Rede von
Karl
Hübner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind hier wohlwollende Gedanken für die Jugend entwickelt worden, denen wir uns voll anschließen. Ich möchte aber doch herausstellen, daß diese wohlmeinenden Gedanken für die Jugend nicht ,das Eigentum einer einzelnen Partei sind,
sondern daß sie zweifelsohne Gemeingut des ganzen Hauses sind.
Ich halte es für sehr wesentlich, daß wir bei unserer Arbeit für die Jugend davon ausgehen, daß wir im Vergleich zu den Methoden, die in den letzten Jahrzehnten wirksam waren, einen völlig neuen Weg beschreiten. Damit meine ich, daß wir uns in erster Linie davon abwenden sollten, etwa Illusionen zu wecken. Denn die Skepsis der Jugend — darüber sollten wir uns wohl klar sein — ist lediglich darauf zurückzuführen, daß sie in den vergangenen Jahrzehnten ständig Illusionen ausgesetzt war, die sie auf einen völlig falschen Weg geführt haben. Ich selbst und meine Freunde haben für diese Skepsis der Jugend auch gegenüber den Maßnahmen der Regierung durchaus Verständnis. Wir haben Verständnis dafür, weil uns die Eigenwilligkeit der Jugend imponiert, und das ist gerade für meine Freunde und für mich nicht so sonderbar. Als Vertreter einer liberalen Partei wollen wir ja solche Eigenwilligkeiten durchaus sehen und fördern.
— Das nehme ich sehr gerne zur Kenntnis, Herr Kollege; dann finden wir uns auf derselben Basis zusammen.
Nun möchte ich aber gerade in diesem Zusammenhang doch auf einige Äußerungen zurückkommen, die vorhin bei der Begründung des Antrags auf Schaffung eines Instituts für Jugendfragen abgegeben worden sind. Es ist ja doch in einer, ich muß zumindest sagen, sehr bemerkenswerten Weise
darauf hingewiesen worden, daß man das herausstellen sollte, was vielleicht in der Sowjetzone besser ist. Es wurde dann noch einmal betont, man sollte doch sehen, was in der Sowjetzone besser geregelt sei als bei uns. Nun habe ich mir bei diesen Worten vorzustellen versucht, wie diese Äußerungen wohl in den Ohren eines Jugendlichen in der sowjetischen Besatzungszone klingen mögen.
Ich bin sehr davon überzeugt, daß derartige Äußerungen größte Verwunderung auslösen werden. Wenn man schon glaubt, Vergleiche ziehen zu müssen, dann sollte man doch nicht darauf verzichten, auf die Vorteile, auf die Gewinne hinzuweisen, die die Jugend in der Bundesrepublik dank der Politik der Bundesregierung in Anspruch nehmen kann.
Wenn wir eine Lösung für die Probleme der Jugend suchen, dann müssen wir wohl davon ausgehen, daß diese Lösung nicht auf organisatorischem Gebiet gefunden werden kann. Wir sollten vielmehr immer nur ein Stimulans geben, um das ureigene Wesen der Jugend anzuregen, damit die Jugend sich ihren eigenen Lebensrahmen zu schaffen in der Lage ist.
Nun lassen Sie mich einiges zu der Kritik sagen, die hier an der bisherigen Behandlung der Jugendfragen geübt worden ist. Wir haben uns insgesamt im Ausschuß sehr wohl Gedanken darüber gemacht, ob die jetzige Organisation die richtige ist. Dabei sind wir doch wohl zu der Erkenntnis gekommen, daß wesentliche Gründe dafür sprechen, die jetzige Lösung im Prinzip beizubehalten. Nicht zuletzt sind wir doch zu dieser Erkenntnis dadurch gekommen, daß wir einsehen mußten, daß das Ministerium als Zentrale mit seinen Verbindungen zu den Ländern erstens eine bessere Kenntnis der Situation besitzt, als sie über ein Zwischenglied — eben durch eine Organisation, die etwa der Bundeszentrale für Heimatdienst nachgebildet ist — gewonnen werden kann. Zweitens haben wir uns auch damit beschäftigen müssen, daß bei der Verausgabung und Bewirtschaftung von Mitteln in der Höhe des doch nicht unbeträchtlichen Betrags von 30 Millionen DM natürlich äußerste Sorgfalt angewandt werden muß, wobei alle Kontrollmöglichkeiten wahrzunehmen sind. Es ist doch nun einmal so, daß Kontrollen nur wirksam werden, wenn man die Zweckbindung von Mitteln aufrechterhält. Es kann sich also nur darum handeln, in der Zukunft den Einsatz der Mittel gut, richtig und vorausschauend zu planen. Zu diesem Ergebnis wird man kommen können, weil die Mittel über das Kuratorium und den Aktionsausschuß mit den Jugendverbänden festgesetzt werden. Der Wunsch, dem Parlament einen größeren Einfluß auf die Mittelvergabe einzuräumen, ist durch die jetzige Regelung jedenfalls in etwa berücksichtigt worden. Wir werden sehen müssen, ob dieser Einfluß 'ausreichen wird oder nicht.
Hier ist einiges — ich glaube, etwas verfrüht — zu einzelnen Positionen im Bundesjugendplan gesagt worden. Ich möchte hier nur mit ganz wenigen Sätzen auf das eingehen, was gesagt worden ist. Ich glaube, daß der Bundesjugendplan sehr wohl in der Zukunft in seiner Unterteilung sehr starke Veränderungen erhalten muß.
Vor allen Dingen sollte man einen Faktor etwas mehr in den Vordergrund rücken, der meiner Meinung nach bisher nicht genügend herausgestellt worden ist. Ich bin nämlich der Ansicht, daß der Sport doch einen wesentlichen Faktor in der ganzen Jugendbildung darstellt. Man muß sich hier natürlich vor den Auswüchsen des Sports hüten. Ich denke hier lediglich an den Sport in seiner edelsten Bedeutung als Leibesübung. Wir sollten uns doch wirklich darüber klar sein, daß in dieser Form der Sport der Weg zum Geist und Charakter ist. Wir sollten dem Sport eine genügende Förderung im Rahmen an anderer Stelle frei werdender Mittel zukommen lassen.
Von einem meiner Vorredner ist darauf hingewiesen worden, daß die Facharbeiterfrage eine wesentliche Bedeutung gewinnen wird. Ich schließe mich dem an. Wir haben hier ein Reservoir zu berücksichtigen, das die Lösung dieser Frage etwas erleichtern wird: das sind die weiblichen Jugendlichen. Wie die Erkenntnisse beweisen, die nicht zuletzt in meiner Heimat, in Berlin, gewonnen worden sind, können den weiblichen Jugendlichen zweifelsfrei noch weite Berufskreise zugänglich gemacht werden, in denen sie bisher noch keinen Einfluß hatten oder in denen sie noch nicht Fuß fassen konnten.
— Ich höre hier Einsprüche. Überlegen Sie bitte folgendes. Sie erreichen dadurch, daß Sie weiblichen Jugendlichen eine Facharbeiterausbildung geben, eine große Krisenfestigkeit für die spätere Ehe. Man sollte diese Möglichkeit nicht zu gering einschätzen.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir uns sehr eifrig dafür verwendet haben, daß den Jugendorganisationen im Bereich des Steuerwesens die gebotene Erleichterung gewährt wird. Unlängst ist, wenn ich recht unterrichtet bin, im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen eine Entschließung gefaßt worden, die eine Neuordnung der Besteuerung der Jugendorganisationen fordert. Ich hoffe, daß diese Arbeit in dem sicherlich von allen Parteien des Hauses gewünschten Sinne zu Ende geführt wird.
Zur Frage der Kontaktnahme der Jugend der Bundesrepublik mit der Jugend der sowjetischen Besatzungszone kann ich nur erklären, daß dies eine Notwendigkeit ist. Hier sind wohl alle Parteien dieses Hauses von der gleichen Sorge erfüllt. Dieser Verkehr wird sicherlich von allen gefördert werden, denn über die Jugend beider Gebiete haben wir den wirksamsten Kontakt für die Deutschen beiderseits des Eisernen Vorhangs.
Der Versuch einer Lösung der Jugendfragen kann nur darauf abgestellt sein, einen Rahmen zu finden, in dem sich die Jugend ihr Haus selbst baut und selbst einrichtet. Wir müssen dabei von der Erkenntnis ausgehen, daß die Jugend in unserem Volk nicht nur die Phase der Vorbereitung auf das Leben durchzumachen hat, sondern auch ein vollberechtigtes und vollwirksames Glied unserer Gemeinschaft darstellt, auf das wir nicht verzichten können, wenn uns in unserer Gemeinschaft nicht etwas fehlen soll.
Meine Damen und Herren, zum Schluß noch dies: wir sind uns doch wohl alle darüber einig, daß, wo die Jugend heute steht, entscheidend dafür ist, wo Deutschland morgen steht.