Rede von
Bernhard
Raestrup
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, fast zum Schluß der heutigen Ausführungen als Rufer im Streit das Wort zu ergreifen, sondern ich zitiere den Schlußsatz unseres Wirtschaftsministers, mit dem er vor acht Tagen seinen Gesetzentwurf eingebracht hat. Er sagte damals:
So bringe ich denn dieses Gesetz ein in der Erwartung, daß sich der Deutsche Bundestag der Tragweite dieses auf innerpolitischem Gebiet wahrscheinlich wichtigsten deutschen Gesetzes bewußt sein und eine gute, glückliche Lösung für unser Volk und für unsere Wirtschaft finden möge.
Ich kann diese Worte des Herrn Wirtschaftsministers nur unterstreichen. Wir wollen, von diesem Geist und dieser Auffassung geleitet, in den Wirtschaftspolitischen Ausschuß hineingehen und, ohne voreingenommen zu sein, an dieser Aufgabe arbeiten. Sie haben gesagt, verehrter Herr Minister, Sie wollen für unser Volk und für unsere Wirtschaft das Beste schaffen. Wir von der Industrie sind ja auch ein Teil dieser Wirtschaft. Das berechtigt mich dazu, von meinem Standpunkt als Wirtschaftler, als Unternehmer aus einiges zu diesem Gesetzentwurf zu sagen.
Wir befinden uns hier in einer nicht leichten Lage. Wir lehnen das Verbotsgesetz ab und wollen nach Möglichkeit ein Mißbrauchsgesetz haben, das Mißbrauchsgesetz, das unser Kollege Herr Höcherl eingebracht hat und von dem ich sagen kann: dadurch ist ganz klipp und klar bewiesen, daß es genau so gut möglich ist, das, was im Interesse unseres Volkes notwendig ist, um die Leistungssteigerung im Wettbewerb zu haben, auf dem Wege
des Mißbrauchsgesetzes zu erreichen wie auf dem Wege des Verbotsgesetzes.
Aber ich bin gar nicht engstirnig. Wir wissen, daß der Höcherlsche Entwurf genau so wie der Regierungsentwurf und der Böhmsche Entwurf in erster Linie an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß und hoffentlich auch an den Rechtsausschuß überwiesen wird. Denn wenn wir ein Gesetz beschließen, das letzten Endes nachher in erster Linie von der Industrie befolgt werden muß, dann habe ich das denkbar größte Interesse daran, daß das Gesetz nicht über das Knie gebrochen wird, sondern daß im Wirtschaftspolitischen Ausschuß unter allen Umständen, aber auch Rechtsausschuß gründliche Arbeit geleistet wird.
Wenn ich jetzt diese ganzen Paragraphen durcharbeite, dann sage ich mir: so wie die Gesetzentwürfe heute sind, sind sie eine Fundgrube für Rechtsanwälte und Staatsanwälte.
Man macht es sich etwas leicht, uns, die wir letzten Endes mit dem gleichen Recht für ein Mißbrauchsgesetz eintreten können wie andere für das Verbotsgesetz, zu bekämpfen. Man macht nämlich folgendes: man malt die Karikatur eines Kartells an die Wand und beginnt dann, vor diesem Zerrbild eines Kartells die Vorwürfe gegen uns zu starten. Ich habe mir die Mühe gemacht, aus den Zeitungen der letzten drei Wochen, und zwar aus zum Teil sehr angesehenen Zeitungen, eine Blütenlese herauszufinden. Ich brauche nicht lange zu suchen. Was sagt man denn nun von den „Freunden" eines Kartells? Zunächst sind die Ausdrücke „Kartellfreunde" und „Kartellgegner" falsch. Ich bin nicht ein fanatischer Befürworter des Kartellwesens, sondern ich bin lediglich dafür, daß man der Möglichkeit Raum gibt, unter gewissen Umständen zu gewissen Zeiten Kartelle und kartellähnliche Absprachen dann zu machen, wenn der Zustand einer Schleuderkonkurrenz besteht. Wenn ich mir die Äußerungen so durcharbeite, dann sage ich mir: man soll doch nicht Wettbewerb und Leistungssteigerung und unlauteren Wettbewerb als ein und dasselbe bezeichnen. Ich bedaure es ganz außerordentlich, daß in Verbindung mit diesem Kartellgesetzentwurf nicht zu gleicher Zeit der Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb gekommen ist. Wäre er gekommen, dann würde mancher unserer Auffassungen leichter Geltung verschafft werden können.
Ich will Ihnen nur einmal vorlesen, was wir für „Schwerverbrecher" sind. Wir sind für die Unterbindung jedes Wettbewerbs, gegen Leistungssteigerung. Wir sind für die Verfälschung der Preise und die Ausbeutung der Konsumenten. Wir lähmen den Fortschritt und die Unternehmerinitiative. Wir wollen Kartellrentner werden, von Pfründen leben und für unsere Unternehmen paradiesische Zustände schaffen. — Meine Damen und Herren, ich der ich nun 55 Jahre selbständiger Unternehmer bin und den Wettbewerb und die Leistungssteigerung aus der eigenen Erfahrung meiner 55jährigen Tätigkeit beurteilen kann, muß sagen, daß man
mit solchen Dingen wirklich nicht operieren soll. Denn dadurch erweckt man ja ganz falsche Vorstellungen von dem, was wir eigentlich wollen.
— Die angesehensten Tageszeitungen! Sie sollten nicht so neugierig sein, lieber nicht!
Aber ich bin bereit, all denen, die es interessiert, diese Sammlung von Äußerungen aus den Tageszeitungen vorzulegen, mein lieber Freund Köhler. Sonst bin ich immer — das hängt mit meinem Alter zusammen — etwas vorsichtig.
Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, ich habe Ihre Rede gelesen und habe doch einen Absatz in Ihren Ausführungen bedauert. Ich habe heute morgen eine Anzahl von Zuschriften bekommen, nicht von Syndizi - die Sie ja nicht besonders hoch schätzen —, sondern von selbständigen Unternehmern, die sich durch eine Äußerung, die Sie getan haben, auf das schwerste verletzt gefühlt haben. Ich nehme Ihre Äußerungen nicht so tragisch; ich kenne Sie.
— Kommt, kommt!
Ich nehme Ihre Äußerungen nicht so tragisch, Herr Minister, denn ich kenne Ihr Temperament.
Die Äußerung lautet folgendermaßen:
Als Wirtschaftsminister habe ich nicht die Interessen gewerblicher Gruppen, sondern das Lebensrecht von 50 Millionen Verbrauchern zu verteidigen. Das, meine Damen und Herren, steht auf dem Spiel.
Nun frage ich Sie allen Ernstes, Herr Minister: Wollen Sie behaupten, daß der deutsche Unternehmer gewillt und bereit ist, das Lebensrecht von 50 Millionen Verbrauchern anzugreifen und zu gefährden?
Das ist die Frage, die ich an Sie stelle. Ich bitte Sie, Herr Minister, nur um die Freundlichkeit, diese Äußerungen vielleicht doch einmal richtigzustellen; denn sie haben außerordentlich böses Blut erregt. Sie müssen begreifen, meine Damen und Herren, in welcher Situation wir sind. Wenn Sie sich mit diesen Worten an 50 Millionen Verbraucher wenden, dann müssen Sie sich darüber klar sein, daß von selbst eine gewisse gefährliche Stimmung hervorgerufen wird.
Herr Minister, ich würde Ihnen außerordentlich dankbar sein. Ich habe selbstverständlich nicht die Ausdrücke wiederholt, die in diesen Schreiben stehen. Davon halte ich nichts. Aber ich glaube, ich habe Ihnen doch wohl Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn ich Sie bitte, doch nicht in dieser scharfen Form gegen deutsche Unternehmer zu sprechen. Denn wenn der deutsche Unternehmer — —
— Was haben Sie gegen den deutschen Unternehmer?
— Nein, ich bin nur der Auffassung, Herr Kurlbaum, daß es nicht richtig ist, wenn man sagt: ich muß die Lebensrechte—ich bitte, das zu betonen —von 50 Millionen Verbrauchern schützen gegen das Unternehmertum. Das steht hier drin.
— Das steht hier drin, Donnerwetter noch mal!
— Gegen wen wollen Sie es denn verteidigen, wenn nicht gegen diejenigen, die dafür sind? Ich freue mich ja, wenn der Herr Minister sagt, daß meine Auffassung falsch ist. Das will ich ja gern von ihm hören und nichts weiter. Wenn wir so debattieren, meine Damen und Herren, dann können wir das Ziel, das der Herr Minister sich gesteckt hat, nur sehr schwer erreichen.
Nun kommt eine andere interessante Sache. Herr Professor Reif hat auch davon gesprochen, wie unsere Wirtschaft zu diesen Fragen steht, und er hat es getadelt, daß die Industrie ein Gutachten eines Universitätsprofessors gebracht hat, der, wie er behauptet — ich weiß nicht, ob das wahr ist —, der Sozialdemokratischen Partei nahestehen soll. Er hat kein Verständnis dafür, daß die Industrie ein solches Gutachten verbreitet. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ganz offen und ehrlich etwas sagen. Zunächst: unser verehrter Herr Wirtschaftsminister wird keinen Moment zögern, mit der Hilfe der Sozialdemokratie dieses Gesetz durchzubringen.
Und zweitens — meine Damen und Herren, nun seien Sie mal ruhig! —: ich persönlich habe nicht die allergeringsten Bedenken. Wenn ich ein solches Gutachten lese und wenn es mir gefällt, warum soll es dann nicht von einem Sozialdemokraten stammen? Ich bin sehr dafür, wenn die Sozialdemokraten uns hin und wieder mal helfen.
Also ich bin wirklich nicht so engstirnig.
— Jawohl! Ich kann Ihnen auch verraten, daß ich mit besonderem Interesse die roten Hefte der Gewerkschaften — ich kenne den Titel augenblicklich nicht genau — lese. Bis vor einem halben Jahr konnte ich feststellen, daß sie in bezug auf das Kartellverbotsgesetz ganz unserer Auffassung waren. Dann erfolgte plötzlich — aus welchen Gründen, weiß ich nicht — eine Drehung um 160 Grad, und sie schrieben das Gegenteil.
Nun will ich mich nicht in diesen theoretischen Streit zwischen Professoren, ob Verbotsgesetz oder Mißbrauchsgesetz, einmischen. — Herr Professor Reif ist leider nicht hier, sonst würde ich ihm zu seiner Beruhigung sagen, abgesehen von dem ihm so bedenklich erscheinenden, meines Erachtens ganz hervorragenden Gutachten von Professor
Peter, der Sozialdemokrat ist, habe ich 33 Gutachten von Professoren da, die ganz auf meinem Standpunkt stehen, die aber anscheinend einwandfrei sind.
— Ich weiß es nicht; aber ich würde mich freuen, wenn ein Dutzend dabei wäre, das letzten Endes auch, wollen wir mal sagen, wirtschaftlich etwas anders denkt.
Ich möchte Ihnen nun einmal — und ich bitte um etwas Geduld dafür — von meinem Standpunkt aus, der ich nun auf eine 55jährige Tätigkeit als freier und selbständiger Unternehmer zurückblikken kann, einiges über meine Erfahrungen sagen. Man kann ja auch einmal einen Praktiker hören und braucht nicht nur Theoretiker zu hören.
Ich bin nun in diesen vergangenen 55 Jahren mal im Kartell gewesen, bin dann mal in keinem Kartell gewesen und war dann wieder mal in einem Kartell. Und das Wichtigste: Augenblicklich bin ich in meinen Fabrikaten nicht kartelliert.
— Ach, Sie ahnungsloser Engel!
Ich bin also frei und unabhängig. Aber ich werde auch in kein Kartell gehen. Ich kann kein Kartell gebrauchen.
Warum sage ich das hier, meine Damen und Herren? Weil ja sonst wieder die Litanei von dem sogenannten Interessentenvertreter gesungen wird. Ich stehe hier mit blankem Schild vor Ihnen, wenn ich heute zu Kartellfragen spreche. Ich habe das deshalb gesagt, weil mich im Augenblick die Preiskartelle nicht interessieren. Ich bin aber in früheren Jahren und noch vor 1914 Mitglied eines Kartells in der eisenverarbeitenden Industrie gewesen und, getragen von dem Vertrauen meiner Mitunternehmer, Vorsitzender eines westdeutschen Kartells, im Vorstand eines deutschen Kartells und im Vorstand eines europäischen Kartells, das seinen Sitz in Berlin hatte. Aus dieser meiner Erfahrung heraus sage ich, daß das, was heute von den Kartellen an Schlechtigkeiten usw. alles behauptet wird, Märchenerzählungen sind.
Wir haben damals die eisenverarbeitende Industrie kartelliert, und wir haben erreicht, daß diese eisenverarbeitende Industrie, die namentlich im Hagener Bezirk saß — in meinem Wahlbezirk —. im Lennetal, im Volmetal und im Ruhrtal usw., den Erfolg erzielt hat, daß sie dank der Tatsache, daß sie nicht zu Schleuderpreisen verkauft hat, sondern zu ausreichenden Preisen, es erreicht hat, den Weltmarkt gegenüber England mit ihren Fabrikaten zu erobern, und es war möglich, die Verbraucher im Inland zu stets sinkenden Preisen in erster Qualität zu beliefern. Diese meine Erfahrungen, was ich da gelernt habe, kann mir kein Professor wegdisputieren.
Es kommt bei allen Kartellen darauf an, wie sie geleitet werden, und auf nichts anderes.
Nun weiß ich, daß nach 1914 manches anders geworden ist. Es kam der Krieg, es kam die Inflation, es kam die Deflation, es kam wieder der Krieg, und es kam wieder die Währungsreform usw. Da ist vieles von dem, was früher korrekt
gehandhabt worden ist, verdorben worden, und es ist schwer gesündigt worden — das weiß ich —, aber weniger von den Kartellen, namentlich in letzter Zeit. Ich bin in viele Verbände hineingegangen. Ich habe dort gesprochen und die Mitglieder der Verbände gewarnt, eine unvernünftige Preispolitik zu treiben. Wir haben durch unsere Verbände in der wilden Zeit nach 1945, namentlich nach 1948, mehr zur Senkung und Beruhigung der Preise beigetragen, als wenn wir keine Verbände gehabt hätten. Denn es gab damals Leute, die glaubten, sie könnten einfach Preise nehmen, wie sie wollten. Wir haben gesagt: Laßt das sein. Wir denken bei diesen Dingen letzten Endes auch an die Kundschaft und an die Belieferung der Kundschaft in späteren Jahren.
Es wird behauptet, die weiterverarbeitende Industrie — ich spreche nicht für deren Interessen, aber aus deren Blickpunkt heraus — sei nicht für ein Mißbrauchsgesetz. Ich darf hier als Präsidialmitglied unseres Wirtschaftsverbandes für Eisenblechwaren — der sogenannten EBM-Industrie — und der Industrie für Sonderstahlverformung sprechen. Wir umfassen in unserem Verband 7000 Unternehmen mit 400 000 Arbeitern. Wir haben eine Produktion von 7 Milliarden DM und einen Export von 2 Milliarden DM. Wenn Sie sich das ausrechnen, rund 400 000 Arbeiter verteilt auf rund 7000 Betriebe, dann kommen Sie auf einen Durchschnittssatz von 58 Arbeitern pro Betrieb. Das ist die gesunde Mischung. Wir haben in unserem Verband Werke mit 1000, 1200, 1500 Arbeitern, wir haben aber auch Werke mit 10 bis 15 Arbeitern, wo heute noch der gesunde Übergang vom Facharbeiter zum Werkmeister und zum kleinen selbständigen Fabrikanten zu beobachten ist. Im übrigen ist diese Industrie über ganz Deutschland verstreut. Ich glaube, Sie, verehrter Herr Kollege Höcherl, haben zum Teil Ihre Anregungen zu Ihrem Antrag aus den Kreisen dieser Unternehmen bekommen, die für die gesunde Struktur im Aufbau unserer Wirtschaft von ganz besonderer Bedeutung sind. Ich darf hier auch sagen, daß ich einen Zustand beibehalten will, bei dem wir nicht nur auf der einen Seite die organisierte Großindustrie in Luxemburg und auf der andern Seite die Gewerkschaften — gegen die ich gar nichts habe — haben, sondern in dem auch der selbständige Unternehmer bleibt, der die Struktur unseres Volkes mitbestimmt und Möglichkeiten schafft, auch wirtschaftliche Fortschritte zu machen.
Wie steht es nun eigentlich mit dem sogenannten Wettbewerb dieser Unternehmer? 70 % unserer Selbstkosten werden uns durch Preise von Luxemburg und all die anderen Faktoren — Verkehr, Energie usw. — diktiert. Während uns also die Preise für unsere Herstellung diktiert werden, sollen wir in den Wettbewerb hineingestellt werden. Ich verstehe nun unter Wettbewerb, daß ich mich auch beim Einkauf im Wettbewerb tummeln kann, daß ich auch sehe, wie meine Lieferanten sich um Aufträge bemühen. Wenn ich aber keine Lieferanten habe, die sich im Wettbewerb befinden, wie das bei Kohle, Eisen, Energie und im Verkehr der Fall ist, wenn ich allenfalls im freien Wettbewerb noch etwas Schmieröl und Packpapier kaufen kann, dann muß ich sagen, daß das für mich kein freier Wettbewerb mehr ist.
— Wenn Sie dafür sorgen, daß die Abnehmer so I dumm sind und das als Markenartikel kaufen, bin ich Ihnen sehr dankbar. Aber auf der andern Seite müssen wir unsere Fabrikate, die wir aus Eisen und Kohle hergestellt haben, verkaufen. Wir treten an unsere Kundschaft, an die Bundesbahn, an die Konsumvereine, an die großen Warenhäuser und an die großen Einkaufsverbände heran. Ich habe gegen die großen Einkaufsverbände gar nichts. Im Gegenteil, ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Einkaufsverbände unbedingt notwendig sind und gerade den Einzelhändler in die Lage versetzen, so billig einzukaufen, daß er wenigstens noch einigermaßen Chancen hat, gegen die Warenhäuser zu konkurrieren. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir bei solchen großkapitalistischen Unternehmen um Aufträge bitten müssen und auf der andern Seite einfach unsere Bezugspreise diktiert bekommen, dann verlange ich für uns — und das ist für mich der springende Punkt — die Möglichkeit, uns zusammenzufinden, um einen allzustarken Preissturz zu vermeiden. Denn wodurch entsteht der Preissturz? Wenn der Unternehmer allein steht, nur auf sich angewiesen ist und so zum Warenhaus, zu einem Einkaufsverband mit bis zu 1000 Mitgliedern kommt — so große gibt es —, dann ist er doch derart unterlegen, daß er den Behauptungen, die über die Konkurrenzpreise aufgestellt werden, schutzlos gegenübersteht. Da wollen wir die Möglichkeit haben — das ist einer meiner Gründe —, zusammenzukommen und uns über die Marktlage zu verständigen, gegebenenfalls auch Preisempfehlungen herauszugeben.
Wie ist es nun mit Preisempfehlungen? Nach den §§ 24, 31 dieses Gesetzentwurfes wird der Geschäftsführer oder Vorsitzende eines Wirtschaftsverbandes, wenn er Preisempfehlungen herausgibt, mit bis zu einer Million DM bestraft.
Eine Million Mark ist immerhin schon ein kleiner Batzen Geld, wenn man bedenkt, daß das zuerst verdient werden muß und nicht als Unkosten abgebucht werden kann. Es muß also ein solches unglückliches Unternehmen schon 5 bis 6 Millionen DM verdienen, um das bei den heutigen Steuern aufzubringen.
Man wird mir entgegenhalten: So hohe Strafen wird das Gericht nicht aussprechen. Das weiß ich auch. Aber wenn bis zu einer Million DM Strafe verhängt werden kann, liegt darin immerhin schon eine Aufforderung, möglichst hohe Strafen auszusprechen.
Was will ich? Nichts weiter — darum werde ich kämpfen —, als daß wir das Recht erhalten, in solchen Situationen zur Bekämpfung eines weiteren Absturzes der Preise zusammenzukommen, die Marktlage zu besprechen und als Erfolg einer solchen Besprechung gegebenenfalls zu sagen: Alles das, was die Einkäufer der großen Warenhäuser usw. behauptet haben, stimmt nicht; wir haben die Marktlage festgestellt; das und das sind die Preise, die heute tatsächlich gelten, und wir empfehlen unseren Freunden, diese Preise zu nehmen. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist wirklich etwas Bescheidenes gegenüber der Allmacht, die uns von Luxemburg in bezug auf die Preise gegenübertritt.
Ich habe noch ein kleines Kapitel; dies heißt das Recht auf Selbstkosten; dann bin ich fertig. Ich
habe einmal gesagt: Auch wir Unternehmer haben das Recht darauf, unsere Selbstkosten zurückzuerhalten. Von einer Seite ist das als blühender Unsinn bezeichnet worden, und von einer andern Seite ist ein Artikel geschrieben und gesagt worden, damit rüttele man wirklich an den Grundfesten der deutschen Bundesrepublik, wenn man solche Behauptungen aufstelle und wenn sie sogar aus dem Munde eines Bundestagsabgeordneten kämen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir von Leistungssteigerung und Wettbewerb sprechen wollen, müssen wir als erstes ermöglichen, daß der Unternehmer mit einem bescheidenen Gewinn arbeitet und der Gewinn, soweit er nicht weggesteuert wird, dazu dient, den Betrieb zu vergrößern, neue Maschinen anzuschaffen usw., damit sich der Unternehmer auch wirklich im Wettbewerb tummeln kann. Jemand, der seine Selbstkosten nicht wiederbekommt, der kann sich zwar auch im Wettbewerb tummeln, kommt dann aber nach zwei oder drei Jahren mit diesen verfluchten Rundschreiben „An meine Herren Gläubiger!" heraus, worin steht, daß er nur 30 % seiner Schulden bezahlen könne.
Wir müssen hier ein Gesetz schaffen, das dem Unternehmer, der sich dafür auch verantwortlich fühlt, die Möglichkeit gibt, wenn er irgendwie Ware einkauft, verarbeitet usw., solche Preise zu nehmen, daß er seiner Familie, seinem Unternehmen, seinen Arbeitern — das ist auch eine soziale Verpflichtung; er soll die Krankenkasse nicht betrügen - und, meine Damen und Herren, auch dem Lieferanten gerecht werden kann. Nur wenn wir diese alten Grundsätze beachten und in unserem Kartellgesetz die Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung schaffen, kann ich meine Zustimmung geben. Ich glaube, wenn wir alle ohne irgendwelche Trennung der Parteien von dem ehrlichen Wunsche beseelt sind, zunächst im Wirtschaftspolitischen Ausschuß in dem Sinne zu arbeiten, wie ich es eben gesagt habe, in dem Sinne, daß wir ein Gesetz machen wollen, das ich nicht Mißbrauchsgesetz, das ich nicht Verbotsgesetz, sondern das ich ein Gesetz zur Ordnung des Wettbewerbs nennen will, wenn wir uns alle darum bemühen, ein Gesetz zu schaffen, das auch den Interessen der Verbraucher gerecht wird, daß der Inhaber sein Geschäft so führen kann, daß er alle seine Verbindlichkeiten erfüllen kann, — wenn dieses Gesetz dann so gestaltet wird, können wir mit gutem Gewissen sagen: es ist ein Gesetz zum Schutze einer soliden Wettbewerbsordnung, ein Gesetz zum Schutze des Verbrauchers und ein Gesetz, das dem Wohl von Volk und Vaterland dienen soll.