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ID0200501200

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    2. Deutscher Bundestag — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Oktober 1953 65 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Oktober 1953. Geschäftliche Mitteilungen 65 C Änderung der Tagesordnung, — Absetzung der Wahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt . 65 C Nächste Fragestunde 65 C Teilnahme des Sprechers des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten von Amerika an der Sitzung 65 C Präsident D. Dr. Ehlers . . . . 65 D, 67 A Joseph W. Martin, Speaker des. amerikanischen Repräsentantenhauses . . . 65 D Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 34) 68 B Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses kraft Wahl (Drucksache 35) 68 B, 82 A Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Drucksache 3'7) 68 C Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost (Drucksache 39) . . . . 68 D Wahl der Wahlmänner für die vom Bundestag zu berufenden Richter beim Bundesverfassungsgericht (Drucksache 36) 69 A, 82 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 20. Oktober 1953 69 B Dr. von Merkatz (DP) 69 B Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau '79 A Jacobi (SPD) 82 B Dr. Jaeger (CSU) 83 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU) . . . 88 D Haasler (GB/BHE) 94 D Dr. Kather (CDU) 97 C, 103 C Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene 100 B Dr. Schöne (SPD) 100 D Dr. Gille (GB/BHE) 102 C Kiesinger (CDU) 103 D Nächste Sitzung 108 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Werner Jacobi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Opposition sind seit gestern mittag hier wiederholt Bemerkungen zuteil geworden, die von der Regierungsmehrheit als eine Art Lob ausgesprochen wurden. Es wurde die Auffassung vertreten, es deute sich so etwas wie ein neuer Kurs an, mindestens zeige sich der Wille zu einer Bereitschaft, hier in diesem Hause sachlich mitzuarbeiten. Nun, ich will das Kompliment zurückgeben. Wir haben heute erlebt, daß ein Minister des Bundeskabinetts, der zitiert worden ist, eine Presseerklärung nicht dementierte, sondern zu ihr stand, ihr allerdings eine etwas andere Lesart gab, als wir sie kennen. In der Presseveröffentlichung war kein Wort davon zu lesen, daß es sein Bestreben sei oder daß er eine ausdrückliche Bemerkung nach der Richtung gemacht habe, mehr Wohnungen zu bauen. Die Presseverlautbarung, die wir lasen, und das, was vom Wohnungsbauministerium über eine Äußerung des Herrn Ministers vor seinen neuen Mitarbeitern bekanntgegeben wurde, ließ in keiner Weise eine konkrete Aussage erkennen. Wir haben es aber auf dem Gebiete des Wohnungsbaues nun einmal mit außerordentlich konkreten Dingen zu tun.
    Das war auch der Anlaß, warum Herr Kollege Ollenhauer an den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers Kritik geübt und erklärt hat, daß die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers von unserem Standpunkt aus gesehen nicht genügend konkret waren. Wir haben feststellen müssen, daß der Terminus „Sozialer Wohnungsbau" in den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers an keiner Stelle erwähnt wurde. Das ist der Grund unserer Sorge gewesen, der wir gestern Ausdruck gaben.
    Der Herr Wohnungsbauminister hat nun heute eine Reihe von konkreten Andeutungen gemacht. Wir sind ihm dankbar dafür, daß er seine Bereitschaft erklärt hat, den Wohnungsbau als eine absolut nüchterne Aufgabe anzusehen. Auch wir bemerken — und das hat mein Freund Ollenhauer gestern sehr klar und deutlich bereits zu verstehen gegeben —, daß sich die Aufgaben des Wohnungsbaues jeder gleichwie gearteten doktrinären Betrachtung und Behandlung entziehen. Der Wohnungsbau, Herr Minister Dr. Preusker, ist in der Tat — wenn wir von dem Streit um die Novelle zu Ende des letzten Bundestages absehen — hier immer eine gemeinsame Sache gewesen und ist in pfleglichem Bemühen aller Beteiligten als eine Gemeinschaftsaufgabe angepackt und gelöst worden.

    (Abg. Albers: Sehr richtig!)

    Diese Bereitschaft, auf einer sachlichen Grundlage mit der Regierung und mit den Regierungsparteien zusammenzuarbeiten, ist in keiner Weise fragwürdig geworden. Nur müssen Sie, Herr Minister, verstehen, daß bei dem Wirbel, der in den öffentlichen Diskussionen der letzten Wochen und. Monate eingetreten ist und den wir immer wieder beobachten müssen, nicht nur im Schrifttum, sondern manchmal auch in voreiligen Äußerungen einzelner, gelegentlich auch von Interessengruppen, bei uns eine gewisse Sorge besteht. Wir müssen Gewißheit darüber erbitten, daß das Bundeswohnungsbauministerium auch unter seiner neuen Leitung bereit und fähig ist, die ihm gestellten Aufgaben als Gemeinschaftsaufgaben anzusehen und sich vor niemandes Karren spannen zu lassen, gleich, wer Interessent ist.
    Sie wollen aber, Herr Minister, auch zur Kenntnis nehmen, daß es nicht gut ist, sich auf diesem Gebiet auch nur einen Augenblick eines Schlagwort-Repertoires zu bedienen.

    (Abg. Albers: Sehr gut!)

    Das tut zu nichts gut. Das führt zu keiner praktischen Arbeit und keinen praktischen Ergebnissen, sondern das verärgert, das verursacht lediglich Mißstimmungen und Zweideutigkeiten, mit denen wir es hinterher zu tun haben

    (Abg. Albers: Keine Parteiparole!)

    und die manchmal nur schwer zu klären sind. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß auch Sie über die Einsicht verfügen, daß die schwierige, die differenzierte Problematik des Wohnungsbaues, auch wenn Ihnen eine andere Förderung vorschwebt, als sie bisher, aus der Not geboren, möglich war, nur in Etappen bewältigt werden kann. Wir sind bereit, über diese Frage mit Ihnen, mit den Regierungsparteien und mit der Regierung von Fall zu Fall sachlich zu diskutieren, und Sie dürfen bei uns niemals unterstellen, daß wir eine dogmatische oder doktrinäre Auffassung zu diesen allein praktisch zu lösenden Fragen hätten. Wir kennen die Schwierigkeit. Wir wissen aber, daß voreilige


    (Jacobi)

    Äußerungen, Herr Minister, leicht zu einer Stimmung führen können, die hinterher Schwierigkeiten neuer Art auslöst.

    (Abg. Albers: Sehr richtig!)

    Wir sollten hier also nicht so eilig mit Worten sein.
    Wenn Sie sich gewundert haben, so ist für uns wiederum Anlaß, kritisch zu bemerken, das wäre nicht notwendig gewesen. Sie haben davon gesprochen, daß die Opposition gestern erstaunliche Offenbarungen kundgetan habe. Nun wird — das haben wir inzwischen ja mindestens indirekt zur Kenntnis nehmen können — an kein Informationsministerium mehr gedacht. Aber vielleicht empfiehlt es sich, Herr Bundeskanzler, für die Abstimmung und Unterrichtung Ihrer Minister ein Informations büro einzusetzen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das könnte dann den Ministern gelegentlich sachkundig Auskunft auch über Entwicklungen in den Parteien und nicht zuletzt in der Opposition geben. Sie hätten nur in unserem Aktionsprogramm und in unzähligen Veröffentlichungen, die Ihnen schon seit einem Jahre zur Verfügung gestanden hätten, zu lesen brauchen, um nicht so erstaunt gewesen sein zu müssen, wie das offenbar gestern bei Ihnen und bei Ihren Freunden, überhaupt bei den Regierungsparteien der Fall war. Unser Bekenntnis zum Eigentum ist nicht neuen Datums. Was wir über die Förderungswürdigkeit eines verantwortungsbewußten Unternehmertums gesagt haben, ist auch nichts Neues; was zum Wettbewerb gesagt worden ist, ist nicht jüngsten Datums. Sie wollen nur die Freundlichkeit haben, auch uns gelegentlich wieder einmal sachlich zu beurteilen und auch Ihrerseits aus der Atmosphäre des Wahlkampfes herauszukommen, der nicht geeignet ist, immer und immer wieder Grundlage der Bewertung Dritter und anderer Parteien zu sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn wir uns hier einig sind und wenn wir hier bereit sind, sachlich eine so schwierige, aber eine so dankenswerte Aufgabe wie die der aktiven Weiterbetreibung des Wohnungsbaues anzupacken, dann sollte in der Tat in diesem Hause ein Geist sachlicher gegenseitiger Unterrichtung und gemeinschaftlicher Arbeit auf vielen Gebieten wirksam sein, ohne daß man Grundsätze aufzugeben braucht.
    Ein allerletztes Wort, Herr Minister. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß Sie im Augenblick noch über eine erhebliche Spurweite verfügen, daß Sie sich sogar wirtschaftspolitischen Grundsatzbetrachtungen hingeben können. Wir möchten Sie bitten, in Zukunft Ihre ganze Energie auf die spezielle Aufgabe des Wohnungsbaues zu lenken.

    (Heiterkeit bei der SPD und bei Abgeordneten der Mitte.)

    Und im übrigen, wenn Sie sich gelegentlich einmal temperamentvoll äußern: einen Rat, der gut gemeint ist und der sich auf Ihr Sachgebiet und auf dieses allein bezieht: Erregen Sie sich nicht; regen Sie sich!

    (Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Heiterkeit in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt die eigene Partei!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ollenhauer, der Führer der vergangenen, der gegenwärtigen, der künftigen, sozusagen der ewigen Opposition im Deutschen Bundestag,

    (Oho-Rufe und Zurufe von der SPD — weiterer Zuruf links: Das ist der neue Präsident!)

    hat gestern das sehr richtige Wort gesprochen, das Wahlergebnis bedürfe einer sorgfältigen Untersuchung.

    (Zuruf von der SPD: Reden Sie nicht von dem, was Sie nicht verstehen!)

    Was er selbst uns gestern allerdings bei einer Untersuchung des Wahlergebnisses geboten hat, war nicht gerade besonders sorgfältig; denn die etwas merkwürdige Behauptung, die junge Generation und die Neuwähler hätten sich weitgehend für die Sozialdemokratie entschieden, kann man jedenfalls nicht an Ergebnissen feststellen, die ausgerechnet aus den Hochburgen der Sozialdemokratie auch in diesem Wahlkampf stammen, wo naturgemäß der prozentuale Anteil der Sozialdemokraten im allgemeinen und der jungen Sozialisten im besonderen höher ist als in den übrigen Teilen des Bundesgebietes.

    (Zurufe von der SPD.)

    Vielleicht hat aber Herr Ollenhauer noch Gelegenheit, die übrigen Wahlergebnisse ebenso zu vergleichen. Ich habe nicht die Absicht, hier in diese Debatte einzusteigen. Aber eine sorgfältige Untersuchung des Wahlergebnisses ist natürlich für die Opposition von besonderer Wichtigkeit, weil sie sich ja schließlich darüber klarwerden muß, welchen Umständen sie ihre Niederlage verdankt.

    (Abg. Arnholz: Ihrer Verleumdung!)

    — Es ist doch keine Verleumdung, daß Sie eine Niederlage erlitten haben! Haben Sie vielleicht am Ende gesiegt am 6. September? Dann habe ich das bloß nicht gemerkt.
    Wenn Herr Kollege Ollenhauer eventuell die Ausführungen seines jungen, aber sehr regsamen Kollegen Herrn Kahn-Ackermann, wie er sie in meinem Wahlkreis über ihn selbst und seine Politik gehalten hat, läse, dann würde er vielleicht den Gründen der Wahlniederlage sehr nahekommen. Aber Näheres können Sie in den „Dachauer Nachrichten" nachlesen.
    Wir von der Christlich-Sozialen Union tun uns bei der Betrachtung des Wahlergebnisses leichter; denn unser Wahlerfolg — mehr als die Verdoppelung der das letzte Mal erzielten Mandate — übertrifft sogar noch den Wahlerfolg, den die Christlich-Demokratische Union im Durchschnitt des Bundesgebietes erreicht hat.

    (Zurufe von der CDU.)

    Wir nehmen dies als ein Zeichen dafür, daß die von uns vertretene Politik vom Volke gebilligt worden ist, als ein Zeichen dafür, daß der Weg, den wir vor vier Jahren eingeschlagen haben, sich bewährt hat. Gerade die Christlich-Soziale Union hat Entscheidendes dazu beigetragen, daß der Herr Bundeskanzler die Bildung seiner Regierung, einer Regierung der kleinen Koalition, im Bundestag durchsetzen konnte. Wir dürfen uns deshalb auch einen Teil des Verdienstes daran zuschreiben, daß diese sogenannte kleine Koalition in diesem Bundestag zur größten Koalition wurde, die wohl je in parlamentarischen Zeiten in Deutschland eine


    (Dr. Jaeger)

    Regierung gestellt hat. Darin allein mögen Sie die Begründung und die Berechtigung dieses unseres Weges sehen.
    Herr Kollege Ollenhauer hat gestern gesagt, man müsse die Opposition anerkennen. Gerade das ist es, was wir von jeher getan haben. Gäbe es keine Opposition, so müßte man sie sozusagen erfinden. Das ist ja das Wesen der Demokratie,

    (Abg. Dr. Greve: Dann müßten Sie in die Opposition!)

    daß eine Gruppe regiert und eire andere kontrolliert. Wir haben diesen Weg schon vor vier Jahren für richtig gehalten, wir halten ihn heute und in Zukunft erst recht für richtig.
    Diesen Weg der kleinen Koalition in der Bundesregierung Dr. Adenauers ist die ChristlichSoziale Union in der Vergangenheit gegangen und sie wird ihn in der Zukunft gehen als eine eigene bayerische Landespartei, die keinem außerbayerischen Kommando untersteht.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Wir werden aber — trotz Ihres Lachens auf der Linken und trotz des Widerstandes, den wir auf der Rechten früher in diesem Hause fanden — diesen Weg ebenso geschlossen und untrennbar in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit mit der Christlich-Demokratischen Union des übrigen Bundesgebietes gehen. -

    (Beifall bei der CSU. — Abg. Albers: Haben wir aber viel Glück!)

    Unsere Zusammenarbeit mit der Christlich-Demokratischen Union, deren Formen veränderlich sein mögen, beruht nicht auf Zufälligkeiten und auch nicht nur auf taktischen Erwägungen, ja nicht einmal nur auf den vielen freundschaftlichen Verbindungen, die die gemeinsame Arbeit der vergangenen vier Jahre geschaffen hat; sie beruht im wesentlichen auf der gemeinsamen Haltung in den weltanschaulichen Fragen, den kulturpolitischen, außenpolitischen, wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, die uns so eng zusammenbindet, daß diese Gemeinschaft trotz aller Versuche von außen nicht aufgehoben werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir hatten in den vergangenen Jahren in unserem eigenen Land zeitweise einen harten Stand, diese gemeinsame Arbeit und diese gemeinsame Fraktion zu verteidigen. Aber der Erfolg dieser gemeinsamen Arbeit hat uns recht gegeben und die Anerkennung der bayerischen Wählerschaft gefunden. Wir lassen uns weder „eingemeinden", noch lassen wir uns von der CDU trennen. Das können Sie links und rechts für alle Zeiten in Ihr Tagebuch schreiben.

    (Beifall bei der CSU. — Abg. Pelster: Das erste haben wir nicht vor!)

    Meine Damen und Herren, die Regierungsbildung, die hinter uns liegt, hat auf den verschiedensten Seiten Kritik gefunden. Es ist leicht, Kritik zu. üben, wenn ein Drängen um Ämter und Aufgaben einsetzt.

    (Zuruf von der SPD:. Bei wem?)

    Dies aber war zu allen Zeiten so, auch damals, als Ihre Parteiführer deutsche Reichskanzler gestellt haben; vielleicht war es da noch schlimmer und dauerte noch länger.

    (Abg. Dr. Greve: Herr Jaeger, da kriegten Sie jedenfalls den Postminister!)

    Im übrigen darf ich doch sagen: Diesmal haben wir vielleicht zum erstenmal im deutschen Parlament eine Situation, in der die politische Entscheidung nicht nach der Wahl im Parlament durch die Koalitionsbildung gefallen ist, sondern in der die politische Entscheidung schon vorher am Wahltag selber gefallen ist und das Parlament nur noch die kleine
    — zwar wichtige, aber nicht weltbewegende —Frage zu entscheiden hatte, ob man aus der Koalition von vier Parteien eine solche von fünf machen will, was wir bejaht haben. Damit aber stand natürlich der Teil der Regierungsbildung, der nicht grundsätzlicher politischer Überlegung bedarf, allein im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Diesem Umstand ist es wohl im wesentlichen zuzuschreiben, daß überhaupt eine Kritik an der Form dieser Regierungsbildung erfolgt ist.

    (Abg. Altmaier: Wer wird denn jetzt Postminister?)

    — Nehmen Sie mir meine Sache nicht vorweg! Ich komme noch darauf.
    Wir als Christlich-Soziale Union haben in diesem Augenblick in besonderer Weise unseren Dank den Ministern zu sagen, die uns in den vergangenen vier Jahren im Kabinett vertreten haben, vor allem denen, die ausgeschieden sind. Der Bundeslandwirtschaftsminister Professor Dr. Niklas ist mit seinem Namen für alle Zukunft verbunden mit dem Wiederaufstieg der deutschen Landwirtschaft und der neuen deutschen Agrarpolitik.

    (Lebhafter Beifall bei der CSU.)

    Ich glaube, weit über die Kreise seiner eigenen Partei hinaus begleiten ihn alle guten Wünsche für eine Wiederherstellung seiner so schwer angegriffenen Gesundheit.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Unser Dank gilt im gleichen Maße dem bisherigen Bundespostminister Dr. Schuberth. Der Wiederaufbau der deutschen Post nach dem Kriege bleibt sein historisches Verdienst.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Wieso kommt er nicht wieder?)

    Wegen dieser seiner fachlichen Leistung hatten wir ihn dem Herrn Bundeskanzler erneut als Postminister vorgeschlagen. Der Herr Bundeskanzler hat aber gemäß den Rechten, die ihm das von Ihnen mitverabschiedete Grundgesetz gibt, in dieser Frage anders entschieden. Wir haben diese seine Entscheidung zu respektieren, wenn wir ihm auch seine verfassungsmäßige Verantwortung nicht abzunehmen vermögen.

    (Zuruf von der SPD: War das wegen der Trennungsentschädigung?)

    — Ich glaube, es ist nicht immer leicht, in die einsamen Entschlüsse des Herrn Bundeskanzlers einzudringen. Aber ich nehme an, daß der Unterschied in der Betrachtungsweise zwischen uns und dem Herrn Bundeskanzler darin liegt, daß wir bei der Besetzung des Postministers in erster Linie an einen Fachmann gedacht haben, während er aus Gründen, die sich auch nicht von der Hand weisen lassen, auf eine stärkere politische Profilierung seiner Minister Wert legt.

    (Abg. Dr. Greve: Er hat an einen Kirchenmann gedacht!)

    So könnte es sein, daß es die gleichen Motive sind,
    die den Herrn Bundeskanzler dazu veranlaßt
    haben, den Herrn Bundespostminister zu entlas-


    (Dr. Jaeger)

    sen wie den Herrn Bundesverkehrsminister, den er ursprünglich nicht in seinem Amt belassen wollte, schließlich doch zu bestätigen.

    (Heiterkeit.)

    Aber in diesem Augenblick interessieren weniger die vergangenen Minister als die gegenwärtigen und künftigen. Die Christlich-Soziale Union hat in die Bundesregierung ihre beiden stärksten politischen Persönlichkeiten abgestellt.

    (Oh-Rufe bei der SPD.)

    Sie werden den bayerischen Einfluß im Kabinett bestimmt nicht geringer zum Ausdruck bringen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

    (Beifall bei der CSU. — Hört! Hört! in der Mitte.)

    Unser politisches Gewicht ist mit den Bundesministern Schäffer und Strauß ihrer Person nach wahrhaftig groß, und die Qualität der bayerischen Mitarbeit kann in keiner Weise in Zweifel gestellt werden. Es ist also keineswegs so, daß sich die Christlich-Soziale Union heute als in die Ecke gestellt betrachtet; denn, meine Damen und Herren, die Ecke, in die man den Herrn Bundesminister Strauß abstellen könnte, die können nicht einmal die politischen Architekten des Bundeskanzleramts bauen.

    (Heiterkeit. — Beifall bei der CSU. — Zurufe links.)

    — Sie noch weniger, meine Herren von der Opposition! — Ich möchte aber die beiden Herren, die die bayerische Union im Bundeskabinett vertreten, daran erinnern, daß sie nicht nur die ersten und besonders wichtigen Mitarbeiter des Herrn Bundeskanzlers sind, sondern vor allem und in erster Linie die Exponenten der Christlich-Sozialen Union und damit der bayerischen Wählerschaft.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Aachen] : Hört! Hört!)

    Unsere Kritik an der Bildung der Bundesregierung, die wir ja auch als Regierungspartei durchaus äußern dürfen, da ja Freiheit besteht und kein Fraktionszwang und ähnliche Dinge, die anderen Seiten vielleicht bekannt sind,

    (Lachen und Zurufe links)

    beruht gar nicht darauf, daß die CSU im Kabinett zahlenmäßig zu schwach vertreten sei.

    (Zuruf von der SPD: Auf einmal!)

    Nein, sie beruht höchstens darauf, daß andere Gruppen und Parteien zu stark vertreten sind.

    (Lachen bei der SPD.)

    Denn wir sind der Meinung, daß man sich auch mit etwas weniger Ministern von der oder jener anderen Partei hätte bescheiden können.

    (Abg. Dr. Greve: Diese Logik stammt wohl von Herrn Strauß?)

    Aber auch dies unterliegt der Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers und nicht der unseren.
    Wir von der CSU sind jedenfalls ebenso wie unsere Freunde von der CDU der Koalition nicht beigetreten, um Ministersessel zu besetzen,

    (anhaltende Zurufe von der SPD)

    sondern um einen Auftrag zu erfüllen, den uns das Volk am 6. September übertragen hat, und die Arbeit des Wiederaufbaus, die wir vier Jahre lang betrieben haben, fortzusetzen und zu vollenden.
    Wir haben uns in besonderer Weise gegen eine Zersplitterung der Ressorts gewandt, und es ist uns auch gelungen, sie zu verhindern. Wir sehen in Ministern ohne einen Verwaltungsbereich Männer, die durchaus die Möglichkeit haben, besondere politische Aufgaben, die nicht an ein Ressort gebunden sind, zu erfüllen, und die Persönlichkeit der ausgewählten Minister gibt uns die Gewähr, daß sie solche Aufgaben auch erfüllen können. Für viel gefährlicher hätten wir den ursprünglichen Plan gehalten, große Ministerien aufzuspalten, um damit nicht nur die Zahl der Minister, sondern auch die Zahl der Ministerialbeamten erheblich zu vermehren, was nicht nur aus Gründen der Sparsamkeit bedauerlich wäre, sondern auch, wie jeder, der mit Verwaltung zu tun hat, weiß, aus Gründen einer sachlichen Arbeit.
    Wir möchten deshalb auch dem Herrn Bundesminister, der die Familienaufgaben betreut, raten, seinen Stab nicht zu groß zu machen, sondern sich allein darauf zu beschränken, die wichtigen Aufgaben auf dem Gebiet der Familienpolitik, die wir ganz besonders unterstreichen möchten, mit diesem kleinen Stab zu erledigen, und nicht etwa den Kern eines Kultusministeriums aus seinem Familienministerium heraus zu entwickeln.

    (Zuruf von der SPD: Er wird schon was draus machen!)

    Im übrigen ist gerade Dr. Wuermeling der Mann, der, was Familienpolitik betrifft, unser volles und uneingeschränktes Vertrauen besitzt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Greve: Wieviel Kinder hat er denn?)

    Für uns in der CSU und auch für unsere Freunde von der CDU sind aber nicht Personalien das Entscheidende, sondern sachliche Fragen, und unter den sachlichen Fragen, die uns seit jeher besonders bewegen, ist es der bundesstaatliche Aufbau der Bundesrepublik Deutschland, der zu verteidigen ist. Mit großer Befriedigung haben wir die diesbezügliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung vernommen. Die Persönlichkeit, der Lebensweg und die Leistung des Herrn Bundeskanzlers sind uns Gewähr genug, daß er dieses Wort auch einlösen wird. Er besitzt auch auf diesem Gebiet unser volles Vertrauen. Wir hoffen jedoch trotz mancher Erfahrungen der ersten Wahlperiode, daß es in der zweiten Wahlperiode auch jedem seiner Mitarbeiter gelingen wird, uns von der Aufrichtigkeit und von der Konsequenz in der Realisierung dieser föderalistischen Haltung zu überzeugen.
    Nun scheint ja der Föderalismus gar nicht mehr gefährdet zu sein; denn seit gestern hat sich Herr Kollege Ollenhauer auch zum Föderalismus bekannt. Er hat sich sogar auf einen Beschluß von 1947 berufen. Es muß ein Geheimbeschluß sein; denn er war der Mehrheit dieses Hauses bisher unbekannt. .

    (Abg. Schoettle: Sie haben nur bisher Scheuklappen gehabt!)

    Ob aber die Konversion der Sozialdemokratischen Partei vor sechs Jahren erfolgt ist oder erst heute, soll uns nicht stören. Wir freuen uns darüber. Wir fürchten nur, daß die Gefahr von Rückfällen doch noch etwas groß ist, und wir haben das auch gestern feststellen können; denn wir können eigentlich nicht verstehen, wie man sonst, wenn man mit Recht davon spricht, daß die Landesregierungen der Bundesregierung nicht zwangsweise


    (Dr. Jaeger)

    gleichgeschaltet werden sollen, sich trotzdem hier darüber unterhält, wie die Bürgermeisterwahl in Berlin ausgefallen ist oder wie die nächsten Bürgerschaftswahlen in Hamburg ausfallen werden.

    (Zurufe von der SPD.)

    Das überlassen Sie mal den Berlinern und den
    Hamburgern, wenn Sie wirkliche Föderalisten sind.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Aber vielleicht betrachtet Herr Kollege Ollenhauer das Rednerpodium des Bundestags manchmal als Klagemauer für die Niederlagen, die seine Partei da und dort einstecken muß. Dann werden wir ihn noch oft an diesem Rednerpult sehen, wenn einmal die Ergebnisse der Landtagswahlen der nächsten Monate und Jahre von Hamburg bis München einlaufen.

    (Zuruf von der SPD: Weniger geschwollen!)

    Trotz allem, was gestern und heute gesagt worden ist, sehe ich immer wieder die Gefahr, daß der Gedanke des bundesstaatlichen Aufbaus, der vor acht Jahren im ganzen Volke, bis in die Kreise der Rechten und der Linken hinein, Zustimmung gefunden hat, heute nicht mehr in gleichem Maße bejaht wird. Geht es uns schon wieder zu gut, daß wir vergessen haben, welches die Ursachen unserer Katastrophe sind, Diktatur und Zentralismus? Kann man denn wirklich in diesem Lande behaupten, daß Föderalismus, daß Eigenstaatlichkeit mit Kleinstaaterei oder gar mit Kleingeistigkeit gleichzusetzen sei? Daß der Föderalismus eine Idee ist, die über den Zeiten steht und in allen Zeiten lebendig ist, und daß er gerade im 20. Jahrhundert eine große Aufgabe hat, das sehen Sie doch am deutlichsten auf dem Gebiet der europäischen Einigung, wo sogar die Föderalisten werden, die im eigenen Lande Unitarier sind.
    Daraus sehen Sie, daß es beim Föderalismus nicht darum geht, etwas Überlebtes zu erhalten oder Teile vom Ganzen abzukapseln oder gar zu trennen, sondern nur darum, Verschiedenartiges so zusammenzufassen, daß seine Eigenart und damit sein Wesen berücksichtigt wird. Die Einheit, die aus der Vielfalt gestaltet wird, und die Vielheit, die in Einheit gebunden und geschützt wird, — das ist die Idee des Bundesstaates und des Föderalismus. Mit unserem föderalistischen Bekenntnis lehnen wir ebenso die Uniformität ab wie die Kirchturmspolitik, den Zentralismus wie den Partikularismus. Föderalismus ist nichts anderes als Anerkennung der polaren Spannungen des Lebens, als einziger Weg, sie fruchtbar zu gestalten. Weil die polaren Spannungen des Lebens bei uns in Deutschland mit unserer kulturellen Vielgestaltigkeit noch viel stärker und damit vielleicht auch fruchtbarer sind als in manchen anderen Ländern, ist Föderalismus für uns noch notwendiger als für andere. Im übrigen ist der Föderalismus die Staatsform des freien Menschen und der Zentralismus, wie wir ihn in der Diktatur erlebt haben, die des vogelfreien Menschen.

    (Beifall bei der CSU.)

    Wenn wir uns zum bundesstaatlichen Aufbau bekennen, bekennen wir uns damit nicht nur zu den Rechten der Länder, sondern auch zu denen des Bundes. Beide müssen in gleicher Weise ihrer Natur nach gewahrt sein. Wenn man das eine oder das andere übersieht, leidet das Ganze, zu dem der Bund wie die Länder gehören.
    Das Kriterium für den bundesstaatlichen Aufbau ist nicht nur nach der Lehre der Staatsrechtslehrer,sondern auch nach den politischen Erfahrungen der Vergangenheit der Staatscharakter der deutschen Länder, an deren Eigenstaatlichkeit das Grundgesetz festgehalten hat, und wozu sich die neue Bundesregierung erneut verpflichtet hat. Wir haben die Gefahren eines zentralen Machtapparates erlebt. Wir wissen, wenn man in Deutschland die Möglichkeiten einer zentralistischen Regierung schaffen würde, dann finden sich auch die Männer, die diese unbedenklich aufgreifen und durchführen, wenn nicht heute, dann in vier Jahren oder später. Es genügt deshalb deutschem Wesen nicht, einen dezentralisierten Einheitsstaat zu schaffen, in dem die Länder ihre Rechte nur von einem Bund herleiten, der sie ihnen jeden Tag wieder nehmen kann. Es genügt nur ein echter Bundesstaat, in dem die Rechte der Länder wie des Bundes verfassungsmäßig abgegrenzt sind.
    Im übrigen, meine Damen und Herren, wurde heute vom Herrn Kollegen von Merkatz ausgesprochen, daß gerade die gesamtdeutsche Einigung, die das politische Ziel des ganzen Hauses ist, in einem unitarischen Deutschland nicht verwirklicht werden könne. Auf Grund der Verschiedenheit der Entwicklung von Ost und West wird ein Zusammenschluß der deutschen Länder zu einem neuen größeren und stärkeren deutschen Bund, oder wie Sie den Zusammenschluß nennen mögen, nur auf der föderativen Ebene möglich sein.
    Man soll uns nicht sagen, das föderative Gefüge Deutschlands habe dadurch gelitten, daß zehn Millionen Heimatvertriebene nach Deutschland gekommen sind. Diese Heimatvertriebenen beweisen erst den Wert einer föderativen Staatsidee. Die Landsmannschaften, in die sie sich gliedern, beweisen doch, daß die Idee der deutschen Gaue und Länder, in denen die Menschen aufgewachsen sind, sogar dann noch fortbesteht, wenn die Menschen aus diesen Ländern vertrieben sind, weil eben Schlesien oder Ostpreußen, selbst wenn sie von Deutschen geräumt werden mußten, in den Seelen der Menschen, die dort geboren wurden, weiterleben.

    (Beifall bei der CSU.)

    Wenn wir Deutschland und seinen geschichtlichen Werdegang betrachten, können wir nur feststellen, daß — mag in anderen Ländern sein, was dort den Staatsmännern gefällt — Deutschland jedenfalls aufhört, Deutschland zu sein, wenn es die Freiheit der Person und die Freiheit der Länder nicht mehr anerkennt.
    Ich weiß allerdings, daß der bundesstaatliche Aufbau unseres Vaterlandes dadurch beschattet ist, daß eine Reihe von Ländern nicht historisch, sondern nach der Geometrie der Besatzungsmächte geschaffen wurden. Zu den Aufgaben des neuen Bundestags gehört deshalb auch die Durchführung des Art. 29 des Grundgesetzes und die Neugliederung der deutschen Länder. Ich habe mit großer Freude in der Zeitung gelesen, daß es die Sozialdemokratische Partei der Pfalz gewesen ist, die in diesen Tagen gefordert hat, das Neugliederungsgesetz müsse bald kommen. An dem Tage, da der alliierte Vorbehalt zu Art. 29 des Grundgesetzes aufgehoben wird, beginnt eine Frist von einem Jahr zur Einleitung der Volksbegehren in den verschiedenen Teilen Deutschlands. In diesem Zeitpunkt muß das Neugliederungsgesetz, also das Gesetz, das nicht den Inhalt der Neugliederung, sondern ihre Methode betrifft, bereits verabschiedet und in Kraft sein. Wir haben deshalb an die Bun-


    (Dr. Jaeger)

    desregierung die Bitte, uns dieses Neugliederungsgesetz möglichst bald vorzulegen.
    Wenn ich zum Problem des Föderalismus als Bayer etwas sage, so möchte ich einmal ganz klar und deutlich aussprechen, daß es eine bayerische Frage in Deutschland überhaupt nicht gibt, wenn sie nicht vom außerbayerischen Deutschland künstlich geschaffen wird.

    (Zustimmung bei der CSU.)

    Wenn die Aufrichtigkeit der Anerkennung der historischen Rechte Bayerns außerhalb unserer Landesgrenzen überall so echt wäre wie bei uns in Bayern die deutsche Treue, gäbe es überhaupt kein Problem des bundesstaatlichen Aufbaus.

    (Beifall bei der CSU.)

    Ich weiß, daß man in manchen Teilen des nördlichen Deutschlands nicht immer geneigt ist, das zu glauben, was ich jetzt sage;

    (Abg. Albers: Es fällt auch schwer!)

    aber es ist doch die Wahrheit, daß es einen bayerischen Separatismus in Bayern überhaupt nicht gibt, sondern nur in der norddeutschen Presse.

    (Heiterkeit in der Mitte und links.)

    Ich glaube, die Politik, die Bayern in den schwersten Jahren nach dem Kriege betrieben hat, beweist dies zur Genüge. Als an den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten im Jahre 1945 die Frage herangetragen wurde, ob sich Bayern nicht zur Verbesserung seiner Position von Deutschland trennen wolle, hat dieser, der heute Bundesfinanzminister ist, erklärt, er werde Deutschland in seiner Not nicht verlassen und das deutsche Elend nicht vergrößern.

    (Lebhafter Beifall bei der CSU und BravoRufe bei der CDU.)

    Zwei Jahre später war es ein anderer, der gegenwärtige bayerische Ministerpräsident, der mit der Einberufung einer deutschen Ministerpräsidentenkonferenz den ersten Versuch einer gesamtdeutschen Einigung machte. Ich glaube, was unsere deutsche Gesinnung betrifft, brauchen wir uns als Bayern von keinem anderen Deutschen in den Schatten stellen zu lassen.

    (Bravo! bei der CSU.)

    Wir wollen nicht bessere Deutsche sein als die übrigen; aber wir sind auch keine schlechteren, und daran halten wir fest. Wir möchten, daß man der Besonderheit eines Landes, das eine vierzehnhundertjährige Geschichte hat, im Rahmen des Grundgesetzes Rechnung trägt, und wir möchten, daß die Mitwirkung der deutschen Länder an der Gesetzgebung, wie sie im Bundesrat festgelegt ist, weiterhin festgehalten und geachtet wird. Es war bedauerlich, daß der Bundesrat zeitweise in Gefahr kam, parteipolitischen Zielen, auch noch auf dem Gebiete der Außenpolitik dazu, dienstbar gemacht zu werden.

    (Abg. Hilbert: Sehr gut!)

    Aber selbst wenn solche Gefahren einmal auftreten, darf man grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen nicht unter dem Blickpunkt einer augenblicklichen Situation betrachten; dies um so weniger, wenn diese Situation inzwischen durch das Volk einzelner Bundesländer geändert worden ist.
    Wenn wir für die nächsten vier Jahre vom Gesichtspunkt des bundesstaatlichen Aufbaus aus heute unsere Wünsche anmelden, dann sind dies: Durchführung der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, die den verfassungsmäßig verbürgten bundesstaatlichen Aufbau anerkennt, und damit Verhinderung einer jeden Verfassungsänderung, die dieses Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern stören könnte.
    Wir sind seit jeher der rechtlichen und politischen Überzeugung, daß deutsche Zuständigkeiten auf dem Gebiet der europäischen Sicherheit Bundessache und nicht Landessache sind. Wir sind aber ebenso der Meinung, daß die Polizei ausschließlich Landesangelegenheit ist, und wir glauben, daß eine Erhöhung der Bereitschaftspolizei der Länder nach Wegfall der Beschränkungen, die heute noch international bestehen, innenpolitisch eine Notwendigkeit zum mindesten in einem Teil der deutschen Länder ist.
    Wir sprechen uns entschieden gegen jede Bundesfinanzverwaltung aus, die gerade der heutige Bundesfinanzminister nicht nur vor, sondern auch nach seinem Amtsantritt, auch in diesem Hause, energisch zurückgewiesen hat. Gerade die Finanzverwaltung ist ein Kennzeichen eigener Staatlichkeit und darum von den deutschen Ländern nicht mehr wegzudenken. Die Bundesfinanzverwaltung, obligatorisch oder fakultativ, wäre der erste Schritt zum Einheitsstaat.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Selbstverständlich! — Wir bekennen uns auch mit Entschiedenheit zum Entwurf des Bundesfinanzministers Schäffer auf dem Gebiet der Bundesnotenbank und wünschen sein zweistufiges System, das die Landeszentralbanken beibehält, schon deshalb, weil es nicht in den Möglichkeiten des Bundes liegt, Landesbehörden aufzuheben. Wir melden unsere Wünsche an für die Neuverteilung der Steuern nach Art. 107 des Grundgesetzes, die in diesem Bundestag verfassungsmäßig vorgenommen werden muß. Die Verteilung muß so geschehen, daß weder der Bund von Gnaden der Länder lebt noch die Länder von Gnaden des Bundes.
    Unsere entscheidendsten Forderungen aber haben wir immer wieder auf dem Gebiet der Kulturpolitik anzumelden. Ein Bundeskultusministerium ist verfassungsmäßig nicht möglich und würde auch in Ansätzen von uns bekämpft werden; denn gerade die kulturelle Differenzierung des deutschen Volkes macht hier Gesetzgebung und Verwaltung einzig bei den Ländern notwendig. Wir möchten auch hoffen, daß nicht unter dem Schlagwort „repräsentativ", „gesamtdeutsch" oder „überregional" hier Aufgaben an den Bund gezogen werden, die nicht dem Bunde gehören; denn kulturelle Aufgaben des Bundes sind einzig auf dem Gebiet der Außenpolitik denkbar. Soweit aber gemeinsame Aufgaben auf dem Gebiet der Kultur gelöst werden müssen, weil eine gewisse Übereinstimmung des Bildungswesens, die uns die Besatzungsmächte zerschlagen haben, notwendig sein wird, ist hier der Weg der Vereinbarung zwischen den deutschen Ländern allein notwendig und richtig. Man sollte auch nicht auf dem Umwege über Dotationen eine Zuständigkeit des Bundes begründen. Es kann nicht zu den Aufgaben eines Bundesministeriums gehören, Kindergärten einzurichten oder ähnliche Dinge, die man da und dort plant. Außerdem glauben wir, daß Landesbehörden auf Grund ihrer größeren Nähe eine Verschleuderung oder eine unzweckmäßige Investition kultureller Gelder am besten verhindern können.
    Meine Damen und Herren, dem Bund obliegt zweifellos die Förderung der wissenschaftlichen


    (Dr. Jaeger)

    Forschung, womit eine finanzielle Unterstützung der deutschen Wissenschaft gemeint ist. Aber wir müssen darauf drängen, daß hiermit nicht eine organisatorische Trennung von Lehre und Forschung vorgenommen wird; denn dies wäre nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern würde das Ende der Universität in ihrer abendländischen Ausprägung bedeuten. Auch hier muß der Bund in der Art und Weise seiner Unterstützung der deutschen Wissenschaft die föderative Ordnung des Grundgesetzes berücksichtigen.
    In gleicher Weise gilt dies auf einem Gebiet, das den letzten Bundestag schor{ beschäftigt hat und den nächsten noch beschäftigen wird, beim Bundesrundfunkgesetz, zu dem wir unsere Forderungen schon im letzten Bundestag angemeldet haben. Dagegen sollte der Bund seine Zuständigkeiten dort ausnützen, wo sie vorhanden sind, insonderheit auf dem Gebiete des Familienrechts, wo die Unsicherheit der letzten Monate endlich ihr Ende finden muß.
    Meine Damen und Herren, man kann das Grundgesetz nicht nur dadurch ändern, daß man es farmell durch Beschluß dieses Hauses ändert; man kann auch durch eine sehr weitherzige Verfassungsinterpretation ihm in der Praxis einen anderen Sinn geben. Und das darf nicht sein! Denn eine ungeschriebene Bundeskompetenz, eine Kompetenz des Sachzusammenhangs, wie sie allenfalls in der Weimarer Verfassung, die ja weiß Gott nicht föderalistisch war, möglich gewesen sein soll, ist heute undenkbar, nachdem Art. 30 des Grundgesetzes jede Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Ausnahme stempelt und da man Ausnahmebestimmungen eng auslegen muß.