Rede:
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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2017

  • date_rangeDatum: 26. Februar 1954

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Februar 1954 551 17. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 552 A, 607 C Zweite und dritte Beratung der von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP und von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksachen 124, 125, 171); Erster Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 275) 552 A Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 552 B, 565 A D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 556 A Erler (SPD) 558 B Dr. Arndt (SPD) 565 B, 578 D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 565 D Dr. Czermak (GB/BHE) 568 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) 569 B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 572 A Neumayer, Bundesminister der Justiz 575 B Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 577 C Hoogen (CDU/CSU) 581 B Dr. von Brentano (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 583 A Abstimmungen 583 A Namentliche Schlußabstimmung . . 583 A, 584 C, 610 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Nachwahl eines Mitgliedes des Wahlprüfungsausschusses (Druck- sache 266) 583 B Beschlußfassung 583 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Even (Drucksache 237) 583 C, 584 D Höcker (SPD), Berichterstatter . . . 584 D Beschlußfassung 585 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Rinke (Drucksache 240) 583 C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 583 D Beschlußfassung 584 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Metzger (Drucksache 243) 584 A Dr. von Merkatz (DP): als Berichterstatter 584 A Schriftlicher Bericht 608 Beschlußfassung 584 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Henn (Drucksache 242) 585 A Dr. Klötzer (GB/BHE), Berichterstatter 585 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 585 C Beschlußfassung 585 C Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte (Personalvertretungen) in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts (Drucksache 271) 585 C Abstimmungen 585 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Vereinbarung vom 23. Februar 1953 über die Regelung der Schweizerfranken-Grundschulden (Drucksache 159); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 238) 586 A Dr. Hesberg (CDU/CSU), Berichterstatter 586 A Beschlußfassung 586 C Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Verkündung des Gesetzes über Straffreiheit (Drucksache 226) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit (Drucksache 215) und mit der Ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Strauß, Stücklen u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit (Drucksache 248) 586 D Neumayer, Bundesminister der Justiz 586 D, 594 B Dr. Greve (SPD), Anfragender 588 D, 606 C Höcherl (CDU/CSU), Antragsteller . . 595 C Dr. Stammberger (FDP) 598 C Dr. Czermak (GB/BHE) 599 D Frau Dr. Ilk (FDP) 601 A Dr. Furler (CDU/CSU) 601 B Dr. Dehler (FDP) 604 A Überweisung der Gesetzentwürfe Drucksachen 215 und 248 an den Rechtsausschuß 607 C Nächste Sitzung 607 C Anlage: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Metzger 608 Zusammenstellung der namentlichen Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 275) 610 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 17. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität (1. Ausschuß) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Metzger (Drucksache 243) Berichterstatter : Abgeordneter Dr. von Merkatz A Verfahrensvoraussetzungen: 1. Die Privatklage ist fristgerecht eingegangen. 2. Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität muß sich mit dem Ersuchen um Aufhebung der Immunität befassen. Zwar ist der Antrag auf Genehmigung zur Untersuchung und eventuellen Strafverfolgung vom Amtsgericht Wiesbaden unmittelbar an den Präsidenten des Bundestages eingereicht worden und nicht, wie das sonst notwendig ist, über das Landes- bzw. Bundesjustizministerium. Dieser Umstand ist aber unbeachtlich, da es sich um eine Privatklage handelt und das Amtsgericht hier nur als Vermittler des Privatklägers tätig geworden ist. Privatkläger aber können sich direkt an den Bundestag wenden (§ 114 der Geschäftsordnung des Bundestages, Grundsatz über die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten). B Materielle Beurteilung: 1. Von dem Beschuldigten wird behauptet, daß er in der Wandelhalle des Landtages in bezug auf den Privatkläger erklärt habe, er halte den im Plenum des Landtages gemachten Vorwurf des „unsauberen Journalismus" gegenüber dem Privatkläger aufrecht. 2. Damit ist zu fragen, ob der gegenüber dem Privatkläger erhobene Vorwurf des „unsauberen Journalismus" vom persönlichen Straf ausschließungsgrund des Art. 46 Abs. 1 GG gedeckt wird oder nicht. a) Die Äußerung stellt eine Motivierung des Antrages des Beschuldigten dar auf Ausschluß des Privatklägers aus dem Plenarsaal des Landtages. Sie ist in der Wandelhalle, also weder im Plenum noch in einem Ausschuß noch in einer Fraktionssitzung gefallen, sondern lediglich im Gebäude des Landtages. b) Als Motivierung aber eines im Plenum des Landtages gestellten Antrages steht diese Äußerung in einem inneren Zusammenhang mit einer Äußerung, die im Plenum des Landtages gefallen ist. Sie ist daher meines Erachtens als im Plenum des Landtages gefallen zu betrachten. c) Hierauf sind auch bei einem Verfahren auf Aufhebung der Immunität im Bundestag die Grundsätze der hessischen Verfassung anzuwenden. Es ist zu fragen, ob Art. 95 der hessischen Verfassung dem Beschuldigten einen persönlichen Strafausschließungsgrund gewährt. Art. 95 ist dem Art. 36 der Weimarer Reichsverfassung nachgebildet worden. Er kennt nicht die Einschränkung des Art. 46 GG, der den persönlichen Strafausschließungsgrund für verleumderische Beleidigungen nicht gewährt. Wenn die Äußerung auch im Plenum des hessischen Landtages gefallen ist, so muß doch hier angenommen werden, daß sie als Motivierung des vom hessischen Landtag beschlossenen und vom Beschuldigten eingebrachten Antrages in Ausübung seiner Abgeordnetentätigkeit in der Wandelhalle des Landtages getan worden ist. Damit wäre auch für den Bundestag eine Aufhebung der Immunität mit Rücksicht auf Art. 95 der hessischen Verfassung nicht möglich. d) Selbst wenn man diese Rechtsauffassung nicht teilen wollte und den Tatbestand als außerhalb des hessischen Landtages vollendet ansehen und allein nach den Immunitätsgrundsätzen des Bundesrechtes behandeln wollte, ergibt sich keine Möglichkeit zur Aufhebung. Es handelt sich bei der dem Beschuldigten zur Last gelegten Äußerung nicht um eine verleumderische Beleidigung im Sinne des § 187 StGB, auch nicht, wie der Privatkläger behauptet, um eine üble Nachrede im Sinne des § 186 StGB, sondern (Dr. von Merkatz) möglicherweise um eine einfache Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. e) Die Äußerung „unsauberer Journalismus" ist ein tadelndes Werturteil und keine Tatsachenbehauptung. Sie ist ein Werturteil, das letzthin logisch einem Beweise nicht zugänglich ist, da durch den Ausdruck „unsauberer Journalismus" auch reine Fragen des Geschmacks, des Stils oder der Stoffwahl getroffen werden können. Allerdings steht hier dieses tadelnde Werturteil mit einer Reihe von Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind, in logischem Zusammenhang. Dabei überwiegt aber der Charakter des Werturteils bei weitem die in ihm eingeschlossene Bezugnahme auf eine Unterstellung von Tatsachen. f) Wenn man dieser Folgerung nach den Tatumständen beitritt, würde es sich möglicherweise um eine einfache Beleidigung handeln, deren politischer Charakter — aus den Umständen zu folgern — nicht zu bestreiten ist. Beleidigungen politischen Charakters sollen aber nach den Grundsätzen des Bundestages in der Regel nicht zur Aufhebung der Immunität führen. Eine einfache Beleidigung, die im Parlament erfolgt ist, kann nicht verfolgt werden. Auch wenn diese Beleidigung außerhalb des Parlaments geschehen ist, soll sie nicht verfolgt werden, wenn sie nicht zugleich eine Verleumdung im Sinne des § 187 StGB darstellt. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 187 StGB behauptet aber selbst der 1 Privatkläger nicht. g) Angesichts dieser Sachlage bedarf es keiner Prüfung der Frage, ob etwa die Strafbarkeit gemäß § 193 StGB ausgeschlossen ist. h) Selbst wenn der Ausschuß zu der Aufhebung der Immunität des Bundestages hinsichtlich des Beschuldigten gelangen sollte, könnte das Privatklageverfahren gegen den Beschuldigten nicht durchgeführt werden, da es dazu zusätzlich der Aufhebung der Immunität seitens des hessischen Landtages bedürfte, eine Frage, die nur nach den Grundsätzen der hessischen Verfassung entschieden werden könnte. Diese Feststellung rechtfertigt zusätzlich, daß für die Beurteilung, ob eine Aufhebung der Immunität durch den Bundestag erfolgen kann, auch das Immunitätsrecht des betreffenden Landtages herangezogen werden muß, wenn es sich um die Aufhebung der Immunität eines Bundestagsabgeordneten handelt, der zugleich Mitglied eines Landtages ist. Ich komme daher zu dem Ergebnis: Der Bundestag wolle beschließen: die Immunität des Abgeordneten Ludwig Metzger wird nicht aufgehoben. Bonn, den 26. Februar 1954. Dr. von Merkatz Berichterstatter Namentliche Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) (Drucksache 275) über die von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP und FDP eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Schlußabstimmung) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Frau Ackermann . . . . Ja Fuchs Ja Dr. Adenauer Ja Funk Ja Albers Ja Dr. Furler Ja Arndgen Ja Gedat Ja Barlage . . . . . . . Ja Geiger (München) . . . Ja Dr. Bartram Ja Frau Geisendörfer . . Ja Bauer (Wasserburg) . Ja Gengler . Ja Bauereisen Ja Gerns Ja Bauknecht Ja D. Dr. Gerstenmaier . Ja Bausch . . . . . Ja Gibbert Ja Becker (Pirmasens) . . . Ja Giencke. Ja Berendsen Ja Dr. Glasmeyer Ja Dr. Bergmeyer Ja Dr. Gleissner (München) Ja Fürst von Bismarck . ,Ja Glüsing Ja Blank (Dortmund) . Ja Gockeln Ja Frau Dr. Bleyler Dr. Götz Ja (Freiburg) . . . Ja Goldhagen Ja Bock ,Ja Gontrum. . . . . . Ja von Bodelschwingh . . . Ja Dr. Graf Ja Dr. Böhm (Frankfurt) . Ja Griem Ja Brand (Remscheid) . . . Ja Günther Ja Frau Brauksiepe . . . Ja Gumrum Ja Dr. von Brentano . . . . Ja Häussler Ja Brese Ja Hahn Ja Frau Dr. Brökelschen . . Ja Harnischfeger Ja Dr. Brönner . . . . . . Ja von Hassel Ja Brookmann (Kiel) . Ja Heix Ja Brück Ja Dr. Hellwig Ja Dr. Bucerius Ja Dr. Graf Henckel . . Ja Dr. von Buchka Ja Dr. Hesberg Ja Dr. Bürkel Ja Heye Ja Burgemeister Ja Hilbert Ja Caspers Ja Höcherl Ja Cillien Ja Dr. Höck Ja Dr. Conring Ja Höfler Ja Dr. Czaja Ja Holla Ja Demmelmeier Ja Hoogen Ja Diedrichsen Ja Dr. Horlacher. . Ja Frau Dietz Ja Horn Ja Dr. Dittrich Ja Huth Ja Dr. Dollinger Ja Illerhaus Ja Donhauser Ja Dr. Jaeger Ja Dr. Dresbach Ja Jahn (Stuttgart) . . . . Ja Eckstein Ja Frau Dr. Jochmus . . Ja D. Dr. Ehlers . Ja Josten Ja Ehren Ja Kahn Ja Engelbrecht-Greve .. Ja Kaiser Ja Dr. Dr. h. c. Erhard . Ja Karpf Ja Etzenbach Ja Dr. Kather Ja Even Ja Kemmer (Bamberg) Ja Feldmann Ja Kemper (Trier) . .. Ja Finckh Ja Kiesinger Ja Dr. Franz Ja Dr. Kihn (Würzburg) . Ja Franzen Ja Kirchhoff Ja Friese Ja Klausner Ja Name Abstimmung Name Abstimmung Dr. Kleindinst . . . Ja Frau Dr. Rehling . . . . Ja Dr. Kliesing Ja Richarts Ja Knapp Ja Frhr. Riederer von Paar Ja Knobloch Ja Dr. Rinke Ja Dr. Köhler Ja Frau Rösch Ja Koops Ja Rümmele Ja Dr. Kopf Ja Ruf Ja Kortmann .. . . . Ja Sabaß Ja Kramel Ja Sabel Ja Krammig Ja Schäffer Ja Kroll Ja Scharnberg Ja Frau Dr. Kuchtner Ja Scheppmann Ja Kühlthau Ja Schill (Freiburg) . . . . Ja Kuntscher . . . . Ja Schlick Ja Kunze (Bethel) Ja Schmidt-Wittmack . . . Ja Lang (München) . . . . Ja Schmücker Ja Leibfried Ja Schneider (Hamburg) . . Ja Dr. Leiske Ja Schrader Ja Lenz (Brühl) Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) Ja Dr. Lenz (Godesberg) . Ja Dr.-Ing. E. h. Schuberth Ja Lenze (Attendorn) . . . Ja Schüttler Ja Leonhard Ja Schütz Ja Lermer Ja Schuler Ja Leukert Ja Schulze-Pellengahr . . . Ja. Dr. Leverkuehn. . . Ja Schwarz Ja Dr. Lindenberg . Ja Frau Dr. Schwarzhaupt Ja Dr. Lindrath Ja Dr. Seffrin Ja Dr. Löhr Ja Seidl (Dorfen) Ja Dr. h. c. Lübke Ja Dr. Serres Ja Lücke Ja Siebel Ja Lücker (München) Ja Dr. Siemer Ja Lulay Ja Solke Ja Maier (Mannheim) . Ja Spies (Brücken) . . . . Ja Majonica Ja Spies (Emmenhausen) . Ja Dr. Baron Manteuffel- Spörl Ja Szoege Ja Graf von Spreti . . . Ja Massoth Ja Stauch Ja Maucher Ja Frau Dr. Steinbiß . . . Ja Mayer (Birkenfeld) . Ja Stiller Ja Menke Ja Storch Ja Mensing Ja Dr. Storm Ja Meyer (Oppertshofen) Ja Strauß Ja Miller Ja Struve Ja Dr. Moerchel Ja Stücklen Ja Morgenthaler Ja Teriete Ja Muckermann . . . . . Ja Unertl Ja Mühlenberg Ja Varelmann Ja Dr. Dr. h. c. Milner ler (Bonn) Ja Frau Vietje Ja Müller-Hermann . . . . Ja Dr. Vogel Ja Müser Ja Voß Ja Naegel Ja Wacher (Hof) Ja Nellen Ja Wacker (Buchen) . . . . Ja Neuburger Ja Dr. Wahl Ja Niederalt Ja Walz Ja Frau Niggemeyer . . . Ja Frau Dr. Weber (Aachen) Ja Dr. Oesterle Ja Dr. Weber (Koblenz) . . Ja Oetzel Ja Wehking Ja Dr. Orth Ja Dr. Welskop Ja Pelster Ja Frau Welter (Aachen) Ja Dr. Pferdmenges . . . . Ja Dr. Werber Ja Frau Pitz Ja Wiedeck Ja Platner Ja Wieninger Ja Dr. Pohle (Düsseldorf) . Ja Dr. Willeke Ja Frau Praetorius . . . . Ja Winkelheide Ja Frau Dr. Probst . . . . Ja Wittmann Ja Dr. Dr. h. c. Pünder . Ja Wolf (Stuttgart) • • Ja Raestrup Ja Dr. Wuermeling . . . . Ja Rasner Ja Wullenhaupt Ja Name Abstimmung Name Abstimmung SPD Frau Albertz Nein Keuning Nein Frau Albrecht Nein Kinat Nein Altmaier Nein Frau Kipp-Kaule . . . Nein Dr. Arndt Nein Könen (Düsseldorf) . . . Nein Arnholz Nein Koenen (Lippstadt) . . Nein Dr. Baade Nein Frau Korspeter . . . . Nein Dr. Bärsch Nein Dr. Kreyssig Bals Nein Kriedemann Nein Banse Nein Kühn (Köln) Nein Bauer (Würzburg) . . . Nein Kurlbaum Nein Baur (Augsburg) . . . . Nein Ladebeck Nein Bazille Nein Lange (Essen) Nein Behrisch Nein Frau Lockmann . . . Nein Frau Bennemann Nein Ludwig Nein Bergmann Nein Dr. Lütkens Nein Berlin Nein Maier (Freiburg) . . . Nein Bettgenhäuser Nein Marx Nein Frau Beyer (Frankfurt) Nein Matzner Nein Birkelbach Nein Meitmann Nein Blachstein krank Mellies Nein Dr. Bleiß Nein Dr. Menzel Nein Böhm (Düsseldorf) . . . Nein Merten Nein Bruse Nein Metzger entschuld. Corterier Nein Frau Meyer (Dortmund) Nein Dannebom Nein Meyer (Wanne-Eickel) . Nein Daum Nein Frau Meyer-Laule . . . Nein Dr. Deist Nein Moll Nein Dewald Nein Dr. Mommer Nein Diekmann Nein Müller (Erbendorf) Nein Diel Nein Müller (Worms) . . . . Nein Frau Döhring Nein Frau Nadig Nein Erler Nein Odenthal Nein Eschmann Nein Ohlig Nein Faller Nein 011enhauer Nein Franke Nein Op den Orth Nein Frehsee Nein Paul Nein Freidhof Nein Peters Nein Frenzel Nein Pöhler Nein Gefeller Nein Pohle (Eckernförde) . . Nein Geiger (Aalen) Nein Dr. Preller Nein Geritzmann Nein Priebe Nein Gleisner (Unna) . . . . Nein Pusch Nein Dr. Greve Nein Putzig Nein Dr. Gülich Nein Rasch Nein Hansen (Köln) Nein Regling Nein Hansing (Bremen) . . . Nein Rehs entschuld. Hauffe Nein Reitz Nein Heide Nein Reitzner Nein Heiland Nein Frau Renger Nein Heinrich Nein Richter Nein Hellenbrock Nein Ritzel Nein Hermsdorf . . . . . . Nein Frau Rudoll Nein Herold Nein Ruhnke Nein Höcker Nein Runge Nein Höhne Nein Sassnick Nein Hörauf Nein Frau Schanzenbach . . Nein Frau Dr. Hubert . . . . Nein Scheuren Nein Hufnagel Nein Dr. Schmid (Tübingen) . Nein Jacobi Nein Dr. Schmidt (Gellersen) . Nein Jacobs Nein Schmidt (Hamburg) . . Nein Jahn (Frankfurt) • . • • Nein Schmitt (Vockenhausen) . Nein Jaksch Nein Dr. Schöne Nein Kahn-Ackermann . • . entschuld. Schoettle Nein Kalbitzer Nein Seidel (Fürth) Nein Frau Keilhack Nein Seither Nein Frau Kettig krank Seuffert . . Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Stierle Nein Dr. Stammberger . . . Ja Sträter Nein Dr. Starke Ja Frau Strobel Nein Dr. Wellhausen . . . . Ja Tenhagen Nein Weyer Ja Thieme Nein Wirths Ja Traub Nein Trittelvitz Nein Wagner (Deggenau) . Nein Wagner (Ludwigshafen) Nein Wehner Nein GB/BHE Wehr Nein Welke Nein Bender Ja Weltner (Rinteln) . . . Nein Dr. Czermak Ja Lic. Dr. Wenzel . . . . Nein Dr. Eckhardt Ja Wienand Nein Elsner Ja Winter krank Engell Ja Wittrock Nein Feller Ja Ziegler Nein Gräfin Finckenstein . . Ja Zühlke Nein Frau Finselberger . . Ja Gemein Ja Dr. Gille Ja Haasler Ja Dr. Keller Ja FDP Dr. Klötzer Ja Körner Ja Dr. Atzenroth Ja Kraft Ja Dr. Becker (Hersfeld) . . Ja Kunz (Schwalbach) . . Ja Dr. Blank (Oberhausen) . Ja Kutschera Ja Blücher Ja Meyer-Ronnenberg . . . Ja Dr. Bucher Ja Dr. Mocker Ja Dannemann Ja Dr. Oberländer . . . . Ja Dr. Dehler Ja Petersen Ja Dr.-Ing. Drechsel . . . . Ja Dr. Reichstein Ja Eberhard Ja Samwer Ja Euler Ja Seiboth Ja Fassbender Ja Dr. Sornik Ja Frau Friese-Korn . . . Ja Srock Ja Frühwald Ja Dr. Strosche Ja Gaul Ja Dr. Hammer Ja Hepp Ja Dr. Hoffmann Ja Frau Dr. Ilk Ja DP Dr. Jentzsch Ja Kühn (Bonn) Ja Becker (Hamburg) . . . Ja Lahr Ja Dr. Brühler Ja Lenz (Trossingen) . . . Ja Eickhoff Ja Dr. Dr. h. c. Prinz zu Lö- Dr. Elbrächter Ja wenstein Ja Hellwege Ja Dr. Maier (Stuttgart) . . Ja Matthes Ja von Manteuffel (Neuß) . Ja Dr. von Merkatz . . . . Ja Margulies Ja Müller (Wehdel) . . . . Ja Mauk Ja Dr. Schild (Düsseldorf) . Ja Dr. Mende Ja Schneider (Bremerhaven) Ja Dr.Middelhauve . . . Ja Dr. Schranz Ja Dr. Miessner krank Dr.-Ing. Seebohm . . . Ja Neumayer Ja Walter Ja Onnen Ja Wittenburg Ja Dr. Pfleiderer Ja Dr. Zimmermann . . . Ja Dr. Preiß Ja Dr. Preusker Ja Rademacher entschuld. Dr. Schäfer Ja Scheel Ja Fraktionslos Schloß Ja Dr. Schneider (Lollar) Ja Brockmann (Rinkerode) Ja Schwann Ja Rösing Ja Stahl Ja Stegner Ja Zusammenstellung der Abstimmung Abstimmung Abgegebene Stimmen 478 Davon : Ja 334 Nein 144 Stimmenthaltung . — Zusammen wie oben . . 478 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Mattick Nein Neubauer Nein Dr. Friedensburg . . . . Ja Neumann Nein Dr. Krone Ja Dr. Schellenberg . . . . Nein Lemmer Ja Frau Schroeder (Berlin) . Nein Frau Dr. Maxsein . . . Ja Schröter (Wilmersdorf) . Nein Stingl Ja Frau Wolff (Berlin) Nein Dr. Tillmanns Ja FDP SPD Dr. Henn Ja Brandt (Berlin) . . . . Nein Hübner Ja Frau Heise Nein Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Ja Klingelhöfer Nein Dr. Reif Ja Dr. Königswarter . . . Nein Dr. Will Ja Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen . 22 Davon : Ja . . . . . . 11 Nein . . . . . . 11 Stimmenthaltung . — Zusammen wie oben . . 22
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Neumayer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute die Ehre, Ihnen den Entwurf eines Straffreiheitsgesetzes zur Beschlußfassung bzw. zur Verweisung an den Rechtsausschuß vorzulegen.
    Die Bundesregierung hatte bereits im Januar den Entwurf eines neuen Straffreiheitsgesetzes vorgelegt. Seitdem die Tatsache der Vorbereitung des Gesetzes bekanntgeworden ist, hat sich die Öffentlichkeit reichlich mit der Frage beschäftigt, ob ein Bedürfnis für eine neue Amnestie bestehe und gegebenenfalls, wie sie auszugestalten sei. Es ist ja bekanntgeworden — die Tageszeitungen haben auch darüber berichtet —, daß die Meinungen über


    (Bundesjustizminister Neumayer)

    diese Frage weit auseinanderklaffen. Die Auffassungen reichen von der Forderung nach einer Generalamnestie weitesten Ausmaßes über die Stellungnahme zu den verschiedensten Fragen ihrer Ausgestaltung bis zur grundsätzlichen Ablehnung einer Amnestie überhaupt. Insbesondere haben sich die Länder in ihrer Gesamtheit zu einer Ablehnung der Amnestie entschlossen, obwohl einige von ihnen sich bei den Vorbesprechungen zu dem Gedanken eines Straffreiheitsgesetzes durchaus positiv eingestellt und sogar Erweiterungswünsche gegenüber Einzelvorschlägen der Bundesregierung geäußert hatten. Der Bundesrat hat die Ablehnung damit begründet, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf rechtspolitisch bedenklich und kriminalpolitisch gefährlich sei. Man glaubt, es genüge zum Ausgleich von Härten, daß die Einzelfälle von Gerichten und Gnadenbehörden individuell behandelt werden.
    Meine Damen und Herren, es ist für eine Bundesregierung nicht immer ganz einfach, ein Straffreiheitsgesetz vorzulegen. Insbesondere der Bundesminister der Justiz muß sich der kriminalpolitischen Bedenken, die ein solches Gesetz in sich schließt, bewußt sein und abwägen, ob diese kriminalpolitischen Bedenken entscheidend ins Gewicht fallen gegenüber dem anderen Gedanken, der zur Vorlage dieses Gesetzes geführt hat, dem Gedanken, einen Schlußstrich zu ziehen unter eine chaotische Zeit, für die niemand von uns verantwortlich war und die Menschen zu Straftaten oder Gesetzesübertretungen geführt hat, die sie sonst niemals begangen hätten.
    Das Bundeskabinett hat sich nach gewissenhafter Prüfung aller dieser Gesichtspunkte, die für und gegen den Erlaß eines neuen Straffreiheitsgesetzes und für und wider die Fassung des im Bundesjustizministerium erarbeiteten Entwurfs vorgebracht worden sind, verpflichtet gefühlt, den Regierungsentwurf so, wie er dem Bundesrat vorgelegt worden war, unverändert dem Hohen Hause zur Beschlußfassung zu unterbreiten. Es wird erforderlich sein, daß ich Ihnen die Gründe darlege, die das Bundeskabinett bei seinem Beschluß geleitet haben. Ich muß damit zu einigen grundsätzlichen Fragen Stellung nehmen, die in dem Streit der Meinungen eine erhebliche Rolle gespielt haben.
    Die erste Frage ging dahin, ob sich im jetzigen Zeitpunkt der Erlaß eines neuen Straffreiheitsgesetzes überhaupt rechtfertigen lasse. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß diese Frage unbedingt bejaht werden muß, und zwar aus folgenden Gründen. Das Straffreiheitsgesetz vom 31. Dezember 1949 konnte dem Bedürfnis, einen Schlußstrich unter die Zeit des Zusammenbruchs und die damit in Verbindung stehenden Straftaten zu ziehen, nicht voll entsprechen. Es konnte gewisse Tatbestände von politischer Tragweite nicht erfassen und mußte insbesondere wegen des zu befürchtenden Widerstandes der Besatzungsmächte auf manche Vorschriften verzichten, deren Erlaß zur Bereinigung zweckvoll und sogar notwendig gewesen wäre. Ich brauche diesen Gesichtspunkt wohl nicht zu vertiefen, denn sie alle kennen ja selber die Auswirkungen der Besatzungsverhältnisse, die uns gewiß nicht immer leicht gefallen sind. Diese Verhältnisse haben manchen, der sich z. B. vor einem Entnazifizierungs- und Spruchkammerverfahren scheute oder gar eine Auslieferung durch die Besatzungsmächte befürchten mußte, auch über den 31. März, also über den im alten
    Amnestiegesetz bestimmten Endtermin für die Straflosigkeit der Verschleierung des Personenstandes hinaus in eine Lage gedrängt, die sie Name und Vergangenheit verheimlichen oder weiter in der Illegalität verbleiben ließ. In diesem Zusammenhang sind manche mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Im übrigen ist auch zu berücksichtigen, daß das Jahr 1949 am Beginn einer Aufbauperiode stand, deren Auswirkungen und deren Dauer damals noch nicht zu übersehen waren. So hat sich, was nicht vorausgesehen werden konnte, z. B. das Flüchtlingselend, das die Grundlage für manche Straftaten bildete, nur zum Teil verringert, bei ganzen Personengruppen aber hartnäckig erhalten.
    Um den hier entstandenen Bedürfnissen gerecht zu werden, hat man bereits Anfang 1952, als sich eine Festigung des Gesundungsprozesses abzeichnete, den Plan gefaßt, zur Schließung der Lücken der Amnestie von 1949 ein neues Straffreiheitsgesetz vorzubereiten. Seine Aufgabe mußte und sollte also sein, die rücken zu schließen, die das alte Amnestiegesetz offengelassen hatte. Als Zeitpunkt der Einreichung des Gesetzes war ursprünglich die für Ende 1952 erwartete Ratifikation des Deutschland-Vertrags und des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft vorgesehen. Der Pian ließ sich nicht verwirklichen. Jetzt, über vier Jahre nach der letzten Amnestie, die sich notgedrungen mit einem allzu engen Rahmen zufrieden geben mußte und daher die erforderliche Befriedung nicht bringen konnte, läßt sich ein weiteres Abwarten nach Auffassung der Bundesregierung nicht mehr vertreten.
    Die Bundesregierung hat daher bereits in ihrer Sitzung vom 8. September 1953 den Beschluß gefaßt, den Entwurf eines Straffreiheitsgesetzes ausarbeiten zu lassen, der in seinen Grundzügen bereits vorlag, als ich mein Amt als Bundesminister der Justiz antrat. Der mitunter geäußerte Gedanke, die Bundesregierung habe den Wahlsieg vom September vorigen Jahres zum Anlaß genommen, ein Straffreiheitsgesetz zu propagieren, ist völlig unrichtig. Ich betone ausdrücklich, daß es ein rein zufälliges Zusammentreffen ist, wenn die Vorlage des Entwurfs mit dem Arbeitsbeginn des 2. Deutschen Bundestages zusammenfällt.
    Mit aller Deutlichkeit darf ich hier feststellen, daß der Entwurf nur eine Ergänzung des alten Amnestiegesetzes bezweckt und daß eine periodische Wiederholung, etwa im Zusammenhang mit dem Beginn einer Legislaturperiode, in keiner Weise beabsichtigt ist. Ich darf hinzufügen, daß nicht daran gedacht wird, in späteren Zeiten derartige äußere Anlässe zu einem Straffreiheitsgesetz zu benützen, wenn nicht die innere Begründung, die wir hier für vorliegend halten, gegeben ist. Das von mir genannte Ziel, das in den Grundzügen des Regierungsentwurfs verankert ist, muß meines Erachtens auch die vom Bundesrat geäußerte Besorgnis zerstreuen.
    Ich darf zur Begründung dessen, daß hier wirklich nur ein Schlußstrich unter die Zeit des Zusammenbruchs und die damit zusammenhängenden Straftaten gezogen werden soll, insbesondere auf die Überschriften hinweisen, die die einzelnen Paragraphen tragen. So lautet die Überschrift von § 2 „Straftaten infolge der Kriegs- oder Nachkriegsverhältnisse". § 3 trägt die Überschrift „Straftaten infolge wirtschaftlicher Notlage", § 8 „Taten während des staatlichen Zusammenbruchs", § 9 „Verschleierung des Personenstandes", was also auch


    (Bundesjustizminister Neumayer)

    mit dem staatlichen Zusammenbruch, mit den Entnazifizierungsverfahren usw. zusammenhängt. Die Inhaltsangaben dieser Bestimmungen zeigen deutlich, daß der Entwurf auf dem Grundsatz beruht, Lücken zu schließen und damit die frühere Amnestie zu ergänzen.
    Die Amnestie soll nur einem beschränkten Personenkreis zugute kommen und insbesondere solche Taten erfassen, die mit den außerordentlichen Verhältnissen zusammenhängen, die durch die Kriegs-und Nachkriegsereignisse entstanden sind und die sich, wie wir alle erwarten und auch erwarten dürfen, nicht wiederholen werden. Hält sich das Gesetz in diesem engen Rahmen, so gibt sein Inhalt selbst die beste Gewähr dafür, daß es nicht aus ähnlichen Erwägungen periodisch wiederholt werden kann.
    Ich will es mir versagen, Ihnen hier alle Einzelfälle vorzutragen; ich darf insoweit auf die Begründung verweisen. Aber besonders aufmerksam machen möchte ich Sie auf § 6, der die Beleidigungen im politischen Meinungsstreit behandelt. Die Bundesregierung bejaht uneingeschränkt die Notwendigkeit, für die Sauberkeit des politischen Kampfes und für einen wirksamen Ehrenschutz der im politischen Leben tätigen Personen Sorge zu tragen. Hier geht es aber um eine andere Frage. Die rechts- und linksradikalen Parteien haben in den letzten Jahren einen erbitterten Kampf gegen die freiheitliche Grundordnung geführt. Nach den vorhandenen, sehr genauen Unterlagen haben sich diese Angriffe überwiegend gegen die Bundesregierung, insbesondere gegen den Bundeskanzler und auch gegen einzelne Bundesminister gerichtet. Der rapide Rückgang der links- und rechtsradikalen Parteien hat bewiesen, daß sie im politischen Leben der Bundesrepublik kaum mehr
    eine Rolle spielen.
    Die Bundesregierung, die also in allen diesen Fällen überwiegend selbst die Verletzte ist, sieht nun den Zeitpunkt gekommen, auch hier eine Befriedung herbeizuführen und Straffreiheit zu gewähren. Die erwähnten Verfahren wegen politischer Beleidigung verletzen oft das Rechtsgefühl nicht nur der Verletzten, sondern auch weiter Kreise des Volkes. Insbesondere hat sich herausgestellt, daß gerade solche Verfahren nur gegen die kleinen Übeltäter durchgeführt werden konnten, gegen untergeordnete Mitglieder radikaler Organisationen, gegen deren Mitläufer, die zum Verteilen von Flugblättern beleidigenden Inhalts bestimmt worden waren, oder gegen Erwerbslose, die versucht hatten, sich mit der Verteilung von Flugblättern einen kleinen Nebenverdienst zu verschaffen. Die wirklichen Übeltäter aber, von denen diese ganze Agitation ausging, die die Veranlasser und die geistigen Urheber dieser Flugblätter waren, bleiben — leider, muß ich sagen — vielfach unbehelligt, und zwar infolge ihrer Tarnung oder wegen Abwesenheit.

    (Abg. Dr. Menzel: Das sagen Sie mal im Kabinett dem Herrn Bundeskanzler!)

    Hier liegt ein echtes Problem, das meines Erachtens
    eine weitgehende Amnestierung rechtfertigt und
    das auch nur auf diesem Wege gelöst werden kann.
    Ich möchte auch ganz kurz auf den § 7 des Entwurfs eingehen, der sich mit der Nachrichtentätigkeit beschäftigt. Wir werden allerdings nachher bei der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD noch Gelegenheit haben, hierzu im einzelnen Stellung zu nehmen. Im Augenblick möchte ich mir nähere Ausführungen ersparen und mir erlauben,
    auf die Begründung des Gesetzentwurfs Bezug zu nehmen. Insgesamt verbleibt die Bundesregierung trotz der vom Bundesrat geäußerten Bedenken auf ihren Vorschlägen, wie sie in den §§ 2 bis 9 des Entwurfs niedergelegt sind, bestehen. Ich hoffe, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß Sie sich der Erkenntnis nicht verschließen werden, daß hier ein wirkliches Bedürfnis für eine beschränkte Amnestie im Rahmen des Regierungsentwurfs besteht und daß die Einwendungen, die der Bundesrat erhoben hat, nicht hinreichend begründet sind.
    Abschließend darf ich noch bemerken, daß entgegen der Auffassung des Bundesrats ein ausreichender Ausgleich von Härten nicht dadurch geschaffen werden kann, daß die Gerichte und Gnadenbehörden dem Einzelfall eine individuelle Berücksichtigung zukommen lassen. Die gerichtliche Strafaussetzung zur Bewährung und die bedingte Entlassung sind nur bei Freiheitsstrafen möglich, bei Geldstrafen und Geldbußen dagegen ausgeschlossen. Gnadenerweise aber setzen jeweils voraus, daß die Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind. Sie können also keineswegs solchen Tätern helfen, die z. B. aus Furcht vor der Verfolgung untergetaucht sind oder gar die Rückkehr in ihre Heimat meiden; denn gegen sie kann das Verfahren nicht immer durchgeführt werden. In vielen Fällen wäre die Durchführung eines Verfahrens auch unerwünscht. Insbesondere bei Wirtschaftsstraftaten und Ordnungswidrigkeiten besteht unter gewissen Voraussetzungen sogar ein rechtspolitisches Interese daran, von der Durchführung des Verfahrens abzusehen, da die Wirtschaftsentwicklung, wie etwa bei dem Erwerb der sogenannten Schwarzkohlen in der Zeit der Koreakrise in den Wintern 1950/51 und 1951/52 über die Verhältnisse, die zu diesen Straftaten geführt haben, hinweggegangen ist. Insgesamt bieten somit die der Strafrechtspflege ohnehin zu Gebote stehenden Mittel nicht die Möglichkeit, das Ziel einer Gesamtbereinigung der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse zu erreichen.

    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

    Ich darf abschließend noch einmal betonen: es ist der Zweck und das alleinige Ziel dieses Entwurfes, hier eine Befriedung herbeizuführen, einen Schlußstrich unter Straftaten zu ziehen, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit den Verhältnissen einer chaotischen Zeit begangen worden sind. Wir werden ja im Rechtsausschuß noch Gelegenheit haben, uns über die Einzelheiten des Entwurfs auszusprechen. Ich weiß, von der einen Seite werden einschränkende, von der anderen Seite ausweitende Bestimmungen für richtig gehalten. Aber ich bin überzeugt, daß es gelingen wird, für den Entwurf eine Grundlage zu finden, die sowohl von der Regierung als auch vom Parlament durchaus verantwortet und vertreten werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Greve das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Verkündung des Gesetzes über Straffreiheit, Punkt 2 a der Tagesordnung.
Dr. Greve (SPD), Anfragender: Herr Präsident!
Darf ich zu gleicher Zeit zu den Ausführungen des
. Herrn Bundesministers der Justiz hinsichtlich der


(Dr. Greve)

Begründung der Regierungsvorlage Stellung nehmen? Das vereinfacht das Verfahren.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Jawohl!
    Dr. Greve (SPD), Anfragender: Meine Damen und Herren! Ich bedaure den Herrn Bundesminister der Justiz, daß er heute schon ein zweites Mal hier für die Bundesregierung eine Vorlage vertreten mußte, die nur sehr schlecht zu vertreten ist, diese offenbar noch schlechter als die unter Punkt 1 der heutigen Tagesordnung.

    (Zuruf des Abg. Dr. Pünder.)

    — Man kann auch anderer Meinung sein. Aber ich vertrete hier meine Meinung, Herr Kollege Pünder, und nicht die Ihre.

    (Abg. Dr. Pünder: Ja, selbstverständlich! Ich erlaubte mir aber auch nur einen Zwischenruf, der wohl gestattet ist!)

    Meine Damen und Herren, die Vorlage zu diesem Amnestiegesetz hat eine unrühmliche Geschichte; am unrühmlichsten ist die Länge dieser Geschichte. Denn es ist — ich glaube, darüber bestehen keine unterschiedlichen Meinungen — wohl das Wesen eines Amnestiegesetzes, daß die Amnestie selbst so schnell und so unmittelbar wie möglich kommt und daß nicht den Delinquenten sehr lange Zeit gegeben wird, sich in ihren strafbaren Handlungen darauf einzurichten. Wer wie ich als Anwalt in der praktischen Jurisprudenz steht, weiß, daß augenblicklich unter den Beschuldigten, unter den Angeklagten eine schwer zu diagnostizierende Amnestiekrankheit ausgebrochen ist, von der zuweilen auch Anwälte und Staatsanwälte befallen werden; das will ich hier gar nicht ausschließen. Aber wenn man ein Amnestiegesetz mit Wirksamkeit hätte durchbringen wollen, dann hätte man es schnell durchbringen und hätte vor allen Dingen auch dafür Sorge tragen müssen, daß unter der Länge der Behandlung und Beratung eines solchen Gesetzes die Rechtspflege keinen Schaden nimmt.
    Was ist schließlich das Wesen einer Amnestie? Darüber haben Sie uns hier leider wenig gesagt, Herr Bundesjustizminister. Ich hätte gewünscht, daß Sie sich zumindest mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 1953 einmal etwas näher auseinandergesetzt hätten. In diesem Beschluß kommt zum Ausdruck, daß die Anschauungen über das Wesen der Amnestie Wandlungen unterworfen gewesen sind und daß heute im Volksbewußtsein die Gewährung von Amnestie nicht mehr als Ausfluß einer dem Recht vorgehenden Gnade, sondern als Korrektur des Rechts selbst angesehen wird. Wenn man die Amnestie heute als Korrektur des Rechtes selbst ansieht, dann kommt einem auf der einen Seite die Lückenhaftigkeit des Amnestiegesetzes vom 31. Dezember 1949 zum Bewußtsein, zum anderen aber auch die meines Erachtens noch größere Lückenhaftigkeit der uns jetzt präsentierten Vorlage. Das Wesen und der Sinn einer Amnestie erfordern es, daß sie entweder klar und eindeutig im Hinblick auf die Straftatbestände oder überhaupt nicht beschlossen wird.
    Auf die verschiedenen in der uns zur Beratung überwiesenen Vorlage enthaltenen Bestimmungen hat der Herr Bundesminister der Justiz selbst schon hingewiesen, ich komme nachher noch im einzelnen darauf.
    Bei der Amnestie darf es sich, und das berührt sowohl den Zeitpunkt als auch den Anlaß, nur um eine ganz seltene Angelegenheit aus einem besonderen Anlaß im Leben eines Staates und eines Volkes handeln. Zur Begründung darf ich mich hier auf die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs im Bundesjustizministerium beziehen, der in der Beratung der Vorlage im Bundesrat am 18. September 1953 vorgetragen hat — ich zitiere wörtlich —:
    Jede Amnestie ist ein außerordentlicher Eingriff in die Strafrechtspflege, der nur gerechtfertigt ist, wenn außergewöhnliche Verhältnisse ohne einen solchen Eingriff nicht bereinigt werden können und wenn das Gesamtinteresse an einer Befriedung nach dem Ablauf von anomalen Zeiten den Vorrang vor der Durchsetzung von Strafdrohungen in jedem Einzelfall hat.
    Hier ist nun meine Auffassung und die meiner politischen Freunde von der der Bundesregierung verschieden. Der Herr Bundesjustizminister hat uns mit der Begründung, die er heute zu dem Gesetzentwurf gegeben hat, nicht davon zu überzeugen vermocht, daß eben außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen, die die Amnestierung nicht etwa ganz allgemein von im einzelnen nicht aufgezählten strafbaren Handlungen angebracht erscheinen lassen, sondern die es nach der Auffassung der Bundesregierung angebracht erscheinen lassen, einzelne Straftatbestände ganz willkürlich herauszupicken, ob es sich da um Verbrechen handelt, die in der Zeit des Zusammenbruchs begangen worden sind, ob es sich da um Beleidigungen im politischen Meinungsstreit, um Verschleierung von Personenständen oder — es ist auf verschiedene Delikte hingewiesen, die in dem ersten Gesetz nicht berücksichtigt werden konnten — um strafbare Handlungen auf dem Gebiete des Devisenverkehrs usw. handelt. Also man hat sich hier willkürlich ohne irgendeinen Zusammenhang einzelne Straftatbestände vorgenommen, bei denen offenbar irgendeine Vorstellung für ihre Amnestiewürdigkeit vorhanden gewesen sein muß; nur man sagt es uns nicht, wir können nur ahnen, um was es sich dabei handelt.
    Meine verehrten Damen und Herren, ich glaube nicht, daß es sich aus der rechtsstaatlichen und kriminalpolitischen Situation, in der wir uns heute befinden, zwangsläufig ergibt, im Interesse der Strafrechtspflege müsse zum .Mittel eines Amnestiegesetzes gegriffen werden, weil keine anderen Möglichkeiten gegeben sind, im einzelnen Fall Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
    Ich will hier gleich auf die letzten Ausführungen eingehen, die Sie eben hier gemacht haben, Herr Bundesminister der Justiz. Wenn Sie sich bei den Praktikern der Strafrechtspflege in der Bundesrepublik umhören, dann werden Sie, glaube ich, feststellen, daß die Meinung derjenigen überwiegt, die sagen, daß man es, wenn man einzelne Straftaten berücksichtigen will, im Wege der Gnade und nicht im Wege der Amnestie machen sollte.

    (Zuruf von der FDP: Richtig!)

    Das ist weitgehend die Auffassung, wie sie unter den Praktikern in der Strafrechtspflege heute vorhanden ist. Ein Beweis dafür ist schließlich auch die Abstimmung im Bundesrat, der sich ganz eindeutig, nämlich einstimmig, gegen die Verabschiedung dieses Amnestiegesetzes ausgesprochen hat.


    (Dr. Greve)

    Der Umfang und die Bedeutung des Gesetzes erfordern es leider, daß ich auf einzelne Punkte der Begründung, die uns die Bundesregierung in ihrer Vorlage gegeben hat, etwas näher eingehe. Da ist zunächst der Zeitpunkt. Ich glaube nicht, daß einer, der die Dinge ernsthaft betrachtet, sagen kann, daß das Datum rein zufällig gewählt ist und daß der Zusammenfall der Ankündigung eines Amnestiegesetzes mit dem Ausgang der Bundestagswahl nichts zu tun hat. Mit beredten, aber nicht überzeugenden Worten hat der Herr Bundesjustizminister eben zweimal versucht, uns dennoch klarzumachen, es sei rein zufällig, daß die erste Mitteilung ausgerechnet am 9. September 1953 erfolgte, also drei Tage nach dem Tage der Bundestagswahl, obwohl man bereits seit anderthalb Jahren im Bundesjustizministerium an diesem Amnestiegesetz arbeitet, bis zum 9. September 1953 gegenüber der Öffentlichkeit aber nichts darüber hat verlauten lassen. Also, Herr Bundesjustizminister, das ist nicht nur unverständlich, sondern ich persönlich nehme Ihnen das einfach nicht ab.
    Der § 6, auf den Sie eingegangen sind, scheint mir doch in gewisser Beziehung auch etwas mit den Bundestagswahlen zu tun zu haben; denn mir ist noch in lebhafter Erinnerung, daß gerade vor den Bundestagswahlen ein sehr lebhafter Meinungsstreit in der politischen Auseinandersetzung stattgefunden hat und daß nicht alle diejenigen, die sich heute mit uns ebenfalls für die Sauberkeit im politischen Meinungsstreit aussprechen, das vor dem 6. September 1953 wahrgemacht haben. Ich will hier nicht nur von den Rechts- und Linksradikalen sprechen, die u. a. auch den Herrn Bundeskanzler angegriffen haben, ich will ruhig auch einmal von dem Herrn Bundeskanzler sprechen

    (lebhafter Beifall bei der SPD)

    — wie es mein Kollege Arndt heute auch schon getan hat —, der schließlich Herrn Schroth und Herrn Scharley bezichtigt hat, aus der Ostzone SEDistische oder kommunistische Gelder für die Zwecke meiner Partei in Empfang genommen zu haben. Offenbar ist das doch eine Art der Betätigung im politischen Meinungsstreit, die unter § 186 des Strafgesetzbuches fallen müßte und nicht unter § 6 dieses Straffreiheitsgesetzes, meine verehrten Anwesenden!

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber irgendwie dürfte wohl eine Beziehung zwischen diesen Äußerungen im politischen Meinungsstreit und dem § 6 dieser Vorlage gegeben sein, und das ist dann schließlich auch nicht allein damit abzutun, daß man darauf hinweist — was wir ohne weiteres als richtig unterstellen wollen —, daß der Herr Bundeskanzler von rechts- und linksradikaler Seite in einer Art und Weise angegriffen worden ist, wie wir es nicht wünschen, daß es geschieht, und wie wir es, glaube ich, auch nicht praktiziert haben.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Zeitpunkt kann heute, wenn dieses Gesetz wirklich Rechtskraft erlangen sollte, überhaupt nicht mehr so bestimmt werden, wie es im Interesse einer geordneten Rechtspflege wünschenswert gewesen wäre. Ob wir den 1. Oktober oder ob wir irgendein anderes Datum nehmen, spielt keine Rolle. Ich sagte eben schon, die Rechtspflege selbst ist in große Schwierigkeiten gekommen, und wenn die Vorlage in den Ausschuß überwiesen wird, dann müssen wir dort versuchen, den besten Zeitpunkt
    zu finden, den wir überhaupt für diese Vorlage, wenn die Mehrheit sie zu verabschieden wünscht, finden können. Der 1. Oktober hat, ob Sie das bestreiten oder nicht, meines Erachtens eine viel zu nahe Beziehung zur Bundestagswahl. Dieses Datum ist für uns unerträglich. Das hieße nämlich gerade hinsichtlich des § 6 einen Freibrief für die künftige Bundestagswahl ausstellen, vor der doch wohl auch wieder ein politischer Meinungsstreit stattfinden wird. Es wird dann schon heute für manche möglich sein, sich darauf einzurichten, daß man eben nach einer entsprechend ausgegangenen Bundestagswahl im Wege eines Amnestiegesetzes das korrigieren wird, was man vorher im politischen Meinungsstreit an Sauberkeit hat vermissen lassen. Aus diesem Grunde können wir zu dem Datum des 1. Oktober unter gar keinen Umständen ja sagen.
    Es kommen nun die Tatbestände, die Sie unter den Überschriften „Straftaten infolge der Kriegsoder Nachkriegsereignisse" und „Straftaten infolge wirtschaftlicher Notlage" mit der Differenzierung der zu erwartenden oder verhängten Freiheitsstrafen fassen. Wir vermögen nicht einzusehen, daß diese Art von Kautschukklausel geeignet ist, von vornherein Klarheit darüber zu schaffen, welche Straftatbestände nun unter die Amnestie fallen und welche nicht unter die Amnestie fallen. Es ist nämlich die Aufgabe des Gesetzgebers, zu sagen, welche strafbaren Handlungen amnestiert werden sollen. Man kann es nicht dem Richter überlassen, sich nachher auszusuchen, ob er einen strafbaren Tatbestand unter den § 2 oder unter den § 3 dieser Vorlage subsumieren oder ob er ihn nicht darunter subsumieren kann. Eine Amnestie kann, wie ich schon sagte, nur klar und eindeutig und umfassend hinsichtlich der Tatbestände gewährt werden, oder man muß die Finger von der Amnestie lassen, was ich der Bundesregierung gewünscht hätte. Die amnestiewürdigen Straftatbestände, wie sie hier ihren Niederschlag gefunden haben, sind für uns als Gesetzgeber unbrauchbar und sind noch unbrauchbarer für den Richter, der das Gesetz anwenden soll.
    Zu § 5, Steuer- und Monopolvergehen, brauchen wir hier im einzelnen nichts zu sagen. Zu § 6 habe ich mich bereits geäußert.
    Die wichtigste Frage, die der Herr Bundesjustizminister hier leider nicht angeschnitten hat, ist allerdings die Frage des § 7. Ich nehme an, daß noch einige andere Kollegen dazu etwas zu sagen haben. Ich komme hier zu gleicher Zeit zur Begründung der Großen Anfrage meiner Fraktion. Der erste Deutsche Bundestag hat zum Schluß der Legislaturperiode ein Amnestiegesetz verabschiedet, dessen Übereinstimmung mit den von mir eben entwickelten Grundgedanken von mir selbst nicht bejaht wird. Da befinde ich mich durchaus in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesjustizminister außer Diensten, jetzigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages Dr. Thomas Dehler.

    (Abg. Dr. Dehler: Auch früher Abgeordneter!)

    - Ja, aber damals waren Sie auch noch Bundesminister der Justiz, Herr Kollege Dr. Dehler! —
    Nur bin ich nicht Ihrer Auffassung, daß es unsere Aufgabe ist, festzustellen, ob sich dieses Gesetz mit den Vorschriften des Grundgesetzes in Übereinstimmung befindet oder nicht. Das ist eine Aufgabe, die weder der Legislative noch der Exekutive zusteht, sondern die dem zuständigen Gericht der rechtsprechenden Gewalt zukommt. Das ist nicht nur unsere Auffassung. Es war die Pflicht der


    (Dr. Greve)

    Bundesregierung, das von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Gesetz dem Herrn Bundespräsidenten zur Verkündung vorzulegen oder aber andere Konsequenzen zu ziehen, als es die Bundesregierung bisher getan hat. Das ist der Sinn unserer Großen Anfrage auf Drucksache 226.
    Wir befinden uns da in guter Gesellschaft, meine Damen und Herren. Ein Journalist von Ansehen aus den Kreisen der Regierungskoalition, nicht aus den Kreisen der Opposition, Herr Paul Sethe von der ,Frankfurter Allgemeinen", hat der Bundesregierung und insbesondere auch dem Herrn Bundesjustizminister einiges ins Gebetbuch oder in ein anderes Buch geschrieben, das ich nicht gern lesen möchte. Herr Sethe schreibt, daß nach dem Sinn der Verfassung der Herr Bundesjustizminister kein Recht hat, die Verkündung des Gesetzes zu verweigern. Es heißt wörtlich:
    Die Regierung hat die Pflicht, das angenommene Gesetz zu verkünden.
    Er gesteht dem jeweiligen Bundesjustizminister das Recht zu, seine Unterschrift nicht zu leisten, wenn er verfassungsmäßige Bedenken hat. Dann heißt es weiter:
    Aber zur Klärung solcher Bedenken ist er allein genau so wenig berechtigt wie jeder andere Staatsbürger auch.
    Das ist auch meine Meinung. Wir Sozialdemokraten haben immer, ob hier im Plenum oder im Ausschuß, zum Ausdruck gebracht, daß für uns die Meinung des Bundesministers der Justiz oder irgendeines seiner Beamten nicht deswegen wertvoll oder wertvoller wird, weil sie die Auffassung des Bundesjustizministers oder eines Beamten des Bundesjustizministeriums ist. Sie ist eine unter vielen Meinungen; sie ist aber nicht das, was man heute authentische Interpretation zu nennen beliebt.

    (Beifall bei der SPD.)

    So etwas macht man aber nicht nur im Rahmen der Legislative, das hat man auch zu tun beliebt im Rahmen der Exekutive. Es gibt Vorgänge, insbesondere aus der letzten Zeit, wo Rechtsauffassungen des Bundesjustizministeriums durch obere Bundesgerichte, wie z. B. den Bundesfinanzhof — Herr Staatssekretär Dr. Strauß wird wissen, was ich meine — berichtigt worden sind.

    (Staatssekretär Dr. Strauß: Nein, nicht des Justizministers; das ist ein Mißverständnis!)

    — Doch; dann müssen Sie mich nachher berichtigen. Ich kann Ihnen jedenfalls das Gutachten vorlegen, das Sie dem Herrn Bundesfinanzminister über die Fortgültigkeit der §§ 5 und 6 der Spielbankverordnung vom Jahre 1938 erstattet haben, wo das Bundesjustizministerium zum Ausdruck gebracht hat: Diese beiden Paragraphen sind deswegen nicht mehr gültig, weil sie dem Finanzverfassungssystem, das heute in der Bundesrepublik gilt, widersprechen. Das war doch sicher eine authentische Interpretation. Oder wozu war sie bestimmt, wenn sie an das Bundesfinanzministerium weitergegeben worden ist? Doch sicher dazu bestimmt, ernstgenommen zu werden! Der Bundesfinanzhof hat kürzlich in einem Gutachten zum Ausdruck gebracht, daß das alles nicht zutreffend sei; selbstverständlich seien die §§ 5 und 6 Abs. 1 der Spielbankverordnung vom Jahre 1938 gültig und verstießen in keiner Weise gegen das gegenwärtige Finanzverfassungssystem in der Bundesrepublik.
    Ich muß sagen, wenn wir uns im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit bewegen wollen, müssen wir uns zunächst einmal daran gewöhnen, Urteile, Beschlüsse usw. oberer Bundesgerichte, also von Organen der rechtsprechenden Gewalt, als das anzusehen, was sie sind, nämlich zunächst einmal als Recht. Das ist es auch, was Herr Sethe hier zum Ausdruck gebracht hat, wenn er weiter schreibt, daß möglicherweise eine Lücke bestehe, wie man in Zweifelsfällen eine solche Entscheidung herbeiführen solle; aber in Streitfragen um die Verfassung habe der Justizminister kein größeres Recht als wir alle.
    Zur Entscheidung über Verfassungsstreitigkeiten ist nur das Bundesverfassungsgericht und niemand anders da . . . Wenn er
    — der Herr Minister —
    sich selber zum Richter in Fragen des Zweifels macht, so handelt er gegen den Kern unseres Verfassungslebens.
    Offenbar ist das dem Herrn Bundesjustizminister außer Diensten Dr. Dehler auch zum Bewußtsein gekommen. Denn in einer Rede in der 12. Sitzung am 4. Februar 1954, die er hier im 2. Deutschen Bundestag gehalten hat, finden sich folgende Äußerungen zur Platow-Amnestie, um die es sich ja handelt, wenn wir es mit einem Schlagwort bezeichnen wollen:
    Ich habe die Gegenzeichnung verweigert. Meiner Unterschrift bedurfte es übrigens nach dem Grundgesetz und der Geschäftsordnung nicht, denn es genügt die Unterschrift des Herrn Bundeskanzlers. Der Ressortminister ist für die Promulgation nicht vonnöten. Ich habe bei der Behandlung dieses Entwurfs im Vermittlungsausschuß klar erklärt . . .: Ich werde dieses Gesetz niemals unterschreiben.
    Das hat Herr Dehler auch nicht getan, ohne damit verfassungsmäßig richtig zu handeln.
    Ich will jetzt nicht darüber rechten, ob ich dazu befugt bin.
    Ich sage nein; dazu waren Sie nicht befugt, Herr Dr. Dehler.

    (Abg. Dr. Dehler: Befugt und verpflichtet!)

    — Es gibt auch Auffassungen, die der Ihrigen entgegenstehen, auch dann, wenn Sie das nicht mögen.
    Ich habe als Minister nie ein Gesetz unterschrieben, das ich für verfassungswidrig hielt.
    Das hat offenbar auch niemand von Ihnen verlangt. Wenn ich jemals wieder in diese Situation käme, würde ich es wieder so halten.
    Das ist richtig. Aber nun kommt es:
    Man kann keinem der Beteiligten — Bundestag, Minister — zumuten, zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.
    Ja, nun weiß ich nicht mehr, was ist. Man kann dem Bundestag und einem Minister nicht zumuten, zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, wenn es sich darum handelt, die Verfassungsmäßigkeit eines vom Parlament beschlossenen Gesetzes von dem zuständigen Organ der rechtsprechenden Gewalt, d. h. also bei uns in der Bundesrepublik zur Zeit vom Bundesverfassungsgericht, klären zu lassen?
    Aber das steht hier klipp und klar:
    Man kann keinem der Beteiligten — Bundestag, Minister — zumuten, zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.


    (Dr. Greve)

    Ich bin der Ansicht, daß die Bundesregierung, wenn sie der Auffassung war, die Sie vertreten haben, daß dieses Gesetz, das am 29. Juli 1953 verabschiedet worden ist, nicht verfassungsmäßig ist, auf dem Wege der Anforderung eines Gutachtens hätte feststellen lassen müssen, ob dieses Gesetz mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung steht oder ob es nicht in Übereinstimmung steht. Sie haben ganz richtig gesagt: „Es besteht auf jeden Fall kein Zwang". Nein, aber es besteht der Zwang — schon aus der Achtung, die auch die Bundesregierung vor dem vom Volke gewählten Parlament haben muß — ,Gesetze, die beschlossen sind, zu verkünden, Herr Bundesjustizminister.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, das ist nicht nur ein Anliegen, das die Opposition haben sollte, sondern das ist ein Anliegen des ganzen Hauses an seine Regierung. Auch dann, wenn es sich um eine Koalitionsregierung handelt, ist die Regierung als Verfassungsorgan dem ganzen Parlament verantwortlich. Das ganze Parlament muß von seiner Regierung verlangen, daß Gesetze, die beschlossen sind, von dieser Regierung auch verkündet werden, oder daß die Regierung, falls sie verfassungsmäßige Bedenken hat, die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetze vom Bundesverfassungsgericht klären läßt. Das kann man nicht nur zumuten, sondern das muß man sogar von der Bundesregierung verlangen, und wir stellen dieses Verlangen heute an die Bundesregierung.