Rede von
Werner
Jacobi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Opposition sind seit gestern mittag hier wiederholt Bemerkungen zuteil geworden, die von der Regierungsmehrheit als eine Art Lob ausgesprochen wurden. Es wurde die Auffassung vertreten, es deute sich so etwas wie ein neuer Kurs an, mindestens zeige sich der Wille zu einer Bereitschaft, hier in diesem Hause sachlich mitzuarbeiten. Nun, ich will das Kompliment zurückgeben. Wir haben heute erlebt, daß ein Minister des Bundeskabinetts, der zitiert worden ist, eine Presseerklärung nicht dementierte, sondern zu ihr stand, ihr allerdings eine etwas andere Lesart gab, als wir sie kennen. In der Presseveröffentlichung war kein Wort davon zu lesen, daß es sein Bestreben sei oder daß er eine ausdrückliche Bemerkung nach der Richtung gemacht habe, mehr Wohnungen zu bauen. Die Presseverlautbarung, die wir lasen, und das, was vom Wohnungsbauministerium über eine Äußerung des Herrn Ministers vor seinen neuen Mitarbeitern bekanntgegeben wurde, ließ in keiner Weise eine konkrete Aussage erkennen. Wir haben es aber auf dem Gebiete des Wohnungsbaues nun einmal mit außerordentlich konkreten Dingen zu tun.
Das war auch der Anlaß, warum Herr Kollege Ollenhauer an den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers Kritik geübt und erklärt hat, daß die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers von unserem Standpunkt aus gesehen nicht genügend konkret waren. Wir haben feststellen müssen, daß der Terminus „Sozialer Wohnungsbau" in den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers an keiner Stelle erwähnt wurde. Das ist der Grund unserer Sorge gewesen, der wir gestern Ausdruck gaben.
Der Herr Wohnungsbauminister hat nun heute eine Reihe von konkreten Andeutungen gemacht. Wir sind ihm dankbar dafür, daß er seine Bereitschaft erklärt hat, den Wohnungsbau als eine absolut nüchterne Aufgabe anzusehen. Auch wir bemerken — und das hat mein Freund Ollenhauer gestern sehr klar und deutlich bereits zu verstehen gegeben —, daß sich die Aufgaben des Wohnungsbaues jeder gleichwie gearteten doktrinären Betrachtung und Behandlung entziehen. Der Wohnungsbau, Herr Minister Dr. Preusker, ist in der Tat — wenn wir von dem Streit um die Novelle zu Ende des letzten Bundestages absehen — hier immer eine gemeinsame Sache gewesen und ist in pfleglichem Bemühen aller Beteiligten als eine Gemeinschaftsaufgabe angepackt und gelöst worden.
Diese Bereitschaft, auf einer sachlichen Grundlage mit der Regierung und mit den Regierungsparteien zusammenzuarbeiten, ist in keiner Weise fragwürdig geworden. Nur müssen Sie, Herr Minister, verstehen, daß bei dem Wirbel, der in den öffentlichen Diskussionen der letzten Wochen und. Monate eingetreten ist und den wir immer wieder beobachten müssen, nicht nur im Schrifttum, sondern manchmal auch in voreiligen Äußerungen einzelner, gelegentlich auch von Interessengruppen, bei uns eine gewisse Sorge besteht. Wir müssen Gewißheit darüber erbitten, daß das Bundeswohnungsbauministerium auch unter seiner neuen Leitung bereit und fähig ist, die ihm gestellten Aufgaben als Gemeinschaftsaufgaben anzusehen und sich vor niemandes Karren spannen zu lassen, gleich, wer Interessent ist.
Sie wollen aber, Herr Minister, auch zur Kenntnis nehmen, daß es nicht gut ist, sich auf diesem Gebiet auch nur einen Augenblick eines Schlagwort-Repertoires zu bedienen.
Das tut zu nichts gut. Das führt zu keiner praktischen Arbeit und keinen praktischen Ergebnissen, sondern das verärgert, das verursacht lediglich Mißstimmungen und Zweideutigkeiten, mit denen wir es hinterher zu tun haben
und die manchmal nur schwer zu klären sind. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß auch Sie über die Einsicht verfügen, daß die schwierige, die differenzierte Problematik des Wohnungsbaues, auch wenn Ihnen eine andere Förderung vorschwebt, als sie bisher, aus der Not geboren, möglich war, nur in Etappen bewältigt werden kann. Wir sind bereit, über diese Frage mit Ihnen, mit den Regierungsparteien und mit der Regierung von Fall zu Fall sachlich zu diskutieren, und Sie dürfen bei uns niemals unterstellen, daß wir eine dogmatische oder doktrinäre Auffassung zu diesen allein praktisch zu lösenden Fragen hätten. Wir kennen die Schwierigkeit. Wir wissen aber, daß voreilige
Äußerungen, Herr Minister, leicht zu einer Stimmung führen können, die hinterher Schwierigkeiten neuer Art auslöst.
Wir sollten hier also nicht so eilig mit Worten sein.
Wenn Sie sich gewundert haben, so ist für uns wiederum Anlaß, kritisch zu bemerken, das wäre nicht notwendig gewesen. Sie haben davon gesprochen, daß die Opposition gestern erstaunliche Offenbarungen kundgetan habe. Nun wird — das haben wir inzwischen ja mindestens indirekt zur Kenntnis nehmen können — an kein Informationsministerium mehr gedacht. Aber vielleicht empfiehlt es sich, Herr Bundeskanzler, für die Abstimmung und Unterrichtung Ihrer Minister ein Informations büro einzusetzen.
Das könnte dann den Ministern gelegentlich sachkundig Auskunft auch über Entwicklungen in den Parteien und nicht zuletzt in der Opposition geben. Sie hätten nur in unserem Aktionsprogramm und in unzähligen Veröffentlichungen, die Ihnen schon seit einem Jahre zur Verfügung gestanden hätten, zu lesen brauchen, um nicht so erstaunt gewesen sein zu müssen, wie das offenbar gestern bei Ihnen und bei Ihren Freunden, überhaupt bei den Regierungsparteien der Fall war. Unser Bekenntnis zum Eigentum ist nicht neuen Datums. Was wir über die Förderungswürdigkeit eines verantwortungsbewußten Unternehmertums gesagt haben, ist auch nichts Neues; was zum Wettbewerb gesagt worden ist, ist nicht jüngsten Datums. Sie wollen nur die Freundlichkeit haben, auch uns gelegentlich wieder einmal sachlich zu beurteilen und auch Ihrerseits aus der Atmosphäre des Wahlkampfes herauszukommen, der nicht geeignet ist, immer und immer wieder Grundlage der Bewertung Dritter und anderer Parteien zu sein.
Wenn wir uns hier einig sind und wenn wir hier bereit sind, sachlich eine so schwierige, aber eine so dankenswerte Aufgabe wie die der aktiven Weiterbetreibung des Wohnungsbaues anzupacken, dann sollte in der Tat in diesem Hause ein Geist sachlicher gegenseitiger Unterrichtung und gemeinschaftlicher Arbeit auf vielen Gebieten wirksam sein, ohne daß man Grundsätze aufzugeben braucht.
Ein allerletztes Wort, Herr Minister. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß Sie im Augenblick noch über eine erhebliche Spurweite verfügen, daß Sie sich sogar wirtschaftspolitischen Grundsatzbetrachtungen hingeben können. Wir möchten Sie bitten, in Zukunft Ihre ganze Energie auf die spezielle Aufgabe des Wohnungsbaues zu lenken.
Und im übrigen, wenn Sie sich gelegentlich einmal temperamentvoll äußern: einen Rat, der gut gemeint ist und der sich auf Ihr Sachgebiet und auf dieses allein bezieht: Erregen Sie sich nicht; regen Sie sich!