Ich erteile weiter das Wort dem Herrn Abgeordneten Höcherl zur Begründung des von seiner Gruppe vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit.
Höcherl , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr über die Erklärung des Herrn Kollegen Greve, daß er unserem bayerischen Entwurf zustimmen will. So wäre es nach dieser zweitägigen heftigen Debatte schließlich noch gelungen, wenigstens in einem ganz kleinen Fall die Gnade der SPD zu finden. Man muß eben Geduld haben.
Die Beratung der Gesetzesvorlagen auf Drucksachen 215 und 248 mußte hinter die großen Themen, die das Hohe Haus in den letzten Wochen und Monaten beschäftigt haben, zurücktreten. Dadurch ist das große Anliegen, das in diesen beiden Anträgen liegt, zeitlich nur noch dringlicher geworden. Sie wissen, daß durch etwas ungereimte Umstände Anfang September 1953 in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, die Bundesregierung werde ein Amnestiegesetz vorlegen. Die Gerichte haben genau so wie die ganze Öffentlichkeit diese Meldung sofort aufgegriffen, ohne die Gesetzesabsichten der Bundesregierung, die eine ganz bestimmte Richtung einhielten, genau zu kennen. Die Gerichte haben daraufhin, da sie notorisch überlastet sind, sofort eine Generalamnestie in der üblichen Form vermutet und haben in allen Ländern, wie zweifelsfrei feststeht, die Bearbeitung der Fälle, die nach ihrer Meinung unter die Amnestie fallen könnten, eingestellt, so daß sich heute Hunderte und Tausende von unerledigten und unbearbeiteten Akten sowohl bei den Staatsanwaltschaften wie auch bei den Gerichten befinden.
Sie mögen diese Zustände aus folgenden Beispielen ersehen. So schreibt ein Mitglied des Bayerischen Obersten Landesgerichts:
Seit August
— der Herr Vertreter des Obersten Landesgerichts nimmt sogar den Monat August des vergangenen Jahres
. . . wird immer wieder von der Aussicht auf Erlaß einer Amnestie gesprochen, und zuletzt las man von einem diesbezüglichen Initiativantrag der CSU im Bundestag; aber es rührt sich einfach gar nichts. . . . Aber dieses Amnestie-Gerücht hat uns infolge zahlloser „vorsorglicher" Revisionseinlegungen (die Rechtsmittel verdoppelten sich) so mit Arbeit überschüttet, daß man endlich wenigstens klar sehen sollte . . .
Eine ähnliche Zuschrift liegt mir von dem Vorsitzenden einer kleinen Strafkammer aus Niederbayern vor, der folgendes schreibt:
Ich habe im Augenblick hier zwar nur einen Punkt im Auge: die Amnestiefrage. Was sich auf diesem Gebiete seit 7. September 1953 getan hat, kann mit Fug und Recht wohl nur als . . . Theater bezeichnet werden.
— So drückt sich dieser Richter aus. Er hat sogar
einen noch schärferen Ausdruck gewählt, den ich
zur Schonung Ihrer Nerven nicht zitieren will.
Die Rückwirkungen auf den kleinen Mann der Straße, der zufällig den Angeklagten spielen muß, bzw. auf den kleinen Mann am Gericht, der seit 7. 9. nicht weiß, wie er den Forderungen der Strafrechtspflege gerecht werden soll, können Sie sich wohl selbst ausmalen.
Diese beiden Beispiele und Zitate sollten die Notwendigkeit erkennen lassen, endlich diese Belastung von der Justiz zu nehmen. Wir haben jetzt nicht mehr die Möglichkeit, zu den Müttern hinunterzusteigen und in großen rechtspolitischen Ausführungen zu schwelgen, wir müssen vielmehr so schnell wie möglich einen Ausweg aus dieser Sackgasse suchen, damit unsere Rechtspflege von dieser Belastung befreit wird.
Auch wir haben uns bei unserem Gesetzentwurf natürlich die Frage vorgelegt, ob es jetzt schon an der Zeit ist, wieder ein Straffreiheitsgesetz zu erlassen, nachdem zahlreiche Länderamnestien in den Jahren 1947 und 1948 vorausgegangen sind und nachdem wir am 31. Dezember 1949 eine große Bundesamnestie gehabt haben. Wir haben uns diese Überlegungen vor allem mit Rücksicht auf die unbescholtenen Leute gemacht; denn der weit überwiegende Teil unserer Bevölkerung, der sich jahraus jahrein gesetzestreu hält und anständig dahinlebt, muß jede Amnestie mit Recht als einen gewissen Affront empfinden.
Wenn wir uns trotzdem entschlossen haben, unter Zurückstellung aller rechts- und kriminalpolitischen Bedenken einem neuen Straffreiheitsgesetz zuzustimmen, so geschah das in erster Linie aus den Erwägungen, die auch die Bundesregierung leiten. Es läßt sich nicht leugnen, daß das alte Straffreiheitsgesetz vorn 31. Dezember 1949 schon aus besatzungsrechtlichen Gründen nicht die wünschenswerte und notwendige Generalbereinigung einer außerordentlichen Zeit bringen konnte. Eine ganze Reihe von Straftaten, die ihrem Charakter nach ganz und gar in den Kreis der amnestiewürdigen Handlungen gehören, wie sie das Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 umschrieben hatte, mußte aus besatzungsrechtlichen Gründen ausgenommen werden, so z. B. das gesamte Devisenstrafrecht. Wir sind deshalb der Meinung, man muß noch einmal einem Straffreiheitsgesetz als einem Akt einer nachholenden Gerechtigkeit seine Zustimmung geben.
Es läßt sich nicht leugnen, daß auch nach dem Stichtag des letzten Straffreiheitsgesetzes vom 31. Dezember 1949, nämlich dem 15. September 1949, die wirtschaftlichen und soziologischen Verhältnisse noch längere Zeit angedauert haben, die dem damaligen Straffreiheitsgesetz die innere Rechtfertigung gegeben haben. Die eigentliche Zäsur ist erst später als Ergebnis der schwierigen Aufbauarbeit unserer Regierung eingetreten. Das Problem der Ostflüchtlinge und der Spätheimkehrer hat ebenso wie die Korea-Krise auf wirtschaftlichem Gebiet neue, echte amnestiewürdige Handlungen zur Folge gehabt. Aus diesen Gründen haben wir uns, wie gesagt, trotz starker Bedenken noch einmal zu einem Amnestiegesetz bekannt und uns für seinen Erlaß ausgesprochen.
Daß wir zu diesem Regierungsentwurf mit einem eigenen Entwurf hervorgetreten sind, hat mehrere Gründe. In erster Linie konnten und wollten wir das Votum des Bundesrates nicht übersehen, der den Regierungsentwurf abgelehnt hat. Dann aber waren wir auch in der Sache selbst in entscheidenden Punkten anderer Meinung. Die Differenzen erschienen uns so gravierend, daß wir unsere abweichende Meinung nicht dem etwas labilen Schicksal von Änderungsanträgen ausliefern wollten.
Schon der Stichtag des amtlichen Entwurfs, der 1. Oktober 1953, kann nicht unsere Zustimmung finden, da nach der herrschenden Meinung die Öffentlichkeit bereits am 9. September des vergangenen Jahres von der Absicht, ein Straffreiheitsgesetz zu erlassen, Kenntnis erhielt. Mit einem Stichtag vom 1. Oktober 1953 kämen die zahlreichen Hellhörigen aus dem Kreis der Betroffenen in den Genuß einer Straffreiheit auf Vorschuß. Eine unmögliche Erscheinung!
Die ungeziemend frühe Publizität hatte weiter zur Folge, daß auch die Gerichte und Staatsanwaltschaften, wie ich bereits ausgeführt habe, vorzeitig das Schwert der Gerechtigkeit in die Scheide steckten und die in den Kreis der Erwartungen einbezogenen Fälle unbearbeitet auf Halde legten. Bei allen bereits im Prozeßgang stehenden Verfahren wurde von den überreichen Rechtsmittelinstanzen in subversivem Sinne Gebrauch gemacht. Wir stehen also der Tatsache gegenüber, daß sich an allen Gerichten Hunderte und Tausende solcher Akten befinden, die der Erledigung harren. Eine Reihe von Verfahren dürfte nach meinen Beobachtungen bereits der Verjährung zum Opfer gefallen sein.
Diese bedauerliche Entwicklung war für uns der äußere Anlaß, uns den § 2 des amtlichen Entwurfs noch einmal zu überlegen. Sosehr die Anknüpfung an die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse der strengen Systematik des amtlichen Entwurfs entsprechen mag, sowenig kann sie nach unserer Überzeugung den praktischen Anforderungen unserer überlasteten Justizbehörden oder dem nun einmal erreichten Stand der Dinge genügen. Vor allem stört uns an dieser Fassung die mangelhafte Bestimmtheit, die bereits von Herrn Kollegen Greve bemängelt worden ist, und die Dehnbarkeit. Derartige Gummi- und Kautschukparagraphen lassen erfahrungsgemäß sehr schwer zu lösende Auslegungsfragen entstehen, die mit all den Gefahren für eine gerechte und gleichmäßige Behandlung der Fälle verbunden sind. Diese Bedenken gewinnen noch ein besonderes Gewicht, wenn man bedenkt, daß die meisten Aktenstücke noch gar nicht so weit aufgearbeitet sind, daß eine derartige Entscheidung nach Lage der Akten möglich wäre.
Deshalb sieht § 2 unseres Entwurfs eine allgemeine Amnestie im Rahmen der Dreimonatsgrenze des amtlichen Entwurfs vor. Das notwendige Regulativ bietet hier wie auch in den Sondertatbeständen, die wir in geringerer Zahl aufzuweisen haben, die Einschränkung, daß Gewinnsucht und gemeine Gesinnung des Täters genau so wie Vorstrafen über einen Monat Freiheitsstrafe hinaus
amnestieunwürdig machen. Aus den zahlreichen Sondertatbeständen, die der amtliche Entwurf seiner ganzen Anlage nach aufweisen muß, halten wir eine ganze Reihe für überflüssig. Demgegenüber scheint uns, daß eine Reihe von Sonderfällen darin nicht enthalten sind, die nach der Situation nicht fehlen sollten. Wir sind deshalb auf der einen Seite etwas chirurgisch vorgegangen und haben auf der anderen Seite Ergänzungen vorgenommen.
Beseitigt haben wir in dem amtlichen Entwurf einmal die Bestimmung des § 3 für Straftaten infolge wirtschaftlicher Notlage auf Grund von Kriegs- und Nachkriegsereignissen, da wir diesen Gesichtspunkt aus gesetzestechnischen Gründen verwerfen müssen und die amnestiewürdigen Fälle in vertretbarem Ausmaß in unserer allgemeinen Bestimmung untergebracht haben. Wenn Gerichte schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bei anerkannter unverschuldeter, durch Kriegs- oder Nachkriegsereignisse bedingter Notlage greifen, handelt es sich um kriminalpolitisch ernste und bedenkliche Fälle, die nicht in einer solchen Generalamnestie bereinigt werden können.
Die Bestimmung des § 6 des amtlichen Entwurfs über Beleidigungen im politischen Meinungsstreit haben wir ebenfalls ausgeklammert, und zwar einmal aus rein menschlichen Gründen. Wir sind der Meinung, daß die beachtlichen Fälle auf diesem Gebiete durch unsere Generalamnestie mit der Dreimonatsgrenze durchaus gedeckt sind. Was darüber hinausgeht, soll meiner Ansicht nach einer strafrechtlichen Sühne zugeführt werden. Das kann für die Bereinigung unseres politischen öffentlichen Lebens nur tunlich und gut sein.
Den Platow-Komplex haben wir ebenfalls nicht in unseren Entwurf aufgenommen, und zwar aus rein verfassungsrechtlichen Überlegungen. Wir sind der Meinung, daß der einmal beschrittene Weg durchaus zu Ende gegangen werden kann und zu Ende gegangen werden sollte.
Hinsichtlich der Taten während des staatlichen Zusammenbruchs sind wir der Meinung, daß schon im Interesse der Gleichbehandlung mit den zahlreichen bereits abgeurteilten Fällen eine amnestiemäßige Behandlung nicht möglich ist. Das größte Hindernis auf diesem Gebiet, das in dem Fehlen der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand, ist beseitigt worden. Wir haben eine ausgeprägte und wohlfundierte höchstrichterliche Rechtsprechung auf diesem Gebiet, und wir halten auch den Gesichtspunkt der angeblichen Pflichtenkollision gesetzestechnisch nicht für annehmbar. Wenn diese Merkmale beweisbar vorliegen, ist der einzig richtige Weg der der individuellen Verhandlung. Solche Dinge lassen sich aktenmäßig gar nicht entscheiden, sondern die innere Tatseite bedarf immer einer verhandlungsmäßigen Aufklärung. Härten sind wie in allen übrigen Fällen nach unserer Überzeugung am besten auf dem Gnadenwege auszugleichen.
Wir konnten uns auch nicht entschließen, nach dem Beispiel des § 10 des amtlichen Vorschlages die Verkehrszuwiderhandlungen generell aus dem Gesetz auszunehmen. Einen Teil der Gründe hat der Herr Kollege Greve schon vorweggenommen. Niemand wird die Bedeutung des Strafrechts im Kampf gegen den Verkehrsunfall unterschätzen wollen. Trotzdem halten wir es für unmöglich, vorsätzliche Taten, z. B. einen Diebstahl oder einen Betrug, straffrei zu lassen und eine fahrlässige Verkehrsübertretung, wie auch das von Herrn Greve schon erwähnte verbotene Parken, zu bestrafen. Bei ernsten Verkehrsdelikten besteht die Sicherung durch die Dreimonatsgrenze. Allenfalls kann man auch auf die Gesinnung des Täters abstellen. Die Strafzumessungspraxis unserer Gerichte hat gerade in Verkehrsstrafsachen einen so engen Kontakt mit den modernen Verkehrsnotwendigkeiten und -bedürfnissen gehalten, daß nach meiner Überzeugung kein Fall von Bedeutung durch die Maschen des Gesetzes fallen dürfte.
Wir halten überhaupt diesen ganzen Ausnahmekatalog für überflüssig, weil wir das Regulativ der gemeinen Gesinnung usw. eingebaut haben, das eine gerechte Beurteilung zuläßt.
Andererseits vermissen wir im amtlichen Entwurf verschiedenes, insbesondere eine Bestimmung über verbotene Interzonenhandelsgeschäfte aus der Zeit vor dem 1. April 1951. Ich bitte, das Datum besonders im Auge zu halten. Sie wissen, daß durch die unglückselige Zerreißung unseres Vaterlandes viele Betriebe eine West- und eine Ostausgabe haben. Selbstverständlich haben dieser Riß und dieser Eiserne Vorhang das Gefühl der Zusammengehörigkeit in keiner Weise tangieren und beeinträchtigen können. Über die wirtschaftlichen Beziehungen dieser beiden Seiten ist nun ein dichtes und undurchsichtiges Netz von Rechtsvorschriften und Verboten alliierter Herkunft usw. gezogen worden, das vor allem für unsere Landsleute gilt, aber für andere Herrschaften, die sich an diesen Geschäften sehr maßgeblich und einträglich beteiligt haben, keine Geltung hat, selbst wenn die Verletzung sich auf strategisch wichtige Güter bezieht. Es ist vorgekommen, daß eine Reihe von durchaus achtbaren hervorragenden Kaufleuten und Geschäftsleuten sich aus dem Gefühl der früheren Zusammengehörigkeit haben verleiten lassen, derartige Interzonenhandelsgeschäfte durchzuführen, einmal, um die alten Betriebe — die gemeinsamen Betriebe — durchzuhalten, auf der anderen Seite, um den Betriebsangehörigen die Gelegenheit zu geben, die hohen Normen und Solls zu erfüllen. Das hatte zur Folge, daß im Verlaufe einiger gerichtlicher Verfahren erhebliche Strafen ausgesprochen wurden. Ich weise noch einmal darauf hin, daß in erster Linie unsere Landsleute davon betroffen worden sind, während alle übrigen — ich will diese Frage nicht vertiefen — straffrei ausgegangen sind. Außerdem steht fest, daß diese gesetzlichen Bestimmungen derart undurchsichtig waren, daß sich selbst die amtlichen Stellen nicht mehr zurechtfanden. Ich habe hier die Mitteilung eines Anwalts, der in einem derartigen Prozeß verteidigt hat und der mir folgendes schreibt:
In verschiedenen bisherigen derartigen Prozessen sagte der Magistratsangestellte von Berlin, der als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wurde, aus, daß sie oft selbst nicht gewußt hätten, was sie eigentlich tun sollten.
Also nicht einmal die amtlichen Stellen waren damals — wenigstens bis zum 1. April 1951 — in der Lage, die Rechtslage einwandfrei anzusprechen. Um so weniger war es natürlich den Kaufleuten und deren Angestellten möglich. Wir sind der Meinung, daß in dieser Beziehung — und wir befinden uns durchaus in Übereinstimmung mit unseren Berliner Freunden, die wohl die kompetentesten Sachkenner auf diesem Gebiet sind — mit der betonten zeitlichen Beschränkung auf den 1. April 1951 als Stichtag eine Straffreiheit für Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren vorgesehen werden sollte. Selbstverständlich ist uns bekannt, daß sich in diesem Per-
sonenkreis — vom Inland her gesehen — Leute und Typen befinden, die durchaus nicht amnestiewürdig sind und die an diesen Geschäften aus ganz eigensüchtigen Gründen teilgenommen haben. Dafür haben wir aber die Generalklausel. Viele von diesen Persönlichkeiten oder Personen, muß man besser sagen, werden schon durch die Vorstrafenklausel, die anderen — der Rest — bestimmt durch die Klausel „gemeine Gesinnung und Gewinnsucht" von einer Straffreiheit ausgeschlossen.
Bei der Regelung der Straffreiheit für Ordnungswidrigkeiten, die durch die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung besonders obsolet geworden sind, hielten wir es für notwendig, die Abführung des Mehrerlöses in den Bereich der Straffreiheit einzubeziehen. Bei diesen Straftaten handelt es sich um Rudimente aus der letzten Zeit der Bewirtschaftung. Als typisches Beispiel möchte ich vor allem den landwirtschaftlich interessierten Kollegen sagen, daß es sich um die Holzpreisregelung und die Getreidepreisregelung handelt und daß die Täter vor allem auf dem Gebiet der Landwirtschaft zu suchen waren. Ich weiß aus der eigenen Praxis, daß hier mehr der Unverstand und die Unvernunft gesündigt haben als der böse Wille. Die wirkliche Strafe war dann nicht die Buße, die ausgesprochen wurde, sondern die Abführung des Mehrerlöses, der übrigens noch betriebswirtschaftlich ganz unhaltbar errechnet werden mußte, nämlich ganz abstrakt. Ich bin recht dankbar für die Gelegenheit, die ich heute habe — nachdem ich in der Praxis solche Dinge mitmachen mußte —, Ihnen vorzuschlagen, die Härten auf diesem Sektor bei dem vorliegenden Straffreiheitsgesetz zu beseitigen.
Außerdem haben wir die Gelegenheit noch benützt, ein weiteres und wirklich echtes Anliegen unserer kleinen, im ganzen Land verstreuten Obstbrennereien zu lösen. Nach einer Verordnung des Reichsfinanzministers vom 22. Dezember 1944 — ich wiederhole das Datum, vom 22. Dezember 1944 — verlieren diese kleinen Obstbrenner auch schon bei leichten Verstößen gegen das Branntweinmonopolgesetz — also nicht nur bei Hinterziehungen, wie man vielleicht meinen möchte — das Brennrecht. Diese Verordnung, die in ihren Bestimmungen einschneidenden Gesetzescharakter hat, widerspricht dem Grundgesetz, und ihre Durchführung kommt einer Enteignung gleich. Trotzdem wird sie immer noch praktiziert. Ich glaube, wir sollten die Gelegenheit wahrnehmen, die Beseitigung dieses offenen Unrechts — auch wenn der Kreis der Betroffenen klein und bescheiden ist — mit in das Straffreiheitsgesetz einzubeziehen. Wir haben deshalb die einschlägigen Vorschriften unseres Entwurfs auf diese Möglichkeiten hin erweitert. Manchen von Ihnen mag vielleicht diese Bestimmung kleinlich erscheinen; wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß es sich hier um die Existenz dieser Obstbauern handelt. Auch die Rechtsästheten müßten meiner Ansicht nach ihre Liebe zur Systematik zurückstellen, wenn es darum geht, etwas mehr an Gerechtigkeit zu erhalten.
Zum Schluß möchte ich zunächst formell den Antrag stellen, unseren Entwurf dem Rechtsausschuß zu überweisen. Ich darf Sie wegen der bereits mehrfach festgestellten Dringlichkeit bitten, die Sache beschleunigt zu behandeln, damit wir endlich von unserer Rechtspflege und von unserer Justiz dieses Odium nehmen, das seit Monaten auf ihr lastet.