Rede:
ID0205004800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2050

  • date_rangeDatum: 20. Oktober 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Oktober 1954 2463 50. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Oktober 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2464 B Nachruf für den verstorbenen ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Lübke 2464 C Bechlußfassung des Bundesrats zum Gesetz über die Lastenausgleichsbank 2464 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 49, 56, 105 und 111 (Drucksachen 416, 857; 500, 899; 801, 895; 826, 898) . . . 2464 D Mitteilung des Bundesministers der Finanzen über die vollzogene Bestellung des Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehemaligen Artilleriearsenals und des ehemaligen Scheibenhofs in KielFriedrichsort 2464 D Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Kleindinst, Dr. Kihn, Klingelhöfer, Morgenthaler, Dr. Maier (Stuttgart), Ehren . 2465 A Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Verordnung über Auskunftspflicht (Drucksache 861) 2465 B Hoogen (CDU/CSU) 2465 B Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht . . 2465 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Revision des GATT-Abkommens in bezug auf Filmfragen (Drucksache 889 [neu]) . 2465 C Muckermann (CDU/CSU), Antragsteller (Schriftliche Begründung) . . 2496 Beschlußfassung 2465 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Jugendfragen über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundesjugendplan (Drucksachen 755, 78) in Verbindung Mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD (C betr. Errichtung eines Instituts für Jugendfragen (Drucksache 883) 2465 C Wienand (SPD), Antragsteller . . 2465 C Frau Keilhack (CDU/CSU), Bericht- erstatterin 2468 B Dr. Seffrin (CDU/CSU) 2470 A Herold (SPD) 2471 A Kutschera (GB/BHE) 2473 A Hübner (FDP) 2474 C Pöhler (SPD) 2476 A Kemmer (Bamberg) (CDU/CSU) . . 2477 D Frau Schanzenbach (SPD) 2478 B Josten (CDU/CSU) 2478 C Gedat (CDU/CSU) 2479 B Annahme des Antrags Drucksache 755 2480 B Überweisung des Antrags 883 an den Ausschuß für Jugendfragen und an den Haushaltsausschuß 2480 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 22: Juli 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein- kommen (Drucksache 894) 2480 C Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2480 C Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes (Drucksache 897) 2480 C Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht und an den Rechtsausschuß 2480 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 168 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drucksache 412); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 885; Umdrucke 192, 193) 2480 D, 2495 B Becker (Pirmasens) (CDU/CSU), Berichterstatter 2480 D Frau Heise (SPD) . . 2481 B, 2483 D, 2485 B Sabel (CDU/CSU) 2482 A, B, 2483 B, 2484 C, 2485 B Frau Finselberger (GB/BHE) . . . . 2483 A Dr. Gille (GB/BHE) 2484 B Abstimmungen 2485 A, B Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen zur Förderung und Festigung von Vertriebenenbetrieben und Flüchtlingsunternehmen (Drucksache 838) 2485 D Dr. Götz (CDU/CSU), Antragsteller 2485 D, 2491 C Reitzner (SPD) 2488 A Dr. Kather (GB/BHE) . . . 2490 B, 2491 D Dr. Preiß (FDP) 2493 D Sabaß (CDU/CSU) 2495 A Überweisung an die Ausschüsse für Heimatvertriebene, für Finanz- und Steuerfragen, für Geld und Kredit und für Wirtschaftspolitik 2495 C Nächste Sitzung 2495 C Anlage 1: Änderungsantrag des Abg. Sabel zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 168 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Umdruck 192) 2495 B Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 168 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Umdruck 193) 2495 B Anlage 3: Schriftliche Begründung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Revision des GATT-Abkommens in bezug auf Filmfragen (Drucksache 889 [neu]) 2496 Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage 1 Umdruck 192 Änderungsantrag des Abgeordneten Sabel zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 168 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drucksachen 885, 412) Der Bundestag wolle beschließen: In Art. I Nr. 1 sind im § 87 Abs. 2 Satz 1 an Stelle des Wortes „auch" die Worte „im Falle des § 168 a" einzufügen. Bonn, den 20. Oktober 1954 Sabel Anlage 2 Umdruck 193 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 168 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drucksachen 885, 412) Der Bundestag wolle beschließen: In Art. I Nr. 2 erhält § 168 a folgende Fassung: „§ 168 .a Abweichend von § 168 können Arbeitslose, die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung befugt im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder im Lande Berlin ausgeübt haben, ihren Wohnort außerhalb dieses Bereiches oder innerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 haben, den Antrag auf Arbeitslosenunterstützung bei dem Arbeitsamt stellen, das für den Beschäftigungsort vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zuständig war." Bonn, den 20. Oktober 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Muckermann zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betreffend Revision des GATT-Abkommens in Bezug auf Filmfragen (Drucksache 889 [neu]) 1. Anlaß. Am 28. Oktober 1954 beginnt in Genf die 9. GATT-Tagung. Im Rahmen dieser Tagung werden am 8. November die Verhandlungen über Änderungen des GATT-Abkommens aufgenommen werden. Es ist damit zu rechnen, daß auch die den Filmbetreffenden GATT-Bestimmungen in diesen Besprechungen mit dem Ziele einer Änderung beraten werden. So wird insbesondere die US-Delegation dem Vernehmen nach mit der Weisung versehen werden, eine schärfere Fassung des Art. IV, der die Einführung von Spielzeit-Quoten gestattet, zu verlangen. Der Artikel soll dahingehend geändert werden, daß künftig Spielzeit-Quoten nur noch in Ländern zulässig sein sollen, deren Filmindustrie noch im Aufbau begriffen ist. In gleicher Weise soll die US-Delegation die Änderung des Art. XII anstreben. Der Artikel sieht die Beschränkung von Importen von Filmen vor, falls die Devisenlage des betreffenden Landes es notwendig macht. Diese Bestimmung soll für Filme überhaupt in Fortfall kommen. Es ist unter Berücksichtigung dieser Umstände dringend angebracht, daß auch die deutsche Delegation mit konkreten Weisungen versehen wird, auf Änderung der den Film betreffenden GATT-Bestimmungen zu dringen, soweit diese Bestimmungen entweder diskriminierenden Charakter tragen oder der Entwicklung einer deutschen Filmproduktion mit marktkonformen Mitteln weitgehend hemmend oder einschränkend im Wege stehen. II. Bisherige Regelung. Nach den zur Zeit geltenden GATT-Bestimmungen können innere Maßnahmen zur Mengenkontrolle für belichtete Kino-Filme nur im Rahmen des Art. IV getroffen oder aufrechterhalten werden. Art. IV sieht hierfür die Form von Spielzeitkontingenten vor. Während diese Spielzeitkontingente in fast allen filmproduzierenden Ländern sehr erhebliche Quoten aufweisen — England 45 %, Frankreich 5 Wochen im Quartal, Italien 20 Tage im Quartal, Spanien auf je 6 Wochen eine Woche — und daneben noch weitere Maßnahmen zum Schutze der nationalen Filmindustrie in der Form von Synchronisationsabgaben oder Erstaufführungsabgaben bestehen und aufrechterhalten werden, hat sich die Bundesrepublik in den Zollzugeständnissen von Torquay dazu verpflichten müssen, im Falle der Einführung einer Spielquoten-Regelung gemäß Art. IV diese Quote nicht höher als 27 % anzusetzen. Dieses Zugeständnis trägt diskriminierenden Charakter, ganz abgesehen davon, daß es sich hier um eine handelspolitische Maßnahme und nicht um ein Zollzugeständnis handelt. III. Grundsätzlicher Standpunkt. Der Film, dessen Herstellung und Verbreitung sich nach allgemeinen wirtschaftlichen Gesetzen vollzieht und der dabei — wie jedes andere Wirtschaftsgut — den Charakter einer Ware trägt, befriedigt gleichwohl primär nicht materielle, sondern immaterielle Bedürfnisse. Er will unterhalten, entspannen, bilden, belehren. Unter Berücksichtigung dieses Charakters kann der Film auch im GATT nicht in vollem Umfange einem anderen Wirtschaftsgut gleichgestellt werden. Dies muß auch bei dem sonst allgemein gültigen Grundgesetz der Liberalisierung berücksichtigt werden. Auf jeden Fall aber ist zu verlangen, daß der deutsche Film nicht schlechter gestellt wird als der Film irgendeines anderen dem GATT beigetretenen Landes. Schlußfolgerung, Der Bundestag muß daher die Bundesregierung ersuchen, die deutsche Delegation auf der GATT-Konferenz mit bindenden Weisungen in dem Sinne zu versehen, daß sie bemüht bleibt, eine Beseitigung bzw. Abänderung all der Bestimmungen zu erreichen, die die Entwicklung des deutschen Films besonders erschweren, insbesondere a) Wegfall der diskriminierenden Einschränkung in den Zollzugeständnissen von Torquay oder, falls dies im Augenblick nicht erreichbar sein sollte, b) Eliminierung des Art. IV überhaupt, damit die Bestimmungen des Art. III des GATT auch für deutsche Filme in vollem Umfange wirksam werden können. Bonn, den 20. Oktober 1954. Muckermann
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
    Ich komme zur Abstimmung über Art. II in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
    *) Siehe Anlage 1. **) Siehe Anlage 2. Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
    Ich komme zur Abstimmung über Art. III in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
    — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
    Ich komme nunmehr zu Art. IV. Meine Damen und Herren, Sie haben den Änderungsantrag gehört, der dahin geht, die Worte „1. Dezember" durch die Worte „1. November" zu ersetzen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
    Wer nunmehr dem Art. IV in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
    Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. — Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
    Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet.
    Wir treten in die
    dritte Beratung
    ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
    Da Änderungsanträge zur dritten Beratung nicht vorliegen, komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist das Gesetz verabschiedet.
    Ich rufe auf Punkt 7 der heutigen Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Maßnahmen zur Förderung und Festigung von Vertriebenenbetrieben und Flüchtlingsunternehmen (Drucksache 838).
    Ich erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Dr. Götz.
    Dr. Götz (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der Ihnen auf Drucksache 838 vorliegt, beinhaltet Maßnahmen und Anregungen zur Förderung und zur Festigung der Heimatvertriebenenwirtschaft und von Flüchtlingsunternehmen. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die wir auf Grund der gegenwärtigen Situation der Heimatvertriebenenwirtschaft für dringend erforderlich halten, um Maßnahmen, die dazu dienen sollen, die Vertriebenenbetriebe aus ihrem derzeitigen sehr labilen Zustand herauszuführen und ihre Existenz zu festigen und zu sichern.
    Ich darf mir zu Beginn ein grundsätzliches Wort erlauben. Wenn ich hier von Heimatvertriebenenwirtschaft und von Flüchtlingsunternehmen spreche
    — und dabei denke ich an die Unternehmen der Sowjetzonenflüchtlinge —, so möchte ich damit keineswegs einer grundsätzlichen Differenzierung zwischen der einheimischen Wirtschaft und der Vertriebenenwirtschaft das Wort reden. Ich weiß, daß es nur eine Wirtschaft gibt und daß alle Wirtschaftsunternehmungen in ihr nach für alle geltenden Gesetzen und Prinzipien arbeiten. Die Heimatvertriebenenwirtschaft erhebt auch gar nicht — und ich möchte das mit Nachdruck sagen — den Anspruch, innerhalb der Gesamtwirtschaft eine Sonderstellung einzunehmen. Sie will ihre Aufgabe


    (Dr. Götz)

    als ein Teil der Gesamtwirtschaft im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft erfüllen. Aber sie muß dazu auch in der Lage sein. Mit dieser Feststellung möchte ich gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß sie es zur Zeit noch nicht ist.
    Es würde im Rahmen der Begründung meines Antrags und mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit zu weit führen, wollte ich Ihnen hier ein Bild entwickeln über die Eingliederung des heimatvertriebenen Mittelstandes in den vergangenen Jahren, über die dabei erzielten Erfolge, aber auch über die Mängel und Schwierigkeiten und über die gegenwärtige Situation der Heimatvertriebenenwirtschaft. Es wird dazu in den Ausschüssen, denen dieser Antrag überwiesen werden wird, an Hand von aufschlußreichem Material und statistischen Unterlagen hinreichend Gelegenheit und Zeit sein. Ich bin der Überzeugung, wir werden dabei zu dem klaren Ergebnis kommen, daß die Heimatvertriebenenwirtschaft heute keineswegs, wie das so oft bei einer etwas oberflächlichen Beurteilung behauptet wird, bereits saturiert ist oder eine Hilfe nicht mehr nötig hat, sondern daß sie, wie von einem guten Kenner der Verhältnisse einmal sehr zutreffend gesagt worden ist, in einer ständigen Krise lebt. Wer die Verhältnisse so, wie sie wirklich sind, kennt, der wird mir recht geben müssen, wenn ich sage, wir können dem Flüchtlingsunternehmer, der unter fast aussichtslosen Voraussetzungen, oft nur mit seinen Fähigkeiten und einer geradezu bewundernswerten Energie, ohne Eigenkapital und mit wenig Fremdkapital seinen Betrieb wiederaufgebaut hat, nicht Unmögliches zumuten. Wer die Verhältnisse kennt, wird mir recht geben, wenn ich sage, daß wir auch dem Flüchtlingsgewerbetreibenden, der hart um seine Existenz ringt, der einen täglichen Kleinkrieg um seinen Kredit zu führen hat — sei es mit der Hausbank, sei es mit den Behörden —, auf die Dauer nicht eine Belastung zumuten können, der er einfach nicht gewachsen ist. Sie werden mir recht geben müssen, wenn ich sage, wir können es uns auch aus volkswirtschaftlichen und aus politischen Gründen nicht leisten, daß ein beträchtlicher Teil der in den letzten Jahren mühsam errungenen Eingliederungserfolge wieder verlorengeht oder vergeblich gewesen sein soll. Es gibt viele Beweise dafür, daß in den Reihen der ostdeutschen Unternehmer Energien, Fähigkeiten, arbeitstechnische Erfahrungen und Kenntnisse schlummern, die für unsere Gesamtwirtschaft von unschätzbarem Nutzen sind. Sie brachliegen zu lassen, wäre ohne Zweifel ein Verlust für die gesamte Wirtschaft. Sie verkümmern zu lassen, wäre geradezu ein sträflicher Leichtsinn. Ich möchte hier nicht erschöpfend, sondern nur in großen Zügen etwas über die Ursachen der krisenhaften Situation — so nannte ich sie — der Heimatvertriebenenwirtschaft sagen und damit gleichzeitig unseren Antrag begründen.
    Welches ist die Hauptursache? Als die Hauptursache möchte ich den Mangel an Eigenkapital bezeichnen, unter dem die Heimatvertriebenenwirtschaft zu leiden hat. Eine Untersuchung der Kapitalstruktur der Heimatvertriebenenwirtschaft, vorgenommen durch das Institut für Weltwirtschaft an der Universität in Kiel und durch die Lastenausgleichsbank, hat klar ergeben, daß bei der überwiegenden Mehrzahl der Vertriebenenbetriebe der Eigenkapitalanteil nicht nur zu gering ist, sondern daß er auch eine starke rückläufige Tendenz aufweist.

    (Abg. Kuntscher: Hört! Hört!)

    Ich darf dafür nur ein Beispiel anführen, ein Beispiel aber, das für viele andere spricht. In der Industriegruppe Textil betrug der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme Ende 1951 24,8 %, Ende 1953 aber nur mehr 21,2 %. Nun lassen Sie mich zum Vergleich als Beispiel die einheimische Textilindustrie anführen, bei der noch im Jahre 1953 der durchschnittliche Eigenkapitalanteil 62 % betrug. Meine Damen und Herren, der Aufbau der Heimatvertriebenenwirtschaft kann doch wirklich nur dann erfolgreich sein und zu stabilen Verhältnissen führen — und das schwebt uns vor —, wenn den jungen Unternehmungen die Möglichkeit zu einer für die Herstellung ihrer Wirtschaftlichkeit notwendigen und auch ausreichenden Eigenkapitalbildung gegeben wird. Ohne Eigenkapital ist ein wirklich krisenfester Aufbau einfach nicht zu erzielen. Wenn heute schon aus der einheimischen Wirtschaft der Ruf nach der Ermöglichung verstärkter Eigenkapitalbildung laut wird, dann scheint mir die gleiche Forderung aus den Kreisen der Heimatvertriebenenwirtschaft um so berechtigter zu sein; denn in ihren Bilanzen bleibt nun einmal der Eigenkapitalanteil weit hinter dem der übrigen Wirtschaft zurück. Diese Tatsache ist unbestritten. Es wird heute auch anerkannt, daß hier ,ein Spezialproblem vorliegt, zu dessen Lösung ganz einfach besondere Maßnahmen erforderlich sind. Man könnte einwenden, daß Kredite und Beihilfen genügen würden. Nein. sie sind kein echter Ersatz für das fehlende Eigenkapital.
    Daher müssen andere Wege gefunden werden, um die Stabilität der Vertriebenenbetriebe und der Flüchtlingsunternehmen nicht nur in ihrem Interesse, sondern — ich möchte das betonen — im Interesse der Gesamtwirtschaft so schnell wie möglich herzustellen. Nun haben wir in § 73 des Bundesvertriebenengesetzes bestimmt, daß zum Zweck der Begründung und Festigung selbständiger Erwerbstätigkeit der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge Steuervergünstigungen gewährt werden. Durch diese Bestimmung sollte vor allem die Bildung von Eigenkapital gefördert werden. Durch die §§ 7 a, 7 e und 10 a des Einkommensteuergesetzes wurde dieser Bestimmung und dieser Absicht Rechnung getragen. Die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns nach § 10 a ist wohl die wesentlichste aus der Reihe dieser Vergünstigungen. Über den § 10 a kann wohl eine echte Kapitalbildung einsetzen, aber - das möchte ich hier betonen — doch nur in sehr eng gezogenen Grenzen. Er reicht in seiner jetzigen Gestalt nicht aus, um den gewünschten und notwendigen Erfolg in der Frage der Eigenkapitalbildung zu sichern.
    Welcher Weg führt nun eigentlich zum Ziel? Das ist die Frage, die einmal wirklich ernsthaft geprüft werden muß. Der vorliegende Antrag sieht die Möglichkeit von Erleichterungen bei den Ertragsteuern vor. Ich weiß, daß gegen Steuervergünstigungen immer Bedenken erhoben werden und daß auch hier Bedenken erhoben werden mit der Begründung, dies würde gegen die Notwendigkeit einer Steuervereinfachung und gegen das Prinzip der Steuergleichheit und der Steuergerechtigkeit verstoßen. Ich möchte mir aber erlauben, zu sagen, daß ich beide Argumente in diesem Fall nicht für durchschlagend halte. Es handelt sich doch hier wie überhaupt bei der Frage der Eingliederung der Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge um ein Problem von außerordentlicher Bedeutung. Das ist keine neue Erkenntnis, das ist eine Erkenntnis, die seit Jahren Allgemeingut ist. Aber wir


    (Dr. Götz)

    müssen daraus auch die Konsequenz ziehen. Die Konsequenz, angewandt auf die Frage, die mit diesem Antrag zur Debatte steht, ist einfach die, daß wir zur Lösung dieses Problems nunmehr auch den Mut zu außergewöhnlichen und ungewöhnlichen Maßnahmen haben müssen.
    Man sagt oft, solche Steuervergünstigungen, Steuervorteile und Sondervergünstigungen seien ohne Vorbild. Ich glaube das nicht. Aber selbst wenn es so wäre, darf man nicht vergessen, daß auch der heimatvertriebene Unternehmer wieder von neuem beginnen mußte und beginnen muß unter Voraussetzungen, die ebenfalls ohne Vorbild sind.

    (Abg. Stingl: Sehr richtig!)

    Im übrigen geht es der Heimatvertriebenenwirtschaft wirklich nicht darum, eine Sonderstellung zu haben. Es geht ihr nicht darum, eine ungerechtfertigte Steuervergünstigung zu bekommen, sondern es geht ihr lediglich darum, durch gewisse steuerliche Erleichterungen oder durch eine steuerliche Schonzeit überhaupt erst lebens- und wettbewerbsfähig zu werden. Es geht ihr darum, dadurch überhaupt erst die gleichen Startbedingungen zu bekommen. Daher halte ich Steuererleichterungen zugunsten der Heimatvertriebenenwirtschaft weder für eine Sünde gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft noch für ein Vergehen gegen das Prinzip der Steuergleichheit und der Steuergerechtigkeit.
    Ich leugne nicht die Animosität gegenüber steuerlichen Vergünstigungen. Sie ist gewiß nicht nur beim Herrn Bundesfinanzminister vorhanden. Ich glaube aber, wir sollten wirklich den Mut haben, diese Animosität zu überwinden, und wir sollten uns das nicht allzu schwerfallen lassen. Ich hoffe auch, daß der gute Wille dazu vorhanden ist und daß es nur darum geht, den richtigen Weg zu finden, der beiden Seiten, sowohl der Heimatvertriebenenwirtschaft als auch der anderen Seite, gerecht wird.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ob das Ziel nun über eine Erweiterung des § 10 a oder aber über eine steuerfreie Rücklagenbildung oder über andere zweckdienliche Maßnahmen erreicht werden kann, wird zu prüfen sein. Wir wollen mit der Ziffer 1 unseres Antrags dazu die Anregung gegeben haben und die Diskussion darüber in Gang bringen.
    Lassen Sie mich ganz kurz etwas zu Ziffer 2 unseres Antrags sagen. Wir halten die Bereitstellung ausreichender Mittel zur Finanzierung bestehender, aber auch noch zu schaffender Existenzen nach wie vor für dringend geboten. Daß bisher etwa 140 000 Vertriebenenbetriebe mit rund 400 000 Arbeitsplätzen geschaffen werden konnten, ist ohne Zweifel ein beachtlicher Erfolg. Aber damit kann die Eingliederung des heimatvertriebenen Mittelstandes, der heimatvertriebenen Unternehmungen, der Gewerbetreibenden noch keineswegs als abgeschlossen angesehen werden. Im Laufe der Jahre haben sich eine Reihe von Schwierigkeiten und Mängeln im Kreditverfahren herausgestellt. Es ist an der Zeit, diese Mängel nunmehr zu beseitigen. Mit der Ziffer 2 unseres Antrags wollen wir eine möglichst starke Konzentration aller für die Eingliederung der Heimatvertriebenenwirtschaft bereitzustellenden Mittel erreichen. Bei den Beratungen des Ausschusses werden sich wahrscheinlich auch eine Reihe von anderen Fragen ergeben, die einer gründlichen Erörterung bedürfen. Ich will hier nur einige nennen. Beispielsweise die Notwendigkeit einer Vereinfachung des Kreditverfahrens. Es sollte keinen unnötigen Kräfteverzehr im bürokratischen Verfahrensweg geben. Die Kompliziertheit der Verfahrenswege führt nicht nur zu sehr erheblichen Kreditnebenkosten für den vertriebenen Unternehmer, sondern meist auch zu einem Zeitverlust, der dann den Erwerb eines geeigneten Objekts oftmals überhaupt unmöglich macht.
    Auch die Frage der Absicherungsbedingungen wird geprüft werden müssen. Die Frage der Stellung von Sicherheiten ist für den Flüchtlingsbetrieb heute beinahe unlösbar geworden, weil Sicherungen verlangt werden, die einfach nicht da sind. An diesem Problem scheitern die meisten Kreditanträge und viele Eingliederungsbemühungen.
    Es bleibt noch ein Wort zur Frage der Umschuldung zu sagen. Auch diese Frage haben wir bereits im Bundesvertriebenengesetz angesprochen. Dort wird in § 72 bestimmt, daß zur Festigung selbständiger Erwerbstätigkeit auch die Umwandlung hochverzinslicher und kurzfristiger Kredite in langfristige zu günstigen Zins- und Tilgungsbedingungen ermöglicht werden soll. Die Notwendigkeit einer solchen Bestimmung ergab sich ganz einfach aus der außerordentlich hohen Zinsen- und Tilgungslast, die für den Vertriebenenbetrieb auf die Dauer untragbar ist. Die Laufzeit der Kredite ist im allgemeinen zu kurz; sie liegt im wesentlichen zwischen drei und zwölf Jahren. Dabei muß berücksichtigt werden, daß in den ersten Aufbaujahren die bewilligten Kredite von den Flüchtlingsunternehmen vor allem zur Investition verwandt werden mußten, auch wenn sie ihrer Laufzeit nach für den Zweck einer langfristigen Anlage gar nicht als geeignet angesehen werden konnten. Man mag das jetzt als einen Fehler ansehen; aber dieser Fehler muß aus der Anfangssituation der Eingliederung verstanden werden.
    Zur Festigung der Vertriebenenbetriebe ist eine Umschuldung unerläßlich. Wir haben in unserem Antrag den Vorschlag gemacht, eine Anleihe über die Lastenausgleichsbank in die Wege zu leiten, und zwar etwa in Höhe von 100 Millionen DM. Diese Anleihe soll ausschließlich dem Zwecke dienen, die eingefrorenen Kredite aus dem vergangenen Jahr umzuschulden, d. h. sie auf die Dauer von 20 oder wenigstens 15 Jahren zu strecken und den Zinssatz nicht höher als auf etwa 3 bis 4 % festzusetzen.
    Ich will hier nicht auf Einzelfragen eingehen, nicht auf die Frage der Bedingungen der Umschuldung, auf die Verfahrensfrage, auf die Frage der Voraussetzung für die Antragstellung usw. Ich möchte aber betonen, daß der Sinn dieser Umschuldung nicht sein soll, ungesunde oder lebensuntüchtige Betriebe zu sanieren, sondern daß der Sinn der Umschuldung sein soll, lebensfähige Betriebe zu fundieren.
    Zu Ziffer 4 des Antrags brauche ich nicht viel zu sagen. Statistisches Unterlagenmaterial ist für die Prüfung und Behandlung dieses Antrags unerläßlich. Wir haben mit Freude zur Kenntnis genommen, daß das Bundeswirtschaftsministerium eine umfassende Durchschnittsuntersuchung bei den Vertriebenenbetrieben durchführen wird, die uns eine wertvolle Unterstützung bei der Behandlung unseres Antrages sein wird.
    An das Bundesfinanzministerium möchte ich die Anregung geben, bei der Auswertung der Einkommensteuerveranlagung 1952 ff. die Bogen herauszunehmen, in denen der § 10 a zur Anwendung gekommen ist. Ich glaube, daß das einen wirklich guten Überblick ergäbe.


    (Dr. Götz)

    Zusammenfassend darf ich noch einmal betonen, daß es nicht in der Absicht der Heimatvertriebenenwirtschaft liegt, eine Dauerbetreuung zu erfahren und langfristige Privilegien zu erhalten, daß es auch nicht ihre Absicht ist, eine Flüchtlingswirtschaft innerhalb der Gesamtwirtschaft aufzubauen, sondern sie erstrebt im Gegenteil, und je eher um so besser, sich mit ihren Betrieben der Gesamtheit der Wirtschaft des Bundesgebietes einzufügen. Das Ergebnis ihrer Eingliederung soll dann ein echter Leistungswettbewerb zwischen gleichgestellten Wettbewerbspartnern zum Wohle der Allgemeinheit sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Reitzner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, ob es berechtigt ist, der sogenannten Heimatvertriebenenwirtschaft und den Flüchtlingsunternehmen gewisse Begünstigungen zuzubilligen, die Frage, ob es in der Wirtschaft überhaupt noch Sonderprobleme geben kann, —diese Frage wird oft gestellt, und sie wird natürlich auch beantwortet. Aber sie wird verschieden beantwortet, und es gibt Leute, die heute denken oder sagen werden, die Heimatvertriebenen wollten wieder ihre Extrawurst zugeteilt haben. Die Wahrheit ist doch die, daß es eben Sondersorgen und daß es im deutschen Wirtschaftskörper Sonderprobleme gibt. Wir haben darüber ja erst am 15. Oktober in diesem Hohen Hause anläßlich der Debatte über die Investitionshilfe gehört. Es gibt heute noch Sorgen der demontierten einheimischen Wirtschaft, und auch die Existenzsicherung des Mittelstandes beispielsweise ist wirtschaftlich und politisch sehr bedeutsam. Es geht also nicht darum, eine Extrawurst zugeteilt zu bekommen; es geht aber um etwas anderes. Es ist wahr, man soll die Zeit der Begünstigungen und Förderungen einzelner Wirtschaftszweige nach Möglichkeit abkürzen, und man soll das Problem natürlich im Rahmen des Gesamtbildes sehen. Es ist ja keine Offenbarung; jeder von uns weiß, daß gerade in unseren Tagen Sach- und Sonderprobleme in großer Zahl auf uns zukommen. Es ist Aufgabe einer wirklich planvollen Überlegung, diese Sonderprobleme auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
    Ich möchte also sagen, daß in dieser Hinsicht der Antrag der CDU/CSU sicher des Nachdenkens wert ist. Man soll darüber Überlegungen anstellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wann denn?)

    Aber, Kollege Kuntscher, ich finde, dieser Antrag ist nicht ganz zeitgemäß, ist nicht termingerecht. Er kommt mir ein bißchen spät. Außerdem habe ich das Gefühl: er zeigt Züge der Unsicherheit und der Unklarheit, und er hat kein Profil. Es steckt vieles Richtige in diesem Antrag. Aber was sollen wir mit ihm anfangen? Ich möchte nicht bei Reminiszenzen verweilen. Aber am 23. September, anläßlich der Debatte über die Große Anfrage der SPD betreffend Vertriebenen- und Flüchtlingsprobleme haben wir hier ja diese ganze Problematik erörtert und durchdiskutiert. Heute ist das eine Neuauflage. Ich hoffe — und das werde ich noch zum Schluß deutlich aussprechen —, daß es nicht wieder so geht wie nach dem englischen Sprichwort: Der Gong zum Mittagessen hat geschlagen, aber Mittagessen hat keins stattgefunden.
    Es geht wirklich darum, daß wir etwas Konkretes zeigen. Und darüber hinaus: da ist das Bundesvertriebenengesetz. Dort sind doch in den §§ 71, 72, 73 und 79 fast alle Voraussetzungen festgelegt, die Sie heute in Ihrem Antrag verlangen. Wahrscheinlich ohne es zu wollen, haben die Kollegen Götz und Kuntscher und die weiteren Antragsteller mit diesem Antrag indirekt und unausgesprochen zugegeben, daß der ganzen, sagen wir, Wirtschaft und Regierungspolitik die aufbauende gemeinsame Linie fehlt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist es ja eben. Man muß sich fragen: Warum sind denn bis jetzt so wenig Fortschritte in der Realisierung der §§ 71, 72, 73 und 79 des Bundesvertriebenengesetzes gemacht worden?

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Samwer: Zweijahresplan Oberländer!)

    Da zeigt sich der Verfahrensweg und die Verfahrenspraxis der Bürokratie. Aber wenn es beispielsweise um den § 13 geht — § 13 des Bundesvertriebenengesetzes betrifft .die Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen —, da könnte ich Ihnen sagen, wie fix die Ämter sind, einen Abschluß der Wirksamkeit dieses Paragraphen zu finden. — Nun, natürlich muß eine Beendigung in Sicht sein, selbstverständlich muß die Betreuung einmal ein Ende nehmen. Das ist ja der Sinn unseres Verlangens nach rascher Eingliederung.
    Ich will also nur sagen, daß es hier verschiedene Tempi gibt, bei § 71 anders als bei § 13.
    Meine Freunde und ich haben — lang, lang ist's her! — im Jänner 1952 den Antrag gestellt, 500 Millionen DM für diese Zwecke zur Verfügung zu stellen. Das ist der sogenannte Odenthal-Plan gewesen. Und was ist geschehen? Unter Vorantritt des Bundesfinanzministeriums ist dieser Antrag zu Grabe getragen worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.) Das war der Tatbestand.

    Ich begrüße es, daß man auch von seiten der CSU diesen Antrag stellt. Wir haben ja auch im April dieses Jahres anläßlich der Tagung der heimatvertriebenen Wirtschaft dazu gesprochen. Ich habe damals die Grundsätze, die Sie da verlangen, im Namen meiner SPD-Freunde entwickelt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auch dort seine Verbeugungen gemacht und Beteuerungen ausgesprochen. Bis heute habe ich aber nicht viel davon gehört, was daraufhin geschehen ist. Das ist nämlich der Punkt, über den wir uns noch ganz konkret unterhalten müssen, daß wir aus dem Zustand dieser unverbindlichen Beteuerungen herauskommen.

    (Zuruf von der SPD: Platonische Liebeserklärungen!)

    Ich glaube, Zustimmung auf allen Bänken zu erhalten, wenn ich sage, daß das Verlangen nach Förderung und Festigung der Vertriebenenbetriebe und Flüchtlingsunternehmungen die Stärkung der gesamtdeutschen Wirtschaftskraft und insbesondere die Unterstützung der mit Flüchtlingen und Vertriebenen überbelasteten Länder bzw. der uns allen bekannten Notstands- und Grenzlandgebiete bezweckt.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)



    (Dr. Götz)

    Dies würde der Milderung der strukturellen Arbeitslosigkeit dienen.
    Trotz der saisonbedingten Erleichterungen auf dem Arbeitsmarkt, die ich begrüße, müssen wir doch sagen, daß die heute zur Debatte stehenden Betriebe konsolidiert werden müssen, weil sie nicht krisenfest sind und bei der ersten wirtschaftlichen Erschütterung zu Fall kommen können. Daran ist die Gesamtwirtschaft sehr interessiert. An die saisonbedingten Erleichterungen kann man nicht die Hoffnung knüpfen, daß sie von Dauer sein werden, weil der Schwerpunkt der Arbeitslosigkeit heute noch in den mit Vertriebenen und Flüchtlingen überbelegten Ländern, also auch in den Notstandsgebieten liegt.
    Die Industriebetriebe, die heute zur Diskussion stehen, haben wichtige volkswirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen. Sie wurden bei ihrer Gründung 1946, 1947 oder 1948 und 1949 durch die Gemeinden und die Länder und dann durch den Bund deswegen gefördert, weil sie einen wertvollen Beitrag zur Ergänzung ihrer wirtschaftlichen Struktur zu leisten versprachen und auch leisteten. Aus der Notwendigkeit, die besonderen deutschen Nachkriegsprobleme zu bewältigen, entwickelte sich nicht nur ein Sektor der freien Wirtschaft, sondern es zeigte sich auch die Notwendigkeit, den Sektor der Vertriebenenbetriebe zu fördern und zu unterstützen. Unter den Betrieben dieses Sektors befinden sich auch solche Industrien, die bis 1945 im Bundesgebiet überhaupt nicht oder nur spärlich vorhanden waren. Ich weise insbesondere auf die folgenden Industriezweige hin: Glas- und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Lederhandschuhe, Spielwarenerzeugung, Strümpfe usw. Viele von ihnen haben heute eine sehr ansehnliche Exportleistung aufzuweisen. Ein einziges Beispiel sei aus der Fülle dieser Exportleistungen herausgegriffen: die Gablonzer Glas- und Schmuckwarenindustrie, die sogenannten Neu-Gablonzer Betriebe, deren Exportleistung im Jahre 1953 10 300 000 Dollar und in den ersten neun Monaten dieses Jahres 7 300 000 Dollar betragen hat.

    (Abg. Samwer: Viel wichtiger sind die Betriebe, denen es schlecht geht! — Abg. Haasler: Für diese Debatte jedenfalls!)

    — Darauf komme ich noch. Ich wollte damit nur den Anteil an der Gesamtwirtschaft zeigen, der ja auch wichtig ist.
    Nun, Herr Samwer, zu der Frage der Vertriebenen- und Flüchtlingsunternehmungen, denen es schlecht geht. Dr. Götz hat — ich werde das nicht wiederholen — einen fundamentalen Mangel aufgezeigt, nämlich das Fehlen von genügendem Eigenkapital und die Tatsache, daß es zuviel kurzfristige und zuwenig mittel- und langfristige Kredite gibt. Der Kollege Götz hat beispielsweise die verschiedenen Textilindustrien miteinander verglichen. Aber auch allgemein ist die Situation nach den Erhebungen so, daß bei den Vertriebenen- und Flüchtlingsbetrieben die Bilanzen höchstens 20 bis 22 % Eigenkapital aufweisen. Das mittel- und langfristige Fremdkapital beträgt heute noch 33 % und das kurzfristige Fremdkapital sogar 45 %. Das ist doch ein sehr ungesunder Zustand.
    Ja, dann krachen Vertriebenenbetriebe und Flüchtlingsunternehmungen zusammen, und man fragt sich, wo denn die Ursache dieses Zusammenbrechens liegt. Von einigen sehr wenigen üblen Fällen abgesehen, wo die menschliche Unvollkommenheit mitspielt, ist der Hauptgrund das Fehlen an Eigenkapital, nämlich die generelle und qualitative Unterfinanzierung. Wir wissen ja, wie das gemacht wurde. Aus der Not der Zeit und aus den Verhältnissen heraus wurde ein Mann auf das Amt gerufen, und man hat gesagt: „Sie brauchen 12 000 Mark, aber wir haben keine 12 000 Mark für Sie. Wir sind zur Breitenstreuung gezwungen. Vielleicht fangen Sie mit 6 000 Mark an. Versuchen Sie nur, es wird schon mit 6 000 Mark gehen." „Na ja", hat er gesagt, „ich versuch's". Er ist mit seinen 6 000 Mark abgezogen, und es ging nicht. Die 6 000 Mark waren auch beim Teufel. Dann gibt's Engagements, nicht nur der öffentlichen Hand, Engagements auch der Wirtschaft. Engagement-Verbindungen sind ja sehr viele. Hinzu kommen bei diesen Betrieben noch die Kettenreaktionen aus einem Gefühl der Solidarität, sei es des gleichen Schicksals oder der Heimatverbundenheit, und aus einer anderen Zwangslage heraus. Man hat natürlich mit Personen aus der alten Heimat, Lieferanten usw. Verbindungen aufgenommen. Die plumpsen nun auch mit in die Kettenreaktion hinein, und es zeigt sich eben mit nüchternen, kaufmännischen und wirtschaftlichen Augen gesehen ein sehr ernster, krisenhafter Zustand: unbezahlte Rechnungen, Wechselschulden, Lieferantenschulden,

    (Abg. Samwer: Unzureichende Betriebsmittel!)

    — ich komme darauf zurück —, nicht davon zu reden, daß natürlich bei der Gründung die Anfangsgeschwindigkeit gering war.
    Es gibt noch ein anderes sehr wesentliches Moment. Wer da zugeschaut, selber dringesteckt hat, der kennt doch den Weg, der oft vom Pferdestall und Bunker zum Betrieb führte mit unvollkommenen, eben nur — gestatten Sie mir dieses Wort — zusammengeschusterten Maschinen. Das war auch, wie Sie wissen, ein großes Handicap. Aber viel wichtiger scheint mir folgendes, und hier zeigen sich jetzt die Unterlassungssünden in unserer Gesetzgebung und die Unterlassungssünden bei der Regierung. Ich denke nur an den Lastenausgleich. Wäre er früher und effektiver eingetreten, hätten wir viele dieser Schwierigkeiten nicht gehabt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dies ist alles recht spät gekommen. Vieles muß nachgeholt und irgendwie aufgeholt werden. Man muß diese Unternehmungen konsolidieren, und wir müssen neben der Verbreiterung des Eigenkapitals die Umschuldung befürworten, die Umwandlung von kurzfristigen Krediten in lang- und mittelfristige, damit wir bei einem niedrigeren Zinssatz auch gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Darum geht es und um nicht mehr, um keine Vorrangstellungen.
    Darüber hinaus möchte ich sagen: die bisherige, traditionelle Form der Besicherungsvorschriften ist nicht mehr haltbar. Sie muß auch geändert werden, weil der hohe Anteil des Fremdkapitals mit zu hoher Verzinsung den Nachweis eines Reingewinns verhindert. Das Fehlen eines Reingewinns aber verhindert, daß mit Hilfe der Vergünstigungen der Fremdkapitalanteil verringert wird. So entsteht ein Circulus vitiosus, aus dem schwer herauszukommen ist, wenn nicht eine rasche Umschuldung vor sich geht. Ich glaube, die Aktion für die Berliner Wirtschaft sollte ein nachahmenswertes Beispiel sein.


    (Reitzner)

    Erst später wird sich zeigen — nicht jetzt; es fehlen die Unterlagen und die Ergebnisse einer Statistik —, ob und wann der Abbau steuerlicher Begünstigungen anzustreben ist und wie dieser Wirtschaft außerhalb der Steuerreform geholfen werden kann. Ich denke da an § 10 a und an § 33 a. Weil die Auswirkungen dieser Maßnahmen noch nicht bekannt sind, begrüße ich auch die Forderung der Antragsteller unter Ziffer 4, solche Erhebungen durchzuführen.
    Wir müssen aus der Sphäre der unverbindlichen, oft gehörten Beteuerungen herauskommen. Die Leistung und der Einsatz der Arbeitskraft der Arbeiter aus den Vertreibungsgebieten — das muß auch einmal gesagt werden — war ebenso enorm und anerkennenswert wie der Einsatz ihrer einheimischen Kollegen. Dieser Aufbauwille, der sich oft mit der Initiative vieler Unternehmer, mit ihren kaufmännischen, organisatorischen Fähigkeiten glücklich gepaart hat, hat es trotz mangelhafter und schlechter Startbedingungen doch dazu gebracht, daß heute 9000 industrielle Betriebe in der Vertriebenenwirtschaft fast 400 000 Personen beschäftigen. Daher muß im Interesse der Gesamtwirtschaft die Konsolidierung dieser Betriebe abgeschlossen werden. Das ist ein Gebot der Stunde, weil Rückschläge zu erwarten sind, wenn es ernste Störungen geben sollte, — und die kann es eines Tages geben!
    Wir müssen uns also fragen: Was kann geschehen? Soll es bei der heutigen Diskussion bleiben — jeder wird seine Verbeugungen machen —, oder können wir diese Wanderdüne — das ganze Problem ist doch eine Wanderdüne — einmal zum Stehen bringen, d. h. dafür sorgen, daß auf dieser Wanderdüne einmal etwas Grünes wächst? Ich möchte daher den ernsten Appell an das Hohe Haus richten, der Anregung und meinem Antrag heute zuzustimmen, den vorliegenden Antrag sofort dem Ausschuß für Heimatvertriebene, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik, dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und dem Ausschuß für Geld und Kredit zuzuweisen, damit sich die betreffenden Ausschüsse unverzüglich an die Arbeit machen können und damit dieses vieldiskutierte Problem endlich wenigstens teilweise zu einem befriedigenden Abschluß kommt.

    (Beifall bei der SPD.)