Rede von
Adolf Franz
Samwer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich als Sprecher der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE bemühen, meine Bemerkungen zur Frage eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — kurz, aber zu eng „Kartellgesetz" genannt — recht schlicht zu fassen, da ich meine, diese Frage ist im bisherigen Verlauf der Parlamentsbehandlung allzu reichlich mit Theorien verbrämt worden, während es sich doch letztlich um sehr nüchterne, praktische Vorgänge in der Wirtschaft handelt.
Das allgemeine Ziel ist die Sicherung eines bestmöglichen Funktionierens der Wirtschaft, insbesondere d e s Teils der Gesamtwirtschaft, den wir als „Marktwirtschaft" bezeichnen. Sie steht unter dem übergeordneten Grundsatz, daß sie sozial verpflichtet ist. Dementsprechend sollen die wirtschaftlich Schwächeren, vor allem die Verbraucher, vor Kartellnachteilen angemessen geschützt werden.
Ich möchte als gleichgewichtigen wirtschaftlichen Gesichtspunkt hinzufügen, daß die Unternehmungen der Produktion und der Verteilung selbst leistungsfähig bleiben müssen.
Die Vorlagen reichen von der klassischen Theorie des Kartellverbots mit den vier Voraussetzungen für Ausnahmen in dem Entwurf des Herrn Professor Böhm über das grundsätzliche Verbot im Entwurf der Bundesregierung mit den vielen, praktisch als notwendig erkannten Ausnahmen zu dem Entwurf des Herrn Kollegen Höcherl mit der Registrierpflicht und der Bekämpfung der Mißbräuche bis zum eindeutigen Kartellverbot. Dazu kommen noch die Änderungsanträge des Bundesrates und die Stellungnahme der Bundesregierung. Aus all diesen Unterlagen habe ich den Eindruck gewonnen, daß keiner den Machtmißbrauch von Kartellen will und daß man sich nur über die beste Methode und das zweckmäßigste Verfahren streitet, wie gerade der Mißbrauch weitestgehend verhindert werden kann.
Hiermit wird man sich im zuständigen Ausschuß für Wirtschaftspolitik sachlich und ernst befassen müssen. Ich zweifle nicht, daß daraus etwas Brauchbares entstehen kann, wenn man die Theorien weitestmöglich beiseite läßt und einen praktischen Weg zum Erreichen des anerkannten Zieles anstrebt.
Der Bundestag ist entgegen der Bundesregierung in seiner Entscheidung völlig frei, wie ich mir schon aus Anlaß der Aussprache über die Pariser Verträge festzustellen erlaubt habe.
Gestatten Sie mir wenige kritische Bemerkungen zu einigen Ausführungen, die im Verlaufe der bisherigen Kartellbehandlung im Hohen Hause gemacht worden sind. Schon die zahlreichen Ausnahmen von einem Kartellverbot, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, beweisen, daß Kartelle nicht umbedingt und 'durchaus nicht in jedem Falle „artwidrige Fremdkörper" einer Marktwirtschaft, wie sie tatsächlich besteht, sind.
Das mag in der Vergangenheit in der Hochkonjunktur der liberalistischen Wirtschaftsepoche mit ihrem Laissez-faire, laissez-aller vielleicht so gewirkt haben; in unserem komplizierteren modernen Wirtschaftsapparat mit seiner sozialen Verpflichtung sind Abreden zum Teil sogar notwendig, um das allseits anerkannte Ziel sicherzustellen.
Ich halbe in unserer Zeit wiederhoit den Eindruck gewonnen, daß der Wettbewerb — vielleicht aus den schweren Substanz- und Eigenkapitalverlusten des Zusammenbruchs heraus — unter dem Gesichtswinkel, Geschäfte um jeden Preis zu machen, heute häufig an die untere Preisgrenze führt und ruinös werden könnte, wenn nicht der einzelne Wettbewerber zur Selbstbesinnung kommt oder, soweit diese wirklich verlorengegangen sein sollte, eine vernünftige Abrede zur notwendigen Stabilisierung führt, bevor ernsteste Schwierigkeiten entstehen.
Den Verbrauchern ist nicht damit gedient, daß erst Katastrophen eintreten, aus denen dann nur unerwünschte und vermeidbare Preiserhöhungen herausführen könnten. Diese Betrachtung gilt weniger den Großunternehmungen und Konzernen als mittelständischen Betrieben, insbesondere auch des Handels, die ausnahmslos zur alten Solidität zurückfinden sollten. Gerade für sie könnten befristete Abreden zur notwendigen inneren Stärkung akut werden, Abreden, die man nicht mit dem falschen Hinweis auf einen politisch anrüchigen „Kollektiv "begriff ,diffamieren sollte.
Grundsätzlich stelle ich folgendes fest. Wir billigen dem Staat eine notwendige Kontrolle und ein wirksames Einschreiten bei Mißbrauch auf dem Kartellgebiet zu, ohne aber die Wirtschaft mit vermeidbaren Auflagen belastet wissen zu wollen — so sollte man der Wirtschaft ohne weiteres Bewegungsfreiheit beispielsweise für zweckmäßige Normung oder ähnliches geben — und ohne einer Mammutkartellbehörde das Wort zu reden, die einen kostspieligen, allumfassenden Papierkrieg mit Endlos-Formularen führen könnte.
Über den endgültigen Weg - oder besser: über die Wege —, mit dem geringsten Aufwand die Allgemeinheit vor wirklich schädlichen Kartellen zu schützen, wollen wir uns erst entscheiden, wenn das Für und Wider der einzelnen Möglichkeiten auch an Hand symptomatischer praktischer Beispiele im zuständigen Ausschuß ausreichend geklärt worden ist.
Zu einem Wirtschaftsgebiet lassen Sie mich bitte, meine Damen und Herren, noch eine persönliche Bemerkung machen; ich stehe ihm aus meinem früheren Beruf nahe, ohne Interessent zu sein. Es handelt sich um die Versicherungswirtschaft. Diese untersteht, wie. Sie wissen, in der entscheidenden Erstversicherung seit über 50 Jahren einer Staatsaufsicht, jetzt dem Bundesamt für das Versicherungswesen in Berlin. Die Aufsicht hat sich über die gewerbepolizeiliche Kontrolle seit Jahrzehnten zu einer materiell äußerst wirksamen Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmungen entwikkelt, ohne die unternehmerische Initiative der Versicherungsunternehmungen zu beeinträchtigen. Der Bundesrat hat recht, wenn er empfohlen hat, diesen Wirtschaftszweig aus dem Kartellgesetz herauszunehmen und ihn wie bisher durch die erfahrene Aufsichtsbehörde kontrollieren zu lassen.
Wenn man aber grundsätzlich keine Ausnahme hinsichtlich der Kartellüberwachung machen will, so ist dringend anzuraten, die Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen ,gleichzeitig zum Kartellamt zu machen, wodurch ein kostspieliger Dualismus mit seinem wirtschaftshindernden Leerlauf vermieden wird. Jeder, der den Dualismus aus den Zeiten des Preiskommissars kennt, weiß, welche Triumphe eine zähe Bürokratie gegeneinander nutz- und sinnlos gefeiert hat. Solange seinerzeit kein Geringerer als Dr. Karl Goerdeler Preiskommissar war, hat er von sich aus die Versicherungswirtschaft freigestellt und die damalige Reichsaufsichtsbehörde erfolgreich wirken lassen. Es blieb der fortgeschrittenen nationalsozialistischen Wirtschaftsdurchdringung vorbehalten, den Dualismus in Reinkultur durchzuführen. Folgen Sie sinngemäß der klugen Entscheidung Dr. Goerdelers und
Grundsätzlich kann ich nur sagen, daß wir für den in der Wirtschaft Tätigen volle Freiheit beanspruchen. Eine Ausnahme hiervon kann nur dann zulässig sein, wenn besonders gefährliche Tatbestände eine Überwachung oder Behinderung bestimmter Vorgänge in der Wirtschaft durch den Staat erfordern.
Hier ist es nun interessant, meine Damen und Herren, daß Herr Kollege Höcherl in seinen Ausführungen in der vergangenen Woche selbst zugab, daß es tatsächlich gefährliche Arten von Kartellen gibt, bei denen eine Sonderbehandlung angebracht ist. Diese Worte des Herrn Kollegen Höcherl könnten deshalb auch für eine Verbotsgesetzgebung angeführt sein, die eben wegen der grundsätzlichen Gefährlichkeit von Vereinbarungen zur Beschränkung des Wettbewerbs die Nichtigkeit und folgerichtig das Verbot solcher Vereinbarungen anstrebt.
Nach meiner Auffassung ist aber ein grundsätzliches Verbot der Kartelle nur möglich, wenn man Vereinbarungen von Wettbewerbsregeln zum Schutz des Leistungswettbewerbs zuläßt. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Norwegen, Osterreich, Schweden, Schweiz und Kanada die Kartellfrage vom Standpunkt der Milßbrauchsgesetzgebung zu lösen versuchen.
Die Vereinigten Staaten, die als einziges Land die Zulässigkeit von Kartellen verneinen und sie deshalb grundsätzlich verbieten, haben Wettbewerbsregeln zugelassen. Wenn also Kartelle grundsätzlich verboten werden sollen, müßte man als Aquivalent zur Sicherung des Leistungswettbewerbs auf jeden Fall Wettbewerbsvereinbarungen zulassen. Das ist ein für den Handel besonders wichtiger Punkt, auf den ich später noch zurückkommen werde.
In diesem Zusammenhang muß ich noch bemerken, daß es nicht richtig ist, die Frage der Berufsordnung mit der Kartellfrage zu verbinden, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Einbringung der Regierungsvorlage getan hat.
Die Berufsordnung, wie sie beispielsweise der Einzelhandel anstrebt, hat nichts mit einer Beschränkung des Wettbewerbs zu tun. Ich halte das für wichtig, weil die Kartellfrage ohnedies durch soviel Meinungen beeinflußt wird, daß man sie nicht noch unnötig mit der Problematik der Berufsordnung belasten sollte.
Unabhängig davon, wie sich der einzelne zur Verbots- oder Mißbrauchsgesetzgebung stellt, ist zu fordern, daß die erfahrungsgemäß besonders gefährlichen Tatbestände auf jeden Fall verboten werden. Nach der Ansicht des Handels, die sich teilweise mit den Vorschlägen des Kollegen Höcherl deckt, handelt es sich hierbei um folgende für die Wettbewerbsfreiheit gefährliche Tatbestände. Erstens: Vereinbarungen über Absatz- und Mengenbeschränkungen. Zweitens: Vereinbarungen über die Sperre eines Wettbewerbers oder von Gruppen von Wettbewerbern. Drittens: Vereinbarungen über Funktionsrabatte. Und viertens: Vereinbarungen über vertikale Preisbindungen, soweit sie nicht für sogenannte Markenerzeugnisse in gesetzlich genau umrissenem Rahmen zugelassen sind. Im einzelnen kann ich mir eine nähere Be(Samwer)
unterstellen Sie die Versicherungswirtschaft nur einer staatlichen Behörde, dem erfahrenen Bundesaufsichtsamt, das äußerstenfalls nach entsprechender Ergänzung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und entsprechenden Bestimmungen des Kartellgesetzes zugleich die Aufgaben des Kartellamts für die ihm unterstellten Versicherungsunternehmungen ohne bürokratischen Leerlauf voll zu erfüllen in der Lage ist!
Das Kreditwesen dürfte sich der Sache nach in einer ähnlichen Lage befinden. Hier müßte nur in Verbindung mit der Bank deutscher Länder und den Landeszentralbanken der zweckmäßigste Weg gefunden werden, die Landesaufsichtsbehörden — hier gibt es ja keine Bundesaufsichtsbehörde — zum Kartellamt für die Kreditunternehmungen auszubauen.
Meine Damen und Herren, diese Vorschläge sollten meiner Überzeugung nach gewissenhaft geprüft werden. Es kommt nicht darauf an, eine Universalbehörde neu zu schaffen, sondern darauf, für staatlich längst beaufsichtigte, spezifische Unternehmungen den sachlich besten und finanziell billigsten Weg für die Kartellkontrolle zu ebnen.