Rede:
ID0207704100

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2077

  • date_rangeDatum: 31. März 1955

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 77. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955 4227 77. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4228 A, 4240 C Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . . 4293 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Pferdmenges 4228 B Mitteilung über Vorlage eines Berichts des Bundesministers der Finanzen betr. Mißstände auf dem Gebiet der Besatzungsbauten (Drucksache 1307) 4228 B Mitteilung über Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1953/54 4228 B Mitteilung über Zurückziehung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einfuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) . . . . 4228 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Statut der Saar (Drucksache 1245) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Veröffentlichung des Schreibens von Bundeskanzler Dr. Adenauer an den französischen Außenminister Pinay (Drucksache 1293 [neu]) 4228 B Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 4228 C, 4236 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 4232 C, 4236 B Dr Kopf (CDU/CSU) 4233 A Dr. Arndt (SPD) 4234 D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 4238 A Dr. Krone (CDU/CSU) 4238 B Abstimmungen 4237 D, 4238 B Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik im Mündlichen Bericht über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Steigerungsbeträge für Zeiten der Arbeitslosigkeit (Drucksachen 1162, 973; Antrag Umdruck 292) 4238 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1158) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Stücklen, Seidl (Dorfen), Dr. Dollinger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1253) und mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Böhm (Frankfurt), Dr. Dresbach, Ruf u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1269) . . . 4238 D Dr. Horlacher (CDU/CSU) 4239 A Dr. Reif (FDP) 4241 D Samwer (GB/BHE) 4244 D, 4280 B Illerhaus (CDU/CSU) 4246 A Dr. Elbrächter (DP) 4250 A Unterbrechung der Sitzung . . 4252 C Scheel (FDP) 4252 D Raestrup (CDU/CSU) 4256 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4260 B Bender (GB/BHE) 4260 D Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4264 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 4266 A Dr. Schöne (SPD): zur Sache 4267 D zur Geschäftsordnung 4280 D Lenz (Brühl) (CDU/CSU) 4279 D Dr. Köhler (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 4280 C Ausschußüberweisungen . . . . 4280 B, 4281 A Änderungen der Tagesordnung . . 4263 D, 4281 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Erhöhung der Straßenbenutzungsgebühren in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (Drucksache 1316) . . . . 4263 D Beschlußfassung 4264 B Erste Beratung des von den Abg. Platner, Dr. Leiske u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1083) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1233) 4281 A Platner (CDU/CSU), Antragsteller . 4281 A, 4292 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 4283 B, 4292 C Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 4284 D Dr. Hammer (FDP) 4285 D Geiger (München) (CDU/CSU) . . 4286 C Stegner (Fraktionslos) 4288 D Becker (Hamburg) (DP) 4289 B Dr. Reichstein (GB/BHE) 4290 A Lange (Essen) (SPD) 4290 D Horn (CDU/CSU) 4291 D Samwer (GB/BHE) 4292 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 4292 D Ausschußüberweisungen 4293 A Beschlußunfähigkeit festgestellt und Weiterberatung vertagt 4293 C Nächste Sitzung 4293 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4293 B, C, 4294 Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Wahl 14. Mai Stingl 14. Mai Feller 7. Mai Dr. Bucher 7. Mai Dr. Furler 7. Mai Dr. Rinke 7. Mai Neumann 7. Mai Heiland 7. Mai Dr. Lenz (Godesberg) 7. Mai Peters 23. April Pelster 23. April Kunze (Bethel) 23. April Dr. Maier (Stuttgart) 16. April Kühlthau 9. April Mißmahl 9. April Frau Lockmann 9. April Frau Kettig 2. April Dr. Pfleiderer 2. April Morgenthaler 2. April Dr. Kather 2. April Gedat 2. April Bauknecht 2. April Schuler 2. April Dr. Seffrin 2. April Frau Beyer (Frankfurt) 2. April Rademacher 2. April Dr. Jentzsch 2. April Euler 2. April Dr. Hesberg 2. April Kirchhoff 2. April Schrader 2. April Diedrichsen 2. April Frau Welter (Aachen) 2. April Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 1. April Ladebeck 1. April Frau Dr. Schwarzhaupt 1. April Feldmann 1. April Berendsen 1. April Hepp 31. März Dr. Baade 31. März Frau Nadig 31. März Dr. Wellhausen 31. März Naegel 31. März Frau Dr. Probst 31. März Hufnagel 31. März Brockmann (Rinkerode) 31. März Dr. Leverkuehn 31. März Even 31. März Seiboth 31. März Haasler 31. März Walz 31. März Paul 31. März Schütz 31. März Schneider (Bremerhaven) 31. März Neuburger 31. März Kalbitzer 31. März Jahn (Frankfurt) 31. März Dr. Kreyssig 31. März Dr. Schmid (Frankfurt) 31. März Brandt (Berlin) 31. März b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Becker (Hersfeld) 30. April Dr. Graf Henckel 30. April Kalbitzer vom 12. April bis zum 16. Mai Josten vom 4. April bis zum 20. Mai
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Illerhaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom Standpunkt eines Einzelhandelskaufmanns aus Stellung nehme, so vertrete ich damit ein bedeutsames, wenn nicht
    sogar das wichtigste Anliegen des deutschen Handels überhaupt. Der deutsche Handel erfüllt seine Funktionen im Rahmen eines vollständigen Wettbewerbs. Hunderttausende von Geschäften in allen Größen und den verschiedensten Vertriebsstufen stehen einer Millionenzahl von Käufern aus den verschiedensten Gesellschafts- und Einkommensschichten gegenüber. Der Kampf um diese Kunden steht im Zeichen des Käufermarktes und vollzieht sich deshalb im Rahmen eines scharfen Wettbewerbs. Dieser Wettbewerb wird noch dadurch verstärkt, daß jeden Tag neue Wettbewerber entstehen. Ich darf sagen, daß im Handel der Wettbewerb so vollständig ist, daß sich in ihm die wissenschaftliche Vorstellung vom vollständigen Wettbewerb fast erfüllt.
    Alle Sparten des Handels verfolgen deshalb mit großem Interesse den Verlauf der Kartelldebatte, von deren Ergebnis sie erwarten, daß nach jahrelangen Vorbereitungen ein Gesetz geschaffen wird, das die Freiheit des Wettbewerbs in allen Wirtschaftszweigen und damit auch im Handel garantiert.
    Meine Damen und Herren, bei meiner Stellungnahme im einzelnen will ich mich bemühen, nur diejenigen Tatbestände zu behandeln, die von besonderer Bedeutung sind, wenn die Freiheit des Wettbewerbs nicht ernsthaft gefährdet werden soll. Dabei muß ich aber auf die Frage, ob die Regelung des Wettbewerbs vom Standpunkt der Verbotsgesetzgebung oder der Mißbrauchsgesetzgebung zu behandeln ist, kurz eingehen, zumal diese Frage durch die von den Herren Kollegen Professor Böhm und Höcherl eingebrachten Enwürfe wieder besonders akut geworden ist.


    (Illerhaus)

    gründung ersparen, soweit es sich um das Verbot der Absatz- und Mengenbeschränkungen handelt. Das gleiche gilt für Sperren aller Art, zumal alle Wirtschaftskreise von der Zulassung irgendwelcher Sperrklauseln, beispielsweise in der Debatte um, die Mißbrauchsgesetzgebung, abgerückt sind, was allerdings nicht bedeutet, daß sich ,die Vorstellungen mancher Kreise schon endgültig von der Sperre als Wettbewerbsmittel gelöst hätten.
    Zur Frage des Verbots von Vereinbarungen über Funktionsrabatte weise ich darauf hin, daß für den Einzelhandel die einzige Funktion des Wettbewerbs in der Leistung liegt. Wenn die Industrie nunmehr anstrebt, die Höhe eines Rabatts ausschließlich von wirtschaftlichen Funktionen in der Absatzstufe, welcher der Rabattnehmer angehört, abhängig zu machen, so muß das allerdings unseren stärksten Widerstand herausfordern. Mit dieser Formulierung werden nämlich unter Abstimmung auf die unterschiedliche wirtschaftliche Funktion Differenzierungen auch in der gleichen Absatzstufe ermöglicht. Die Erfahrungen mit der Kartellverordnung von 1923 zeigen eindeutig, daß die Zulassung von Funktionsrabatten zu einer Zementierung der Absatzwege unter zunehmender Ausschaltung des Leistungswettbewerbs führt. Ich erinnere hier an die Marktordnungsgrundsätze der Reichsgruppe Industrie, die praktisch in der Empfehlung gipfelten, unter Benutzung dieser Grundsätze die Funktion eines Betriebes in seiner Wirtschaftsstufe zu bestimmen. Wir wissen, zu welchen jahrelangen Kämpfen und Aushandlungen dieser Zustand beispielsweise zwischen der Industrie und dem Großhandel geführt hat. Eine so weitgehende Freigabe der Funktionsrabatt-Kartelle, wie sie jetzt in Verhandlungen zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesverband der Deutschen Industrie angestrebt worden ist, muß zwangsläufig zu gleichen Auseinandersetzungen führen, zumal von allen Seiten zugegeben wird, daß sich der Funktionsrabatt nur sehr schwer gegenüber anderen Rabattformen abgrenzen läßt.
    In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß die generelle Zulassung von Vereinbarungen über Funktionsrabatte auch wirtschaftspolitisch die unerwünschte Auswirkung hat, die bisher als Einheit bewährten Handelsleistungen sehr starken Belastungen auszusetzen. Sicher ist auf jeden Fall — um hier eine frühere Stellungnahme von Herrn Professor Erhard zu wiederholen —, daß mit der genehmigungsfreien Einführung von Funktionsrabatt-Kartellen jeder Fortschritt im Hinblick auf die angestrebte Entwicklung des Leistungswettbewerbs verhindert wird.
    Im übrigen muß hierbei auch darauf hingewiesen werden, daß es naturgemäß Befremden erweckt hat, wenn Funktionsrabatt-Kartelle mit ihren weitgehenden, häufig auch wirtschaftspolitischen Auswirkungen genehmigungsfrei gestellt werden sollen, während die Vereinbarung von Mengenrabatten an die Erlaubnis der Kartellbehörde gebunden werden soll. Vom Standpunkt des Leistungswettbewerbs aus könnte höchstens das Umgekehrte der Fall sein.
    Schließlich muß ich in diesem Zusammenhang auch noch betonen, daß wir es ablehnen, uns praktisch über Funktionsrabatt trotz gleicher Leistungen in einer Wirtschaftsstufe unterschiedlich klassifizieren zu lassen. Hier gehen wir mit denen einig, die in Funktionsrabatt-Kartellen Differenzierungskartelle sehen, die mit Leistung nichts zu tun haben und im letzten Grunde wettbewerbsschädlich sind und deshalb verboten werden müssen.
    Die Frage der Preisbindung der zweiten Hand zwingt mich dazu, auch ein Wort zur Zulassung von Preisbindungen überhaupt zu sagen. Die Stellungnahme des Einzelhandels ist auch hier die, daß Preisbindungen grundsätzlich verboten werden müssen; sie können nur insoweit zugelassen werden, als sie in vom Gesetz genau umrissenen Fällen zur Vermeidung schädlicher Auswirkungen nach übergeordneten wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu vermeiden sind. Ich erinnere hier an die in der öffentlichen Diskussion behandelten Fälle der Genehmigung von Preisbindungen in Ausfuhrkartellen, Krisenkartellen, Rationalisierungskartellen. Allerdings muß ich hierbei betonen, daß auch im Einzelhandel besondere Verhältnisse eintreten können, die den Ruf nach Zulassung eines Krisenkartells

    (Abg. Samwer: Sehr richtig!)

    genau so wie bei der Industrie notwendig machen.
    Ich muß in diesem ,Zusammenhang überhaupt feststellen, daß die einseitige Abstellung aller Kartellfragen auf die Industrie an der Tatsache vorbeigeht, daß das Problem marktregelnder Vereinbarungen, wenn auch nicht überall in gleichem Ausmaß, auch in vielen Stufen des Handels besteht.

    (Abg. Samwer: Entscheidend!)

    Ich brauche nicht zu betonen, daß Vereinbarungen über Konditionen nicht zu den Preisbindungen in dem Sinne gehören, die Gegenstand dieses Gesetzes sind. Es ist zweifellos, daß Konditionen, wie es in der Begründung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1954 heißt, „den Geschäftsabschluß vereinfachen, die Vergleichbarkeit der Angebote fördern und insbesondere die Vertragsabwicklung erleichtern"; sie haben häufig wettbewerbsfördernden Charakter. Ihre generelle Zulassung ist deshalb meines Erachtens ohne weiteres vertretbar.
    Das den Einzelhandel besonders berührende Problem der Preisbindung der zweiten Hand muß in Zusammenhang mit einer Entwicklung gesehen werden, die sich in den letzten Jahren immer mehr gezeigt und zu einer nachhaltigen Beunruhigung im Handel geführt hat. Ich denke hierbei an die zunehmende Überschwemmung des Marktes mit Markenerzeugnissen; ein Vorgang, der bekanntlich zu dem Schlagwort „Markenschwemme — Markeninflation" geführt hat.
    Es war zu erwarten, daß nach dem Bekanntwerden des Willner-Briefs, zu dessen Problematik ich mir hier nähere Ausführungen versage, von allen an Preisbindungen interessierten Kreisen versucht werden würde, die verbotenen horizontalen Preisabreden durch die schwer kontrollierbare individuelle Preisbindung zu ersetzen. Wir hätten aber nicht geglaubt, meine Damen und Herren, daß sogar in Wirtschaftszweigen, deren Erzeugnisse starken modischen Änderungen unterworfen sind, in einem solchen Ausmaß Versuche zur Einführung der Preisbindung der zweiten Hand gemacht werden würden, wie es tatsächlich geschehen ist. Die Verbände des Einzelhandels können hier — was für die späteren Ausschußverhandlungen wichtig sein wird — reichliches Material darüber zur Verfügung stellen, welches Ausmaß ,diese Versuche gehabt haben. Nur hierauf ist es ja auch zurückzuführen, daß sich in der Praxis immer mehr die Unterscheidung zwischen „echten" und


    (Illerhaus)

    „unechten" Markenartikeln herausgebildet hat. Sprachlich natürlich ein Widerspruch in sich, da die Marke immer nur eine echte sein kann.
    Nach diesen Erfahrungen besteht im Einzelhandel die Befürchtung, daß bei einer Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand auch die Schranken, die im Rahmen der durch den Willner-Brief vielleicht erteilten Ermächtigung noch bestanden haben, restlos wegfallen.

    (Abg. KurLbaum: Sehr richtig!)

    Die Folge davon muß zwangsläufig die sein, daß der Markt mit einer Flut von Erzeugnissen über- schwemmt wird, die das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand beanspruchen.
    Ich weiß, daß bei den Anhängern einer generellen Freigabe der vertikalen Preisbindung hiergegen Einwendungen geltend gemacht werden. Sie behaupten, daß die Preisbindung der zweiten Hand nicht uferlos eingeführt werden könne, weil es der Einzelhandel ja selber in der Hand habe, solchen Versuchen entgegenzutreten. Ich gebe zu, daß das in gewissem Maße der Fall sein kann und auch der Fall sein wird. Aber überall dort, wo nur wenige Produzenten vorhanden sind, wird sich zeigen, daß die auf einer verbotenen horizontalen Abrede beruhende Einführung der Preisbindung der zweiten Hand nicht bekämpft werden kann. Hinzu kommt, daß — wie beispielsweise im Textileinzelhandel — die Musterungszeiten oft so knapp bemessen sind, daß sich der Einzelhändler im Einkauf zwangsläufig auf Bedingungen einlassen muß, gegen die er sich im normalen Geschäft wehren könnte. Die Gefahr, daß die Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand tatsächlich zu einer ungeheuren Ausweitung der vertikalen Preisbindung führt, die
    letzten Endes auch das Ziel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen illusorisch machen könnte, bleibt bestehen.
    Meine Damen und Herren! Die ablehnende Haltung des Einzelhandels gegen die Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand erklärt sich auch noch aus einer anderen Erfahrung der letzten Jahre. Wir haben wiederholt festgestellt, daß die Lieferanten von Erzeugnissen, für die die Einführung der Preisbindung der zweiten Hand nach unserer Meinung nicht gerechtfertigt war, im Ernstfall ihre eigene Verpflichtung zur Preiskontrolle und zur Erhaltung des Preisschutzes gegenüber vertragsbrüchigen Reversverpflichteten nicht beachten. Auch hier verfügen die Verbände über Material, aus dem Sie ersehen können, daß beispielsweise in einem Wirtschaftszweig schon die Tatsache, daß Verhandlungen über die Ermäßigung der Einfuhrzölle schwebten, ausreichend war, um auf Beschwerden über Einhaltung der Reversverpflichtungen nicht mehr zu reagieren. Wir haben auch festgestellt, daß schon bei einem leichten Nachlassen des Marktes eine Reihe von Firmen, die zumeist als Ersatz für früher bestehende horizontale Preisvereinbarungen die Preisbindung der zweiten Hand eingeführt hatten, die Meldungen über Preisunterbietungen nicht mehr verfolgt haben. Diese Entwicklung ist so stark gewesen, daß sie die Fachblätter des Handels monatelang mit Stoff versorgt hat.
    Damit ist klargestellt, daß die Preisbindung der zweiten Hand für den Handel unzumutbar ist, wenn sich der einzelne nicht darauf verlassen kann, daß sich der Produzent nachhaltig für den Preisschutz einsetzt. Die Stellungnahme des Handels
    zur Frage der Preisbindung der zweiten Hand kann nach diesen Erfahrungen nur die sein, daß alle vertikalen Preisbindungen abgelehnt werden, die sich nicht auf einen mit einem Herkunftszeichen versehenen Artikel erstrecken, für den ein Herstellungsschutz besteht, der Verkehrsgeltung hat und für den der Fabrikant laufend eine gewisse Werbung betreibt. Nur unter diesen Voraussetzungen kann das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand eingeräumt werden, das letztlich darauf beruht, daß „der Hersteller von gleichbleibenden Qualitätserzeugnissen durch eine zentrale Werbung einen Teil der Werbekosten für die Steigerung des Umsatzes seines Erzeugnisses übernimmt und hierdurch dem Einzelhändler die Möglichkeit gibt, weite Käuferschichten anzusprechen und dadurch auch seinen eigenen Vorteil zu er- höhen".
    Neben diesen grundsätzlichen Forderungen haben wir noch ein weiteres Anliegen, das ebenfalls durch die Erfahrungen der letzten Jahre begründet ist. Während früher die Industrie ein laufendes Gespräch mit dem Handel führte, ist heute auf allen möglichen Gebieten festzustellen, daß jeder Kontakt in Marktfragen fehlt. Das Zwielicht, in dem manche marktregelnde Vereinbarungen liegen, hat zwangsläufig dazu geführt, daß der Handel beispielsweise durch die „von einem führenden Werk vorgenommene Preiserhöhung" Kenntnis von Preiserhöhungen erhält, die merkwürdigerweise nach dem Vorgehen dieses „führenden Werkes" Bestandteil aller Zahlungs- und Lieferungsbedingungen des gesamten betreffenden Industriebereichs sind. Wir fürchten, daß diese Anonymität weiter bleibt, und legen deshalb besonderen Wert darauf, daß die Kartellbehörde allen Abnehmerorganisationen von allen Anträgen Mitteilung macht, die für sie wettbewerbsmäßig von Bedeutung sind. Hierzu gehört insbesondere die Bekanntgabe aller Anträge auf Genehmigung von Kartellvereinbarungen irgendwelcher Art.
    Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um die Bearbeitung derartiger Anträge zu erschweren. Mein Hauptanliegen ist, durch diese Unterrichtungspflicht gegenüber den Marktbeteiligten dafür zu sorgen, daß die Parteien wieder an einen Tisch kommen. Ich erinnere hierbei an das bewährte Verfahren des früheren Preisrechts bei der Behandlung von Anträgen auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 3 der Preisstoppverordnung. Hier ist in der Praxis kein Fall vorgekommen, in dem eine Preiserhöhung von der Behörde genehmigt warden wäre, ohne die Stellungnahme der Abnehmerkreise herbeizuführen.
    Eine solche Regelung beschleunigt die Bearbeitung bei der Behörde und dient deshalb auch dem Interesse der Industrie. Ich bemerke hierbei, daß die Anhörung des Handels, wie aller anderen marktbeteiligten Gruppen, selbstverständlich ist, wenn man beispielsweise bedenkt, daß das österreichische Kartellrecht die Veröffentlichung aller Anträge in Kartellsachen im Bundesanzeiger vorsieht. Vielleicht wäre das auch die beste Lösung, um eine Überlastung der Kartellbehörde mit Anträgen zu vermeiden.
    Schließlich weise ich noch auf eine empfindliche Lücke der Regierungsvorlage hin. Der Handel vermißt, wie ich bereits eingangs gesagt habe, in dem Gesetz die Zulassung von Vereinbarungen über lauteren Wettbewerb innerhalb eines Wirtschaftszweiges oder zwischen mehreren Wirtschaftszwei-


    (Illerhaus)

    gen. Wir haben hier in Besprechungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium wiederholt darauf hingewiesen, daß die Beschäftigung mit amerikanischen Kartellfragen das eine Gute gehabt hat, daß wir in Deutschland auf das Gemisch wirtschaftlicher Selbstverwaltung und staatlicher Kontrolle in Fragen des fairen Wettbewerbs aufmerksam gemacht worden sind. Auch uns fehlt das „Büro für wirtschaftliche Zusammenarbeit", das innerhalb der FTC besteht und die Berater eines Wirtschaftszweiges von Fall zu Fall einberuft, um Tatbestände des unfairen Wettbewerbs festzulegen. Aus dem Studium einzelner Unterlagen haben wir ersehen, daß dieses Verfahren tatsächlich geeignet ist, Wettbewerbsmißbräuche zu verhindern. Als Beispiel erwähnen wir hier die Wettbewerbsregelung für das Lebensmittelgewerbe, die 1952 erlassen worden ist. Sie umfaßt alle Unternehmer und Firmen, die mit dem Verkauf von Lebensmitteln zu tun haben, und schließt Fabrikanten, Groß- und Kleinhandel, Versandhandel und alle am Absatz von Lebensmitteln beteiligten Wirtschaftskreise ein. Sie enthält das Verbot der Preisdiskriminierung, der Gewährung nicht durch Leistung gerechtfertigter Rabatte und auch ein Verbot des Unter-Selbstkosten-Verkaufs. Außerdem läßt sie Vereinbarungen zu, die sich auf die Einhaltung von Lieferverpflichtungen beziehen, ferner Vereinbarungen, die den Ausgleich von Kostenanalysen betreffen, und schließlich auch die Verpflichtung zur Austragung von Streitigkeiten vor Schiedsgerichten. Auch der leidige, in starkem Ausmaß durch Betriebsräte und Betriebsangehörige betriebene Werks- und Behördenhandel könnte hierbei geregelt werden.
    Wir wissen, daß im Bundeswirtschaftsministerium die vom Bundesrat in seiner 153. Sitzung am 21. Mai 1954 geforderte Verordnung zum Schutze des Leistungswettbewerbs durch Wettbewerbsregeln eingehend erörtert worden ist. Hierbei hat eine besondere Rolle die Empfehlung des Deutschen Industrie- und Handelstages auf der Volltagung im April 1954 gespielt, „angesichts des verschärften Leistungswettbewerbs besondere Maßnahmen zum Schutze der Lauterkeit im Wettbewerb zu treffen". Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat hierbei in erster Linie die Zulassung von Wettbewerbsregeln gefordert, durch die nicht nur Praktiken ausgeschaltet werden, die schon nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen unlauter sind, sondern auch Wettbewerbsmethoden bekämpft werden, die als volkswirtschaftlich unerwünscht und bedenklich gelten, über deren rechtliche Unzulässigkeit aber bei den Gerichten noch keine klare Meinung besteht, Um so verwunderlicher ist es, daß die Regierungsvorlage dieser Anregung des Bundesrates und des Rechtsausschusses des Deutschen Industrie- und Handelstages nicht gefolgt ist. Wie ich schon sagte, ist das auch deshalb bedauerlich, weil die Vereinbarungen von Wettbewerbsregeln nicht nur eine Lücke im allgemeinen Wettbewerbsrecht ausfüllen, sondern auch durch das Gespräch am runden Tisch wettbewerbsfördernd wirken.
    Wie sich aus der Stellungnahme der Regierung auf Seite 87 der Drucksache 1158 ergibt, ist sie in der Frage der Vereinbarung von Wettbewerbsregeln allerdings der Ansicht,
    daß das Abwarten des Abschlusses dieser Erörterungen den Fortgang der Beratung des
    Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im gegenwärtigen Zeitpunkt
    nicht aufhalten sollte. Sie zieht deshalb vor,
    diesen Fragenkomplex zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Erörterung zu stellen.
    Ich betone ausdrücklich, daß der Handel, soweit ich von meinen Freunden gehört habe, in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Industrie, dieser Auffassung nicht ist. Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus einem Vortrag, den Generaldirektor Otto A. Friedrich am 18. Juni 1954 anläßlich des 50jährigen Jubiläums der „Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Technischen Händler" gehalten hat, folgende Ausführungen zitieren. Er sagte:
    Ich glaube, behaupten zu dürfen, daß ich Amerika besser kenne als mancher Prophet des Liberalismus, weil ich dort selbst geschäftlich tätig gewesen bin und weil mein Unternehmen auch heute die engsten Beziehungen zur amerikanischen Wirtschaft unterhält. Mir ist der amerikanische Rechtsschutz gegen Diskriminierungen im Wettbewerb aus der Praxis bekannt. Unter Diskriminierungen sind Unterbietungen zu verstehen, die den einen Abnehmer unbillig vor dem anderen bevorzugen. Wer weiß, wie ernst die Amerikaner dieses Problem nehmen, seit ihre Wettbewerbsfreiheit große Krisen bestehen mußte, der weiß auch, welchen gewaltigen Behördenapparat sie für diese Aufgabe einsetzen. Deshalb habe ich 1949 Professor Erhard nahegelegt, die Verhältnisse in Amerika durch eine Studienkommission untersuchen zu lassen, um sich ein Bild darüber zu machen, wie ein Land, das durch Wettbewerbsfreiheit groß geworden ist, diese Dinge gesetzlich und institutionell auf Grund jahrzehntelanger, teilweise sehr bitterer 'Erfahrungen geregelt hat. Professor Erhard ist meiner Anregung gefolgt und hat zu diesem Zweck eine Kommission nach drüben geschickt, die einen ausführlichen Bericht erstattet hat. Leider sind aus den Erkenntnissen keinerlei Folgerungen für die Gestaltung der deutschen Wettbewerbsgesetzgebung gezogen worden.
    Ich glaube, daß die rechtliche Verankerung einer solchen Ermächtigung zum Abschluß von Vereinbarungen gegen den unlauteren Wettbewerb auch dazu beitragen wird, der Kartellbehörde ihre Arbeit grundsätzlich zu erleichtern.
    In diesem Zusammenhang ist für alle wichtig, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die Kartellbehörde in Streitfällen nur dann eingreifen sollte, wenn alle Möglichkeiten zur friedlichen Beilegung innerhalb der Wirtschaft selbst ausgeschöpft sind.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir fordern deshalb die Wiedereinführung von Einigungsämtern, die bis zum. Jahre 1934 mit größtem Erfolg unter wechselnder Besetzung seitens der Industrie, des Großhandels und des Einzelhandels dazu beigetragen haben Marktstreitigkeiten durch Aussprache zwischen den Beteiligten zu bereinigen. Erfreulicherweise scheint nach meinen Informationen die Wiedereinführung der obligatorischen Einigungsämter nach § 27 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gesichert zu sein. Im Hinblick auf die oben erörterten Wettbewerbsregeln weise ich zu dieser erfreulichen Tatsache darauf hin, daß die erfolgreiche Arbeit dieser Einigungsämter noch eine außerordentliche


    (Illerhaus)

    Vertiefung erfahren würde, wenn sie auf Grund von Wettbewerbsregeln tätig werden könnten, die einwandfrei sagen, was fair und was unfair ist.
    Ich habe mich in meiner Stellungnahme auf die wesentlichen Fragen beschränkt, die den Einzelhandel interessieren. Hierbei bedaure ich, daß ich bei meinen Ausführungen die Vorschläge der Kollegen Höcherl und Böhm nur am Rande berücksichtigen konnte, da sie mir zu spät zugegangen sind, um sie eingehend mit zu erörtern. Selbstverständlich werden auch diese beiden Vorschläge gewissenhaft geprüft werden müssen, insbesondere im Hinblick darauf, wieweit die vom Kollegen Höcherl beabsichtigte Generalklausel den in meinen Ausführungen aufgezeigten Forderungen entspricht.
    Die nun einsetzende Beratung in den Ausschüssen wird noch eine Fülle von Problemen aufwerfen, die nur gelöst werden können, wenn sie aus der Zielsetzung unserer so erfolgreich vom Gedanken der freien Marktwirtschaft getragenen Wirtschaftspolitik. betrachtet werden. Es kommt darauf an, die freie Entfaltung des Leistungswettbewerbs auf der Grundlage freier Wettbewerbsverhältnisses zu sichern. Wenn sich alle Beteiligten in dieser Zielsetzung einig sind, muß es gelingen, ein Gesetz zu schaffen, daß für uns alle und für ,die gesamte deutsche Wirtschaft von Nutzen ist.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alexander Elbrächter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich habe nicht die Absicht, schon jetzt an dieser Stelle Detailfragen so ausführlich zu erörtern, wie dies verdienstvollerweise mein Kollege Illerhaus soeben getan hat. Ich möchte nur in wenigen Bemerkungen die grundsätzliche Haltung meiner politischen Freunde von der Deutschen Partei zu diesem uns alle interessierenden Problem bekanntgeben.
    Zunächst darf ich feststellen, daß bislang erfreulicherweise insofern Übereinstimmung herrscht, als jede Seite den Wettbewerb als solchen begrüßt. Auch wir tun das. Wir bejahen auch die Preisfunktion. Nur glaube ich, daß zu einer Marktwirtschaft nicht nur der Mechanismus des Preises und des Wettbewerbs gehört, sondern daß die Aufrechterhaltung einer sozialen Marktwirtschaft auch davon abhängig ist, daß eine gewisse soziologische Struktur erhalten bleibt. Es ist wichtig — und nur dann hat die soziale Marktwirtschaft ihren Sinn —, daß eine möglichst große Zahl von selbständigen Unternehmern existieren kann. Da bin ich der Auffassung, daß Kartellabsprachen, sofern sie nicht offenbare Mißbräuche darstellen — auch darin sind wir uns ja einig, daß kein Mensch Mißbräuche will —, dazu dienen können, &ne möglichst große Zahl von mittleren und kleineren Unternehmen gegenüber den großen Unternehmen selbständig zu lassen. Selbst Herr Erhard gibt ja in seiner Begründung ganz eindeutig zu, daß ein striktes Verbot von Kartellen unweigerlich zu einer größeren Machtkonzentration, zu Monopolgebilden führen kann. Aus dem Grunde sieht sich auch Herr Erhard veranlaßt, Ausnahmen — und zwar Ausnahmen in einer recht großen Zahl — zuzulassen.
    Daher ist es vernünftiger, wenn wir den anderen Weg gehen. Ich darf gleich hier zu Anfang mitteilen, daß wir den Weg gehen wollen, den der Kollege Höcherl zu gehen versucht, nämlich Kartelle grundsätzlich zuzulassen und nur den Mißbrauch zu ahnden.
    Herr Kollege Böhm wendet nun gegen diese Mißbrauchsgesetzgebung ein, daß alle praktische Erfahrung der früheren Jahrzehnte in Deutschland dagegen spricht, daß man Mißbräuche erfassen kann. Ich will jetzt nicht darüber debattieren, ob das zutrifft oder nicht. Es wird von anderer Seite bestritten. Aber ich darf eine andere Erfahrung dagegenhalten, die Erfahrung nämlich, die in den USA gemacht worden ist — das ging ja auch aus den Ausführungen des Kollegen Illerhaus hervor —, in den USA, die ja bekanntlich eine sehr starre Verbotsgesetzgebung haben und in denen die ganze Wirtschaftskonzeption darauf abgestellt ist, Monopole und ähnliche Machtkonzentrationen zu verhindern. Die Erfahrung zeigt doch, daß sich gerade in der amerikanischen Wirtschaft Monopole gebildet haben und daß dort Absprachen getroffen worden sind. Ob sie nun öffentlich oder nicht öffentlich sind, das wollen wir nicht untersuchen; es kann nicht bestritten werden, daß sie da sind. Gerade diese amerikanischen Erfahrungen haben doch gezeigt, daß man mit einer starren Verbotsgesetzgebung das Ziel eben nicht erreichen kann.
    Wir sollten uns doch einmal überlegen, welche Argumente die Befürworter der Verbotsgesetzgebung anführen. Sie behaupten erstens, daß der Wettbewerb als solcher verhindert wird. Nun, ich glaube sagen zu können, daß das in dieser allgemeinen Form sicherlich nicht zutrifft. Denn der Wettbewerb wird ja nicht nur durch den Preis zum Ausdruck gebracht, sondern dort spricht doch auch die Qualität mit. Aber das will ich einmal nicht so in den Vordergrund schieben. Ich möchte vor allen Dingen bemerken, daß wir heute den Wettbewerb gar nicht so sehr nur innerhalb einer Warengattung haben, sondern daß der Konsument, um den es ja letztlich bei allem geht, die Möglichkeit hat, auf andere Erzeugnisse auszuweichen. Er ist ja keineswegs gezwungen, immer gerade nur das bestimmte Erzeugnis zu kaufen, das angeboten wird. Selbst wenn innerhalb einer solchen Erzeugergruppe ein vollständiges Kartell existierte — was ja niemals existiert hat und auch nie kommen wird —, wäre der Konsument letzten Endes immer noch in der Lage, ein anderes Erzeugnis zu verwenden. Ich könnte das mit vielen Beispielen gerade aus dem Gebiet, das mir nahesteht, der Ernährungsindustrie, belegen.
    Nehmen wir ein Beispiel. Angenommen, die Schokoladenindustrie hätte sich vollkommen kartellisiert, so daß es nur einen einzigen Erzeuger von Schokolade gäbe. Dann würde zweifellos der Konsument, wenn er mit dem Preis nicht einverstanden wäre, auf andere Erzeugnisse der Süßwarenindustrie ausweichen. Ich wollte dies nur einmal als ein kleines Beispiel geben. Es trifft also sicherlich nicht zu, daß immer nur über den Preis ein Konkurrenzkampf stattfindet, vielmehr gibt es, wie der technische Ausdruck lautet, auch so etwas wie eine Objektskonkurrenz. In der Schwerindustrie, in den weiterverarbeitenden Industrien gilt das gerade auch im Zeitalter der Kunststoffe, die ja den früher vielfach gebräuchlichen Stahl verdrängt haben — oder der Stahl hat das Holz verdrängt —; da gibt es immer Möglichkeiten des Ausweichens auf andere Konstruktionselemente, auf andere Konstruktionsmaterialien. Also ich glaube,


    (Dr. Elbrächter)

    daß der Wettbewerb als solcher durch ein Kartell niemals ausgeschaltet werden kann.
    Hinzu kommt natürlich noch die Rolle, die der Außenseiter nun einmal spielt. Solange es keine Zwangskartelle gibt — und das wollen wir alle nicht —, wird es immer Außenseiter geben. Dagegen wird d man sagen: Na schön, dann brauchen wir überhaupt kein Kartell, wenn Sie Außenseiter zulassen. — Nach der Erfahrung ist es aber doch etwas anderes, wenn eine gewisse Gruppe von Herstellern sich zusammenschließen und Absprachen über gewisse Preise oder Bedingungen usw. gegenüber Außenseitern treffen kann. Sicherlich gibt es so etwas wie eine ruinöse Konkurrenz; darüber kann niemand hinwegdebattieren. Ich möchte die Ausführungen, die Kollege Reif hier heute gemacht hat, sehr bezweifeln, daß gerade die kapitalgebundenen Betriebe in ihrem Preis viel elastischer seien. Mir scheint dort ein Denkfehler vorzuliegen. Selbstverständlich kann ein Betrieb, der im wesentlichen kapitalkostenorientiert ist, gegenüber den lohnkostenorientierten Betrieben für eine gewisse Zeit sehr viel elastischer sein. Aber das geht dann auf Kosten der Abschreibungen. Das heißt auf deutsch gesagt, daß dann nicht mehr reinvestiert werden kann und daß vor allen Dingen auch keine Neuinvestierungen gemacht werden können. Das Endergebnis ist dann, daß das betreffende Unternehmen einfach nicht mehr konkurrenzfähig ist, weil es sich eben nicht auf der Höhe des technischen Fortschritts halten kann. Diese Argumentation, sehr verehrter Herr Kollege Reif, geht also sicherlich ins Leere. Sie kann nur für ganz kurze Zeit zutreffen; aber im Endergebnis — vom Volkswirtschaftlichen her betrachtet — ist sie sicherlich falsch.
    Zur Wettbewerbseinschränkung durch Kartelle möchte ich weiterhin darauf hinweisen, daß nationale Kartelle nach meiner Meinung im Zeitalter der Liberalisierung überhaupt nicht in der Lage sind, den Wettbewerb auszuschalten. Ich darf gerade auf die Argumentation von Carlo Mötteli im letzten Band des Ordo-Jahrbuches — Band 7 ist es wohl—verweisen. Er sagt dort, daß die Schweiz, die ja — bislang — ein typischer Anhänger der Mißbrauchsgesetzgebung war, in der Liberalisierung und in der Zolltarifpolitik ein ausgezeichnetes Instrument habe, den Wettbewerb zu erzwingen. — Ich meine also, daß die Kartelle nur dann eine wirkliche Gefahr bilden, wenn sie international gebildet werden, weil dann effektiv die Möglichkeit besteht, eine Konkurrenz auszuschalten. Ich glaube nicht, daß nationale Kartelle in der Lage sein werden, die Konkurrenz voll auszuschalten.
    Der weitere Vorwurf, der gegen die Kartelle erhoben wird, besteht doch darin, daß gesagt wird, es bilde sich wirtschaftliche Macht. Nun, es wäre sehr reizvoll, hier über die Frage der wirtschaftlichen Macht zu sprechen, und es wäre sicherlich auch sehr nützlich. Ich will diese Frage aber heute nicht abschließend behandeln, sondern nur kurz darauf hinweisen, daß das, was die Verbotsgesetzgebung will, nämlich die wirtschaftliche Macht zu verhindern, sicherlich nicht erreicht werden kann. Ich darf nur darauf hinweisen, daß gerade in der amerikanischen Wirtschaft diese wirtschaftliche Macht doch eine Form angenommen hat, die uns allen sehr unsymphatisch ist.
    Ich glaube aber, daß das gar nicht von der Art eines Kartellgesetzes abhängt — ob wir uns nun zum Mißbrauchsprinzip oder Verbotsprinzip bekennen —, sondern daß das doch durch ganz andere Ursachen bedingt ist. Das hängt nämlich mit der Rolle zusammen, die die Technik heute spielt. Wir haben nun mal in unserem Zeitalter der Massenherstellung die Tatsache zu verzeichnen, daß der Produktionsapparat immer größer wird und daß er daher immer kostspieliger wird. In der Folge dessen — ob wir das bedauern, wie Herr Kollege Reif es getan hat, oder nicht — werden die Kapitalkosten für den technischen Prozeß immer größer. Dadurch ist wahrscheinlich der Konzentrationsprozeß im wesentlichen bedingt. Damit hat, glaube ich, eine Verbotsgesetzgebung oder eine Mißbrauchsgesetzgebung verhältnismäßig wenig zu tun. Die Gründe liegen eben woanders, und es wäre gut, wenn wir uns darüber Klarheit verschafften und darüber klar wären. Ich glaube also sagen zu können, daß gerade die amerikanischen Erfahrungen ein starres Verbotsprinzip, um die wirtschaftliche Macht zu verhindern, nicht rechtfertigen.
    Ich darf darüber hinaus eine Bemerkung über die wirtschaftliche Macht machen. Sie wird ia immer als so etwas wie ein Schreckgespenst hingestellt. Wirtschaftliche Macht — ich habe das betont — ist natürlich unerfreulich. Ich darf aber doch darauf hinweisen, daß in einem parlamentarisch-demokratischen System, das wirklich politisch führt, die wirtschaftliche Macht niemals zu Mißbräuchen führen kann. Das hängt doch ganz einfach davon ab, ob wir Abgeordnete entschlossen sind, jedem Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht notfalls auch mit einem Gesetz entgegenzutreten. Ich glaube also, daß wir uns von diesem Schlagwort nicht so sehr beeindrucken lassen sollten.

    (Abg. Kurlbaum: Wann wollen Sie das machen, wenn nicht durch dieses Gesetz?)

    — Das werden wir im Ausschuß beraten, mein lieber Kollege Kurlbaum. Das hängt wohl .davon ab, welche Begriffsbestimmungen wir für den Mißbrauch finden werden. Ich bin durchaus der Auffassung, daß wir solche Bestimmungen dort einarbeiten sollten. Dabei ist ganz wesentlich, auf welche Definition wir uns einigen.
    Zu dem Thema „wirtschaftliche Macht" darf ich noch etwas anderes sagen. Was uns alle so unsympathisch berührt, ist, daß jemand, der Inhaber von wirtschaftlicher Macht oder, sagen wir, der Inhaber eines Großbetriebes ist, natürlich in einem gewissen Umfang über das Schicksal seiner Mitmenschen, der von ihm abhängig Tätigen — seien es Arbeiter, seien es Angestellte — mitbestimmen kann. In dem Maße aber, wie wir es zur Aufgabe unserer Sozialpolitik machen, den Freiheitsraum des Individiums gegen solche Übergriffe zu schützen, verliert doch dieses Argument eigentlich an Gewicht. Ich glaube feststellen zu können, .daß wir gerade hier in Deutschland eine Sozialpolitik getrieben haben, durch die dieses Ziel, Schutz des Freiheitsraums des einzelnen Menschen, wirklich erreicht wird. Ich darf nur an das Betriebsverfassungsgesetz erinnern. Ich glaube also abschließend sagen zu können, daß wir uns bei der Behandlung dieses Themas nicht von diesem Schlagwort beeindrucken lassen sollten.
    Nun zum dritten, dem Hauptvorwurf, eine Kartellierung könne den technischen Fortschritt behindern. Das stimmt in gewissem Umfange, ist aber meines Erachtens nicht sosehr durch die Kartellie-


    (Dr. Elbrächter)

    rung als solche, sondern auch wieder durch den Umstand bedingt, daß unser heutiger technischer Produktionsapparat einen solch großen Einsatz von Kapitalien erfordert, daß einfach das natürliche Bestreben da ist, diese Kapitalien in einem gewissen Umfang zu schützen, sie wenigstens in einem angemessenen Zeitraum abschreiben zu können. Infolgedessen liegt es nach meiner Meinung daran, daß die großen Werke — ganz gleich, ob es eine Vielzahl von kleinen Werken ist, die sich zu Kartellen zusammengeschlossen haben, oder ob es etwa Monopole sind —das Bestreben haben, die Fortentwicklung der Technik zu neuen Maschinen usw. sich nicht überstürzen zu lassen. Ich könnte ein sehr eindruckvolles Beispiel geben, das in der Auseinandersetzung zwischen der englischen und der amerikanischen Luftfahrtindustrie eine große Rolle gespielt hat. Gerade weil die amerikanische Luftfahrtindustrie sich auf Massenherstellung, auf Fließbandfertigung eingestellt hat, hat sie enorme Maschinenwerte investiert. Sie ist natürlich daran interessiert, die in den Maschinen investierten Kapitalien sich erst wieder verdienen zu lassen. Die englische Luftfahrtindustrie ist viel beweglicher, sie hat diese großen Investitionen nicht vorgenommen. Infolgedessen kann sie sehr viel schneller die technische Entwicklung im Flugzeugbau berücksichtigen. Sie sehen also, unabhängig von Kartellen liegt eine gewisse Hemmung gegenüber dem allzu schnellen technischen Fortschritt einfach in der Tatsache, daß heute im Zeitalter der Massenherstellung zu große Kapitalien gebunden sind. Auch das sollten wir nicht übersehen. Das hat mit den Kartellen meiner Meinung nach gar nichts zu tun. Ich glaube also, sagen zu können, daß das Verbot der Kartellierung mit dieser Begründung nicht aufrechterhalten werden kann.
    Ich möchte jetzt zum Schluß kommen. Ich hätte eigentlich noch auf die Rechtsfragen einzugehen. Da ich kein Jurist bin, möchte ich diese Fragen hier nicht erwähnen. Ich möchte nur die Auffassung meiner Freunde hier mitteilen, daß wir nicht klug tun, wenn wir bei jeder Gelegenheit das Bundesverfassungsgericht strapazieren. Es gibt in der Rechtslehre über die Frage der Zulässigkeit des Kartellverbots die verschiedensten Auffassungen. Wir sollten die einzig mögliche Konsequenz daraus ziehen und, wie das bereits beantragt worden ist, den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beauftragen, sich mit den Rechtsfragen ganz eingehend zu befassen. Ich glaube, es wäre nicht klug, wenn wir vom Plenum des Parlaments aus immer wieder auf diese Argumente eingingen.

    (Zustimmung rechts und in der Mitte.)

    Wir sollten hier wirklich von der Praxis her entscheiden.
    Wenn ich das eben gesagt habe, so möchte ich doch klarstellen, daß ich deswegen nicht auf den mir zu billig erscheinenden Gegensatz hie Praktiker — hie Theoretiker abheben will. Ich darf z. B. erwähnen — und das zum Trost der hier als Theoretiker verschrienen Kollegen —: ohne gewisse Vorstellung, Meinung genannt, arbeitet auch der Praktiker nicht. Der Theoretiker hat nur den Vorzug, daß er seine Meinung wissenschaftlich durchdacht hat und daher nach einem Leitbild arbeitet, das fundiert ist. Der Nur-Praktiker ergibt sich einer bloßen Meinung und wird durch diese unter Umständen irregeführt, an der Wirklichkeit vorbeigeführt. Ich meine aber, daß es klug ist,
    auch die beste theoretische Vorstellung immer wieder an der Wirklichkeit zu orientieren. Unser sehr kluger Herr Wirtschaftsminister Erhard hat in seiner Begründung versprochen, das auch zu tun. Ich meine daher, daß wir eine solche Haltung — in der Philosophie nennt man das Pragmatismus — gerade an diesem Gesetz durchführen und exerzieren können. Wenn wir das täten, könnten wir meiner Meinung nach die etwas unerquickliche Rechtsfrage weitgehend in den Hintergrund drängen und sollten das Bundesverfassungsgericht nicht bemühen.
    Ich darf abschließend folgendes sagen. Sie haben aus meinen Darlegungen gehört, daß sich meine Freunde von der Deutschen Partei im wesentlichen für den Höcherl-Entwurf aussprechen werden. Ich glaube, daß es im Endergebnis belanglos ist, ob man von dem Regierungsentwurf ausgeht, dann soundsoviel Ausnahmen festlegt, wie sie Herr Minister Erhard bereits zugelassen hat oder noch zulassen will, und so das Gesetz zu einem bestimmten Kompromiß hin umgestaltet oder ob man vom Höcherl-Entwurf ausgeht und dann durch genaue Festlegung von Definitionen, was Mißbrauch usw. ist, zu dem gleichen Resultat kommt. Mir scheint es nur logischer und zweckmäßiger zu sein, von einem Entwurf auszugehen, der in der Formulierung eleganter und kürzer ist und daher die größere Elastizität für die Praxis verspricht. Wir würden es begrüßen, wenn der Ausschuß den Höcherl-Entwurf zu seiner Verhandlungsgrundlage wählen würde; aber das wird ja im einzelnen im Ausschuß selber entschieden werden.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)