Rede:
ID0207703900

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2077

  • date_rangeDatum: 31. März 1955

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 77. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955 4227 77. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4228 A, 4240 C Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . . 4293 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Pferdmenges 4228 B Mitteilung über Vorlage eines Berichts des Bundesministers der Finanzen betr. Mißstände auf dem Gebiet der Besatzungsbauten (Drucksache 1307) 4228 B Mitteilung über Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1953/54 4228 B Mitteilung über Zurückziehung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einfuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) . . . . 4228 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Statut der Saar (Drucksache 1245) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Veröffentlichung des Schreibens von Bundeskanzler Dr. Adenauer an den französischen Außenminister Pinay (Drucksache 1293 [neu]) 4228 B Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 4228 C, 4236 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 4232 C, 4236 B Dr Kopf (CDU/CSU) 4233 A Dr. Arndt (SPD) 4234 D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 4238 A Dr. Krone (CDU/CSU) 4238 B Abstimmungen 4237 D, 4238 B Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik im Mündlichen Bericht über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Steigerungsbeträge für Zeiten der Arbeitslosigkeit (Drucksachen 1162, 973; Antrag Umdruck 292) 4238 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1158) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Stücklen, Seidl (Dorfen), Dr. Dollinger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1253) und mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Böhm (Frankfurt), Dr. Dresbach, Ruf u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1269) . . . 4238 D Dr. Horlacher (CDU/CSU) 4239 A Dr. Reif (FDP) 4241 D Samwer (GB/BHE) 4244 D, 4280 B Illerhaus (CDU/CSU) 4246 A Dr. Elbrächter (DP) 4250 A Unterbrechung der Sitzung . . 4252 C Scheel (FDP) 4252 D Raestrup (CDU/CSU) 4256 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4260 B Bender (GB/BHE) 4260 D Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4264 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 4266 A Dr. Schöne (SPD): zur Sache 4267 D zur Geschäftsordnung 4280 D Lenz (Brühl) (CDU/CSU) 4279 D Dr. Köhler (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 4280 C Ausschußüberweisungen . . . . 4280 B, 4281 A Änderungen der Tagesordnung . . 4263 D, 4281 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Erhöhung der Straßenbenutzungsgebühren in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (Drucksache 1316) . . . . 4263 D Beschlußfassung 4264 B Erste Beratung des von den Abg. Platner, Dr. Leiske u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1083) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1233) 4281 A Platner (CDU/CSU), Antragsteller . 4281 A, 4292 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 4283 B, 4292 C Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 4284 D Dr. Hammer (FDP) 4285 D Geiger (München) (CDU/CSU) . . 4286 C Stegner (Fraktionslos) 4288 D Becker (Hamburg) (DP) 4289 B Dr. Reichstein (GB/BHE) 4290 A Lange (Essen) (SPD) 4290 D Horn (CDU/CSU) 4291 D Samwer (GB/BHE) 4292 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 4292 D Ausschußüberweisungen 4293 A Beschlußunfähigkeit festgestellt und Weiterberatung vertagt 4293 C Nächste Sitzung 4293 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4293 B, C, 4294 Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Wahl 14. Mai Stingl 14. Mai Feller 7. Mai Dr. Bucher 7. Mai Dr. Furler 7. Mai Dr. Rinke 7. Mai Neumann 7. Mai Heiland 7. Mai Dr. Lenz (Godesberg) 7. Mai Peters 23. April Pelster 23. April Kunze (Bethel) 23. April Dr. Maier (Stuttgart) 16. April Kühlthau 9. April Mißmahl 9. April Frau Lockmann 9. April Frau Kettig 2. April Dr. Pfleiderer 2. April Morgenthaler 2. April Dr. Kather 2. April Gedat 2. April Bauknecht 2. April Schuler 2. April Dr. Seffrin 2. April Frau Beyer (Frankfurt) 2. April Rademacher 2. April Dr. Jentzsch 2. April Euler 2. April Dr. Hesberg 2. April Kirchhoff 2. April Schrader 2. April Diedrichsen 2. April Frau Welter (Aachen) 2. April Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 1. April Ladebeck 1. April Frau Dr. Schwarzhaupt 1. April Feldmann 1. April Berendsen 1. April Hepp 31. März Dr. Baade 31. März Frau Nadig 31. März Dr. Wellhausen 31. März Naegel 31. März Frau Dr. Probst 31. März Hufnagel 31. März Brockmann (Rinkerode) 31. März Dr. Leverkuehn 31. März Even 31. März Seiboth 31. März Haasler 31. März Walz 31. März Paul 31. März Schütz 31. März Schneider (Bremerhaven) 31. März Neuburger 31. März Kalbitzer 31. März Jahn (Frankfurt) 31. März Dr. Kreyssig 31. März Dr. Schmid (Frankfurt) 31. März Brandt (Berlin) 31. März b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Becker (Hersfeld) 30. April Dr. Graf Henckel 30. April Kalbitzer vom 12. April bis zum 16. Mai Josten vom 4. April bis zum 20. Mai
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Franz Samwer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich als Sprecher der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE bemühen, meine Bemerkungen zur Frage eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — kurz, aber zu eng „Kartellgesetz" genannt — recht schlicht zu fassen, da ich meine, diese Frage ist im bisherigen Verlauf der Parlamentsbehandlung allzu reichlich mit Theorien verbrämt worden, während es sich doch letztlich um sehr nüchterne, praktische Vorgänge in der Wirtschaft handelt.
    Das allgemeine Ziel ist die Sicherung eines bestmöglichen Funktionierens der Wirtschaft, insbesondere d e s Teils der Gesamtwirtschaft, den wir als „Marktwirtschaft" bezeichnen. Sie steht unter dem übergeordneten Grundsatz, daß sie sozial verpflichtet ist. Dementsprechend sollen die wirtschaftlich Schwächeren, vor allem die Verbraucher, vor Kartellnachteilen angemessen geschützt werden.

    (Zustimmung beim GB/BHE und in der Mitte.)



    (Samwer)

    Ich möchte als gleichgewichtigen wirtschaftlichen Gesichtspunkt hinzufügen, daß die Unternehmungen der Produktion und der Verteilung selbst leistungsfähig bleiben müssen.

    (Abg. Raestrup: Sehr gut!)

    Die Vorlagen reichen von der klassischen Theorie des Kartellverbots mit den vier Voraussetzungen für Ausnahmen in dem Entwurf des Herrn Professor Böhm über das grundsätzliche Verbot im Entwurf der Bundesregierung mit den vielen, praktisch als notwendig erkannten Ausnahmen zu dem Entwurf des Herrn Kollegen Höcherl mit der Registrierpflicht und der Bekämpfung der Mißbräuche bis zum eindeutigen Kartellverbot. Dazu kommen noch die Änderungsanträge des Bundesrates und die Stellungnahme der Bundesregierung. Aus all diesen Unterlagen habe ich den Eindruck gewonnen, daß keiner den Machtmißbrauch von Kartellen will und daß man sich nur über die beste Methode und das zweckmäßigste Verfahren streitet, wie gerade der Mißbrauch weitestgehend verhindert werden kann.

    (Sehr wahr! beim GB/BHE und in der Mitte.)

    Hiermit wird man sich im zuständigen Ausschuß für Wirtschaftspolitik sachlich und ernst befassen müssen. Ich zweifle nicht, daß daraus etwas Brauchbares entstehen kann, wenn man die Theorien weitestmöglich beiseite läßt und einen praktischen Weg zum Erreichen des anerkannten Zieles anstrebt.

    (Zustimmung beim GB/BHE und in der Mitte.)

    Der Bundestag ist entgegen der Bundesregierung in seiner Entscheidung völlig frei, wie ich mir schon aus Anlaß der Aussprache über die Pariser Verträge festzustellen erlaubt habe.
    Gestatten Sie mir wenige kritische Bemerkungen zu einigen Ausführungen, die im Verlaufe der bisherigen Kartellbehandlung im Hohen Hause gemacht worden sind. Schon die zahlreichen Ausnahmen von einem Kartellverbot, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, beweisen, daß Kartelle nicht umbedingt und 'durchaus nicht in jedem Falle „artwidrige Fremdkörper" einer Marktwirtschaft, wie sie tatsächlich besteht, sind.

    (Sehr gut! beim GB/BHE und in der Mitte.)

    Das mag in der Vergangenheit in der Hochkonjunktur der liberalistischen Wirtschaftsepoche mit ihrem Laissez-faire, laissez-aller vielleicht so gewirkt haben; in unserem komplizierteren modernen Wirtschaftsapparat mit seiner sozialen Verpflichtung sind Abreden zum Teil sogar notwendig, um das allseits anerkannte Ziel sicherzustellen.

    (Sehr gut! beim GB/BHE. — Abg. Raestrup: Bravo!)

    Ich halbe in unserer Zeit wiederhoit den Eindruck gewonnen, daß der Wettbewerb — vielleicht aus den schweren Substanz- und Eigenkapitalverlusten des Zusammenbruchs heraus — unter dem Gesichtswinkel, Geschäfte um jeden Preis zu machen, heute häufig an die untere Preisgrenze führt und ruinös werden könnte, wenn nicht der einzelne Wettbewerber zur Selbstbesinnung kommt oder, soweit diese wirklich verlorengegangen sein sollte, eine vernünftige Abrede zur notwendigen Stabilisierung führt, bevor ernsteste Schwierigkeiten entstehen.

    (Abg. Raestrup: Sehr gut!)

    Den Verbrauchern ist nicht damit gedient, daß erst Katastrophen eintreten, aus denen dann nur unerwünschte und vermeidbare Preiserhöhungen herausführen könnten. Diese Betrachtung gilt weniger den Großunternehmungen und Konzernen als mittelständischen Betrieben, insbesondere auch des Handels, die ausnahmslos zur alten Solidität zurückfinden sollten. Gerade für sie könnten befristete Abreden zur notwendigen inneren Stärkung akut werden, Abreden, die man nicht mit dem falschen Hinweis auf einen politisch anrüchigen „Kollektiv "begriff ,diffamieren sollte.
    Grundsätzlich stelle ich folgendes fest. Wir billigen dem Staat eine notwendige Kontrolle und ein wirksames Einschreiten bei Mißbrauch auf dem Kartellgebiet zu, ohne aber die Wirtschaft mit vermeidbaren Auflagen belastet wissen zu wollen — so sollte man der Wirtschaft ohne weiteres Bewegungsfreiheit beispielsweise für zweckmäßige Normung oder ähnliches geben — und ohne einer Mammutkartellbehörde das Wort zu reden, die einen kostspieligen, allumfassenden Papierkrieg mit Endlos-Formularen führen könnte.
    Über den endgültigen Weg - oder besser: über die Wege —, mit dem geringsten Aufwand die Allgemeinheit vor wirklich schädlichen Kartellen zu schützen, wollen wir uns erst entscheiden, wenn das Für und Wider der einzelnen Möglichkeiten auch an Hand symptomatischer praktischer Beispiele im zuständigen Ausschuß ausreichend geklärt worden ist.
    Zu einem Wirtschaftsgebiet lassen Sie mich bitte, meine Damen und Herren, noch eine persönliche Bemerkung machen; ich stehe ihm aus meinem früheren Beruf nahe, ohne Interessent zu sein. Es handelt sich um die Versicherungswirtschaft. Diese untersteht, wie. Sie wissen, in der entscheidenden Erstversicherung seit über 50 Jahren einer Staatsaufsicht, jetzt dem Bundesamt für das Versicherungswesen in Berlin. Die Aufsicht hat sich über die gewerbepolizeiliche Kontrolle seit Jahrzehnten zu einer materiell äußerst wirksamen Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmungen entwikkelt, ohne die unternehmerische Initiative der Versicherungsunternehmungen zu beeinträchtigen. Der Bundesrat hat recht, wenn er empfohlen hat, diesen Wirtschaftszweig aus dem Kartellgesetz herauszunehmen und ihn wie bisher durch die erfahrene Aufsichtsbehörde kontrollieren zu lassen.
    Wenn man aber grundsätzlich keine Ausnahme hinsichtlich der Kartellüberwachung machen will, so ist dringend anzuraten, die Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen ,gleichzeitig zum Kartellamt zu machen, wodurch ein kostspieliger Dualismus mit seinem wirtschaftshindernden Leerlauf vermieden wird. Jeder, der den Dualismus aus den Zeiten des Preiskommissars kennt, weiß, welche Triumphe eine zähe Bürokratie gegeneinander nutz- und sinnlos gefeiert hat. Solange seinerzeit kein Geringerer als Dr. Karl Goerdeler Preiskommissar war, hat er von sich aus die Versicherungswirtschaft freigestellt und die damalige Reichsaufsichtsbehörde erfolgreich wirken lassen. Es blieb der fortgeschrittenen nationalsozialistischen Wirtschaftsdurchdringung vorbehalten, den Dualismus in Reinkultur durchzuführen. Folgen Sie sinngemäß der klugen Entscheidung Dr. Goerdelers und

    Grundsätzlich kann ich nur sagen, daß wir für den in der Wirtschaft Tätigen volle Freiheit beanspruchen. Eine Ausnahme hiervon kann nur dann zulässig sein, wenn besonders gefährliche Tatbestände eine Überwachung oder Behinderung bestimmter Vorgänge in der Wirtschaft durch den Staat erfordern.
    Hier ist es nun interessant, meine Damen und Herren, daß Herr Kollege Höcherl in seinen Ausführungen in der vergangenen Woche selbst zugab, daß es tatsächlich gefährliche Arten von Kartellen gibt, bei denen eine Sonderbehandlung angebracht ist. Diese Worte des Herrn Kollegen Höcherl könnten deshalb auch für eine Verbotsgesetzgebung angeführt sein, die eben wegen der grundsätzlichen Gefährlichkeit von Vereinbarungen zur Beschränkung des Wettbewerbs die Nichtigkeit und folgerichtig das Verbot solcher Vereinbarungen anstrebt.
    Nach meiner Auffassung ist aber ein grundsätzliches Verbot der Kartelle nur möglich, wenn man Vereinbarungen von Wettbewerbsregeln zum Schutz des Leistungswettbewerbs zuläßt. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Norwegen, Osterreich, Schweden, Schweiz und Kanada die Kartellfrage vom Standpunkt der Milßbrauchsgesetzgebung zu lösen versuchen.

    (Abg. Raestrup: Hört! Hört!)

    Die Vereinigten Staaten, die als einziges Land die Zulässigkeit von Kartellen verneinen und sie deshalb grundsätzlich verbieten, haben Wettbewerbsregeln zugelassen. Wenn also Kartelle grundsätzlich verboten werden sollen, müßte man als Aquivalent zur Sicherung des Leistungswettbewerbs auf jeden Fall Wettbewerbsvereinbarungen zulassen. Das ist ein für den Handel besonders wichtiger Punkt, auf den ich später noch zurückkommen werde.
    In diesem Zusammenhang muß ich noch bemerken, daß es nicht richtig ist, die Frage der Berufsordnung mit der Kartellfrage zu verbinden, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Einbringung der Regierungsvorlage getan hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Berufsordnung, wie sie beispielsweise der Einzelhandel anstrebt, hat nichts mit einer Beschränkung des Wettbewerbs zu tun. Ich halte das für wichtig, weil die Kartellfrage ohnedies durch soviel Meinungen beeinflußt wird, daß man sie nicht noch unnötig mit der Problematik der Berufsordnung belasten sollte.

    (Beifall in der Mitte.)

    Unabhängig davon, wie sich der einzelne zur Verbots- oder Mißbrauchsgesetzgebung stellt, ist zu fordern, daß die erfahrungsgemäß besonders gefährlichen Tatbestände auf jeden Fall verboten werden. Nach der Ansicht des Handels, die sich teilweise mit den Vorschlägen des Kollegen Höcherl deckt, handelt es sich hierbei um folgende für die Wettbewerbsfreiheit gefährliche Tatbestände. Erstens: Vereinbarungen über Absatz- und Mengenbeschränkungen. Zweitens: Vereinbarungen über die Sperre eines Wettbewerbers oder von Gruppen von Wettbewerbern. Drittens: Vereinbarungen über Funktionsrabatte. Und viertens: Vereinbarungen über vertikale Preisbindungen, soweit sie nicht für sogenannte Markenerzeugnisse in gesetzlich genau umrissenem Rahmen zugelassen sind. Im einzelnen kann ich mir eine nähere Be(Samwer)
    unterstellen Sie die Versicherungswirtschaft nur einer staatlichen Behörde, dem erfahrenen Bundesaufsichtsamt, das äußerstenfalls nach entsprechender Ergänzung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und entsprechenden Bestimmungen des Kartellgesetzes zugleich die Aufgaben des Kartellamts für die ihm unterstellten Versicherungsunternehmungen ohne bürokratischen Leerlauf voll zu erfüllen in der Lage ist!
    Das Kreditwesen dürfte sich der Sache nach in einer ähnlichen Lage befinden. Hier müßte nur in Verbindung mit der Bank deutscher Länder und den Landeszentralbanken der zweckmäßigste Weg gefunden werden, die Landesaufsichtsbehörden — hier gibt es ja keine Bundesaufsichtsbehörde — zum Kartellamt für die Kreditunternehmungen auszubauen.
    Meine Damen und Herren, diese Vorschläge sollten meiner Überzeugung nach gewissenhaft geprüft werden. Es kommt nicht darauf an, eine Universalbehörde neu zu schaffen, sondern darauf, für staatlich längst beaufsichtigte, spezifische Unternehmungen den sachlich besten und finanziell billigsten Weg für die Kartellkontrolle zu ebnen.

    (Beifall beim GB/BHE und bei der CDU/CSU.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Illerhaus.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joseph Illerhaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom Standpunkt eines Einzelhandelskaufmanns aus Stellung nehme, so vertrete ich damit ein bedeutsames, wenn nicht
    sogar das wichtigste Anliegen des deutschen Handels überhaupt. Der deutsche Handel erfüllt seine Funktionen im Rahmen eines vollständigen Wettbewerbs. Hunderttausende von Geschäften in allen Größen und den verschiedensten Vertriebsstufen stehen einer Millionenzahl von Käufern aus den verschiedensten Gesellschafts- und Einkommensschichten gegenüber. Der Kampf um diese Kunden steht im Zeichen des Käufermarktes und vollzieht sich deshalb im Rahmen eines scharfen Wettbewerbs. Dieser Wettbewerb wird noch dadurch verstärkt, daß jeden Tag neue Wettbewerber entstehen. Ich darf sagen, daß im Handel der Wettbewerb so vollständig ist, daß sich in ihm die wissenschaftliche Vorstellung vom vollständigen Wettbewerb fast erfüllt.
    Alle Sparten des Handels verfolgen deshalb mit großem Interesse den Verlauf der Kartelldebatte, von deren Ergebnis sie erwarten, daß nach jahrelangen Vorbereitungen ein Gesetz geschaffen wird, das die Freiheit des Wettbewerbs in allen Wirtschaftszweigen und damit auch im Handel garantiert.
    Meine Damen und Herren, bei meiner Stellungnahme im einzelnen will ich mich bemühen, nur diejenigen Tatbestände zu behandeln, die von besonderer Bedeutung sind, wenn die Freiheit des Wettbewerbs nicht ernsthaft gefährdet werden soll. Dabei muß ich aber auf die Frage, ob die Regelung des Wettbewerbs vom Standpunkt der Verbotsgesetzgebung oder der Mißbrauchsgesetzgebung zu behandeln ist, kurz eingehen, zumal diese Frage durch die von den Herren Kollegen Professor Böhm und Höcherl eingebrachten Enwürfe wieder besonders akut geworden ist.


    (Illerhaus)

    gründung ersparen, soweit es sich um das Verbot der Absatz- und Mengenbeschränkungen handelt. Das gleiche gilt für Sperren aller Art, zumal alle Wirtschaftskreise von der Zulassung irgendwelcher Sperrklauseln, beispielsweise in der Debatte um, die Mißbrauchsgesetzgebung, abgerückt sind, was allerdings nicht bedeutet, daß sich ,die Vorstellungen mancher Kreise schon endgültig von der Sperre als Wettbewerbsmittel gelöst hätten.
    Zur Frage des Verbots von Vereinbarungen über Funktionsrabatte weise ich darauf hin, daß für den Einzelhandel die einzige Funktion des Wettbewerbs in der Leistung liegt. Wenn die Industrie nunmehr anstrebt, die Höhe eines Rabatts ausschließlich von wirtschaftlichen Funktionen in der Absatzstufe, welcher der Rabattnehmer angehört, abhängig zu machen, so muß das allerdings unseren stärksten Widerstand herausfordern. Mit dieser Formulierung werden nämlich unter Abstimmung auf die unterschiedliche wirtschaftliche Funktion Differenzierungen auch in der gleichen Absatzstufe ermöglicht. Die Erfahrungen mit der Kartellverordnung von 1923 zeigen eindeutig, daß die Zulassung von Funktionsrabatten zu einer Zementierung der Absatzwege unter zunehmender Ausschaltung des Leistungswettbewerbs führt. Ich erinnere hier an die Marktordnungsgrundsätze der Reichsgruppe Industrie, die praktisch in der Empfehlung gipfelten, unter Benutzung dieser Grundsätze die Funktion eines Betriebes in seiner Wirtschaftsstufe zu bestimmen. Wir wissen, zu welchen jahrelangen Kämpfen und Aushandlungen dieser Zustand beispielsweise zwischen der Industrie und dem Großhandel geführt hat. Eine so weitgehende Freigabe der Funktionsrabatt-Kartelle, wie sie jetzt in Verhandlungen zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesverband der Deutschen Industrie angestrebt worden ist, muß zwangsläufig zu gleichen Auseinandersetzungen führen, zumal von allen Seiten zugegeben wird, daß sich der Funktionsrabatt nur sehr schwer gegenüber anderen Rabattformen abgrenzen läßt.
    In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß die generelle Zulassung von Vereinbarungen über Funktionsrabatte auch wirtschaftspolitisch die unerwünschte Auswirkung hat, die bisher als Einheit bewährten Handelsleistungen sehr starken Belastungen auszusetzen. Sicher ist auf jeden Fall — um hier eine frühere Stellungnahme von Herrn Professor Erhard zu wiederholen —, daß mit der genehmigungsfreien Einführung von Funktionsrabatt-Kartellen jeder Fortschritt im Hinblick auf die angestrebte Entwicklung des Leistungswettbewerbs verhindert wird.
    Im übrigen muß hierbei auch darauf hingewiesen werden, daß es naturgemäß Befremden erweckt hat, wenn Funktionsrabatt-Kartelle mit ihren weitgehenden, häufig auch wirtschaftspolitischen Auswirkungen genehmigungsfrei gestellt werden sollen, während die Vereinbarung von Mengenrabatten an die Erlaubnis der Kartellbehörde gebunden werden soll. Vom Standpunkt des Leistungswettbewerbs aus könnte höchstens das Umgekehrte der Fall sein.
    Schließlich muß ich in diesem Zusammenhang auch noch betonen, daß wir es ablehnen, uns praktisch über Funktionsrabatt trotz gleicher Leistungen in einer Wirtschaftsstufe unterschiedlich klassifizieren zu lassen. Hier gehen wir mit denen einig, die in Funktionsrabatt-Kartellen Differenzierungskartelle sehen, die mit Leistung nichts zu tun haben und im letzten Grunde wettbewerbsschädlich sind und deshalb verboten werden müssen.
    Die Frage der Preisbindung der zweiten Hand zwingt mich dazu, auch ein Wort zur Zulassung von Preisbindungen überhaupt zu sagen. Die Stellungnahme des Einzelhandels ist auch hier die, daß Preisbindungen grundsätzlich verboten werden müssen; sie können nur insoweit zugelassen werden, als sie in vom Gesetz genau umrissenen Fällen zur Vermeidung schädlicher Auswirkungen nach übergeordneten wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu vermeiden sind. Ich erinnere hier an die in der öffentlichen Diskussion behandelten Fälle der Genehmigung von Preisbindungen in Ausfuhrkartellen, Krisenkartellen, Rationalisierungskartellen. Allerdings muß ich hierbei betonen, daß auch im Einzelhandel besondere Verhältnisse eintreten können, die den Ruf nach Zulassung eines Krisenkartells

    (Abg. Samwer: Sehr richtig!)

    genau so wie bei der Industrie notwendig machen.
    Ich muß in diesem ,Zusammenhang überhaupt feststellen, daß die einseitige Abstellung aller Kartellfragen auf die Industrie an der Tatsache vorbeigeht, daß das Problem marktregelnder Vereinbarungen, wenn auch nicht überall in gleichem Ausmaß, auch in vielen Stufen des Handels besteht.

    (Abg. Samwer: Entscheidend!)

    Ich brauche nicht zu betonen, daß Vereinbarungen über Konditionen nicht zu den Preisbindungen in dem Sinne gehören, die Gegenstand dieses Gesetzes sind. Es ist zweifellos, daß Konditionen, wie es in der Begründung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1954 heißt, „den Geschäftsabschluß vereinfachen, die Vergleichbarkeit der Angebote fördern und insbesondere die Vertragsabwicklung erleichtern"; sie haben häufig wettbewerbsfördernden Charakter. Ihre generelle Zulassung ist deshalb meines Erachtens ohne weiteres vertretbar.
    Das den Einzelhandel besonders berührende Problem der Preisbindung der zweiten Hand muß in Zusammenhang mit einer Entwicklung gesehen werden, die sich in den letzten Jahren immer mehr gezeigt und zu einer nachhaltigen Beunruhigung im Handel geführt hat. Ich denke hierbei an die zunehmende Überschwemmung des Marktes mit Markenerzeugnissen; ein Vorgang, der bekanntlich zu dem Schlagwort „Markenschwemme — Markeninflation" geführt hat.
    Es war zu erwarten, daß nach dem Bekanntwerden des Willner-Briefs, zu dessen Problematik ich mir hier nähere Ausführungen versage, von allen an Preisbindungen interessierten Kreisen versucht werden würde, die verbotenen horizontalen Preisabreden durch die schwer kontrollierbare individuelle Preisbindung zu ersetzen. Wir hätten aber nicht geglaubt, meine Damen und Herren, daß sogar in Wirtschaftszweigen, deren Erzeugnisse starken modischen Änderungen unterworfen sind, in einem solchen Ausmaß Versuche zur Einführung der Preisbindung der zweiten Hand gemacht werden würden, wie es tatsächlich geschehen ist. Die Verbände des Einzelhandels können hier — was für die späteren Ausschußverhandlungen wichtig sein wird — reichliches Material darüber zur Verfügung stellen, welches Ausmaß ,diese Versuche gehabt haben. Nur hierauf ist es ja auch zurückzuführen, daß sich in der Praxis immer mehr die Unterscheidung zwischen „echten" und


    (Illerhaus)

    „unechten" Markenartikeln herausgebildet hat. Sprachlich natürlich ein Widerspruch in sich, da die Marke immer nur eine echte sein kann.
    Nach diesen Erfahrungen besteht im Einzelhandel die Befürchtung, daß bei einer Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand auch die Schranken, die im Rahmen der durch den Willner-Brief vielleicht erteilten Ermächtigung noch bestanden haben, restlos wegfallen.

    (Abg. KurLbaum: Sehr richtig!)

    Die Folge davon muß zwangsläufig die sein, daß der Markt mit einer Flut von Erzeugnissen über- schwemmt wird, die das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand beanspruchen.
    Ich weiß, daß bei den Anhängern einer generellen Freigabe der vertikalen Preisbindung hiergegen Einwendungen geltend gemacht werden. Sie behaupten, daß die Preisbindung der zweiten Hand nicht uferlos eingeführt werden könne, weil es der Einzelhandel ja selber in der Hand habe, solchen Versuchen entgegenzutreten. Ich gebe zu, daß das in gewissem Maße der Fall sein kann und auch der Fall sein wird. Aber überall dort, wo nur wenige Produzenten vorhanden sind, wird sich zeigen, daß die auf einer verbotenen horizontalen Abrede beruhende Einführung der Preisbindung der zweiten Hand nicht bekämpft werden kann. Hinzu kommt, daß — wie beispielsweise im Textileinzelhandel — die Musterungszeiten oft so knapp bemessen sind, daß sich der Einzelhändler im Einkauf zwangsläufig auf Bedingungen einlassen muß, gegen die er sich im normalen Geschäft wehren könnte. Die Gefahr, daß die Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand tatsächlich zu einer ungeheuren Ausweitung der vertikalen Preisbindung führt, die
    letzten Endes auch das Ziel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen illusorisch machen könnte, bleibt bestehen.
    Meine Damen und Herren! Die ablehnende Haltung des Einzelhandels gegen die Freigabe der Preisbindung der zweiten Hand erklärt sich auch noch aus einer anderen Erfahrung der letzten Jahre. Wir haben wiederholt festgestellt, daß die Lieferanten von Erzeugnissen, für die die Einführung der Preisbindung der zweiten Hand nach unserer Meinung nicht gerechtfertigt war, im Ernstfall ihre eigene Verpflichtung zur Preiskontrolle und zur Erhaltung des Preisschutzes gegenüber vertragsbrüchigen Reversverpflichteten nicht beachten. Auch hier verfügen die Verbände über Material, aus dem Sie ersehen können, daß beispielsweise in einem Wirtschaftszweig schon die Tatsache, daß Verhandlungen über die Ermäßigung der Einfuhrzölle schwebten, ausreichend war, um auf Beschwerden über Einhaltung der Reversverpflichtungen nicht mehr zu reagieren. Wir haben auch festgestellt, daß schon bei einem leichten Nachlassen des Marktes eine Reihe von Firmen, die zumeist als Ersatz für früher bestehende horizontale Preisvereinbarungen die Preisbindung der zweiten Hand eingeführt hatten, die Meldungen über Preisunterbietungen nicht mehr verfolgt haben. Diese Entwicklung ist so stark gewesen, daß sie die Fachblätter des Handels monatelang mit Stoff versorgt hat.
    Damit ist klargestellt, daß die Preisbindung der zweiten Hand für den Handel unzumutbar ist, wenn sich der einzelne nicht darauf verlassen kann, daß sich der Produzent nachhaltig für den Preisschutz einsetzt. Die Stellungnahme des Handels
    zur Frage der Preisbindung der zweiten Hand kann nach diesen Erfahrungen nur die sein, daß alle vertikalen Preisbindungen abgelehnt werden, die sich nicht auf einen mit einem Herkunftszeichen versehenen Artikel erstrecken, für den ein Herstellungsschutz besteht, der Verkehrsgeltung hat und für den der Fabrikant laufend eine gewisse Werbung betreibt. Nur unter diesen Voraussetzungen kann das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand eingeräumt werden, das letztlich darauf beruht, daß „der Hersteller von gleichbleibenden Qualitätserzeugnissen durch eine zentrale Werbung einen Teil der Werbekosten für die Steigerung des Umsatzes seines Erzeugnisses übernimmt und hierdurch dem Einzelhändler die Möglichkeit gibt, weite Käuferschichten anzusprechen und dadurch auch seinen eigenen Vorteil zu er- höhen".
    Neben diesen grundsätzlichen Forderungen haben wir noch ein weiteres Anliegen, das ebenfalls durch die Erfahrungen der letzten Jahre begründet ist. Während früher die Industrie ein laufendes Gespräch mit dem Handel führte, ist heute auf allen möglichen Gebieten festzustellen, daß jeder Kontakt in Marktfragen fehlt. Das Zwielicht, in dem manche marktregelnde Vereinbarungen liegen, hat zwangsläufig dazu geführt, daß der Handel beispielsweise durch die „von einem führenden Werk vorgenommene Preiserhöhung" Kenntnis von Preiserhöhungen erhält, die merkwürdigerweise nach dem Vorgehen dieses „führenden Werkes" Bestandteil aller Zahlungs- und Lieferungsbedingungen des gesamten betreffenden Industriebereichs sind. Wir fürchten, daß diese Anonymität weiter bleibt, und legen deshalb besonderen Wert darauf, daß die Kartellbehörde allen Abnehmerorganisationen von allen Anträgen Mitteilung macht, die für sie wettbewerbsmäßig von Bedeutung sind. Hierzu gehört insbesondere die Bekanntgabe aller Anträge auf Genehmigung von Kartellvereinbarungen irgendwelcher Art.
    Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um die Bearbeitung derartiger Anträge zu erschweren. Mein Hauptanliegen ist, durch diese Unterrichtungspflicht gegenüber den Marktbeteiligten dafür zu sorgen, daß die Parteien wieder an einen Tisch kommen. Ich erinnere hierbei an das bewährte Verfahren des früheren Preisrechts bei der Behandlung von Anträgen auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 3 der Preisstoppverordnung. Hier ist in der Praxis kein Fall vorgekommen, in dem eine Preiserhöhung von der Behörde genehmigt warden wäre, ohne die Stellungnahme der Abnehmerkreise herbeizuführen.
    Eine solche Regelung beschleunigt die Bearbeitung bei der Behörde und dient deshalb auch dem Interesse der Industrie. Ich bemerke hierbei, daß die Anhörung des Handels, wie aller anderen marktbeteiligten Gruppen, selbstverständlich ist, wenn man beispielsweise bedenkt, daß das österreichische Kartellrecht die Veröffentlichung aller Anträge in Kartellsachen im Bundesanzeiger vorsieht. Vielleicht wäre das auch die beste Lösung, um eine Überlastung der Kartellbehörde mit Anträgen zu vermeiden.
    Schließlich weise ich noch auf eine empfindliche Lücke der Regierungsvorlage hin. Der Handel vermißt, wie ich bereits eingangs gesagt habe, in dem Gesetz die Zulassung von Vereinbarungen über lauteren Wettbewerb innerhalb eines Wirtschaftszweiges oder zwischen mehreren Wirtschaftszwei-


    (Illerhaus)

    gen. Wir haben hier in Besprechungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium wiederholt darauf hingewiesen, daß die Beschäftigung mit amerikanischen Kartellfragen das eine Gute gehabt hat, daß wir in Deutschland auf das Gemisch wirtschaftlicher Selbstverwaltung und staatlicher Kontrolle in Fragen des fairen Wettbewerbs aufmerksam gemacht worden sind. Auch uns fehlt das „Büro für wirtschaftliche Zusammenarbeit", das innerhalb der FTC besteht und die Berater eines Wirtschaftszweiges von Fall zu Fall einberuft, um Tatbestände des unfairen Wettbewerbs festzulegen. Aus dem Studium einzelner Unterlagen haben wir ersehen, daß dieses Verfahren tatsächlich geeignet ist, Wettbewerbsmißbräuche zu verhindern. Als Beispiel erwähnen wir hier die Wettbewerbsregelung für das Lebensmittelgewerbe, die 1952 erlassen worden ist. Sie umfaßt alle Unternehmer und Firmen, die mit dem Verkauf von Lebensmitteln zu tun haben, und schließt Fabrikanten, Groß- und Kleinhandel, Versandhandel und alle am Absatz von Lebensmitteln beteiligten Wirtschaftskreise ein. Sie enthält das Verbot der Preisdiskriminierung, der Gewährung nicht durch Leistung gerechtfertigter Rabatte und auch ein Verbot des Unter-Selbstkosten-Verkaufs. Außerdem läßt sie Vereinbarungen zu, die sich auf die Einhaltung von Lieferverpflichtungen beziehen, ferner Vereinbarungen, die den Ausgleich von Kostenanalysen betreffen, und schließlich auch die Verpflichtung zur Austragung von Streitigkeiten vor Schiedsgerichten. Auch der leidige, in starkem Ausmaß durch Betriebsräte und Betriebsangehörige betriebene Werks- und Behördenhandel könnte hierbei geregelt werden.
    Wir wissen, daß im Bundeswirtschaftsministerium die vom Bundesrat in seiner 153. Sitzung am 21. Mai 1954 geforderte Verordnung zum Schutze des Leistungswettbewerbs durch Wettbewerbsregeln eingehend erörtert worden ist. Hierbei hat eine besondere Rolle die Empfehlung des Deutschen Industrie- und Handelstages auf der Volltagung im April 1954 gespielt, „angesichts des verschärften Leistungswettbewerbs besondere Maßnahmen zum Schutze der Lauterkeit im Wettbewerb zu treffen". Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat hierbei in erster Linie die Zulassung von Wettbewerbsregeln gefordert, durch die nicht nur Praktiken ausgeschaltet werden, die schon nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen unlauter sind, sondern auch Wettbewerbsmethoden bekämpft werden, die als volkswirtschaftlich unerwünscht und bedenklich gelten, über deren rechtliche Unzulässigkeit aber bei den Gerichten noch keine klare Meinung besteht, Um so verwunderlicher ist es, daß die Regierungsvorlage dieser Anregung des Bundesrates und des Rechtsausschusses des Deutschen Industrie- und Handelstages nicht gefolgt ist. Wie ich schon sagte, ist das auch deshalb bedauerlich, weil die Vereinbarungen von Wettbewerbsregeln nicht nur eine Lücke im allgemeinen Wettbewerbsrecht ausfüllen, sondern auch durch das Gespräch am runden Tisch wettbewerbsfördernd wirken.
    Wie sich aus der Stellungnahme der Regierung auf Seite 87 der Drucksache 1158 ergibt, ist sie in der Frage der Vereinbarung von Wettbewerbsregeln allerdings der Ansicht,
    daß das Abwarten des Abschlusses dieser Erörterungen den Fortgang der Beratung des
    Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im gegenwärtigen Zeitpunkt
    nicht aufhalten sollte. Sie zieht deshalb vor,
    diesen Fragenkomplex zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Erörterung zu stellen.
    Ich betone ausdrücklich, daß der Handel, soweit ich von meinen Freunden gehört habe, in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Industrie, dieser Auffassung nicht ist. Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus einem Vortrag, den Generaldirektor Otto A. Friedrich am 18. Juni 1954 anläßlich des 50jährigen Jubiläums der „Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Technischen Händler" gehalten hat, folgende Ausführungen zitieren. Er sagte:
    Ich glaube, behaupten zu dürfen, daß ich Amerika besser kenne als mancher Prophet des Liberalismus, weil ich dort selbst geschäftlich tätig gewesen bin und weil mein Unternehmen auch heute die engsten Beziehungen zur amerikanischen Wirtschaft unterhält. Mir ist der amerikanische Rechtsschutz gegen Diskriminierungen im Wettbewerb aus der Praxis bekannt. Unter Diskriminierungen sind Unterbietungen zu verstehen, die den einen Abnehmer unbillig vor dem anderen bevorzugen. Wer weiß, wie ernst die Amerikaner dieses Problem nehmen, seit ihre Wettbewerbsfreiheit große Krisen bestehen mußte, der weiß auch, welchen gewaltigen Behördenapparat sie für diese Aufgabe einsetzen. Deshalb habe ich 1949 Professor Erhard nahegelegt, die Verhältnisse in Amerika durch eine Studienkommission untersuchen zu lassen, um sich ein Bild darüber zu machen, wie ein Land, das durch Wettbewerbsfreiheit groß geworden ist, diese Dinge gesetzlich und institutionell auf Grund jahrzehntelanger, teilweise sehr bitterer 'Erfahrungen geregelt hat. Professor Erhard ist meiner Anregung gefolgt und hat zu diesem Zweck eine Kommission nach drüben geschickt, die einen ausführlichen Bericht erstattet hat. Leider sind aus den Erkenntnissen keinerlei Folgerungen für die Gestaltung der deutschen Wettbewerbsgesetzgebung gezogen worden.
    Ich glaube, daß die rechtliche Verankerung einer solchen Ermächtigung zum Abschluß von Vereinbarungen gegen den unlauteren Wettbewerb auch dazu beitragen wird, der Kartellbehörde ihre Arbeit grundsätzlich zu erleichtern.
    In diesem Zusammenhang ist für alle wichtig, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die Kartellbehörde in Streitfällen nur dann eingreifen sollte, wenn alle Möglichkeiten zur friedlichen Beilegung innerhalb der Wirtschaft selbst ausgeschöpft sind.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir fordern deshalb die Wiedereinführung von Einigungsämtern, die bis zum. Jahre 1934 mit größtem Erfolg unter wechselnder Besetzung seitens der Industrie, des Großhandels und des Einzelhandels dazu beigetragen haben Marktstreitigkeiten durch Aussprache zwischen den Beteiligten zu bereinigen. Erfreulicherweise scheint nach meinen Informationen die Wiedereinführung der obligatorischen Einigungsämter nach § 27 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gesichert zu sein. Im Hinblick auf die oben erörterten Wettbewerbsregeln weise ich zu dieser erfreulichen Tatsache darauf hin, daß die erfolgreiche Arbeit dieser Einigungsämter noch eine außerordentliche


    (Illerhaus)

    Vertiefung erfahren würde, wenn sie auf Grund von Wettbewerbsregeln tätig werden könnten, die einwandfrei sagen, was fair und was unfair ist.
    Ich habe mich in meiner Stellungnahme auf die wesentlichen Fragen beschränkt, die den Einzelhandel interessieren. Hierbei bedaure ich, daß ich bei meinen Ausführungen die Vorschläge der Kollegen Höcherl und Böhm nur am Rande berücksichtigen konnte, da sie mir zu spät zugegangen sind, um sie eingehend mit zu erörtern. Selbstverständlich werden auch diese beiden Vorschläge gewissenhaft geprüft werden müssen, insbesondere im Hinblick darauf, wieweit die vom Kollegen Höcherl beabsichtigte Generalklausel den in meinen Ausführungen aufgezeigten Forderungen entspricht.
    Die nun einsetzende Beratung in den Ausschüssen wird noch eine Fülle von Problemen aufwerfen, die nur gelöst werden können, wenn sie aus der Zielsetzung unserer so erfolgreich vom Gedanken der freien Marktwirtschaft getragenen Wirtschaftspolitik. betrachtet werden. Es kommt darauf an, die freie Entfaltung des Leistungswettbewerbs auf der Grundlage freier Wettbewerbsverhältnisses zu sichern. Wenn sich alle Beteiligten in dieser Zielsetzung einig sind, muß es gelingen, ein Gesetz zu schaffen, daß für uns alle und für ,die gesamte deutsche Wirtschaft von Nutzen ist.

    (Beifall in der Mitte.)