für unser Volk und für unsere Wirtschaft das Beste schaffen. Wir von der Industrie sind ja auch ein Teil dieser Wirtschaft. Das berechtigt mich dazu, von meinem Standpunkt als Wirtschaftler, als Unternehmer aus einiges zu diesem Gesetzentwurf zu sagen.
    Wir befinden uns hier in einer nicht leichten Lage. Wir lehnen das Verbotsgesetz ab und wollen nach Möglichkeit ein Mißbrauchsgesetz haben, das Mißbrauchsgesetz, das unser Kollege Herr Höcherl eingebracht hat und von dem ich sagen kann: dadurch ist ganz klipp und klar bewiesen, daß es genau so gut möglich ist, das, was im Interesse unseres Volkes notwendig ist, um die Leistungssteigerung im Wettbewerb zu haben, auf dem Wege


    (Raestrup)

    des Mißbrauchsgesetzes zu erreichen wie auf dem Wege des Verbotsgesetzes.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber ich bin gar nicht engstirnig. Wir wissen, daß der Höcherlsche Entwurf genau so wie der Regierungsentwurf und der Böhmsche Entwurf in erster Linie an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß und hoffentlich auch an den Rechtsausschuß überwiesen wird. Denn wenn wir ein Gesetz beschließen, das letzten Endes nachher in erster Linie von der Industrie befolgt werden muß, dann habe ich das denkbar größte Interesse daran, daß das Gesetz nicht über das Knie gebrochen wird, sondern daß im Wirtschaftspolitischen Ausschuß unter allen Umständen, aber auch Rechtsausschuß gründliche Arbeit geleistet wird.

    (Abg. Dr. Köhler: Sehr richtig!)

    Wenn ich jetzt diese ganzen Paragraphen durcharbeite, dann sage ich mir: so wie die Gesetzentwürfe heute sind, sind sie eine Fundgrube für Rechtsanwälte und Staatsanwälte.

    (Hört! Hört! und Heiterkeit in der Mitte)

    Man macht es sich etwas leicht, uns, die wir letzten Endes mit dem gleichen Recht für ein Mißbrauchsgesetz eintreten können wie andere für das Verbotsgesetz, zu bekämpfen. Man macht nämlich folgendes: man malt die Karikatur eines Kartells an die Wand und beginnt dann, vor diesem Zerrbild eines Kartells die Vorwürfe gegen uns zu starten. Ich habe mir die Mühe gemacht, aus den Zeitungen der letzten drei Wochen, und zwar aus zum Teil sehr angesehenen Zeitungen, eine Blütenlese herauszufinden. Ich brauche nicht lange zu suchen. Was sagt man denn nun von den „Freunden" eines Kartells? Zunächst sind die Ausdrücke „Kartellfreunde" und „Kartellgegner" falsch. Ich bin nicht ein fanatischer Befürworter des Kartellwesens, sondern ich bin lediglich dafür, daß man der Möglichkeit Raum gibt, unter gewissen Umständen zu gewissen Zeiten Kartelle und kartellähnliche Absprachen dann zu machen, wenn der Zustand einer Schleuderkonkurrenz besteht. Wenn ich mir die Äußerungen so durcharbeite, dann sage ich mir: man soll doch nicht Wettbewerb und Leistungssteigerung und unlauteren Wettbewerb als ein und dasselbe bezeichnen. Ich bedaure es ganz außerordentlich, daß in Verbindung mit diesem Kartellgesetzentwurf nicht zu gleicher Zeit der Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb gekommen ist. Wäre er gekommen, dann würde mancher unserer Auffassungen leichter Geltung verschafft werden können.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Ich will Ihnen nur einmal vorlesen, was wir für „Schwerverbrecher" sind. Wir sind für die Unterbindung jedes Wettbewerbs, gegen Leistungssteigerung. Wir sind für die Verfälschung der Preise und die Ausbeutung der Konsumenten. Wir lähmen den Fortschritt und die Unternehmerinitiative. Wir wollen Kartellrentner werden, von Pfründen leben und für unsere Unternehmen paradiesische Zustände schaffen. — Meine Damen und Herren, ich der ich nun 55 Jahre selbständiger Unternehmer bin und den Wettbewerb und die Leistungssteigerung aus der eigenen Erfahrung meiner 55jährigen Tätigkeit beurteilen kann, muß sagen, daß man
    mit solchen Dingen wirklich nicht operieren soll. Denn dadurch erweckt man ja ganz falsche Vorstellungen von dem, was wir eigentlich wollen.

    (Abg. Dr. Köhler: Wer hat das geschrieben?)

    — Die angesehensten Tageszeitungen! Sie sollten nicht so neugierig sein, lieber nicht!

    (Heiterkeit.)

    Aber ich bin bereit, all denen, die es interessiert, diese Sammlung von Äußerungen aus den Tageszeitungen vorzulegen, mein lieber Freund Köhler. Sonst bin ich immer — das hängt mit meinem Alter zusammen — etwas vorsichtig.
    Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, ich habe Ihre Rede gelesen und habe doch einen Absatz in Ihren Ausführungen bedauert. Ich habe heute morgen eine Anzahl von Zuschriften bekommen, nicht von Syndizi - die Sie ja nicht besonders hoch schätzen —, sondern von selbständigen Unternehmern, die sich durch eine Äußerung, die Sie getan haben, auf das schwerste verletzt gefühlt haben. Ich nehme Ihre Äußerungen nicht so tragisch; ich kenne Sie.

    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard: Was für welche?)

    — Kommt, kommt!

    (Heiterkeit.)

    Ich nehme Ihre Äußerungen nicht so tragisch, Herr Minister, denn ich kenne Ihr Temperament.

    (Heiterkeit.)

    Die Äußerung lautet folgendermaßen:
    Als Wirtschaftsminister habe ich nicht die Interessen gewerblicher Gruppen, sondern das Lebensrecht von 50 Millionen Verbrauchern zu verteidigen. Das, meine Damen und Herren, steht auf dem Spiel.
    Nun frage ich Sie allen Ernstes, Herr Minister: Wollen Sie behaupten, daß der deutsche Unternehmer gewillt und bereit ist, das Lebensrecht von 50 Millionen Verbrauchern anzugreifen und zu gefährden?

    (Zuruf von der Mitte: Hat er gar nicht gesagt!)

    Das ist die Frage, die ich an Sie stelle. Ich bitte Sie, Herr Minister, nur um die Freundlichkeit, diese Äußerungen vielleicht doch einmal richtigzustellen; denn sie haben außerordentlich böses Blut erregt. Sie müssen begreifen, meine Damen und Herren, in welcher Situation wir sind. Wenn Sie sich mit diesen Worten an 50 Millionen Verbraucher wenden, dann müssen Sie sich darüber klar sein, daß von selbst eine gewisse gefährliche Stimmung hervorgerufen wird.

    (Abg. Dr. Köhler: Sehr richtig!)

    Herr Minister, ich würde Ihnen außerordentlich dankbar sein. Ich habe selbstverständlich nicht die Ausdrücke wiederholt, die in diesen Schreiben stehen. Davon halte ich nichts. Aber ich glaube, ich habe Ihnen doch wohl Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn ich Sie bitte, doch nicht in dieser scharfen Form gegen deutsche Unternehmer zu sprechen. Denn wenn der deutsche Unternehmer — —

    (Zuruf des Abg. Kurlbaum.)



    (Raestrup)

    — Was haben Sie gegen den deutschen Unternehmer?

    (Abg. Kurlbaum: Herr Kollege Raestrup, sind Sie der Meinung, daß von Verbrauchern hier zuviel gesprochen worden ist?)

    — Nein, ich bin nur der Auffassung, Herr Kurlbaum, daß es nicht richtig ist, wenn man sagt: ich muß die Lebensrechte—ich bitte, das zu betonen —von 50 Millionen Verbrauchern schützen gegen das Unternehmertum. Das steht hier drin.

    (Zuruf von der Mitte: Das hat er nicht gesagt!)

    — Das steht hier drin, Donnerwetter noch mal! (Große Heiterkeit und Zurufe von der Mitte: Nein, nein!)

    — Gegen wen wollen Sie es denn verteidigen, wenn nicht gegen diejenigen, die dafür sind? Ich freue mich ja, wenn der Herr Minister sagt, daß meine Auffassung falsch ist. Das will ich ja gern von ihm hören und nichts weiter. Wenn wir so debattieren, meine Damen und Herren, dann können wir das Ziel, das der Herr Minister sich gesteckt hat, nur sehr schwer erreichen.
    Nun kommt eine andere interessante Sache. Herr Professor Reif hat auch davon gesprochen, wie unsere Wirtschaft zu diesen Fragen steht, und er hat es getadelt, daß die Industrie ein Gutachten eines Universitätsprofessors gebracht hat, der, wie er behauptet — ich weiß nicht, ob das wahr ist —, der Sozialdemokratischen Partei nahestehen soll. Er hat kein Verständnis dafür, daß die Industrie ein solches Gutachten verbreitet. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ganz offen und ehrlich etwas sagen. Zunächst: unser verehrter Herr Wirtschaftsminister wird keinen Moment zögern, mit der Hilfe der Sozialdemokratie dieses Gesetz durchzubringen.

    (Große Heiterkeit. — Ironische Zurufe von der SPD: Unerhört! — Unglaublich!)

    Und zweitens — meine Damen und Herren, nun seien Sie mal ruhig! —: ich persönlich habe nicht die allergeringsten Bedenken. Wenn ich ein solches Gutachten lese und wenn es mir gefällt, warum soll es dann nicht von einem Sozialdemokraten stammen? Ich bin sehr dafür, wenn die Sozialdemokraten uns hin und wieder mal helfen.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Schöne: Sehr gut!)

    Also ich bin wirklich nicht so engstirnig.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Sie sind ja auch ein Westfale!)

    — Jawohl! Ich kann Ihnen auch verraten, daß ich mit besonderem Interesse die roten Hefte der Gewerkschaften — ich kenne den Titel augenblicklich nicht genau — lese. Bis vor einem halben Jahr konnte ich feststellen, daß sie in bezug auf das Kartellverbotsgesetz ganz unserer Auffassung waren. Dann erfolgte plötzlich — aus welchen Gründen, weiß ich nicht — eine Drehung um 160 Grad, und sie schrieben das Gegenteil.

    (Heiterkeit. — Zurufe von der Mitte: 180 Grad! — Das ist das Geheimnis der Gewerkschaften!)

    Nun will ich mich nicht in diesen theoretischen Streit zwischen Professoren, ob Verbotsgesetz oder Mißbrauchsgesetz, einmischen. — Herr Professor Reif ist leider nicht hier, sonst würde ich ihm zu seiner Beruhigung sagen, abgesehen von dem ihm so bedenklich erscheinenden, meines Erachtens ganz hervorragenden Gutachten von Professor
    Peter, der Sozialdemokrat ist, habe ich 33 Gutachten von Professoren da, die ganz auf meinem Standpunkt stehen, die aber anscheinend einwandfrei sind.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : 33?)

    — Ich weiß es nicht; aber ich würde mich freuen, wenn ein Dutzend dabei wäre, das letzten Endes auch, wollen wir mal sagen, wirtschaftlich etwas anders denkt.
    Ich möchte Ihnen nun einmal — und ich bitte um etwas Geduld dafür — von meinem Standpunkt aus, der ich nun auf eine 55jährige Tätigkeit als freier und selbständiger Unternehmer zurückblikken kann, einiges über meine Erfahrungen sagen. Man kann ja auch einmal einen Praktiker hören und braucht nicht nur Theoretiker zu hören.

    (Beifall.)

    Ich bin nun in diesen vergangenen 55 Jahren mal im Kartell gewesen, bin dann mal in keinem Kartell gewesen und war dann wieder mal in einem Kartell. Und das Wichtigste: Augenblicklich bin ich in meinen Fabrikaten nicht kartelliert.

    (Abg. Kurlbaum: Das ist ja auch noch nicht erlaubt! — Heiterkeit.)

    — Ach, Sie ahnungsloser Engel!

    (Große Heiterkeit.)

    Ich bin also frei und unabhängig. Aber ich werde auch in kein Kartell gehen. Ich kann kein Kartell gebrauchen.
    Warum sage ich das hier, meine Damen und Herren? Weil ja sonst wieder die Litanei von dem sogenannten Interessentenvertreter gesungen wird. Ich stehe hier mit blankem Schild vor Ihnen, wenn ich heute zu Kartellfragen spreche. Ich habe das deshalb gesagt, weil mich im Augenblick die Preiskartelle nicht interessieren. Ich bin aber in früheren Jahren und noch vor 1914 Mitglied eines Kartells in der eisenverarbeitenden Industrie gewesen und, getragen von dem Vertrauen meiner Mitunternehmer, Vorsitzender eines westdeutschen Kartells, im Vorstand eines deutschen Kartells und im Vorstand eines europäischen Kartells, das seinen Sitz in Berlin hatte. Aus dieser meiner Erfahrung heraus sage ich, daß das, was heute von den Kartellen an Schlechtigkeiten usw. alles behauptet wird, Märchenerzählungen sind.
    Wir haben damals die eisenverarbeitende Industrie kartelliert, und wir haben erreicht, daß diese eisenverarbeitende Industrie, die namentlich im Hagener Bezirk saß — in meinem Wahlbezirk —. im Lennetal, im Volmetal und im Ruhrtal usw., den Erfolg erzielt hat, daß sie dank der Tatsache, daß sie nicht zu Schleuderpreisen verkauft hat, sondern zu ausreichenden Preisen, es erreicht hat, den Weltmarkt gegenüber England mit ihren Fabrikaten zu erobern, und es war möglich, die Verbraucher im Inland zu stets sinkenden Preisen in erster Qualität zu beliefern. Diese meine Erfahrungen, was ich da gelernt habe, kann mir kein Professor wegdisputieren.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Es kommt bei allen Kartellen darauf an, wie sie geleitet werden, und auf nichts anderes.
    Nun weiß ich, daß nach 1914 manches anders geworden ist. Es kam der Krieg, es kam die Inflation, es kam die Deflation, es kam wieder der Krieg, und es kam wieder die Währungsreform usw. Da ist vieles von dem, was früher korrekt


    (Raestrup)

    gehandhabt worden ist, verdorben worden, und es ist schwer gesündigt worden — das weiß ich —, aber weniger von den Kartellen, namentlich in letzter Zeit. Ich bin in viele Verbände hineingegangen. Ich habe dort gesprochen und die Mitglieder der Verbände gewarnt, eine unvernünftige Preispolitik zu treiben. Wir haben durch unsere Verbände in der wilden Zeit nach 1945, namentlich nach 1948, mehr zur Senkung und Beruhigung der Preise beigetragen, als wenn wir keine Verbände gehabt hätten. Denn es gab damals Leute, die glaubten, sie könnten einfach Preise nehmen, wie sie wollten. Wir haben gesagt: Laßt das sein. Wir denken bei diesen Dingen letzten Endes auch an die Kundschaft und an die Belieferung der Kundschaft in späteren Jahren.
    Es wird behauptet, die weiterverarbeitende Industrie — ich spreche nicht für deren Interessen, aber aus deren Blickpunkt heraus — sei nicht für ein Mißbrauchsgesetz. Ich darf hier als Präsidialmitglied unseres Wirtschaftsverbandes für Eisenblechwaren — der sogenannten EBM-Industrie — und der Industrie für Sonderstahlverformung sprechen. Wir umfassen in unserem Verband 7000 Unternehmen mit 400 000 Arbeitern. Wir haben eine Produktion von 7 Milliarden DM und einen Export von 2 Milliarden DM. Wenn Sie sich das ausrechnen, rund 400 000 Arbeiter verteilt auf rund 7000 Betriebe, dann kommen Sie auf einen Durchschnittssatz von 58 Arbeitern pro Betrieb. Das ist die gesunde Mischung. Wir haben in unserem Verband Werke mit 1000, 1200, 1500 Arbeitern, wir haben aber auch Werke mit 10 bis 15 Arbeitern, wo heute noch der gesunde Übergang vom Facharbeiter zum Werkmeister und zum kleinen selbständigen Fabrikanten zu beobachten ist. Im übrigen ist diese Industrie über ganz Deutschland verstreut. Ich glaube, Sie, verehrter Herr Kollege Höcherl, haben zum Teil Ihre Anregungen zu Ihrem Antrag aus den Kreisen dieser Unternehmen bekommen, die für die gesunde Struktur im Aufbau unserer Wirtschaft von ganz besonderer Bedeutung sind. Ich darf hier auch sagen, daß ich einen Zustand beibehalten will, bei dem wir nicht nur auf der einen Seite die organisierte Großindustrie in Luxemburg und auf der andern Seite die Gewerkschaften — gegen die ich gar nichts habe — haben, sondern in dem auch der selbständige Unternehmer bleibt, der die Struktur unseres Volkes mitbestimmt und Möglichkeiten schafft, auch wirtschaftliche Fortschritte zu machen.
    Wie steht es nun eigentlich mit dem sogenannten Wettbewerb dieser Unternehmer? 70 % unserer Selbstkosten werden uns durch Preise von Luxemburg und all die anderen Faktoren — Verkehr, Energie usw. — diktiert. Während uns also die Preise für unsere Herstellung diktiert werden, sollen wir in den Wettbewerb hineingestellt werden. Ich verstehe nun unter Wettbewerb, daß ich mich auch beim Einkauf im Wettbewerb tummeln kann, daß ich auch sehe, wie meine Lieferanten sich um Aufträge bemühen. Wenn ich aber keine Lieferanten habe, die sich im Wettbewerb befinden, wie das bei Kohle, Eisen, Energie und im Verkehr der Fall ist, wenn ich allenfalls im freien Wettbewerb noch etwas Schmieröl und Packpapier kaufen kann, dann muß ich sagen, daß das für mich kein freier Wettbewerb mehr ist.

    (Zuruf von der SPD: Packpapier und Schmieröl werden jetzt auch zu Markenartikeln!)

    — Wenn Sie dafür sorgen, daß die Abnehmer so I dumm sind und das als Markenartikel kaufen, bin ich Ihnen sehr dankbar. Aber auf der andern Seite müssen wir unsere Fabrikate, die wir aus Eisen und Kohle hergestellt haben, verkaufen. Wir treten an unsere Kundschaft, an die Bundesbahn, an die Konsumvereine, an die großen Warenhäuser und an die großen Einkaufsverbände heran. Ich habe gegen die großen Einkaufsverbände gar nichts. Im Gegenteil, ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Einkaufsverbände unbedingt notwendig sind und gerade den Einzelhändler in die Lage versetzen, so billig einzukaufen, daß er wenigstens noch einigermaßen Chancen hat, gegen die Warenhäuser zu konkurrieren. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir bei solchen großkapitalistischen Unternehmen um Aufträge bitten müssen und auf der andern Seite einfach unsere Bezugspreise diktiert bekommen, dann verlange ich für uns — und das ist für mich der springende Punkt — die Möglichkeit, uns zusammenzufinden, um einen allzustarken Preissturz zu vermeiden. Denn wodurch entsteht der Preissturz? Wenn der Unternehmer allein steht, nur auf sich angewiesen ist und so zum Warenhaus, zu einem Einkaufsverband mit bis zu 1000 Mitgliedern kommt — so große gibt es —, dann ist er doch derart unterlegen, daß er den Behauptungen, die über die Konkurrenzpreise aufgestellt werden, schutzlos gegenübersteht. Da wollen wir die Möglichkeit haben — das ist einer meiner Gründe —, zusammenzukommen und uns über die Marktlage zu verständigen, gegebenenfalls auch Preisempfehlungen herauszugeben.
    Wie ist es nun mit Preisempfehlungen? Nach den §§ 24, 31 dieses Gesetzentwurfes wird der Geschäftsführer oder Vorsitzende eines Wirtschaftsverbandes, wenn er Preisempfehlungen herausgibt, mit bis zu einer Million DM bestraft.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Hört! Hört!)

    Eine Million Mark ist immerhin schon ein kleiner Batzen Geld, wenn man bedenkt, daß das zuerst verdient werden muß und nicht als Unkosten abgebucht werden kann. Es muß also ein solches unglückliches Unternehmen schon 5 bis 6 Millionen DM verdienen, um das bei den heutigen Steuern aufzubringen.
    Man wird mir entgegenhalten: So hohe Strafen wird das Gericht nicht aussprechen. Das weiß ich auch. Aber wenn bis zu einer Million DM Strafe verhängt werden kann, liegt darin immerhin schon eine Aufforderung, möglichst hohe Strafen auszusprechen.
    Was will ich? Nichts weiter — darum werde ich kämpfen —, als daß wir das Recht erhalten, in solchen Situationen zur Bekämpfung eines weiteren Absturzes der Preise zusammenzukommen, die Marktlage zu besprechen und als Erfolg einer solchen Besprechung gegebenenfalls zu sagen: Alles das, was die Einkäufer der großen Warenhäuser usw. behauptet haben, stimmt nicht; wir haben die Marktlage festgestellt; das und das sind die Preise, die heute tatsächlich gelten, und wir empfehlen unseren Freunden, diese Preise zu nehmen. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist wirklich etwas Bescheidenes gegenüber der Allmacht, die uns von Luxemburg in bezug auf die Preise gegenübertritt.
    Ich habe noch ein kleines Kapitel; dies heißt das Recht auf Selbstkosten; dann bin ich fertig. Ich


    (Raestrup)

    habe einmal gesagt: Auch wir Unternehmer haben das Recht darauf, unsere Selbstkosten zurückzuerhalten. Von einer Seite ist das als blühender Unsinn bezeichnet worden, und von einer andern Seite ist ein Artikel geschrieben und gesagt worden, damit rüttele man wirklich an den Grundfesten der deutschen Bundesrepublik, wenn man solche Behauptungen aufstelle und wenn sie sogar aus dem Munde eines Bundestagsabgeordneten kämen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir von Leistungssteigerung und Wettbewerb sprechen wollen, müssen wir als erstes ermöglichen, daß der Unternehmer mit einem bescheidenen Gewinn arbeitet und der Gewinn, soweit er nicht weggesteuert wird, dazu dient, den Betrieb zu vergrößern, neue Maschinen anzuschaffen usw., damit sich der Unternehmer auch wirklich im Wettbewerb tummeln kann. Jemand, der seine Selbstkosten nicht wiederbekommt, der kann sich zwar auch im Wettbewerb tummeln, kommt dann aber nach zwei oder drei Jahren mit diesen verfluchten Rundschreiben „An meine Herren Gläubiger!" heraus, worin steht, daß er nur 30 % seiner Schulden bezahlen könne.
    Wir müssen hier ein Gesetz schaffen, das dem Unternehmer, der sich dafür auch verantwortlich fühlt, die Möglichkeit gibt, wenn er irgendwie Ware einkauft, verarbeitet usw., solche Preise zu nehmen, daß er seiner Familie, seinem Unternehmen, seinen Arbeitern — das ist auch eine soziale Verpflichtung; er soll die Krankenkasse nicht betrügen - und, meine Damen und Herren, auch dem Lieferanten gerecht werden kann. Nur wenn wir diese alten Grundsätze beachten und in unserem Kartellgesetz die Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung schaffen, kann ich meine Zustimmung geben. Ich glaube, wenn wir alle ohne irgendwelche Trennung der Parteien von dem ehrlichen Wunsche beseelt sind, zunächst im Wirtschaftspolitischen Ausschuß in dem Sinne zu arbeiten, wie ich es eben gesagt habe, in dem Sinne, daß wir ein Gesetz machen wollen, das ich nicht Mißbrauchsgesetz, das ich nicht Verbotsgesetz, sondern das ich ein Gesetz zur Ordnung des Wettbewerbs nennen will, wenn wir uns alle darum bemühen, ein Gesetz zu schaffen, das auch den Interessen der Verbraucher gerecht wird, daß der Inhaber sein Geschäft so führen kann, daß er alle seine Verbindlichkeiten erfüllen kann, — wenn dieses Gesetz dann so gestaltet wird, können wir mit gutem Gewissen sagen: es ist ein Gesetz zum Schutze einer soliden Wettbewerbsordnung, ein Gesetz zum Schutze des Verbrauchers und ein Gesetz, das dem Wohl von Volk und Vaterland dienen soll.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)