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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1954 1043 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. April 1954. Geschäftliche Mitteilung en . . . . 1046 A, 1092 C, 1101 D, 1141 A Gedenkworte des Präsidenten für die Todesopfer des Bergunglücks der Heilbronner Schüler und Lehrer und für ihre Hinterbliebenen und Dank für die an dem Rettungswerk Beteiligten 1046 B Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg Schuler, Höcker, Horn, Ladebeck, Gerns, Ritzel, Dr. Bartram, Cillien, Arnholz . . 1046 D Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1046 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 15, 39, 42, 43, 47, 50, 52, 54 (Drucksachen 144, 460; 342, 485; 383, 463; 384, 461; 408, 471; 426, 491; 438, 479; 457, 490) 1046 D Vorlage des Berichts des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über Maßnahmen betr. Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges (Drucksache 465) 1047 B Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und der Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1952/1953 (Drucksache 464) 1047 B Mitteilung über Vereinbarung im Ältestenrat betr. Behandlung von Fragen der Fragestunde, die wegen Abwesenheit des zuständigen Bundesministers oder seines Vertreters in der Fragestunde unerledigt bleiben 1047 C Fragestunde (Drucksache 477): 1. betr. Material zur Bewertung der Rede des Herrn Chruschtschew und zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in der Sowjetunion: Dr. Lütkens (SPD) . . . 1047 C, D, 1048 A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 1047 D, 1048 A 2. betr. Artikel in der Zeitschrift „Außenpolitik" und Vermeidung der Benennung Frankreichs als Partner des Potsdamer Abkommens sowie Auslegung des Begriffs „Vereinbarungen von 1945" in der amtlichen Begründung zum Bonner Vertrag vom 26. Mai 1952: Dr. Lütkens (SPD) 1048 B, C, D Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 1048 B, D 3. betr. Unterbindung des Schlachtens von Hunden und Katzen zum Zwecke des Verzehrs: Dr. Leiske (CDU/CSU) 1049 A, C, D, 1050 A Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 1049 B, D Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 1050 A 4. betr. Vorschriften zum Schutz der Volksgesundheit im Bereich der Milchwirtschaft: Frau Nadig (SPD) 1050 A, C Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 1050 A, C 5. betr. Fischereischutzboote für die Fanggebiete der deutschen Hochseefischerei: Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1050 C Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . . 1050 D 6. betr. Steuererleichterung für den Schaustellerstand: Ruhnke (SPD) 1051 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1051 A 7. betr. Bereitstellung von Mitteln für den Ausbau des Albaufstiegs auf der Autobahnstrecke von Aichelberg bis Hohenstadt (Kreis Göppingen): Finckh (CDU/CSU) 1051 B, C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1051 B, D 8. betr. Vorlage des Entwurfs eines neuen Bundesbesoldungsgesetzes: Jahn (Frankfurt) (SPD) 1051 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1051 D 9. betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzgerichtsbarkeit: Dr. Bucher (FDP) 1052 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1052 A 10. betr. Öffnung einer für das Auswärtige Amt bestimmten Kuriersendung durch eine Zoilkontrollstelle: Dr. Lütkens (SPD) 1052 B 11. betr. Teilnahme des Kulturattachés der Deutschen Botschaft in Paris von Tiechowitz an der Französisch-Deutschen Pädagogentagung Pfingsten 1953 in Paris: Dr. Lütkens (SPD) . . . 1052 C, D, 1053 A Dr. Hallstein , Staatssekretär des Auswärtigen Amts . . . . 1052 C, D, 1053 A 12. betr. Anwendung der Richtlinien des Bundesministeriums der Finanzen zur Neuregelung von Nutzungsentschädigungen für von der Besatzungsmacht beschlagnahmte landwirtschaftliche Nutzflächen: Kahn-Ackermann (SPD) . . 1053 B, C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1053 B, C, D 13. betr. Verwendung und Aufbewahrung des Forschungsguts des früheren Reichsinstituts für Inner-Asien-Forschung in München: Miller (CDU/CSU) 1053 D Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 1054 A 14. betr. Fährverbindung Cuxhaven-Brunsbüttelkoog (Fährschiff „Niedersachsen") : Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . . 1054 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1054 B 15. betr. Nichtberücksichtigung eines der vom Bayerischen Verkehrsbeamtenverein in München vorgeschlagenen Vertreters für den Postverwaltungsrat: Kramel (CDU/CSU) . . . . 1054 D, 1055 C Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . 1055 A, C 16. betr. Maßnahmen zum Schutze der in den ostfriesischen Inselbädern ortsansässigen Einzelhandelsbetriebe gegen Beeinträchtigungen durch Filialbetriebe von Großunternehmungen des Festlandes während der Saison: Kortmann (CDU/CSU) 1055 B, C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1055 C, D 17. betr. Zustände an den Postämtern Reinheim und Reichelsheim im Odenwald: Banse (SPD) 1055 D Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . 1055 D 18. betr. Unterlassung einer Erhöhung der Beförderungsgebühren für Päckchen in die sowjetisch besetzte Zone: Becker (Hamburg) (DP) 1056 C Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . . 1056 D 19. betr. Maßnahmen zur Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes in den deutsch-schweizerischen Grenzkraftwerken des Oberrheins: Faller (SPD) 1057 A Storch, Bundesminister für Arbeit 1057 A 20. betr. Ablauf der Konzession der Privatbahn Hetzbach-Beerfelden (Odenwald) und weitere Sicherung der Personen- und Güterbeförderung auf dieser Strecke: Banse (SPD) 1057 C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1057 C 21. betr. Ausbau der Elb-Fährverbindung Glückstadt—Wischhafen: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 1054 C, D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1054 C, D 22. betr. Maßnahmen zur Förderung des Wiederaufbaus von Räumungsgrundstücken: Dr. Hesberg (CDU/CSU) 1057 B Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 1057 B 23. bis 41.: Wegen Zeitablaufs der Fragestunde schriftliche Beantwortung vorgesehen 1057 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Saarfrage (Drucksache 340; Entschließungsantrag Drucksache 493) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betr. Entwicklung der außenpolitischen Lage (Drucksache 488) 1057 D Dr. Mommer (SPD), Anfragender 1058 A, 1070 D, 1071 A Dr. Kopf (CDU/CSU), Anfragender 1060 C Zur Geschäftsordnung, — Frage der Verbindung der Beratung der Punkte 2 und 3 der Tagesordnung: Dr. von Brentano (CDU/CSU) 1061 B, 1062 A Dr. Menzel (SPD) 1061 B Präsident D. Dr. Ehlers 1062 B Verbindung beschlossen 1062 C Fortsetzung der Beratung der Großen Anfragen 340 und 488 in weiterer Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Auswirkungen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf die Wirtschaft der Bundesrepublik (Drucksache 455) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Ausschusses zur Beratung von Vorschlägen gemäß Art. 96 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 459) 1061 B, 1062 C Dr. Deist (SPD), Anfragender . . . . 1062 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 1067 B, 1070 D, 1071 A, B Dr. Mommer (SPD) 1070 D, 1071 A, 1124 D Ollenhauer (SPD) 1076 D Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 1085 D Dr. Pfleiderer (FDP) . . . . 1092 C, 1095 D Dr. Lütkens (SPD) 1095 C, 1120 C Seiboth (GB/BHE) 1098 D Dr. von Merkatz (DP) 1101 D Freiherr Riederer von Paar (CDU/CSU) 1107 D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 1110 A Walz (CDU/CSU) 1114 C Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 1115 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 1117 D, 1120 C, 1126 B Trittelvitz (SPD) 1126 C Dr. Pohle (Düsseldorf) (CDU/CSU) 1127 D Dr. Kreyssig (SPD) 1130 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1136 C Scheel (FDP) 1139 B Abstimmung vertagt 1140 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 1. Juli 1953 über die Errichtung einer Europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung (Drucksache 394) 1140 A Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 1140 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 14. Dezember 1953 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden (Drucksache 397) . . . 1140 A Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 1140 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953 (Drucksache 469) . . 1140 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 1140 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zollabkommen vom 30. Dezember 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen (Drucksache 470) 1140 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 1140 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache 156); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 337) 1140 B Dr.-Ing. E. h. Schuberth (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 1142 Beschlußfassung 1141 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Abg. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) u. Gen. betr. Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Drucksachen 334, 170) 1141 C Walz (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 1144 Beschlußfassung 1141 D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr Betriebskostenpauschale für freie Berufe (Drucksache 418) 1141 D Beschlußfassung 1141 D Nächste Sitzung 1141 A, D Anlage 1: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksachen 156, 337) 1142 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Abg. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) u. Gen. betr. Reiseverkehr milt dem Saargebiet (Drucksachen 334, 170) 1144 Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 1 Seite 1142. **) Siehe Anlage 2 Seite 1144. Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 26. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) zum Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksachen 337, 156) Berichterstatter: Dr.-Ing. E. h. Schuberth Die Bundestagsdrucksache 156 enthält den Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. 11. 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen. Neben diesem Entwurf liegt eine Begründung dazu und weiter der von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 21. 11. 1947 gebilligte Text des Abkommens vor. Es handelt sich dabei um folgendes. I. Die Bundesrepublik ist bekanntlich Mitglied einiger der sogenannten Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, z. B. der Internationalen Arbeitsorganisation, der UNESCO, der Weltgesundheitsorganisation, des Internationalen Fernmeldevereins. In anderen Sonderorganisationen arbeitet die Bundesrepublik mit, ohne formell Mitglied zu sein, so z. B. in der Organisation für internationale zivile Luftfahrt, im Weltpostverein. Bis jetzt fehlt es an einer Rechtsgrundlage, die den Organisationen, in denen die Bundesrepublik Mitglied ist oder an deren Arbeiten sie teilnimmt, diejenigen Vorrechte und Befreiungen zukommen läßt, welche nach internationaler Übung den Organisationen und ihrem Mitarbeiterstab in anderen Staaten gewährt werden. Die Bundesregierung mußte schon bisher einigen Sonderorganisationen ohne die besagte Rechtsgrundlage Vorrechte und Befreiungen in beschränktem Rahmen einräumen, so z. B. der OEEC, der CARE-Organisation, der Liga der Rotkreuzgesellschaften, der Schweizer Europahilfe. Die Zugeständnisse waren dann notwendig, wenn eine Sonderorganisation im Gebiet der Bundesrepublik etwa eine Zweigstelle errichtete, so z. B. die Zweigstelle der Internationalen Arbeitsorganisation in Bad Godesberg, oder wenn eine Organisation in Deutschland Grundbesitz erwarb oder Bankkonten eröffnete oder schließlich, wenn eine Organisation im Gebiet der Bundesrepublik eine Tagung abhielt. Der Beitritt der Bundesrepublik zu dem Abkommen soll jetzt für solche Maßnahmen die Rechtsgrundlage schaffen und auch die Möglichkeit geben, über die schon bisher eingeräumten Befreiungen und Vorrechte hinaus die Beziehungen der Bundesrepublik zu anderen Sonderorganisationen auf eine einwandfreie Grundlage zu stellen. Zur Zeit wird verhandelt über Verträge mit der Arbeitsgemeinschaft der Skandinavischen Wohlfahrtsverbände, dem Weltkirchenrat, dem Lutherischen Weltbund, der World's Young Men's Christian Association und der National Catholic Welfare Conference. Zu dem Inhalt des Abkommens sei zunächst bemerkt, daß es weitgehend dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats ähnelt. Im Gegensatz dazu ist das Abkommen für die Sonderorganisationen ein Rahmenabkommen. Es wird für die einzelnen Organisationen je nach der Interessenlage durch Anhänge ergänzt. Die Rechtsstellung, die der einzelnen Sonderorganisation zukommt, ergibt sich also aus dem Abkommen und dem Anhang. Die wesentlichsten Bestimmungen des Abkommens sind in den Artikeln II, III, V und VI enthalten. Die Artikel II und III befassen sich mit der Rechtsstellung, die der Organisation als solcher gewährt wird. Danach erhält die Sonderorganisation die Qualifikation einer Rechtspersönlichkeit. Sie kann also Verträge abschließen, Vermögen erwerben und darüber verfügen. Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden (Art. II § 3). Die völkerrechtliche Stellung der Organisation behandelt Art. III. Die hier zusammengefaßten Vorschriften geben den Sonderorganisationen die Freiheit, ihren Aufgaben in voller Unabhängigkeit von einzelnen Mitgliedern gerecht zu werden. Das heißt: die Sonderorganisationen sind für ihr Vermögen von der Gerichtsbarkeit befreit. Ihre Räumlichkeiten und Archive sind unverletzlich. Ihre Guthaben, ihre Einkünfte unterliegen nicht den direkten Steuern, und schließlich sind sie auch bezüglich der zum Amtsgebrauch bestimmten Gegenstände von allen Zöllen, Ein- und Ausfuhrverboten freigestellt. Art. III § 7 sieht auch eine Befreiung von devisenrechtlichen Beschränkungen vor. Das kann aber in vollem Umfange für die Bundesrepublik nicht gelten. Deshalb macht Art. 1 des Beitrittsgesetzes einen Vorbehalt zu § 7 b. Dies bedeutet aber nicht, daß die Sonderorganisationen ihre in der Bundesrepublik befindlichen Guthaben und Devisen usw. (Dr.-Ing. E. H. Schuberth) nicht transferieren dürfen. Der Transfer bedarf nur der nach deutschem Recht erforderlichen Genehmigung. Die persönlichen Vorrechte und Befreiungen sind Gegenstand der Vorschriften in Art. V und Art. VI. Art. V behandelt die Vorrechte und Befreiungen für die Vertreter der Mitgliedstaaten, die an Tagungen der Sonderorganisationen teilnehmen. Die Vertreter der Mitgliedstaaten sollen sich in voller Freiheit zum Tagungsort begeben, vom Tagungsort zurückkehren und auf der Tagung ihres Amts walten können. Art. V sieht deshalb die Befreiung von Verhaftung und Festnahme auf der Reise nach und vom Tagungsort, die Unverletzlichkeit aller Papiere und Schriftstücke, die Befreiung von fremdenpolizeilichen Vorschriften sowie eine Immunität für alle Äußerungen bei der Ausübung des Amts vor. Die Freiheiten, welche in dieser Weise den Vertretern der Mitgliedstaaten eingeräumt werden, gelten nicht im Verhältnis zu demjenigen Staat, dem der Vertreter angehört oder den er bei der Sonderorganisation zu vertreten hat (§ 17). Die Vorrechte und Befreiungen, die die Beamten der Sonderorganisationen erhalten haben, sind nach der Funktion, die der einzelne Beamte ausübt, abgestuft. Die Leiter der Sonderorganisationen genießen volle diplomatische Immunitäten für sich und ihre Familienangehörigen (§ 21). Die übrigen Beamten sind von der Gerichtsbarkeit befreit in bezug auf amtliche Äußerungen und Handlungen. Sie sind befreit von der Einkommensteuer, von fremdenpolizeilichen Vorschriften und vom Zoll für die erstmalige Überführung ihres Hausrats. Außerdem genießen sie eine bevorzugte Behandlung bei der Devisenbewirtschaftung. Welchen Beamten diese Befreiungen zustehen sollen, bestimmt jede Organisation für sich. Der Generalsekretär der Sonderorganisation hat die Namen der Beamten, die solche Befreiungen erhalten sollen, den Mitgliedsregierungen mitzuteilen (§ 18). Art. VII §§ 24 und 25 schafft Vorkehrungen, die es erlauben, einem Mißbrauch der Vorrechte zu begegnen. Von Interesse ist schließlich Art. IX, der ein Verfahren vorsieht, nach dem Streitigkeiten auf dem Gebiet des Vertragsrechts geschlichtet werden oder auch Streitigkeiten, an denen ein mit Immunitäten begabter Beamter beteiligt ist. Der Beitritt der Bundesrepublik wird dadurch wirksam, daß die Beitrittserklärung bei dem Generalsekretär der Vereinten Nationen oder dem Leiter der betreffenden Sonderorganisation hinterlegt wird. Das Abkommen wird jeweils im Verhältnis zwischen dem Staat und der in Frage stehenden Sonderorganisation wirksam. II. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt nicht nur den Beitritt der Bundesrepublik zu dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, sondern macht es im Art. III der Bundesregierung möglich, durch Rechtsverordnung Vorrechte und Befreiungen auch anderen zwischenstaatlichen Sonderorganisationen sowie ausländischen Wohlfahrtsorganisationen und ihren ausländischen Vertretern im Bundesgebiet zu gewähren. Solche amtlichen zwischenstaatlichen Organisationen sind z. B. internationale Schiedsgerichte, die mit dem Sitz in der Bundesrepublik errichtet werden, so der Schiedsgerichtshof des Londoner Schuldenabkommens. Ausländischen Wohlfahrtsorganisationen hat die Bundesregierung schon in der Vergangenheit auf Grund besonderer Abmachungen Steuer- und Zollvergünstigungen einräumen müssen (z. B. CARE, CRALOG, LICROS usw.); siehe Begründung des Gesetzentwurfs auf Seite 4. III. Aus allgemein politischen, aus rechtlichen, aber auch vielleicht aus moralischen Gründen sollte die Bundesrepublik dem Abkommen beitreten. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf mit der Maßgabe zugestimmt, daß in Art. III Satz 3 die Worte eingefügt werden sollen: „mit Zustimmung des Bundesrats". Dieses Verlangen des Bundesrats scheint berechtigt; die Bundesregierung hat hiergegen auch nichts einzuwenden gehabt. Die Berlin-Klausel in Art. IV sollte die jetzt übliche Fassung erhalten, nämlich: Dieses Gesetz gilt auch im Lande Berlin, wenn das Land Berlin die Anwendung dieses Gesetzes feststellt. Bonn, den 29. April 1954 Dr.-Ing. E. h. Schuberth Berichterstatter Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 26. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (35. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) und Genossen betreffend Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Drucksachen 334, 170) Berichterstatter: Abgeordneter Walz Der Bundestag hat mit Beschluß vom 12. Juli 1950 die Bundesregierung aufgefordert, sich für die Aufhebung des Paß- und Visumzwangs im Reiseverkehr mit dem Saargebiet einzusetzen. Die daraufhin eingeleiteten Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission führten mit Wirkung vom 1. Januar 1951 zur Aufhebung des Visumzwangs. Der Paßzwang blieb bestehen. Das neue Bundesgesetz über das Paßwesen vom 4. März 1952 schreibt einen Paßzwang nur für Deutsche vor, die das Bundesgebiet über eine Auslandsgrenze verlassen oder betreten. Nach deutschem Recht besteht daher für die Ausreise von deutschen Staatsangehörigen aus dem deutschen Bundesgebiet in das Saargebiet oder für die Einreise von Saarbewohnern deutscher Staatsangehörigkeit aus dem Saar- in das Bundesgebiet kein Paßzwang. Bei der damaligen Beratung des neuen Paßgesetzes im Ausschuß des Bundestages für Angelegenheiten der inneren Verwaltung bestand daher Übereinstimmung darüber, daß rechtlich gegenüber dem Saargebiet ebensowenig ein Paßzwang für Deutsche in Frage kommt wie beim Übertritt über die Sowjetzonengrenze. Der Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) und Genossen betreffend Reiseverkehr mit dem Saargebiet vom 8. Januar 1954 ist nach einem Beschluß des Bundestages dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen federführend unter Mitbeteiligung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überwiesen worden. In einer Sitzung vom 9. Februar 1954 beschloß der mitbeteiligte Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung daraufhin, dem federführenden Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen folgende Formulierung zu empfehlen: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, den Reiseverkehr zwischen dem Saargebiet, den unter vorläufiger Auftragsverwaltung stehenden Westgebieten und dem Bundesgebiet nach den Gepflogenheiten des innerdeutschen Reiseverkehrs zu regeln. Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen hat in seiner Sitzung vom 16. März 1954 diese Formulierung gutgeheißen und beschlossen, sie als Antrag dem Bundestag vorzulegen. Als Berichterstatter empfehle ich Ihnen, in diesem Sinne zu beschließen. Bonn, den 29. April 1954 Walz Berichterstatter
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, nach meinen parlamentarischen Erfahrungen kommen wir viel weiter, wenn diese Zwischenrufe wegbleiben. Sie können ja noch antworten, solange Sie wollen.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Ich wiederhole, was ich eingangs gesagt habe: man wird es in diesem Hause und in der ganzen Öffentlichkeit verstehen, wenn ich erkläre, daß es, wenn man mitten in Verhandlungen mit einer anderen Regierung ist, ganz unmöglich erscheint, im Parlament in allen Fragen seinen Standpunkt mitzuteilen,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und beim GB/BHE)

    ehe diese Verhandlungen, sei es so, sei es so, zum
    Abschluß gekommen sind. Aber ich habe weiter gesagt — und ich bleibe dabei, ich wiederhole es —, eine endgültige Lösung, die eine Entscheidung über die Grenzen des deutschen Staatsgebietes zum Inhalt hat, kann nur in einem Friedensvertrag erfolgen, der mit einer gesamtdeutschen Regierung frei auzuhandeln ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Heiland: Das nehmen Sie ja selbst nicht ernst!)

    Ich glaube, darin liegt doch die Antwort auf die Frage, die mir soeben gestellt worden ist.

    (Abg. Dr. Mommer: Nein!)

    Ferner ist jede Lösung an die Zustimmung der Saarbevölkerung gebunden. Schließlich muß die Lösung wahrhaft europäisch sein. Es darf sich also nicht darum handeln, den Status quo zum Schein mit einem europäischen Mantel zu verkleiden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Auch müssen die Menschenrechte und Grundfreiheiten, so wie sie in der europäischen Menschenrechte-Konvention definiert sind, unzweideutige und uneingeschränkte Anerkennung finden.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Es darf endlich kein neuer Staat zu den vorhandenen europäischen Staaten geschaffen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Lösung ist auch an die Verwirklichung einer
    Europäischen Politischen Gemeinschaft gebunden.

    (Sehr richtig! in der Mitte und beim GB/BHE.)

    Endlich muß zwischen der deutschen Wirtschaft, die bisher in diskriminierender Weise von der saarländischen getrennt ist, und der saarländischen in Etappen ein gemeinsamer Markt hergestellt werden.
    Nun hat, auf den Arbeiten des holländischen Europaratsdelegierten van der Goes van Naters fußend, die allgemeine Kommission der Beratenden Versammlung des Europarates vor drei Tagen einen Vorschlag zur Lösung der Saarfrage im europäischen Sinne beschlossen. Interessant ist, daß diese Untersuchung durch die sozialistischen Vertreter des Europarates beantragt worden ist. Sowohl in Deutschland wie in Frankreich ist dieser Vorschlag teils akzeptiert, teils lebhaft kritisiert worden. In Deutschland wirft man ihm vor allem vor, er berücksichtige nicht die unabdingbare Zugehörigkeit des Saargebietes zu Deutschland. Auf französischer Seite wird der Vorwurf laut, er wolle Frankreich die Position entziehen, die es sich mit Zustimmung seiner westlichen Alliierten an der Saar geschaffen habe. Aber man kann denen, die an dem Vorschlag des Europarates mitgewirkt haben, die Anerkennung nicht versagen, daß sie einen ernsthaften Versuch unternommen haben, eben jene dritte Lösung zu finden, die Lösung auf der höheren Ebene, von der ich vorhin gesprochen habe.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Es ist ein Versuch, nicht nur den deutsch-französischen Interessengegensatz in der Saarfrage zu schlichten und einen brauchbaren mittleren Weg zu finden, sondern vor allem ist hier zum ersten Male in einer bis in die Einzelheit gehenden Weise die Lösung mit der europäischen Entwicklung verknüpft worden. Aus diesem Grunde habe ich dem französischen Außenminister gegenüber am 9. März meine Bereitschaft erklärt, bei den


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Verhandlungen von den Grundlinien des Vorschlags des Europaratsausschusses auszugehen, und Herr Bidault hat mir darin zugestimmt.
    Diese grundsätzliche Bereitschaft bedeutet nicht das Einverständnis mit allen Einzelheiten. Vor allem muß ich mich hier mit einem Punkt auseinandersetzen, in dem der Entwurf der Bundesregierung eine Entscheidung zumutet, die diese zu treffen gar nicht in der Lage ist. Der Vorschlag der Kommission zielt nämlich darauf, daß die zu findende Lösung endgültigen Charakter erhalten soll. Diesem Gedanken steht ein unübersteigbares Hindernis entgegen: es ist ein unbestrittener Grundsatz, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu einer zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland aufgeschoben werden muß. Ich verweise hierzu auf Art. 7 des Deutschlandvertrages.
    Zu dieser Erwägung tritt eine weitere, politische hinzu. Eine über den Friedensvertrag hinaus bindende Festlegung in einer Gebietsfrage im Westen würde äußerst nachteilige Wirkungen auf das Problem der deutschen Ostgrenzen haben. Es ist aber eine unabweisbare politische Notwendigkeit, auch den leisesten Anschein zu vermeiden, der unseren Gegnern in der Frage der Ostgrenze Vorschub leisten könnte.
    Andererseits möchte ich zugunsten des Vorschlags der Europaratskommission auf einen darin enthaltenen wesentlichen Gesichtspunkt hinweisen, mit dem wir durchaus übereinstimmen: Die Saar kann nur europäisiert werden, wenn eine europäische Gemeinschaft eine Realität ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir müssen deshalb entscheidenden Wert darauf legen, daß die Lösung auf das engste mit der Schaffung einer europäischen Gemeinschaft verknüpft wird.
    Meine Damen und Herren, aus der langen Dauer der sehr schwierigen Verhandlungen über das Saarproblem bitte ich Sie zu entnehmen, daß die Bundesregierung die äußersten Anstrengungen macht, den echten europäischen Charakter der Gesamtlösung zu sichern. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die französische Regierung und die französische Öffentlichkeit begreifen, daß wir mit der Annahme der Grundsätze des Naters-Plans als Verhandlungsgrundlage eine Kompromißbereitschaft in der gesamten Frage bekundet haben, die uns zu der Erwartung berechtigt, daß die französische Regierung ihrerseits ebenfalls Zugeständnisse von Bedeutung macht.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es wäre tragisch, wenn am Mangel einer Einigung in dieser Frage die europäische Gemeinschaft scheiterte.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Ausführungen allgemeinerer und politischer Natur zu der Frage der Montan-Union machen. Ich glaube, daß diese Ausführungen in eine Darstellung der gesamten außenpolitischen Lage mit hereingehören. Ich darf denjenigen Herren, die der Zusammenfassung der Punkte der Tagesordnung widersprochen haben, sagen, daß sie unter
    d) ihrer Anfrage ja geradezu auf den Zusammenhang hingewiesen haben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Unter d) sagen sie nämlich:
    Entspricht die wirtschaftliche Entwicklung in den deutschen Grundstoffindustrien den Erwartungen, die die Bundesregierung bei der Ratifizierung des Schumanplanes in das Funktionieren dieser europäischen Teilintegration gesetzt hat?
    Damit ist doch der Zusammenhang ganz klar in der Frage gestellt.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Überdies, meine verehrten Herren, hat Herr Kollege Deist — wofür wir ihm übrigens sehr dankbar sind, nicht nur in dem Zusammenhang, sondern wegen der grundsätzlichen Bedeutung, die daraus spricht — ausdrücklich folgendes gesagt: Unsere Anfrage ist getragen von der Sorge, daß der Gedanke der europäischen Einigung Schaden leidet durch die Entwicklung der Montan-Union.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na also!)

    Daraus glaube ich doch die Berechtigung herleiten zu können, in einer Darstellung unserer Politik, die die europäische Integration zum Gegenstand hat, auch auf diese Frage, soweit nötig, einzugehen.
    Es ist ein Grundgedanke der europäischen Integration, daß die Gemeinschaft der europäischen Völker sich in Frieden und Freiheit nur entwikkeln kann, wenn zwischen ihnen auch wirtschaftlich eine enge Zusammenarbeit stattfindet und dadurch die Existenzbedingungen und die soziale Lage der europäischen Menschen entscheidend und dauerhaft verbessert werden. Von diesem Grundgedanken ausgehend sind wir zum Partner der Montan-Gemeinschaft geworden. Lassen Sie mich Ihnen deshalb etwas über die Erwartungen und über die Erfolge sagen.
    Das Ziel bei der Gründung der Montan-Gemeinschaft war die Schaffung eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraums, eines gemeinsamen Marktes von 160 Millionen Menschen, der sich zwischen den anderen Wirtschaftsmächten behaupten kann.
    Daß der Gemeinsame Markt für Kohle und Stahl nur ein erster Schritt hierzu sein kann, war von vornherein klar. Aber jenes größere Werk kann nicht mit einem Schlage geschaffen werden. Uns war es zunächst aufgegeben, einen Anfang zu machen.
    Für Deutschland bestand hieran noch ein besonderes Interesse. Man vergißt zu schnell, wie es um Deutschland und sein Ansehen in der Welt gestellt war,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    als am 9. Mai 1950 der damalige Außenminister, Herr Robert Schuman, jene Erklärung der französischen Regierung verkündete.

    (Erneute Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Seitdem die Montan-Gemeinschaft ins Leben getreten ist, sind das Londoner Abkommen und mit ihm die Ruhrbehörde gefallen, sind Stahlerzeugung und Produktionskapazität von den besatzungsrechtlichen Beschränkungen befreit und hat die Alliierte Hohe Kommission für sich und die ihr angegliederten Kohle- und Stahlkontrollgrup-


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    pen auf alle Eingriffsrechte verzichtet, für welche die Hohe Behörde die Zuständigkeit ausübt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Glaubt, meine Damen und Herren, einer von Ihnen, daß, wenn wir uns damals gegenüber der Montan-Union einfach ablehnend erklärt hätten, diese Befreiungen von den uns durch den Zusammenbruch auferlegten Fesseln eingetreten wären?

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Der wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik in den letzten Jahren wäre nicht möglich gewesen ohne die Befreiung von jenen Fesseln. Es war selbstverständlich, daß eine derartige, mit einem Ausschnitt aus der Volkswirtschaft beginnende Teilintegration und der Aufbau einer so revolutionär neuartigen Organisation, wie sie eine supranationale Gemeinschaft darstellt, gewisse Anlaufschwierigkeiten mit sich bringt. Demgemäß hat der Vertrag selbst eine Übergangs- und Anpassungszeit von fünf Jahren für notwendig angesehen. Er hat darüber hinaus die Möglichkeit vorgesehen, daß mit der Anwendung der Vertragsbestimmungen zeitweise überhaupt innegehalten werden könne, falls es durch die Anwendung in einem der Mitgliedstaaten zu schweren, länger dauernden Störungen kommen würde.
    Von dieser Übergangszeit, meine Damen und Herren, ist für den Stahlmarkt ein Jahr vergangen; für den Kohlenmarkt sind es einige Monate mehr. Es ist natürlich schwer, auf Grund einer so kurzen Zeit ein Urteil auszusprechen. Immerhin läßt sich das sagen, daß die Schwierigkeiten bisher nicht größer, sondern eher geringer gewesen sind, als man bei Vertragsabschluß voraussah. Ein Zeichen dafür ist, daß die oben genannten Vorschriften über die tiefgreifenden Störungen, die man bei Abfassung des Vertrages für außerordentlich wichtig ansah, bis jetzt von keinem einzigen Staat in Anspruch genommen, geschweige denn für anwendbar erklärt worden sind. Ebenso ist unbestritten, daß bereits in der kurzen Zeit des gemeinsamen Marktes die innere Verflechtung, der innere Austausch innerhalb der Gemeinschaft um rund ein Viertel gewachsen ist. An dieser Steigerung des inneren Austauschs hat auch die Bundesrepublik einen vollgemessenen, positiven Anteil gehabt.
    Damit will ich die bestehenden Schwierigkeiten nicht verkleinern. Ich will nur ihr wirkliches Wesen klarstellen. Es sind Schwierigkeiten, welche nicht die langfristigen Ziele der Montan-Gemeinschaft betreffen. Wenn insbesondere gegenwärtig von Überkapazität im Gemeinschaftsgebiet hinsichtlich des Stahls die Rede ist, so braucht man sich nur daran zu erinnern, daß in der Gemeinschaft der Stahlverbrauch pro Kopf der Bevölkerung noch immer nicht einmal ein Drittel so viel beträgt wie in den Vereinigten Staaten, und selbst in der Bundesrepublik weniger als die Hälfte; es ist also deutlich, daß, auf lange Frist gesehen, wir unsere Kapazität verstärken müssen, falls wir nicht die Hoffnung aufgeben wollen, einen einigermaßen gleichwertigen Lebensstandard zu erreichen. Es handelt sich nur um kurzfristige Schwierigkeiten.
    Aber auch diese ergeben sich nicht allein aus der Montangemeinschaft als solcher und den durch sie gegebenen Anpassungsnotwendigkeiten. Vielmehr beruhen diese Schwierigkeiten zum Teil darauf, daß in der Weltkonjunktur auf dem Gebiete
    von Kohle und Stahl eine gewisse Abschwächung eingetreten ist.
    Unter diesen Gesichtspunkten müssen die ersten Auswirkungen der Bildung des Gemeinsamen Marktes auf die deutsche Wirtschaft betrachtet werden. Im einzelnen kann nach Ablauf der kurzen Zeit seit dem Inkrafttreten folgendes festgestellt werden:
    1. Der deutsche Ausfuhrüberschuß an Kohle und Stahl konnte sich seit Errichtung des Gemeinsamen Marktes auf der früheren Höhe halten und zeigt bei Stahl in neuester Zeit eine steigende Tendenz.
    2. Die deutschen Kohlenlieferungen in die übrigen Länder der Gemeinschaft haben zugenommen im Gegensatz zur Absatzentwicklung im Inland und zur Gestaltung der Kohlenausfuhr nach Ländern außerhalb der Montangemeinschaft.
    3. Die Erlöslage des deutschen Steinkohlenbergbaues hat sich durch die neuerlichen Preismaßnahmen der Hohen Behörde im ganzen gesehen, wenn auch nur in geringem Umfange, verbessert.
    4. Die Stahlpreise sind infolge des Wettbewerbs zwischen den Industrien der Gemeinschaft gesunken, was in Anbetracht der Schlüsselstellung der Eisenpreise für das gesamte wirtschaftliche Niveau von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Dabei wurde die Wettbewerbslage der deutschen Stahlerzeuger durch das Sinken der Rohstoffpreise erleichtert.
    Das ist die wirtschaftliche Bilanz. Die politische weist darüber hinaus noch weitere Aktiva auf. Sie bestehen im wesentlichen in den Wirkungen, die sich aus der Gewöhnung an die Gemeinschaftsarbeit ergeben haben. Diese Gewöhnung kann und soll nicht dazu führen, daß die Besonderheiten der Volkswirtschaften der einzelnen Länder in der Gemeinschaft verschwinden. Wohl aber müssen die nationalen Interessen und Eigentümlichkeiten sich in dem gemeinschaftlichen Rahmen zusammenfügen und in der Verfolgung gemeinsamer Ziele einen Ausgleich finden. Daß in dieser Art des Arbeitens in allen Organen der Gemeinschaft große Fortschritte erzielt worden sind, kann niemand leugnen, der von den Dingen unmittelbar Kenntnis hat. Ich denke insbesondere an das Montanparlament, die Gemeinsame Versammlung. Diese hat keineswegs die parlamentarischen Rechte, welche die Bundesregierung für eine europäische Versammlung als notwendig ansieht. Trotzdem ist es schon ein echtes europäisches Parlament geworden, mit europäischen Zielen, europäischen Gesichtspunkten und europäischen Parteien.
    Diese im wesentlichen positive Bilanz hat die Bundesregierung nicht verführt die Hände in den Schoß zu legen. Zwei Punkte waren und sind es, denen vorzugsweise ihr Interesse gilt. Das eine ist die Verbesserung der Startbedingungen der deutschen Montanindustrie. Man hat auf diese schlechten Startbedingungen bei Beginn des Schumanplans vielfach hingewiesen. Für sie ist die Montangemeinschaft nicht verantwortlich zu machen. Im Gegenteil, die schlechten Startbedingungen lagen darin, daß die deutsche Montanindustrie bis zum Schumanplan durch Kriegszerstörung, Demontagen, Produktionsbeschränkungen, Entflechtungsmaßnahmen und erzwungene niedrige Kohlenexportpreise in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beengt war. Erst der Schumanplan gab, indem er die Diskriminierung Deutschlands und die Beschränkungen seiner Montanindustrie grundsätzlich beseitigte, die


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Möglichkeit, einen Ausgleich in die Wege zu leiten. Das hat die Bundesregierung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten weitgehend getan. Von insgesamt 6,2 Milliarden DM, die an zentral gesteuerten und vom Bund verbürgten Mitteln der deutschen Gesamtwirtschaft zur Verfügung gestellt wurden, sind rund 2 Milliarden DM in die Kohle- und Stahlindustrie geflossen. Selbstverständlich ist sich die Bundesregierung bewußt, daß mit diesen Mitteln nicht bereits alle Startschwierigkeiten behoben werden konnten; aber im Hinblick auf die beschränkten Möglichkeiten des Kapitalmarktes muß diese Leistung doch als sehr beachtlich anerkannt werden.
    Meine Damen und Herren, auf Grund der bestehenden gesetzlichen Vorschriften und der gegebenen Preissituation ist es zudem der Kohle- und Stahlindustrie selbst gelungen, erhebliche eigene Mittel für Investitionen verfügbar zu machen. Die Bundesregierung wird auch weiterhin von sich aus alles Erdenkliche tun, um den Investitionsbedürfnissen der deutschen Grundstoffindustrie Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Bundesregierung den erfolgreichen Abschluß der Anleiheverhandlungen zwischen der Hohen Behörde der Kohle- und Stahlgemeinschaft und der Regierung der Vereinigten Staaten.
    Herr Dr. Deist hat ausgeführt, daß in Deutschland auf eine Tonne Kohleförderung 6 DM — wenn ich es recht behalten habe — Investitionsgelder gegeben worden seien, in Frankreich 17 DM. Nun, ich bitte Herrn Deist, bei seiner nächsten Anwesenheit in Paris ein längeres Gespräch mit dem dortigen Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu führen. Ich habe dieses Gespräch mit dem Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Paris geführt und habe von ihm einen Vergleich geschildert bekommen zwischen dem deutschen und dem französischen Bergbau. Nach diesem Vergleich können wir mit Ehren bestehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Unruhe bei der SPD.)

    Der zweite Punkt, dem nun die Bundesregierung besondere Aufmerksamkeit schenkt, ist mit dem bereits von mir gebrauchten Wort „Teilintegration" bezeichnet. Die Montanunion ist in doppeltem Sinne eine Teilintegration. Einerseits ist sie nur ein Teil der wirtschaftlichen Gesamtintegration, und andererseits ist diese selbst nur ein Teil der Integration überhaupt, die ihrem Kern nach politisch ist.
    Gelegentlich wird es so dargestellt, als habe man bei Vertragsabschluß der Montan-Union die Teilintegration als ein sich selbst genügendes Ziel angesehen und als habe man erst in der Zwischenzeit die Schwierigkeiten entdeckt, die sich aus der Beschränkung auf eine bloße Teilintegration ergeben. Das ist völlig unrichtig. Niemals ist die Teilintegration zweier Grundstoffe für uns Selbstzweck gewesen, und niemals sind die notwendigen Unvollkommenheiten einer Teilintegration verkannt worden; das ist auch in diesen Verhandlungen eindeutig zum Ausdruck gekommen.
    Aber vor fünf Jahren war eine wirtschaftliche Gesamtintegration mit der politischen Wirklichkeit nicht vereinbar. Man mußte mit einem Teilgebiet beginnen, um weiter fortzuschreiten. Man mußte sich dabei auf die Hoffnung stützen, daß gerade die Unvollständigkeit der Teilintegration den inneren Zwang zum Fortschreiten auf dem Wege zu engerer Zusammenarbeit mit sich bringen würde. Diese Hoffnung hat sich erfüllt. Wenn heute die weitere
    Integration ganz überwiegend als Notwendigkeit anerkannt und gefordert wird, so hat hieran die Tätigkeit der Montangemeinschaft, die dies stärker als abstrakte Argumente anschaulich gemacht hat, einen wesentlichen Anteil.
    Es entspricht also der von Anfang an verfolgten Grundkonzeption des Montanvertrags, wenn wir dafür Sorge tragen, daß die Unzulänglichkeiten der Teilintegration nicht zu einer Hemmung für die weitere wirtschaftliche Integration Europas werden, sondern eine dynamische Entwicklung zur engeren Zusammenarbeit der gesamten europäischen Wirtschaft einleiten. Dazu gibt gerade die gegenwärtige Konjunkturlage Anlaß; denn nur durch allgemeine Maßnahmen können jene Schwierigkeiten auf dem Gebiet von Kohle und Stahl überwunden werden, die in der allgemeinen Konjunkturlage ihre Ursache haben.
    In der Erkenntnis dieser Sachlage ist der Ministerrat dazu übergegangen, in seinem Rahmen auch die mit den Montanfragen in Zusammenhang stehenden Transport- und Sozialfragen zu behandeln, die der Vertrag an sich dem gemeinsamen Vorgehen der Regierungen außerhalb des Vertrages überlassen hat. Vor allem aber hat der Ministerrat am 13. Oktober 1953 auf Initiative der Bundesregierung den Beschluß gefaßt, zusammen mit der Hohen Behörde die Möglichkeit einer gemeinsamen Politik der Ausweitung der Wirtschaft und der Investitionen zu prüfen. Mit diesem Beschluß, dessen Verwirklichung die Bundesregierung mit allen Mitteln fördert, haben Rat und Hohe Behörde einen Weg beschritten, der über die engen Grenzen der Teilintegration hinaus zu neuen Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit führen kann.
    Darüber hinaus ist es ein wesentliches Anliegen, auch die von der Montangemeinschaft ausgehenden Antriebe zur politischen Ausweitung mit allen Kräften zu fördern. Schon die Gründung der Montangemeinschaft selbst war außerhalb alles Wirtschaftlichen ein politisches Faktum ersten Ranges. Kohle und Stahl waren von jeher die Grundlagen jeder militärischen Rüstung. Indem die Staaten ihre Hoheitsrechte über diese beiden Grundstoffe auf eine supranationale Gemeinschaft übertrugen, wurde insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland die Verständigung und Aussöhnung bekräftigt und anschaulich gemacht, in welcher die Bundesregierung einen wesentlichen Bestandteil ihrer- Politik sieht.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Diese politischen Impulse einigender Art, die von der Montangemeinschaft ausgegangen sind, haben nicht aufgehört zu wirken.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aus dem politischen Leben ist die Montangemeinschaft als ein antreibendes Moment der europäischen Einigung nicht mehr wegzudenken. Ihr verdanken wir zum großen Teil, daß diese Einigung eine werdende Wirklichkeit ist — eine kämpfende und bedrohte Wirklichkeit, aber trotz allem eine Wirklichkeit.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Im Einklang hiermit hat die Bundesregierung auch der Europäischen Politischen Gemeinschaft besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie begrüßt die Fortschritte, die auf diesem Gebiet gemacht worden sind, und widmet sich mit größter Energie den laufenden Arbeiten. Aus den Beratungen der Ad-hoc-Versammlung und ihres unter dem Vorsitz


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    des Abgeordneten von Brentano stehenden Verfassungsausschusses sind hier Entwürfe hervorgegangen, die die Grundlage aller weiteren Arbeiten bilden müssen. Auf dieser Grundlage sind denn auch inzwischen die Regierungen in gemeinsamer Arbeit bemüht, zu vereinbarten Texten zu kommen. Diese Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Auf das Tempo ihres Fortgangs hat natürlich auch die Tatsache eingewirkt, daß die Europäische Verteidigungsgemeinschaft noch nicht Wirklichkeit geworden ist. Doch sind bereits die Umrisse der künftigen Lösung deutlich erkennbar, in deren Mittelpunkt ein unmittelbar gewähltes europäisches Parlament steht, als stärkster Ausdruck des Einigungswillens der europäischen Völker und als der sicherlich entscheidende dynamische Faktor der weiteren Entwicklung.
    Die allgemeine Erkenntnis, meine Damen und Herren, daß Deutschland seine Probleme nur im Zusammenwirken mit ihm befreundeten Mächten lösen kann, gilt auch und nicht zuletzt für das zentrale Problem der deutschen Politik: die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit. Die Spaltung Deutschlands beruht auf dem Konflikt der Großmächte. Sie ist auch nur durch ein Übereinkommen der Großmächte zu beseitigen. Die Wiedervereinigung kann also nur zu einem Teil aus eigener deutscher Kraft zustande kommen. Wäre es anders, so wäre sie — daran lassen die klaren Willenskundgebungen in allen Teilen Deutschlands keinen Zweifel — längst erfolgt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wir sind auch in dieser Frage immer darauf angewiesen, Bundesgenossen zu finden, die von der Rechtmäßigkeit unseres Verlangens nach Wiedervereinigung überzeugt sind, und sie zu bewegen, sich immer wieder aktiv für die Erfüllung dieses Verlangens einzusetzen. Der Bundestag und die Bundesregierung haben deshalb von Anbeginn ihrer Tätigkeit an in voller Einmütigkeit jede Gelegenheit benützt, um die Westalliierten und darüber hinaus die ganze Weltöffentlichkeit anzurufen, dem deutschen Volk sein Recht auf Einheit nicht länger vorzuenthalten. Wenn heute die ganze freie Welt davon überzeugt ist, daß die beiden Teile Deutschlands wieder zusammengeführt werden müssen, so ist das das Ergebnis der konsequenten deutschen Haltung.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Heute wird in der freien Welt nicht nur allgemein anerkannt, daß die Beseitigung der Spaltung Deutschlands eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Erhaltung und Festigung des Friedens in Europa ist, sondern es besteht auch weitgehend Übereinstimmung über den Weg, der allein zu einer Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit führen kann. Dieser Weg ist von der Bundesregierung und dem Bundestag am 10. Juni 1953 klar vorgezeichnet worden. Seine Etappen sind — lassen Sie es mich noch einmal wiederholen —: die Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland, die Bildung einer freien Regierung in ganz Deutschland, der Abschluß eines mit dieser Regierung frei vereinbarten Friedenvertrags, die Regelung aller noch offenen territorialen Fragen in diesem Friedensvertrag, die Sicherung der Handlungsfreiheit für ein gesamtdeutsches Parlament und eine gesamtdeutsche Regierung im Rahmen der Grundsätze und der Ziele der Vereinten Nationen.
    Die Bemühungen der Bundesregierung — lassen Sie mich damit zu Ausführungen zurückkommen,
    die ich einleitend gemacht habe — haben mit dazu geführt, daß auf der Berliner Viererkonferenz der Versuch unternommen wurde, die deutsche Frage zu lösen. Dieser Versuch ist zunächst gescheitert. Die Verantwortung dafür trifft die Sowjetunion. Die alliierten Regierungen hatten in der Form des Eden-Plans, der in allen seinen wichtigen Grundzügen auf den Bundestagsbeschlüssen vom 10. Juni 1953 basiert, einen praktischen Vorschlag unterbreitet. Die Sowjetunion hat klar zu erkennen gegeben, daß sie an einer Veränderung des Status quo in Europa nur dann interessiert ist, wenn diese Veränderung zu einer Ausdehnung ihres Einflusses auf ganz Deutschland führt. Alle die, die geglaubt hatten, die Wiedervereinigung in Freiheit zu einem konkreten Preise erkaufen zu können, sehen sich enttäuscht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Sowjets haben für die Wiedervereinigung in Freiheit überhaupt keinen Preis genannt, auch nicht den der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft.

    (Erneute Zustimmung in der Mitte.)

    Die Westmächte haben in Übereinstimmung mit den Absichten und Gedanken der Bundesregierung weiter den Versuch gemacht, die Frage der Sicherheit, die seit geraumer Zeit in der sowjetischen Propaganda eine bedeutende Rolle spielt, anzuschneiden, um damit eine entgegenkommendere Haltung der Sowjetunion in der deutschen und in der österreichischen Frage herbeizuführen. Auch auf diesem Gebiete hat sich erwiesen, daß die Sowjetunion an praktischen Abkommen über Sicherheit und Rüstungskontrolle bis jetzt nicht interessiert ist. Sie hat einfach alle Bündnisse und Gruppierungen, denen sie selbst nicht vorsteht, als aggressiv und diejenigen, die sie beherrscht, als friedliebend erklärt. Auf dieser Basis war natürlich eine Übereinkunft nicht zu erreichen. Die Sowjetunion wird der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit erst dann zustimmen, wenn sie einsehen muß, daß ihr Programm einer weiteren Durchdringung des freien Europa nicht mehr zu verwirklichen ist und daß die Politik des Kalten Krieges am Freiheitswillen des deutschen Volkes gescheitert ist.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Kampf, der um die deutsche Freiheit in Berlin und in der sowjetisch besetzten Zone geführt wird, wird stärker als alles andere in der Welt das Bewußtsein erhalten, daß es sich hier um ein brennendes Problem handelt, das nicht ungelöst bleiben darf. Welchen Widerhall dieser Kampf in der Welt gefunden hat, hat erst in jüngster Zeit wieder die gemeinsame Erklärung der NATO-Staaten gezeigt, in der sie eine Anerkennung des pseudosouveränen Pankow-Regimes ablehnen.
    Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Die Außenpolitik, die wir geführt haben, hat Deutschland aus der Isolierung gelöst und zu einem angesehenen vertrauenswürdigen Partner der freien Welt gemacht.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der politische Kredit der Bundesrepublik ist unbestritten. Überwiegend wird heute in der freien Welt die Auffassung vertreten, daß man auf die Zusammenarbeit mit Deutschland nicht mehr verzichten kann. Der Weg, der sich über fünf Jahre harter und mühsamer Arbeit erstreckt, hat uns die


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Befreiung unserer Produktion von den Beschränkungen und Kontrollen der ersten Besatzungszeit gebracht. Die Ruhrkontrolle ist gefallen. Unser Außenhandel entwickelt sich frei in der ganzen Welt. Unsere Sicherheit wird durch ein mächtiges weltweites Bündnissystem garantiert, das uns mit den großen Mächten der freien Welt in Freundschaft verbindet. Diese Garantie schließt auch ausdrücklich Berlin ein.
    Den Ungeduldigen, den Zweiflern, den Zaudernden muß ich immer wieder die Fragen stellen: Welchen anderen Weg können Sie uns zeigen?

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hätten wir das Petersberger Abkommen etwa nicht schließen und damit Hunderte unserer wichtigsten Werke vor der Demontage bewahren und vielen Tausenden von Arbeitern die Arbeitsplätze erhalten sollen?

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Hätten wir nicht dem Europarat beitreten und uns an der freien Erörterung der wichtigsten Probleme unseres europäischen Lebens beteiligen sollen?


    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Hätten wir der Montan-Union eine internationale Ruhrkontrolle vorziehen und zugleich die Beschränkung unserer Produktion weiter hinnehmen sollen?

    (Sehr gut! in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Sollten wir uns als Niemandsland zwischen Ost und West bald dem Zugriff dieser, bald dem Zugriff jener Macht ausliefern?

    (Wiederholter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, wir dürfen und wir
    werden den eingeschlagenen Weg nicht verlassen.

    (Stürmischer Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Quelle des Vertrauens der Welt liegt doch darin, daß die freien Völker aus der Bereitschaft der Bundesrepublik zu einer engen Partnerschaft auf wirtschaftlichem, militärischem und politischem Gebiet die Überzeugung gewonnen haben, daß das Deutschland der Gegenwart nicht nationalistischem Egoismus verfallen und damit erneut zu einer Bedrohung seiner Nachbarn werden kann.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Deutschland ist auf seine Nachbarn angewiesen. Es kann sich gegen die drohenden Gefahren nicht allein verteidigen und behaupten, es kann aber auch seine wirtschaftlichen Kräfte nicht entfalten ohne enge Zusammenarbeit mit den freien Völkern der Welt.
    Meine Damen und Herren! Alle Anstrengungen der großen Mehrheit dieses Hohen Hauses und der Bundesregierung waren in den letzten fünf Jahren darauf gerichtet, nach Kräften dazu beizutragen, daß das Werk des europäischen Zusammenschlusses gelingt. In enger Zusammenarbeit mit den Staatsmännern in Europa und in Amerika, die von der gleichen Überzeugung geleitet sind, haben wir immer wieder versucht, Schwierigkeiten, wo sie auftauchten, zu überwinden, Probleme, wo sie sich stellten, durch neue Vorschläge zu lösen. Für uns Deutsche gibt es nur diesen Weg,

    (Zuruf von der SPD: Nein!)

    um die tragische Vergangenheit Europas abzuschließen und die Menschen in Europa von der Geißel des Krieges, von der Furcht um ihre Existenz, von der Sorge um das Schicksal ihrer Kinder zu befreien.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es gibt keine Interessengegensätze und Streitobjekte zwischen den freien europäischen Völkern,

    (Zurufe von der SPD: Die Saar!)

    die, gemessen an der Größe der uns aus dem Osten drohenden Gefahr, so bedeutend wären, daß wir sie nicht schnell überwinden sollten,

    (Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der SPD)

    um den Weg frei zu machen für diesen Zusammenschluß.

    (Zurufe von der SPD: Und die Saar?!)

    Viele Generationen vor uns, auch sozialistische Generationen,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    haben sich ihn schon erträumt, und er darf unter keinen Umständen an Nationalismus und Egoismus scheitern.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Und die Saar wird verraten!)

    Die Verwirklichung der Pläne für einen europäischen Zusammenschluß immer wieder hinauszuschieben, enthält eine große Gefahr. Bestimmte, günstige Konstellationen dauern in der Geschichte nicht unbegrenzt fort

    (Sehr richtig! in der Mitte) und kehren selten wieder.


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Seien wir uns, meine Damen und meine Herren — und ich richte diese Worte weit über diesen Saal hinaus an alle Menschen im freien Europa, die guten Willens sind —, des Ernstes dieser Zeit bewußt und zeigen wir uns ihren Erfordernissen gewachsen, auf daß spätere Generationen uns nicht als schwächlich und leichtfertig verurteilen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß, wenn der Zusammenschluß der europäischen Völker scheitert, die Existenz dieses Kontinents ins Wanken gerät.

    (Anhaltender stürmischer Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir treten in die Beratung der Großen Anfrage ein. Es ist wohl kein Zweifel, daß die erforderliche Anzahl von Mitgliedern des Hauses die Besprechung verlangen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist dankbar dafür, daß die heutige Aussprache über die Große Anfrage unserer Fraktion zur Saarfrage ausgeweitet worden ist zu einer Aussprache über die Außenpolitik der Bundesrepublik und der Bundesregierung. Wir sind mit dem Herrn Bundeskanzler darin einig, daß diese Aussprache in einem kritischen Augenblick der internationalen Situation, aber nach unserer Meinung auch in einem kritischen Stadium der Außenpolitik der Bundesregierung stattfindet.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)



    (Ollenhauer)

    Bevor ich auf diesen Teil der Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers eingehe, möchte ich doch darauf hinweisen, daß die Unruhe und Besorgnis, die heute das deutsche Volk erfüllen, nicht nur in dem Gefühl begründet sind, daß die Außenpolitik der Bundesregierung sich in einem sehr kritischen Stadium befindet, sondern auch darin, daß noch einige andere Ereignisse in der internationalen Politik seit dem Ende der Berliner Konferenz eingetreten sind, die wohl alle Menschen in der Welt mit Besorgnis und Unruhe erfüllen und die auch für uns von entscheidender Bedeutung sind, wenn sie auch nicht unmittelbar in die Aufgabenbereiche der Außenpolitik der Bundesregierung und der Bundesrepublik fallen.
    Ich meine zunächst, daß die neueste Entwicklung der Atom- und Wasserstoffbomben alle Menschen, auch die Menschen in der Bundesrepublik, mit größter Sorge erfüllt. Werden diese modernen Waffen, über die heute die beiden entscheidenden Großmächte der Welt verfügen, in einem kommenden Konflikt eingesetzt, dann ist die physische Existenz großer Teile der Menschheit in Frage gestellt, von der Vernichtung unserer Zivilisation überhaupt nicht zu reden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Entwicklung ist damit an einem Punkt angelangt, an dem die Kontrolle dieser Energien zu einer Lebensfrage der Menschheit geworden ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das deutsche Volk ist in den Verhandlungen der Mächte über die Möglichkeiten zur Begegnung dieser Gefahren als Partner unmittelbar nicht beteiligt, obwohl die Instrumente dieser neuen Erfindungen auch auf deutschem Boden stehen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. Arndt: Zu Unrecht stehen!)

    Aber da es hier ja auch um unser Schicksal und um die Zukunft unserer Kinder geht, haben nach unserer Meinung die verantwortlichen Menschen in der Bundesrepublik das Recht und die Pflicht, auch in dieser Sache für das deutsche Volk zu sprechen. Wir begrüßen die durch den amerikanischen Präsidenten Eisenhower eingeleiteten Gespräche über eine Kontrolle der Atomenergie mit dem Ziel, ihre ausschließliche Verwendung zu friedlichen Zwecken sicherzustellen, und wir hoffen, daß diese Verhandlungen bald zu einem Erfolg führen. Eine solche Vereinbarung würde eine große Last von den Herzen der Menschen nehmen.
    Allerdings muß hinzugefügt werden: die internationale Atomkontrolle kann und darf nur ein Teil einer Politik sein, die die allgemeine, international kontrollierte Abrüstung zum Ziel hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die gegenwärtigen Debatten über die Gefahren eines neuen Krieges unter Anwendung der neuen Waffen erwecken oft den Eindruck, als ob allein eine internationale Kontrolle der Atomenergien genügte, alle Schrecken und Gefahren eines modernen Krieges zu bannen. In Wirklichkeit ist aber eine dauernde Befriedung der Welt nur möglich, wenn es zu einer allgemeinen, international kontrollierten Abrüstung kommt. Selbstverständlich kann dieses Ziel nicht durch einen einseitigen Schritt der einen oder anderen Seite erreicht werden, sondern es muß sich um eine umfassende und vereinbarte Politik aller Mächte handeln. Das ist in der gegenwärtigen Zeit zweifellos eine schwierige Aufgabe. Aber gerade angesichts der Gefahren, die sich aus dem Wettrüsten in der Welt ergeben, dürfen vor allem die demokratischen Völker in ihren Anstrengungen nicht müde werden, diese Periode durch unablässiges Drängen auf eine internationale Abrüstung abzulösen.

    (Zuruf von der Mitte: Das will Adenauer!)

    In dem Spiel mit Zahlen über Divisionen, Kampfgeschwader und Atombomben darf das Ziel der Abrüstung und des dauernden Friedens nicht untergehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten lehnen den Krieg als Mittel der Politik ab.

    (Beifall links. — Zuruf rechts: Und wir genau so!)

    Es mag auch heute in der Welt noch Menschen geben, die Kriege als unausweichlich ansehen und die sie deshalb in die Kalkulation ihrer Politik einbeziehen.

    (Abg. Günther: Das lehnt auch Frankreich ab!)

    Aber wir sind der Meinung, daß das Interesse des deutschen Volkes an der Erhaltung seiner Substanz und seiner nationalen Zukunft eine solche Möglichkeit eindeutig ausschließen sollte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Unser nationales Interesse ist die Erhaltung des Friedens, und es gibt keine nationalpolitische Forderung des deutschen Volkes, wie schwerwiegend sie auch sein mag, deren Durchsetzung eine kriegerische Auseinandersetzung rechtfertigen könnte.

    (Beifall links. — Abg. Dr. von Brentano: Auch nicht die Freiheit?)

    — Ich habe gesagt, was ich meine.
    Wir wissen, daß der gegenwärtige Zustand der Aufrüstung von den Demokratien nicht mit aggressiven Absichten herbeigeführt wurde, sondern daß diese Aufrüstung die notwendige Konsequenz einer Politik der Verteidigung und der Erhaltung der Freiheit und der Unabhängigkeit ihrer Völker ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir haben deshalb auch wiederholt unsere Bereitschaft erklärt, an einer solchen Sicherung und Verteidigung der Demokratien mitzuwirken.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Nach unserer Auffassung behält aber eine solche Verteidigungspolitik nur dann ihre innere Berechtigung, und sie kann nur dann vor unseren Völkern mit guten Gründen vertreten werden, wenn der Charakter der Verteidigung eindeutig und unverwischt auch in der internationalen Politik der Demokratien aufrechterhalten bleibt.

    (Beifall links.)

    Lassen Sie mich dazu ein Wort sagen. In dieser Beziehung haben uns, und ich glaube, nicht nur uns, sondern breiteste Kreise des deutschen Volkes, einige Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit mit Besorgnis erfüllt. Ich will nur einen Fall erwähnen. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, die amerikanische Außenpolitik anzugreifen. Ein solcher Angriff würde auch weder den Lebensinteressen des deutschen Volkes entsprechen noch in Übereinstimmung mit den freundschaftlichen Empfindungen stehen, die wir alle für das amerikanische Volk haben. Außerdem wissen wir als Deutsche und Europäer am besten, was Deutschland und Europa den großen Leistungen des amerikanischen Volkes bei ihrem Wiederaufbau nach


    (Ollenhauer)

    dem letzten Kriege verdanken. Aber mit der Besorgnis eines Freundes werfen wir die Frage auf, ob es im Sinne einer Politik der Verständigung und der Verhandlungsbereitschaft ist, so schwierige internationale Verhandlungen wie die von Genf mit so schwerwiegenden Schritten zu belasten wie jener geplanten Warnung der amerikanischen Regierung an die Pekinger Regierung, für die Mr. Dulles die Unterstützung der französischen und britischen Regierung zu erreichen versucht hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir meinen — ich möchte das in aller Offenheit sagen —, wir stehen unter Umständen vor der Gefahr, daß ein Schritt eine Kette von Ereignissen auslöst, die alle Völker in den Strudel nicht absehbarer Konflikte einbezieht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine solche Politik geht auch uns an. Dieser Umstand berechtigt uns deshalb, unseren Besorgnissen Ausdruck zu geben.
    Die Sowjetunion hat durch ihre Politik in Europa und in Asien nach 1945 die entscheidende Verantwortung für den gegenwärtigen Zustand zwischen Krieg und Frieden zu tragen. Niemand kann diese Verantwortung verdunkeln, leugnen oder verwischen. W i r wollen es jedenfalls nicht. Aber diese Tatsache enthebt die demokratische Welt nicht der Verpflichtung, sich immer ihrer eigenen großen Verantwortung für die Erhaltung des Friedens und die Vermeidung eines neuen Weltkrieges bewußt zu bleiben, um so mehr, als alle verantwortlichen Staatsmänner mindestens nach den Erfahrungen des zweiten Weltkriegs wissen sollten, daß ein neuer Krieg keines der Probleme lösen wird, die der zweite Weltkrieg hinterlassen hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir meinen, unter diesen Perspektiven haben wir auch die Außenpolitik der Bundesrepublik zu untersuchen.
    Die Lage der Bundesrepublik ist einzigartig. Wir sind nur ein Teil Deutschlands. Deutschland ist als Folge der Differenzen zwischen den Besatzungsmächten gespalten. Wir sind in der Außenpolitik durch die Begrenzungen beschränkt, die uns heute durch das Besatzungsstatut auferlegt sind und die uns ja auch auferlegt sein werden, wenn morgen der Generalvertrag in Kraft treten sollte.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir fühlen uns auf der andern Seite mit der Welt des Westens verbunden. Wir stehen in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu dem totalitären System des Bolschewismus; aber gleichzeitig wissen wir, daß wir unsere nationale Einheit nur erreichen können, wenn die westlichen Besatzungsmächte und die Sowjetunion sich in dieser Frage verständigen. Die Politik der Bundesregierung, einseitig die Integration der Bundesrepublik mit dem westeuropäischen Kontinent — bitte, nicht mit Europa! — zu betreiben,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    wird dieser Aufgabe nicht gerecht. Sie hat — wenn nicht in ihrer Absicht, so doch in ihrer praktischen politischen Wirkung — die ursprünglich durch das Verhalten der Sowjetunion herbeigeführte Spaltung Deutschlands vertieft.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es ist notwendig, diesen Tatbestand festzuhalten.
    Auf der andern Seite sind die von der Bundesregierung erhofften Resultate ihrer Integrationspolitik nicht erreicht worden. Es hilft uns doch nichts, wenn man in einem Rechenschaftsbericht des Herrn Bundeskanzlers die Bilanz über die Integrationspolitik der Bundesregierung im wesentlichen damit ausfüllt, daß man von der allgemeinen Notwendigkeit europäischer Zusammenarbeit spricht.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Für eine solche Erklärung könnten Sie die Zustimmung, und zwar die volle Zustimmung, auch der sozialdemokratischen Fraktion haben, wenn Sie nicht immer wieder, in dieser Rede und in Ihrer Praxis den Begriff — den richtigen und wertvollen Begriff — der europäischen Zusammenarbeit gleichsetzten mit d e r Integrationspolitik, die Sie mit dem Westen Europas betreiben.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.) Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.

    Außerdem: wäre es nicht andererseits an der Zeit, mit weniger Optimismus und mit weniger allgemeinen Betrachtungen vor diesem Hause auch einmal festzustellen: was sind denn die konkreten Resultate für die Bundesrepublik und das deutsche Volk, die die Integrationspolitik der Bundesregierung und ihrer Mehrheit in diesem Hause in den letzten fünf Jahren erzielen konnte?

    (Zurufe von der Mitte: Na, na!) Ich werde einiges dazu sagen.

    Ich möchte hier über das Kapitel Montan-Union nicht sprechen, weil wir in unseren Dispositionen von der Annahme ausgegangen sind, daß die gestrige Verabredung für eine getrennte Behandlung dieser Dinge auch heute morgen noch aufrechterhalten wird. Ich möchte jedoch einiges zu dem Kapitel Europäische Verteidigungsgemeinschaft sagen. Herr Bundeskanzler, Sie haben heute — von Ihrem Standpunkt aus mit Recht — in vollem Wortlaut die britische Garantieerklärung gegenüber den EVG-Partnern, insbesondere gegenüber der französischen Regierung, vorgetragen; Sie haben mit Recht auch auf die Bedeutung der amerikanischen Garantieerklärung hingewiesen. Aber ist das denn das Problem? Das wirkliche Problem in der Linie der Effektuierung der EVG war doch die Frage: Wird es möglich sein, Großbritannien für die Mitgliedschaft in der EVG zu gewinnen? Ist Großbritannien bereit, sich als ein Teil dieses integrierten Europas auf dem Gebiet der Verteidigung zu betätigen oder nicht? Alles, was an Zusagen und Garantien in der jetzigen neuen britischen Erklärung enthalten ist, mag in gewissem Sinne französischen Wünschen entgegenkommen; aber das wesentliche Ziel dieser Verhandlungen ist nicht erreicht worden. Was ist das Resultat? Es ist nicht unsere Aufgabe, hier darüber im einzelnen zu diskutieren.

    (Abg. Dr. Becker [Hersfeld] : Warum tun Sie es denn?)

    — Um Ihnen die Gelegenheit zu geben, Herr
    Becker, nachher als Europäer mich zu widerlegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das wirkliche Problem ist doch, ob unter den heutigen Bedingungen, auch unter den Garantieerklärungen von London und Paris im französischen Parlament eine Mehrheit für die EVG-Politik erreicht werden kann.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)



    (Ollenhauer)

    Wie ist die Lage denn da? Sind Sie nicht beunruhigt über den Tenor der Auseinandersetzungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Frankreich,

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Ja, gewiß!)

    wo die Diskussion von Anhängern und Gegnern dieser Gemeinschaft heute im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt betrieben wird: Ist die Europäische Verteidigungsgemeinschaft eine ausreichende Kontrollinstanz für die Deutschen, oder ist sie es nicht?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wo bleibt denn da das, was Sie europäische Partnerschaft in der Verteidigung der Freiheit in Europa nennen?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Das sind Zweckargumente!)

    Nun ein zweites. Wir alle haben hier leidenschaftliche Diskussionen über die Frage gehabt, in welchem Ausmaß es möglich ist, dem deutschen Volk die gleiche Sicherheit zu geben wie irgendeinem anderen Volk. Wenn Sie sich daran erinnern, werden Sie wissen, daß einer unserer Einwände gegen die EVG die Auffassung war, daß die europäische Verteidigungsgemeinschaft dem deutschen Volke nicht dasselbe Maß von Sicherheit gewähren wird oder, wenn Sie wollen, gewähren kann wie den anderen Partnern von EVG und NATO. Bitte, ich möchte diese Frage heute gar nicht noch einmal theoretisch behandeln. Ich möchte Sie nur fragen, wie Sie jetzt zu diesem Problem stehen, wenn Sie sich z. B. in Erinnerung rufen eine Äußerung des höchsten militärischen Mannes der NATO, des Generals Gruenther, der in London vor ungefähr 14 Tagen in einer Diskussion oder in einer Konferenz ganz offen erklärt hat: Wir brauchen die 12 deutschen Divisionen als Schirm, hinter dem wir unsere eigenen Streitkräfte aufbauen können!—

    (Lebhafte Hört!-Hört!-Rufe von der SPD.)

    Vielleicht ist diese strategische Überlegung des Generals Gruenther militärisch absolut richtig. Aber wo bleibt denn die Sicherheit des deutschen Volkes in der Bundesrepublik, wenn das die Politik der EVG-Anhänger ist.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Bartram: Worin sehen S i e die Sicherheit? — Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Gar keine!)

    — Meine Damen und Herren, gestatten Sie, daß ich im weiteren Verlauf meiner Auseinandersetzung darauf zurückkomme.

    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

    Ein Teil der Bilanz, die wir heute hier zu ziehen hätten, ist die Feststellung der Tatsache, daß einer der Partner der SechserGemeinschaft, nämlich der EVG, immer neue Bedingungen an Deutschland stellt, bevor er zur Ratifizierung bereit ist; ich meine Frankreich.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Bitte, wir können eine sehr sachliche, fundierte und ernsthafte und vielleicht nützliche Aussprache haben über den Ausgleich der französischen und deutschen Interessen an der Saar, vor allem auf dem wirtschaftlichen Gebiet. Aber darum geht es doch hier nicht. Hier geht es um die praktische politische Forderung Frankreichs, unter irgendeinem Titel vor der Ratifizierung des EVG-Vertrages sicherzustellen, daß auch in Zukunft die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der Saar gewahrt bleiben, und daß das Saargebiet nicht wieder ein Bestandteil des deutschen Staatsgebietes wird.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Keine Untersuchung des van-Naters-Plans bringt Sie über diese beiden Kardinalpunkte hinweg.
    Meine Damen und Herren, wieso sind wir Partner? Wenn wir Partner wären, dann prüfen wir doch die Politik des Gleichgewichts, die Sie, meine Damen und Herren, mit der Unterzeichnung des Vertrages über die Montan-Union in verhängnisvoller Weise eingeleitet haben, als Sie die Saar als einen Bestandteil Frankreichs auf ökonomischem Gebiet anerkannten, mit der Wirkung, daß heute in der Gemeinsamen Versammlung die Saarvertreter in den Reihen der französischen Delegation sitzen. Da liegen doch die Anfänge,

    (erneute Zustimmung bei der SPD) und da liegen die Gefahren.

    Meine Damen und Herren! Es geht doch hier nicht darum — das werden Sie mir hoffentlich glauben —, daß wir einen Vorwand suchen, eine mögliche europäische Zusammenarbeit unter irgendeinem nationalistischen Gesichtspunkt zu erschweren. Was uns bewegt, ist etwas ganz anderes. Sie können ein effektives und auf Vertrauen aufgebautes Europa, eine effektive europäische Gemeinschaft, nur dann haben, wenn diese Gemeinschaft die Lebensinteressen und die Selbstbestimmung a 11 e r ihrer Partner von Anfang an respektiert.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier liegt das wirkliche Problem. Aber vor dieser Frage stehen Sie ja. Sie werden j a wohl vor dem 18. Mai sich entscheiden müssen, welchen Preis Sie in der Saarfrage zahlen wollen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    um möglicherweise die Ratifizierung dieses EVG-Vertrages zu erhalten.
    Aber das ist nicht das einzige. Wie wird es denn sein, Herr Bundeskanzler, wenn die französische Regierung auf ihrer Forderung besteht, die Ihnen in so diskreter Weise bei der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden der Verträge in Paris übermittelt wurde — zum Unterschied von der anderen Behandlung der holländischen Hinterlegungsfeierlichkeit —? Herr Bundeskanzler und Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheit dieses Hauses: was werden Sie denn tun, wenn die französische Regierung darauf besteht, daß die fünf Zusatzprotokolle auch noch durch den Bundestag ratifiziert werden? Der Vorteil wäre, daß wir alle in diesem Hause wohl endlich einmal zuverlässig wüßten, was in diesen fünf Zusatzprotokollen steht.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Aber diejenigen, die es wissen — einiges kann man auch aus den Veröffentlichungen entnehmen —, haben doch keinen Zweifel darüber, daß die verniedlichende Auffassung offizieller Regierungsstellen, es handle sich bei diesen Zusatzprotokollen nur um eine Interpretation des Vertrages, mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Wesentliche Bestimmungen dieser Zusatzprotokolle sind geschaffen worden, um den Rest von Integration zugunsten der Aufrechterhaltung nationaler Vorrechte Frankreichs zu beseitigen.


    (Ollenhauer)

    Und wenn Sie den Vertrag schließlich zustande bekommen werden — ich glaube, außer den zwölf deutschen Divisionen wird es wohl kaum andere wirklich europäische und integrierte Divisionen in dieser Europaarmee geben. Aber darüber brauchen wir vielleicht nicht zu reden, weil die Aussichten für die Realisierung eines solchen Verteidigungsbeitrags auf dieser Ebene mehr als gering sind.
    Was wichtig ist: Wenn Sie eine objektive, nüchterne Bilanz dieser EVG-Politik ziehen, müssen Sie zugeben, daß von der Idee der Partnerschaft, die ja etwas Positives hätte sein können, in diesen Verhandlungen und im Vertrag so gut wie nichts übrig geblieben ist.
    Noch ein drittes Gebiet gehört in die Integrationspolitik der Bundesregierung, nämlich die Europäische Politische Gemeinschaft. Ich habe mich gewundert, daß der Herr Bundeskanzler heute wieder solchen Optimismus — war es vielleicht nur ein offizieller Optimismus? — in bezug auf die Entwicklung der Politischen Europäischen Gemeinschaft an den Tag gelegt hat. Er hat ja gerade in dieser Beziehung einige schlechte Erfahrungen hinter sich.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Denn im Frühjahr vorigen Jahres haben Sie, Herr Bundeskanzler, hier im Bundestag uns angekündigt, daß die ersten Wahlen zu dem ersten europäischen Parlament noch vor Ablauf des Jahres 1953 stattfinden würden. Nun, inzwischen ist nur der Entwurf einer europäischen Verfassung der Ad-hoc-Versammlung im wesentlichen von den stellvertretenden Außenministern sozusagen verarztet worden, und darüber gibt es ja zwischen den Parlamentariern und den Ministern erhebliche Meinungsverschiedenheiten und Unzufriedenheiten.
    Es ist kein Zweifel, daß die Aussichten für die Realisierung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft heute auf den Nullpunkt gesunken sind.
    Es mag sein, daß man wiederum zur Gewinnung einer Mehrheit im französischen Parlament für die Verträge ein Kompromiß findet, etwa in der Form einer politischen Kontrollkörperschaft. Aber Sie werden genau so gut wissen wie wir, daß eine solche Behelfskörperschaft, wenn sie zustande käme, nichts mehr oder kaum noch etwas mit der ursprünglichen Idee der Politischen Gemeinschaft zu tun haben würde.
    Ich will mich gar nicht über Einzelheiten verbreiten, aber nehmen Sie alle drei Gebiete des Versuchs, Europa auf dem Wege der kleineuropäischen Integration zu gemeinsamem Handeln zu bringen! Es ist unmöglich, hier von einem Erfolg zu sprechen. Richtiger ist es, festzustellen, daß diese Politik von Tag zu Tag mehr in eine Sackgasse gerät.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich habe das Gefühl, daß in dieser Lage angesichts des starren Festhaltens der Regierung an dieser Politik die Gefahr besteht, daß sich die Bundesregierung durch die Starrheit ihrer Haltung selbst die Chancen verbaut, an einer Diskussion über Alternativlösungen von vornherein maßgebend mitzuwirken.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Vorschläge?!)

    Die Einseitigkeit, mit der der Herr Bundeskanzler seine Außenpolitik führt und zu der er sich
    heute wieder mit so großem Nachdruck bekannt hat, führt auch dazu, daß in der Außenpolitik der Bundesregierung die Möglichkeiten ignoriert oder jedenfalls nicht untersucht werden, die seit der Berliner Konferenz in der Frage der europäischen Sicherheit durch die russischen Vorschläge aufgetaucht sind. Bitte, der Berliner Vorschlag Molotows über ein europäisches Sicherheitssystem war unannehmbar; aber er steht heute nicht mehr in der Diskussion. Es gibt eine Note mit Änderungsvorschlägen zu diesem Sicherheitsvorschlag, und zwar mit Änderungsvorschlägen in der Richtung der von den Westmächten in Berlin geäußerten Kritik, z. B. die Anerkennung, daß die Vereinigten Staaten in ein solches europäisches Sicherheitssystem einbezogen werden sollen. Sicher bedarf auch dieser revidierte Plan eingehender Verhandlungen, und es ist keineswegs von vornherein klar, daß er unbesehen akzeptierbar wäre. Aber wo gibt es heute überhaupt in der internationalen Politik eine solche Situation? Was mich bedrückt, ist z. B. die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler und Außenminister heute im Zusamenhang mit dieser neuen Note des russischen Außenministers feststellt, daß diese Note von den Westmächten einhellig abgelehnt worden sei. Das ist objektiv nicht richtig. Es gibt darüber eine sehr interessante Diskussion zwischen den dreien und der Sowjetunion, um z. B. die Sowjetregierung zu veranlassen, Auskunft zu geben, was sie sich unter dem Vorschlag vorgestellt hat, daß die Sowjetunion Mitglied der NATO werden solle. Bitte, ich sage nicht, daß dieses Gespräch ein Resultat haben wird. Aber man muß doch wissen, gerade in der Situation der Bundesrepublik, daß es solche Gespräche gibt, und in der negativen, rein propagandistischen Ablehnung jedes russischen Vorschlages ohne Prüfung brauchen wir doch nun wirklich nicht die Spitzenleistungen in Europa zu vollbringen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, warum mache ich diese Bemerkung? Sie werden verstehen: es geht uns hier gar nicht darum, aus irgendeinem andern als einem deutschen Grunde die Sowjetunion irgendwie in dieses Gespräch zu bringen. Aber die Sowjetunion ist Nachbar des deutschen Volkes und bleibt es; die Sowjetunion ist eine der entscheidenden Großmächte der Welt von heute; und die Sowjetunion ist eine der Besatzungsmächte Deutschlands. Eine Politik, die jeden russischen Vorschlag einfach nur als kommunistische Agitation oder als bolschewistisches Manöver abtut, ist eine gefährliche Selbsttäuschung der deutschen Politik.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie widerspricht den elementarsten Lebensinteressen des deutschen Volkes.

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

    Unsere Existenz und unsere Lebensmöglichkeiten, ob uns das gefällt oder nicht, werden immer davon abhängen, daß wir auch ein Verhältnis des erträglichen Nebeneinanderlebens dieser beiden Völker finden, einfach weil wir mit dieser Frage unserer Beziehungen fertig werden müssen.
    Die Regelung derartiger Beziehungen ist völlig unabhängig von der moralischen oder politischen Bewertung des inneren Systems oder der politischen Weltanschauung, die in der Sowjetunion herrschen.

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)



    (Ollenhauer)

    Wir Sozialdemokraten haben z. B. den Kampf
    gegen den Kommunismus in Deutschland und
    gegen die bolschewistischen Herrschaftsvorstellungen auch in der Zeit in kompromißloser Schärfe
    geführt, als die Weimarer Republik freundschaftliche Beziehungen zu der Sowjetunion unterhielt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.
    Auf außenpolitischem Gebiet müssen wir aber dazu kommen, zu erkennen, daß das Problem der Beziehungen der Sowjetunion zu Deutschland und Europa nicht einfach beiseite geschoben werden kann. Wenn heute die Sowjetunion — sicher aus sehr realistischen und von ihren Interessen diktierten Überlegungen — die Frage eines umfassenden Sicherheitssystems in Europa aufwirft, haben wir nach unserer Meinung ein Interesse daran, bei allen Beteiligten darauf zu drängen, daß diese Vorschläge ernsthaft untersucht werden. Denn welche Möglichkeiten der Sicherheit auf lange Sicht für Deutschland haben wir, wenn wir nicht auch die Möglichkeit des Einbaus eines vereinigten Deutschlands in ein umfassendes Sicherheitssystem einbeziehen? Wenn es gelänge, eine solche Sicherheitsorganisation im Rahmen der Vereinten Nationen zu finden, die Deutschland einschließt und die weder von der Sowjetunion noch von den Westmächten als eine gegen sie gerichtete Bedrohung empfunden wird, dann wären wir in der Politik der Entspannung ein großes Stück weiter,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und die Aussichten für eine befriedigende Lösung der Frage der Wiedervereinigung und des zukünftigen Status Deutschlands in einem umfassenden Sicherheitssystem wären unendlich viel größer als heute.
    Wir sind zu einer solchen Politik des Drängens der Bundesregierung auf neue Verhandlungen über das Deutschlandproblem und über den Sicherheitskomplex um so mehr verpflichtet, als wir von der nüchternen Tatsache ausgehen müssen, daß in bezug auf die Lösung beider Probleme alle an Deutschland interessierten Mächte auch die Frage der Wiedervereinigung zunächst unter dem Gesichtspunkt der Befriedigung ihrer eigenen Interessen in der Auseinandersetzung um die Abgrenzung der Einflußsphären in der Welt sehen.

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

    Das heißt, wenn wir nicht dauernd aktiv eine Wiedervereinigungs- und Sicherheitspolitik betreiben, werden wir nie erreichen können, daß wir die anderen, die über diese Frage entscheidend mitzureden haben, zu der größten Aktivität und Anstrengung veranlassen.
    Wir sind die letzten, die bestreiten, daß eine solche Politik Zeit und Geduld erfordert und daß es bei allen diesen Fragen keine hundertprozentige Garantie des Erfolges gibt. Aber, eines kann man heute angesichts der gegenwärtigen Lage sagen: die Diskussion einer solchen Konzeption ist in der gegebenen Lage ebensowenig — oder ebensoviel — unrealistisch wie die Integrationspolitik der Bundesregierung und ihrer Mehrheit.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In jedem Falle spricht für eine ernste Behandlung dieses Sicherheitsproblems für uns die Tatsache, daß wir bei diesen Verhandlungen den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem internationalen Status Deutschlands und der Wiedervereinigung wiederherstellen und wahrscheinlich neue Möglichkeiten für eine Realisierung der Wiedervereinigung erschließen. Wir haben die Frage dieses inneren Zusammenhangs der beiden Probleme nach dem Ausgang der Berliner Konferenz und nach der sogenannten Souveränitätserklärung der Sowjetregierung für die sogenannte Pankower Regierung in einem neuen Licht zu sehen. Es kommt sehr darauf an, daß die Bundesrepublik in der richtigen Weise auf die Konsequenzen reagiert, die sich aus diesem Akt der Sowjetregierung gegenüber Pankow ergeben.
    Ich werde über die innerdeutsche Seite, nämlich über das zukünftige Verhältnis zwischen Bundesrepublik und der Bevölkerung der Sowjetzone später noch etwas sagen. Aber es gibt in der öffentlichen Diskussion U berlegungen, die einzig mögliche und richtige Antwort auf den Schritt der Sowjetregierung gegenüber Pankow sei, daß man nunmehr der Bundesrepublik die volle Souveränität gebe. Nun, meine Damen und Herren, wir sind uns sicher alle darin einig, daß es notwendig ist, das Besatzungsregime abzulösen, und wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß auch die Bestimmungen des Generalvertrags nicht ausreichen, um dem deutschen Volk in der Bundesrepublik die volle Freiheit in der Regelung seiner inneren Angelegenheiten zu geben. Was wir wünschen — und wir haben es früher schon gesagt —, ist ein friedensvertragsähnlicher Zustand für die Bundesrepublik, aber nicht die Etablierung dieses Teiles Deutschlands als ein selbständiges Staatsgebiet.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Denn damit würden wir die uns durch die Differenzen unter den Besatzungsmächten aufgezwungene Spaltung Deutschlands aus eigenem deutschen Entschluß oder durch einen einseitigen Akt der drei westlichen Besatzungsmächte zu einem definitiven Zustand machen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Eine solche Entscheidung wäre mit der immer wieder von uns gemeinsam deklarierten Politik der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit als vordringlichstem Ziel unvereinbar.
    Meine Damen und Herren, Sie können mit Recht die Frage aufwerfen: Was geschieht, wenn auf der einen Seite die Integrationspolitik zu keinem Erfolg führt und wenn auf der anderen Seite die Verhandlungen über ein europäisches umfassendes Sicherheitssystem und über die Wiedervereinigung Deutschlands nicht vorankommen, wenn dann im Westen eine Art von Vakuum entsteht, das zu neuen aggressiven Absichten ermutigen könnte? Lassen Sie mich noch einmal eines hier feststellen: Selbstverständlich gibt es für die Verteidigung des Westens noch andere Möglichkeiten als die EVG,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und man sollte endlich Schluß machen mit einer Politik, die die EVG gewissermaßen zur Weltanschauung des guten Europäers erhebt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Überall in der Welt werden öffentlich Alternativlösungen diskutiert. Es gibt genügend Stimmen in anderen beteiligten Ländern, die die sofortige Untersuchung anderer Möglichkeiten fordern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Zum Beispiel?) — Bitte, lesen Sie die Presse!


    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Lesen Sie eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen, an Stelle der integrierten EVG auf einer


    (Ollenhauer)

    breiteren Basis eine Art von vertraglichem System für eine Koalitionsarmee Europas zu schaffen.

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Die SPD will offenbar mit Gewalt eine Nationalarmee!)


    (Beifall bei der SPD.)

    Ich komme jetzt zurück auf die Bemerkung, die ich vorhin machte: Wenn Sie in dieser Weise sozusagen bis zum letzten Strohhalm von Hoffnung um diese Konzeption kämpfen, bedeutet das — auch wenn sie nicht zum Erfolg führt —, daß die Beteiligung Deutschlands an anderen notwendigen Verhandlungen unter schlechteren Voraussetzungen erfolgt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich möchte, daß wir das auch hier in diesem Stadium aussprechen; denn wir als sozialdemokratische Fraktion haben bei der letzten außenpolitischen Debatte am Schluß der Berliner Konferenz nicht nur grundsätzlich unsere Bereitschaft erklärt, an der europäischen Gemeinschaft, sondern und eingeschlossen auch an einer eventuellen europäischen Verteidigungsgemeinschaft mitzuwirken. Wir haben die konkreten Voraussetzungen genannt, die nach unserer Meinung zur Diskussion stehen sollten, und ich wünschte, es wäre endlich einmal in diesem Hause möglich, auch über solche konkreten Fragen miteinander wirklich zu diskutieren.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Das Wesentliche ist, daß in jedem Fall bei allen unseren Überlegungen über die außenpolitische Aktivität der Bundesrepublik die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands den ersten Platz einnimmt,

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

    und besonders dann — ich denke an Genf —, wenn diese Frage auf der internationalen Bühne in den Hintergrund zu treten scheint. Dann muß durch die Aktivität der Bundesrepublik der Ruf nach der Einheit in der internationalen Öffentlichkeit hörbar bleiben,

    (Beifall bei der SPD)

    und nicht nur, wenn das Thema von den anderen auf die Tagesordnung gesetzt wird.
    Meine Damen und Herren, sehen Sie, die entscheidende Bedeutung einer Politik der Wiedervereinigung Deutschlands auch für die Saarfrage ist das, was uns auch nach den heutigen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers in bezug auf seine Absichten in der Saarfrage auf das allertiefste beunruhigt.

    (Abg. Dr. Arndt: Sehr wahr!)

    Der Herr Bundeskanzler hat eine ganze Reihe von Voraussetzungen genannt, die nach seiner Meinung erfüllt werden müssen, ehe er und seine Regierung sich bereit sehen könnten, einer solchen sogenannten Europäisierung zuzustimmen. Aber ist das wirklich unsere Position? Können wir tatsächlich — und das ist der entscheidende Punkt — die Idee des Herrn Bundeskanzlers akzeptieren: „Da wir an den realen Machtverhältnissen an der Saar nichts ändern können, müssen wir eine Kompromißlösung finden", und zwar vor einem Friedensvertrag!

    (Abg. Dr. von Brentano: Und bis!)

    — Dieses „bis" ist ja sehr mit Fragezeichen versehen, Herr Kollege von Brentano. Aber das ist vielleicht einer Spezialbehandlung wert.
    Was ich hier sagen möchte, ist folgendes: Können wir diese Grundidee, den Ausgangspunkt der Überlegung des Herrn Bundeskanzlers für ein mögliches Kompromiß annehmen, wenn wir uns nicht der Gefahr aussetzen wollen, daß diese Frage der Realität das Argument der anderen Seite wird, wenn wir über die Gebiete jenseits der Oder und Neiße reden?

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gibt doch keine Machtpolitik von zweierlei Charakter oder moralischem Wert.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Kalte Annexion bleibt kalte Annexion.

    (Erneuter, lebhafter Beifall bei der SPD.) Nur: eine Annexionspolitik eines Volkes, das unter demokratischen Aspekten lebt, trifft uns sehr viel schmerzlicher,


    (fortgesetzter lebhafter Beifall bei der SPD)

    und zwar deshalb, weil wir fürchten, daß solche Methoden der Demokratien nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt bei den Menschen und Völkern, die wir für die Demokratie gewinnen wollen, Zweifel an der Glaubwürdigkeit unserer demokratischen Ideale aufkommen lassen.

    (Wiederholter lebhafter Beifall bei der SPD und Beifall bei Abgeordneten der FDP.)

    Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei kann in ihrer Geschichte auf glanzvolle Kapitel einer Politik der Verständigung zwischen dem französischen und dem deutschen Volk zurückblicken.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich denke an die Zeit von August Beb e 1 und Jean Jaurès, als diese beiden Männer — im Falle von Jean Jaurès bis zur Aufopferung des Lebens — für die deutsch-französische Verständigung eingetreten sind. Das bleibt heute unverändert bestehen. Es bleibt unsere feste Überzeugung bestehen, daß ein wirklich freundschaftliches Verhältnis zwischen dem französischen und dem deutschen Volke eine entscheidende Voraussetzung für eine europäische Gemeinschaft darstellt,

    (Beifall bei der SPD)

    und es bleibt bestehen, meine Damen und Herren, daß die sozialdemokratische Fraktion in dem 1. Bundestag bei der ersten Saardebatte im Februar 1950 durch Dr. Schumacher einen konkreten Vorschlag gemacht hat, die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der Saar durch ein weitgefaßtes Abkommen zwischen Bonn und Paris zu befriedigen und diesen Zankapfel Saar aus der Welt zu schaffen. Es ist wahrlich nicht die Schuld der Sozialdemokratie, wenn in diesen Verhandlungen nichts unternommen und nichts erreicht werden konnte.

    (Zuruf von der SPD.)

    Aber ich will die Schuldfrage gar nicht untersuchen. Sie können und dürfen jedoch in der Lage, in der wir uns befinden, ohne Friedensvertrag, mit lebenswichtigen Problemen unserer späteren endgültigen Grenzen, bei dem Zwang für das deutsche Volk — wenn es das nicht aus Überzeugung täte —, zu einer europäischen Zusammenarbeit zu kommen, keinen Schritt dieser Zusammenarbeit Europas mit Zugeständnissen erkaufen, die an die


    (Ollenhauer)

    Grundsätze nationaler Selbstbestimmung und nationaler Lebensrechte eines jeden freien Volkes gehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat geglaubt, darauf hinweisen zu müssen, daß der jetzige sogenannte van-der-Goes-van-Naters-Plan von den sozialistischen Vertretern der Beratenden Versammlung des Europarates angeregt wurde. Der einfache Sachverhalt ist der, daß auch die Sozialisten dafür waren, daß über die Zustände an der Saar, und zwar im Zusammenhang mit den Landtagswahlen an der Saar, eine Untersuchung angestellt wird. Das hätte eine nützliche Aufgabe sein können. Ich sehe nicht ein, warum wir uns da mit unserer Zustimmung verstecken sollten. Aber in dem Auftrag der Beratenden Versammlung lag nicht die Aufgabe, ein neues System für die Zukunft zu entwickeln.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Als dieser Auftrag eigenmächtig erweitert worden ist, haben jedenfalls wir deutschen Sozialdemokraten eindeutig dagegen Stellung genommen. Da ich diese Bemerkung auch schon an anderer Stelle gehört und gelesen habe, wollte ich hier diese Sache aus der Welt schaffen; vielleicht gelingt das doch.
    Wie gesagt, es geht nicht um den mehr oder weniger guten Willen zum Entgegenkommen, auch nicht um den mehr oder weniger guten europäischen Geist, sondern es geht um diese elementaren Grundrechte, und es handelt sich darum, daß keine deutsche Teilregierung und auch keine Besatzungsmacht das Recht haben, vor Abschluß eines Friedensvertrags über deutsche Gebiete und deutsche Bevölkerungsteile zu verfügen. Das gilt nach jeder Seite hin. Jeder Schritt abseits von diesem Wege, auch wenn er unter der falschen Flagge der Europäisierung erfolgt, ist ein unstatthafter Vorgriff auf die friedensvertragliche Regelung mit unabsehbaren Konsequenzen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Frage, ob man den Preis zahlen soll, der da für die Ratifizierung gestellt ist, ist nicht von uns aufgeworfen worden. Was ich bedauere, ist, daß sich die Bundesregierung vor diese Frage hat stellen lassen und bereit ist, sie so zu beantworten, wie der andere Partner sie stellt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Das ist ja unerhört, Herr Ollenhauer; das ist ja gar nicht wahr!)

    Das ist das wirkliche Problem.

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Herr Ollenhauer, das ist nicht wahr, was Sie gesagt haben!)

    — Herr Gerstenmaier, ich habe gesagt, daß die Bundesregierung vor diese Frage gestellt ist — —

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Und daß sie bereit ist, sie so zu beantworten, das haben Sie auch noch dazu gesagt!)

    — „und bereit ist", das habe ich gesagt. Der Bundeskanzler ist unter bestimmten Voraussetzungen bereit, einer solchen Lösung zuzustimmen.

    (Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Das ist aber etwas anderes, als was Herr Maurice Schuman verlangt hat! — Glocke des Präsidenten.)

    — Ich habe mich bezogen auf die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers heute. Sie können doch nicht bestreiten, daß jetzt die Saarfrage in dieser
    dramatischen Zuspitzung vor uns steht, weil für die Franzosen die Erledigung dieser Frage eine Voraussetzung für die Ratifizierung des EVG-Vertrags im Parlament ist.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Das Junktim haben wir nicht gemacht!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum letzten Teil meiner Ausführungen kommen.

    (Weitere Zurufe des Abg. D. Dr. Gerstenmaier.)

    — Herr Gerstenmaier, vielleicht können Sie sich nachher zum Wort melden; das macht die Sache für uns beide und wohl für das ganze Haus interessanter.
    Ich möchte zum letzten Teil meiner Ausführungen kommen. Wir stehen in dieser Debatte vor der Aufgabe, uns mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen, die sich für die Bundesrepublik aus dem neuen Status ergeben und die durch die sogenannte Souveränitätserklärung für die Pankower Regierung entstanden sind oder noch entstehen. Ich bedauere sehr, daß der Herr Bundeskanzler, obwohl er vor dem 7. April damit einverstanden war, daß wir die Aussprache über dieses Kapitel heute hier führen, so wenig über die Vorstellungen und Absichten der Bundesregierung in bezug auf dieses Problem gesagt hat. Ich möchte darlegen, was jedenfalls wir Sozialdemokraten in diesem Augenblick an Maßnahmen, Schritten und Vorstellungen für notwendig halten.
    Der Deutsche Bundestag hat am 7. April erklärt, das deutsche Volk werde sich niemals mit der Spaltung Deutschlands abfinden und die Existenz zweier deutscher Staaten hinnehmen. Daß die Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone diese Auffassung voll und ganz teilen, haben sie im Juni vorigen Jahres auf erschütternde Weise kundgetan. Die Arbeiter Mitteldeutschlands, die in den Junitagen 1953 die Arbeit einstellten, um ungeachtet der Gewaltherrschaft mit der Waffe des Streiks für die deutsche Einheit in Freiheit zu demonstrieren, haben den Anspruch der Sowjetzonenregierung zuschanden gemacht, sie verträte die Bevölkerung dieser Zone.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Aber um so ernster müssen wir die Aufgabe nehmen, diese Deutschen davor zu bewahren, unwiderruflich zur Unfreiheit verdammt zu bleiben. Der Deutsche Bundestag kann sich deshalb nicht darauf beschränken, gegen die verwerflichen Manipulationen der sowjetischen Besatzungsmacht und ihrer Schutzbefohlenen Verwahrung einzulegen. Er ist und bleibt verpflichtet, mit allen Kräften dahin zu wirken, das Auseinanderfallen Deutschlands in endgültig voneinander getrennte Staaten zu verhindern, nicht zuletzt auch um der Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone willen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, für die Deutschen in dieser Zone bedeutet es gewiß viel, zu wissen, daß wir sie weder vergessen noch aufgeben. Aber es ist für sie und für uns alle lebensnotwendig, daß sie in ihrem täglichen Leben spüren, wie sehr wir uns ihnen und der Einheit Deutschlands verpflichtet fühlen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Also nicht nur Bekenntnisse zur Einheit, sondern Überwindung der Hindernisse, die immer wieder gegen die Verwirklichung der Einheit aufgerichtet werden! Die staatliche Einheit Deutschlands, auf


    (Ollenhauer)

    die wir Deutschen Anspruch haben und die wir uns weder unter dem Deckmantel der sogenannten Europäisierung deutschen Staatsgebiets noch unter dem Deckmantel einer angeblich souveränen sogenannten Arbeiter- und Bauernregierung auf einem Teil deutschen Bodens abkaufen oder abzwingen lassen, herzustellen, ist und bleibt die vordringlichste Forderung des ganzen deutschen Volkes.
    Wir wissen, wie sehr die Verwirklichung dieser Forderung von der Herbeiführung und Sicherung friedlicher Verhältnisse abhängt. Wir bleiben uns auch bewußt, daß es wahrscheinlich unausweichlich ist, auch eine Reihe anderer Streitfragen, über die ich schon gesprochen habe und die auch zwischen den Besatzungsmächten bestehen, zu regeln, um für die Lösung der deutschen Frage die erforderliche Atmosphäre zu schaffen. Aber unabhängig davon gibt es gewisse innerdeutsche Voraussetzungen, die entweder erhalten oder geschaffen werden müssen, um die Bedingungen zur Herstellung der deutschen Einheit zu verbessern. Für die Erhaltung oder Schaffung dieser Voraussetzungen müssen sowohl die Deutschen selbst als auch die Besatzungsmächte ihren Beitrag leisten. Wenn sich zur Zeit die Besatzungsmächte, wie wir glauben, ernste Versäumnisse in dieser Beziehung zuschulden kommen lassen, so muß der Deutsche Bundestag seine Stimme erheben.
    Die westlichen Besatzungsmächte haben in den letzten Wochen in einem Briefwechsel ihrer Hohen Kommissare mit dem russischen Hohen Kommissar über Erleichterungen im innerdeutschen Verkehr über die Demarkationslinie kein Einvernehmen erzielt, nachdem der sowjetische Hohe Kommissar erklärt hat, solche Verhandlungen seien nicht Angelegenheit der Besatzungsmächte, sondern der Regierungen beider Teile Deutschlands. Die Auseinandersetzung über diesen Punkt wurde durch die Aufkündigung bisheriger Abmachungen für die Militärmissionen anderer Staaten als der Besatzungsmächte beim Alliierten Kontrollrat noch weiter kompliziert. Sie sind durch die sowjetische Hohe Kommission und durch den Anspruch der Sowjetzonenregierung gekündigt worden, künftig Paßformalitäten und Transitabkommen mit anderen Staaten selbst regeln zu wollen. Nun, abgesehen von dem, was der Deutsche Bundestag zur Verleihung dieser sogenannten Souveränitätsrechte am 7. April grundsätzlich erklärt hat, möchten wir folgendes feststellen. Die Besatzungsmächte, die im Jahre 1945 Besatzungszonen errichtet haben und bis heute an der zwischen der sowjetischen Besatzungszone und den drei westlichen Besatzungszonen gezogenen Demarkationslinie festgehalten haben, sind für die aus dieser Politik für das innerdeutsche Leben entstandenen Folgen verantwortlich.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ungeachtet aller irreführenden Diskussionen über angebliche Souveränitätsrechte für den einen oder für den anderen haben die Besatzungsmächte sich ja auch beiderseits Rechte vorbehalten, die Deutschland als Ganzes betreffen. Auf beiden Seiten, sowohl auf der Seite der Westmächte wie auf der Seite der Sowjetunion, beziehen sich die Besatzungsmächte auf den Kern ihrer Abmachungen vom Jahre 1945. Nachdem die sowjetische Besatzungsmacht in ihrer Erklärung vom 25. März ausdrücklich die Funktionen für sich beansprucht, die mit der Gewährleistung der Sicherheit in Zusammenhang stehen und sich aus den Verpflichtungen ergeben, die der Sowjetunion aus dem Viermächte-Abkommen erwachsen, hätten unseres Erachtens
    die drei westlichen Besatzungsmächte die Pflicht gehabt, bei der Sowjetregierung auf eine Klärung und Feststellung des Inhalts und der Konsequenzen dieser Formulierung zu drängen.

    (Sehr gut! links. — Abg. Dr. von Brentano: Das tun wir ja seit einigen Jahren!)

    Wir bedauern, daß sie auf die Herbeiführung einer solchen Klärung verzichtet haben. Nach wie vor halten wir es für notwendig, daß die Bundesregierung von den Besatzungsmächten eine solche Definition der Verpflichtungen der vier Besatzungsmächte bezüglich Deutschlands als Ganzem fordert. Wir halten das sowohl im Hinblick auf die Verpflichtung der Besatzungsmächte zur Beseitigung der Spaltung Deutschlands für notwendig als auch im Hinblick auf die Gewährleistung eines möglichst reibungslosen und möglichst umfangreichen innerdeutschen Verkehrs über die Demarkationslinie.
    Die Bundesregierung darf sich nach unserer Auffassung nicht damit abfinden, daß die drei westlichen Besatzungsmächte kürzlich erklärt haben, sie hielten weitere Bemühungen um Verhandlungen mit der vierten Besatzungsmacht über die Erleichterungen im innerdeutschen Verkehr für zwecklos. Die Besatzungsmächte müssen in dieser für das deutsche Volk außerordentlich schwierigen Situation vor die Forderung gestellt werden, durch Viermächte-Abkommen den Rahmen für die dann zwischen den beiderseitigen deutschen Behörden zu regelnden Modalitäten im Verkehr über die Zonengrenze zu schaffen.

    (Sehr gut! links.)

    Wenn die drei westlichen Besatzungsmächte auf ihrer Weigerung beharren, diese Diskussion weiterzuführen, dann muß die Bundesregierung verlangen, ausdrücklich verlangen, daß die Besatzungsmächte in aller Form erklären, es sei künftig Sache der Bundesregierung, Wege zu finden, um die Voraussetzungen für den innerdeutschen Verkehr der Menschen untereinander zu sichern.

    (Sehr gut! links.)

    Aber auch in diesem Fall sind die Besatzungsmächte nicht von ihren Verpflichtungen in bezug auf Deutschland als Ganzes entbunden.

    (Sehr richtig! links.)

    Wenn wir von innerdeutschem Verkehr sprechen, so verstehen wir darunter die Beziehungen zwischen den Deutschen beider Teile in jeder Beziehung; wir sind der Auffassung, daß diese Beziehungen nicht schlechter werden sollten, als sie es zur Zeit sind. Vielmehr liegt es im Interesse der Entspannung der internationalen Gegensätze, auch auf deutschem Boden eine Verbesserung dieser innerdeutschen Beziehungen in der Richtung normaler Beziehungen anzustreben.

    (Sehr richtig! links.)

    Meine Damen und Herren, wir warnen davor, diese Fragen dadurch zu komplizieren, daß man sie mit der sogenannten Anerkennung verquickt. Es kann sich bei der Regelung dieser innerdeutschen Verkehrsbeziehungen weder um eine völkerrechtliche noch um eine politische oder moralische Anerkennung von Pankow handeln.
    Wenn auf sowjetzonaler Seite der erpresserische Versuch gemacht wird, die derzeitige Sowjetzonenregierung in eine sozusagen völkerrechtlich anerkannte Verhandlungsposition zu bringen, so darf dieses Spiel auf unserer Seite nicht noch — wenn auch vielleicht zumeist ungewollt — dadurch er-


    (Ollenhauer)

    leichtert werden, daß man Staatssekretäre und andere Sprecher der Bundesregierung deklamieren läßt, man werde sich niemals mit den Vertretern der Sowjetzonenregierung an einen Tisch setzen, um mit ihnen über Fragen zu verhandeln, die den innerdeutschen Verkehr betreffen und die auch in der Vergangenheit behandelt worden sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Für die Elemente, die die Politik der Sowjetzonenregierung ausführen, mag es ohne moralische Bedeutung sein, ihren politischen Erpressungsversuchen zuliebe die innerdeutschen Beziehungen zeitweise auf den Nullpunkt herabzudrücken. Sie waren es ja auch, die schon im Jahre 1952 den dreifachen Zonensperrgürtel gezogen haben. Aber für die Organe der Bundesrepublik ist die Verantwortung auch für die Deutschen in der sowjetischen Zone etwas Reales.
    Wir haben die unausweichliche Pflicht, alles zu tun, um die Beziehungen der Deutschen über die Demarkationslinie hinweg nicht einfrieren zu lassen, sondern sie so lebendig wie möglich zu gestalten und zu erleichtern.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn es in diesem Zusammenhang überhaupt etwas anzuerkennen gibt, so ist das einzig und allein die Notwendigkeit, nicht zuzulassen, daß die Verbindungen zwischen den Deutschen beider Teile Deutschlands gedrosselt werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang sollten wir nicht vergessen, welche Pflichten wir gegenüber Berlin haben, dessen Verbindungen zu Westdeutschland und zu der übrigen Welt so wichtig sind, daß wir sie auch nicht durch irgendwelche abwegige Diskussionen über sogenannte Anerkennungsformalitäten gefährden sollten. Niemand kann von uns, von den Deutschen in der Bundesrepublik erwarten oder verlangen, irgendein Zeichen der Sympathie oder rechtlichen Anerkennung gegenüber den Gewalthabern der sowjetischen Besatzungszone zu geben. Aber andererseits kann auch niemand von uns erwarten oder verlangen, daß wir den politischen Manipulationen der Sowjetzonenmachthaber ausweichen und unsere Verpflichtungen gegenüber den Menschen in der Zone vernachlässigen.
    An dieser Stelle möchte ich auch ein Wort an die russische Regierung richten. Wir erinnern uns noch an die Erklärungen, die Anfang Juni vorigen Jahres gegeben wurden und die darin gipfelten, es solle nunmehr auch von sowjetzonaler Seite dahin gewirkt werden, die Annäherung der beiden Teile Deutschlands zu erleichtern. Diese Worte wurden kürzlich von dem stellvertretenden sowjetischen Ministerpräsidenten Mikojan in Berlin wiederholt und als Aufgabe der Sowjetzonenregierung hingestellt. Wir müssen feststellen und wir müssen darauf hinweisen, daß die derzeitige Praxis der Sowjetzonenregierung in genau entgegengesetzter Richtung läuft.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wenn sich die Sowjetregierung nicht dem Verdacht aussetzen will, daß es sich für sie nur um ein Spiel mit Worten handelt, dann muß sie aktiv werden, um eine andere Haltung der Sowjetzonenregierung in diesen Fragen des Verkehrs der Menschen zwischen den Zonen herbeizuführen. Die Sowjetregierung kann nicht daran vorübergehen, daß das deutsche Volk sich weder volksdemokratisieren noch sowjetisieren lassen will. Wenn sie das ihrige
    zur friedlichen Lösung der deutschen Frage beitragen will, dann ist hier der erste praktische Schritt möglich; und dieser erste praktische Schritt muß auch getan werden, um den guten Willen und den guten Glauben unter Beweis zu stellen.
    Ich komme zum Schluß. Wir haben es für notwendig gehalten, bei dieser außenpolitischen Debatte möglichst auf die konkreten Fragen einzugehen, die heute im Vordergrund des Interesses stehen, vor allem auf die Fragen, die sich aus der sogenannten Souveränitätserklärung der Sowjetunion für die Pankower Regierung ergeben können. Sicher bedarf es auch hier noch eingehender Untersuchungen und Beratungen, um die besten Mittel und Wege ausfindig zu machen, die uns die Aufrechterhaltung eines möglichst umfassenden Kontaktes mit der Bevölkerung der Sowjetzone ermöglichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen: wir bedauern es sehr, daß die zur Behandlung dieser Probleme im Einvernehmen mit dem Herrn Bundeskanzler für gestern in Aussicht genommene Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses ohne Angabe von Gründen abgesagt worden ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Fraktionssitzungen!)

    Es mag Gründe geben. Aber ich stelle hier fest: in der Diskussion im Auswärtigen Ausschuß waren sich alle Mitglieder des Ausschusses und der Bundeskanzler selber darüber einig, daß es einen großen praktischen Sinn hätte, vor der heutigen Debatte im Ausschuß zu diskutieren. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, vor allen Dingen auch nach den sehr allgemein gehaltenen Bemerkungen des Herrn Bundeskanzlers,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    daß darin nicht ein Zeichen dafür liegt, daß die Regierung nicht bereit ist, in diesen konkreten Fragen in der nächsten Zeit aktiv zu werden. Ich hätte die Frage nicht aufgeworfen, wenn sie sich nicht durch diese Umstände einfach aufgedrängt hätte.
    Im ganzen gesehen ergeben sich für uns aus der Prüfung der gegenwärtigen internationalen Situation für die auswärtige Politik der Bundesrepublik vor allem zwei vordringliche Verpflichtungen: erstens die Durchführung einer Politik, die in jedem Falle und unter allen Umständen dem ständigen aktiven Bemühen für eine Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit vor allen anderen Überlegungen den Vorrang gibt, zweitens eine Politik der Bundesregierung, die aktiv jede ernsthafte Bemühung in der internationalen Politik unterstützt, die auf eine Entspannung und auf die Festigung des Friedens hinausläuft. Nur unter diesen Voraussetzungen können wir die uns gestellte nationalpolitische Aufgabe der Wiedervereinigung Deutschlands und unsere Verpflichtungen gegenüber den anderen Völkern der Welt erfüllen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)