Rede von
Joseph
Illerhaus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom Standpunkt eines Einzelhandelskaufmanns aus Stellung nehme, so vertrete ich damit ein bedeutsames, wenn nicht
sogar das wichtigste Anliegen des deutschen Handels überhaupt. Der deutsche Handel erfüllt seine Funktionen im Rahmen eines vollständigen Wettbewerbs. Hunderttausende von Geschäften in allen Größen und den verschiedensten Vertriebsstufen stehen einer Millionenzahl von Käufern aus den verschiedensten Gesellschafts- und Einkommensschichten gegenüber. Der Kampf um diese Kunden steht im Zeichen des Käufermarktes und vollzieht sich deshalb im Rahmen eines scharfen Wettbewerbs. Dieser Wettbewerb wird noch dadurch verstärkt, daß jeden Tag neue Wettbewerber entstehen. Ich darf sagen, daß im Handel der Wettbewerb so vollständig ist, daß sich in ihm die wissenschaftliche Vorstellung vom vollständigen Wettbewerb fast erfüllt.
Alle Sparten des Handels verfolgen deshalb mit großem Interesse den Verlauf der Kartelldebatte, von deren Ergebnis sie erwarten, daß nach jahrelangen Vorbereitungen ein Gesetz geschaffen wird, das die Freiheit des Wettbewerbs in allen Wirtschaftszweigen und damit auch im Handel garantiert.
Meine Damen und Herren, bei meiner Stellungnahme im einzelnen will ich mich bemühen, nur diejenigen Tatbestände zu behandeln, die von besonderer Bedeutung sind, wenn die Freiheit des Wettbewerbs nicht ernsthaft gefährdet werden soll. Dabei muß ich aber auf die Frage, ob die Regelung des Wettbewerbs vom Standpunkt der Verbotsgesetzgebung oder der Mißbrauchsgesetzgebung zu behandeln ist, kurz eingehen, zumal diese Frage durch die von den Herren Kollegen Professor Böhm und Höcherl eingebrachten Enwürfe wieder besonders akut geworden ist.
gründung ersparen, soweit es sich um das Verbot der Absatz- und Mengenbeschränkungen handelt. Das gleiche gilt für Sperren aller Art, zumal alle Wirtschaftskreise von der Zulassung irgendwelcher Sperrklauseln, beispielsweise in der Debatte um, die Mißbrauchsgesetzgebung, abgerückt sind, was allerdings nicht bedeutet, daß sich ,die Vorstellungen mancher Kreise schon endgültig von der Sperre als Wettbewerbsmittel gelöst hätten.
Zur Frage des Verbots von Vereinbarungen über Funktionsrabatte weise ich darauf hin, daß für den Einzelhandel die einzige Funktion des Wettbewerbs in der Leistung liegt. Wenn die Industrie nunmehr anstrebt, die Höhe eines Rabatts ausschließlich von wirtschaftlichen Funktionen in der Absatzstufe, welcher der Rabattnehmer angehört, abhängig zu machen, so muß das allerdings unseren stärksten Widerstand herausfordern. Mit dieser Formulierung werden nämlich unter Abstimmung auf die unterschiedliche wirtschaftliche Funktion Differenzierungen auch in der gleichen Absatzstufe ermöglicht. Die Erfahrungen mit der Kartellverordnung von 1923 zeigen eindeutig, daß die Zulassung von Funktionsrabatten zu einer Zementierung der Absatzwege unter zunehmender Ausschaltung des Leistungswettbewerbs führt. Ich erinnere hier an die Marktordnungsgrundsätze der Reichsgruppe Industrie, die praktisch in der Empfehlung gipfelten, unter Benutzung dieser Grundsätze die Funktion eines Betriebes in seiner Wirtschaftsstufe zu bestimmen. Wir wissen, zu welchen jahrelangen Kämpfen und Aushandlungen dieser Zustand beispielsweise zwischen der Industrie und dem Großhandel geführt hat. Eine so weitgehende Freigabe der Funktionsrabatt-Kartelle, wie sie jetzt in Verhandlungen zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesverband der Deutschen Industrie angestrebt worden ist, muß zwangsläufig zu gleichen Auseinandersetzungen führen, zumal von allen Seiten zugegeben wird, daß sich der Funktionsrabatt nur sehr schwer gegenüber anderen Rabattformen abgrenzen läßt.
In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß die generelle Zulassung von Vereinbarungen über Funktionsrabatte auch wirtschaftspolitisch die unerwünschte Auswirkung hat, die bisher als Einheit bewährten Handelsleistungen sehr starken Belastungen auszusetzen. Sicher ist auf jeden Fall — um hier eine frühere Stellungnahme von Herrn Professor Erhard zu wiederholen —, daß mit der genehmigungsfreien Einführung von Funktionsrabatt-Kartellen jeder Fortschritt im Hinblick auf die angestrebte Entwicklung des Leistungswettbewerbs verhindert wird.
Im übrigen muß hierbei auch darauf hingewiesen werden, daß es naturgemäß Befremden erweckt hat, wenn Funktionsrabatt-Kartelle mit ihren weitgehenden, häufig auch wirtschaftspolitischen Auswirkungen genehmigungsfrei gestellt werden sollen, während die Vereinbarung von Mengenrabatten an die Erlaubnis der Kartellbehörde gebunden werden soll. Vom Standpunkt des Leistungswettbewerbs aus könnte höchstens das Umgekehrte der Fall sein.
Schließlich muß ich in diesem Zusammenhang auch noch betonen, daß wir es ablehnen, uns praktisch über Funktionsrabatt trotz gleicher Leistungen in einer Wirtschaftsstufe unterschiedlich klassifizieren zu lassen. Hier gehen wir mit denen einig, die in Funktionsrabatt-Kartellen Differenzierungskartelle sehen, die mit Leistung nichts zu tun haben und im letzten Grunde wettbewerbsschädlich sind und deshalb verboten werden müssen.
Die Frage der Preisbindung der zweiten Hand zwingt mich dazu, auch ein Wort zur Zulassung von Preisbindungen überhaupt zu sagen. Die Stellungnahme des Einzelhandels ist auch hier die, daß Preisbindungen grundsätzlich verboten werden müssen; sie können nur insoweit zugelassen werden, als sie in vom Gesetz genau umrissenen Fällen zur Vermeidung schädlicher Auswirkungen nach übergeordneten wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu vermeiden sind. Ich erinnere hier an die in der öffentlichen Diskussion behandelten Fälle der Genehmigung von Preisbindungen in Ausfuhrkartellen, Krisenkartellen, Rationalisierungskartellen. Allerdings muß ich hierbei betonen, daß auch im Einzelhandel besondere Verhältnisse eintreten können, die den Ruf nach Zulassung eines Krisenkartells
genau so wie bei der Industrie notwendig machen.
Ich muß in diesem ,Zusammenhang überhaupt feststellen, daß die einseitige Abstellung aller Kartellfragen auf die Industrie an der Tatsache vorbeigeht, daß das Problem marktregelnder Vereinbarungen, wenn auch nicht überall in gleichem Ausmaß, auch in vielen Stufen des Handels besteht.
Ich brauche nicht zu betonen, daß Vereinbarungen über Konditionen nicht zu den Preisbindungen in dem Sinne gehören, die Gegenstand dieses Gesetzes sind. Es ist zweifellos, daß Konditionen, wie es in der Begründung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1954 heißt, „den Geschäftsabschluß vereinfachen, die Vergleichbarkeit der Angebote fördern und insbesondere die Vertragsabwicklung erleichtern"; sie haben häufig wettbewerbsfördernden Charakter. Ihre generelle Zulassung ist deshalb meines Erachtens ohne weiteres vertretbar.
Das den Einzelhandel besonders berührende Problem der Preisbindung der zweiten Hand muß in Zusammenhang mit einer Entwicklung gesehen werden, die sich in den letzten Jahren immer mehr gezeigt und zu einer nachhaltigen Beunruhigung im Handel geführt hat. Ich denke hierbei an die zunehmende Überschwemmung des Marktes mit Markenerzeugnissen; ein Vorgang, der bekanntlich zu dem Schlagwort „Markenschwemme — Markeninflation" geführt hat.
Es war zu erwarten, daß nach dem Bekanntwerden des Willner-Briefs, zu dessen Problematik ich mir hier nähere Ausführungen versage, von allen an Preisbindungen interessierten Kreisen versucht werden würde, die verbotenen horizontalen Preisabreden durch die schwer kontrollierbare individuelle Preisbindung zu ersetzen. Wir hätten aber nicht geglaubt, meine Damen und Herren, daß sogar in Wirtschaftszweigen, deren Erzeugnisse starken modischen Änderungen unterworfen sind, in einem solchen Ausmaß Versuche zur Einführung der Preisbindung der zweiten Hand gemacht werden würden, wie es tatsächlich geschehen ist. Die Verbände des Einzelhandels können hier — was für die späteren Ausschußverhandlungen wichtig sein wird — reichliches Material darüber zur Verfügung stellen, welches Ausmaß ,diese Versuche gehabt haben. Nur hierauf ist es ja auch zurückzuführen, daß sich in der Praxis immer mehr die Unterscheidung zwischen „echten" und
„unechten" Markenartikeln herausgebildet hat. Sprachlich natürlich ein Widerspruch in sich, da die Marke immer nur eine echte sein kann.
Nach diesen Erfahrungen besteht im Einzelhandel die Befürchtung, daß bei einer Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand auch die Schranken, die im Rahmen der durch den Willner-Brief vielleicht erteilten Ermächtigung noch bestanden haben, restlos wegfallen.
Die Folge davon muß zwangsläufig die sein, daß der Markt mit einer Flut von Erzeugnissen über- schwemmt wird, die das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand beanspruchen.
Ich weiß, daß bei den Anhängern einer generellen Freigabe der vertikalen Preisbindung hiergegen Einwendungen geltend gemacht werden. Sie behaupten, daß die Preisbindung der zweiten Hand nicht uferlos eingeführt werden könne, weil es der Einzelhandel ja selber in der Hand habe, solchen Versuchen entgegenzutreten. Ich gebe zu, daß das in gewissem Maße der Fall sein kann und auch der Fall sein wird. Aber überall dort, wo nur wenige Produzenten vorhanden sind, wird sich zeigen, daß die auf einer verbotenen horizontalen Abrede beruhende Einführung der Preisbindung der zweiten Hand nicht bekämpft werden kann. Hinzu kommt, daß — wie beispielsweise im Textileinzelhandel — die Musterungszeiten oft so knapp bemessen sind, daß sich der Einzelhändler im Einkauf zwangsläufig auf Bedingungen einlassen muß, gegen die er sich im normalen Geschäft wehren könnte. Die Gefahr, daß die Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand tatsächlich zu einer ungeheuren Ausweitung der vertikalen Preisbindung führt, die
letzten Endes auch das Ziel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen illusorisch machen könnte, bleibt bestehen.
Meine Damen und Herren! Die ablehnende Haltung des Einzelhandels gegen die Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand erklärt sich auch noch aus einer anderen Erfahrung der letzten Jahre. Wir haben wiederholt festgestellt, daß die Lieferanten von Erzeugnissen, für die die Einführung der Preisbindung der zweiten Hand nach unserer Meinung nicht gerechtfertigt war, im Ernstfall ihre eigene Verpflichtung zur Preiskontrolle und zur Erhaltung des Preisschutzes gegenüber vertragsbrüchigen Reversverpflichteten nicht beachten. Auch hier verfügen die Verbände über Material, aus dem Sie ersehen können, daß beispielsweise in einem Wirtschaftszweig schon die Tatsache, daß Verhandlungen über die Ermäßigung der Einfuhrzölle schwebten, ausreichend war, um auf Beschwerden über Einhaltung der Reversverpflichtungen nicht mehr zu reagieren. Wir haben auch festgestellt, daß schon bei einem leichten Nachlassen des Marktes eine Reihe von Firmen, die zumeist als Ersatz für früher bestehende horizontale Preisvereinbarungen die Preisbindung der zweiten Hand eingeführt hatten, die Meldungen über Preisunterbietungen nicht mehr verfolgt haben. Diese Entwicklung ist so stark gewesen, daß sie die Fachblätter des Handels monatelang mit Stoff versorgt hat.
Damit ist klargestellt, daß die Preisbindung der zweiten Hand für den Handel unzumutbar ist, wenn sich der einzelne nicht darauf verlassen kann, daß sich der Produzent nachhaltig für den Preisschutz einsetzt. Die Stellungnahme des Handels
zur Frage der Preisbindung der zweiten Hand kann nach diesen Erfahrungen nur die sein, daß alle vertikalen Preisbindungen abgelehnt werden, die sich nicht auf einen mit einem Herkunftszeichen versehenen Artikel erstrecken, für den ein Herstellungsschutz besteht, der Verkehrsgeltung hat und für den der Fabrikant laufend eine gewisse Werbung betreibt. Nur unter diesen Voraussetzungen kann das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand eingeräumt werden, das letztlich darauf beruht, daß „der Hersteller von gleichbleibenden Qualitätserzeugnissen durch eine zentrale Werbung einen Teil der Werbekosten für die Steigerung des Umsatzes seines Erzeugnisses übernimmt und hierdurch dem Einzelhändler die Möglichkeit gibt, weite Käuferschichten anzusprechen und dadurch auch seinen eigenen Vorteil zu er- höhen".
Neben diesen grundsätzlichen Forderungen haben wir noch ein weiteres Anliegen, das ebenfalls durch die Erfahrungen der letzten Jahre begründet ist. Während früher die Industrie ein laufendes Gespräch mit dem Handel führte, ist heute auf allen möglichen Gebieten festzustellen, daß jeder Kontakt in Marktfragen fehlt. Das Zwielicht, in dem manche marktregelnde Vereinbarungen liegen, hat zwangsläufig dazu geführt, daß der Handel beispielsweise durch die „von einem führenden Werk vorgenommene Preiserhöhung" Kenntnis von Preiserhöhungen erhält, die merkwürdigerweise nach dem Vorgehen dieses „führenden Werkes" Bestandteil aller Zahlungs- und Lieferungsbedingungen des gesamten betreffenden Industriebereichs sind. Wir fürchten, daß diese Anonymität weiter bleibt, und legen deshalb besonderen Wert darauf, daß die Kartellbehörde allen Abnehmerorganisationen von allen Anträgen Mitteilung macht, die für sie wettbewerbsmäßig von Bedeutung sind. Hierzu gehört insbesondere die Bekanntgabe aller Anträge auf Genehmigung von Kartellvereinbarungen irgendwelcher Art.
Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um die Bearbeitung derartiger Anträge zu erschweren. Mein Hauptanliegen ist, durch diese Unterrichtungspflicht gegenüber den Marktbeteiligten dafür zu sorgen, daß die Parteien wieder an einen Tisch kommen. Ich erinnere hierbei an das bewährte Verfahren des früheren Preisrechts bei der Behandlung von Anträgen auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 3 der Preisstoppverordnung. Hier ist in der Praxis kein Fall vorgekommen, in dem eine Preiserhöhung von der Behörde genehmigt warden wäre, ohne die Stellungnahme der Abnehmerkreise herbeizuführen.
Eine solche Regelung beschleunigt die Bearbeitung bei der Behörde und dient deshalb auch dem Interesse der Industrie. Ich bemerke hierbei, daß die Anhörung des Handels, wie aller anderen marktbeteiligten Gruppen, selbstverständlich ist, wenn man beispielsweise bedenkt, daß das österreichische Kartellrecht die Veröffentlichung aller Anträge in Kartellsachen im Bundesanzeiger vorsieht. Vielleicht wäre das auch die beste Lösung, um eine Überlastung der Kartellbehörde mit Anträgen zu vermeiden.
Schließlich weise ich noch auf eine empfindliche Lücke der Regierungsvorlage hin. Der Handel vermißt, wie ich bereits eingangs gesagt habe, in dem Gesetz die Zulassung von Vereinbarungen über lauteren Wettbewerb innerhalb eines Wirtschaftszweiges oder zwischen mehreren Wirtschaftszwei-
gen. Wir haben hier in Besprechungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium wiederholt darauf hingewiesen, daß die Beschäftigung mit amerikanischen Kartellfragen das eine Gute gehabt hat, daß wir in Deutschland auf das Gemisch wirtschaftlicher Selbstverwaltung und staatlicher Kontrolle in Fragen des fairen Wettbewerbs aufmerksam gemacht worden sind. Auch uns fehlt das „Büro für wirtschaftliche Zusammenarbeit", das innerhalb der FTC besteht und die Berater eines Wirtschaftszweiges von Fall zu Fall einberuft, um Tatbestände des unfairen Wettbewerbs festzulegen. Aus dem Studium einzelner Unterlagen haben wir ersehen, daß dieses Verfahren tatsächlich geeignet ist, Wettbewerbsmißbräuche zu verhindern. Als Beispiel erwähnen wir hier die Wettbewerbsregelung für das Lebensmittelgewerbe, die 1952 erlassen worden ist. Sie umfaßt alle Unternehmer und Firmen, die mit dem Verkauf von Lebensmitteln zu tun haben, und schließt Fabrikanten, Groß- und Kleinhandel, Versandhandel und alle am Absatz von Lebensmitteln beteiligten Wirtschaftskreise ein. Sie enthält das Verbot der Preisdiskriminierung, der Gewährung nicht durch Leistung gerechtfertigter Rabatte und auch ein Verbot des Unter-Selbstkosten-Verkaufs. Außerdem läßt sie Vereinbarungen zu, die sich auf die Einhaltung von Lieferverpflichtungen beziehen, ferner Vereinbarungen, die den Ausgleich von Kostenanalysen betreffen, und schließlich auch die Verpflichtung zur Austragung von Streitigkeiten vor Schiedsgerichten. Auch der leidige, in starkem Ausmaß durch Betriebsräte und Betriebsangehörige betriebene Werks- und Behördenhandel könnte hierbei geregelt werden.
Wir wissen, daß im Bundeswirtschaftsministerium die vom Bundesrat in seiner 153. Sitzung am 21. Mai 1954 geforderte Verordnung zum Schutze des Leistungswettbewerbs durch Wettbewerbsregeln eingehend erörtert worden ist. Hierbei hat eine besondere Rolle die Empfehlung des Deutschen Industrie- und Handelstages auf der Volltagung im April 1954 gespielt, „angesichts des verschärften Leistungswettbewerbs besondere Maßnahmen zum Schutze der Lauterkeit im Wettbewerb zu treffen". Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat hierbei in erster Linie die Zulassung von Wettbewerbsregeln gefordert, durch die nicht nur Praktiken ausgeschaltet werden, die schon nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen unlauter sind, sondern auch Wettbewerbsmethoden bekämpft werden, die als volkswirtschaftlich unerwünscht und bedenklich gelten, über deren rechtliche Unzulässigkeit aber bei den Gerichten noch keine klare Meinung besteht, Um so verwunderlicher ist es, daß die Regierungsvorlage dieser Anregung des Bundesrates und des Rechtsausschusses des Deutschen Industrie- und Handelstages nicht gefolgt ist. Wie ich schon sagte, ist das auch deshalb bedauerlich, weil die Vereinbarungen von Wettbewerbsregeln nicht nur eine Lücke im allgemeinen Wettbewerbsrecht ausfüllen, sondern auch durch das Gespräch am runden Tisch wettbewerbsfördernd wirken.
Wie sich aus der Stellungnahme der Regierung auf Seite 87 der Drucksache 1158 ergibt, ist sie in der Frage der Vereinbarung von Wettbewerbsregeln allerdings der Ansicht,
daß das Abwarten des Abschlusses dieser Erörterungen den Fortgang der Beratung des
Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht aufhalten sollte. Sie zieht deshalb vor,
diesen Fragenkomplex zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Erörterung zu stellen.
Ich betone ausdrücklich, daß der Handel, soweit ich von meinen Freunden gehört habe, in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Industrie, dieser Auffassung nicht ist. Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus einem Vortrag, den Generaldirektor Otto A. Friedrich am 18. Juni 1954 anläßlich des 50jährigen Jubiläums der „Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Technischen Händler" gehalten hat, folgende Ausführungen zitieren. Er sagte:
Ich glaube, behaupten zu dürfen, daß ich Amerika besser kenne als mancher Prophet des Liberalismus, weil ich dort selbst geschäftlich tätig gewesen bin und weil mein Unternehmen auch heute die engsten Beziehungen zur amerikanischen Wirtschaft unterhält. Mir ist der amerikanische Rechtsschutz gegen Diskriminierungen im Wettbewerb aus der Praxis bekannt. Unter Diskriminierungen sind Unterbietungen zu verstehen, die den einen Abnehmer unbillig vor dem anderen bevorzugen. Wer weiß, wie ernst die Amerikaner dieses Problem nehmen, seit ihre Wettbewerbsfreiheit große Krisen bestehen mußte, der weiß auch, welchen gewaltigen Behördenapparat sie für diese Aufgabe einsetzen. Deshalb habe ich 1949 Professor Erhard nahegelegt, die Verhältnisse in Amerika durch eine Studienkommission untersuchen zu lassen, um sich ein Bild darüber zu machen, wie ein Land, das durch Wettbewerbsfreiheit groß geworden ist, diese Dinge gesetzlich und institutionell auf Grund jahrzehntelanger, teilweise sehr bitterer 'Erfahrungen geregelt hat. Professor Erhard ist meiner Anregung gefolgt und hat zu diesem Zweck eine Kommission nach drüben geschickt, die einen ausführlichen Bericht erstattet hat. Leider sind aus den Erkenntnissen keinerlei Folgerungen für die Gestaltung der deutschen Wettbewerbsgesetzgebung gezogen worden.
Ich glaube, daß die rechtliche Verankerung einer solchen Ermächtigung zum Abschluß von Vereinbarungen gegen den unlauteren Wettbewerb auch dazu beitragen wird, der Kartellbehörde ihre Arbeit grundsätzlich zu erleichtern.
In diesem Zusammenhang ist für alle wichtig, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die Kartellbehörde in Streitfällen nur dann eingreifen sollte, wenn alle Möglichkeiten zur friedlichen Beilegung innerhalb der Wirtschaft selbst ausgeschöpft sind.
Wir fordern deshalb die Wiedereinführung von Einigungsämtern, die bis zum. Jahre 1934 mit größtem Erfolg unter wechselnder Besetzung seitens der Industrie, des Großhandels und des Einzelhandels dazu beigetragen haben Marktstreitigkeiten durch Aussprache zwischen den Beteiligten zu bereinigen. Erfreulicherweise scheint nach meinen Informationen die Wiedereinführung der obligatorischen Einigungsämter nach § 27 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gesichert zu sein. Im Hinblick auf die oben erörterten Wettbewerbsregeln weise ich zu dieser erfreulichen Tatsache darauf hin, daß die erfolgreiche Arbeit dieser Einigungsämter noch eine außerordentliche
Vertiefung erfahren würde, wenn sie auf Grund von Wettbewerbsregeln tätig werden könnten, die einwandfrei sagen, was fair und was unfair ist.
Ich habe mich in meiner Stellungnahme auf die wesentlichen Fragen beschränkt, die den Einzelhandel interessieren. Hierbei bedaure ich, daß ich bei meinen Ausführungen die Vorschläge der Kollegen Höcherl und Böhm nur am Rande berücksichtigen konnte, da sie mir zu spät zugegangen sind, um sie eingehend mit zu erörtern. Selbstverständlich werden auch diese beiden Vorschläge gewissenhaft geprüft werden müssen, insbesondere im Hinblick darauf, wieweit die vom Kollegen Höcherl beabsichtigte Generalklausel den in meinen Ausführungen aufgezeigten Forderungen entspricht.
Die nun einsetzende Beratung in den Ausschüssen wird noch eine Fülle von Problemen aufwerfen, die nur gelöst werden können, wenn sie aus der Zielsetzung unserer so erfolgreich vom Gedanken der freien Marktwirtschaft getragenen Wirtschaftspolitik. betrachtet werden. Es kommt darauf an, die freie Entfaltung des Leistungswettbewerbs auf der Grundlage freier Wettbewerbsverhältnisses zu sichern. Wenn sich alle Beteiligten in dieser Zielsetzung einig sind, muß es gelingen, ein Gesetz zu schaffen, daß für uns alle und für ,die gesamte deutsche Wirtschaft von Nutzen ist.