Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Beim wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht handelt es sich um eine ganz andere Problemstellung, Herr Kollege Schmid; denn da geht es darum, zu entscheiden, ob in den Betrieb nun, sagen wir, ein Fließband eingeführt oder ob ein anderer Betriebszweig angegliedert werden soll. Das soll der Sachunkundige mitbestimmen, der Sachunkundige, der gar nicht die Erfahrung haben kann und der vor allem nicht durch eines geleitet wird, durch die Verantwortung? Wenn der wirtschaftlich Entscheidende selbst Unternehmer ist, nun, dann geht es um sein Hab und Gut, und wenn er Manager ist, so geht es um seine Position.
Das Handeln aus Verantwortung zwingt zur besten wirtschaftlichen Leistung. Wer glaubt, man könne Mitbestimmung mit Unternehmerwirtschaft, mit Marktwirtschaft vereinbaren, hat die Dinge nicht durchdacht.
Ich möchte hoffen, Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben sich von dem Ziel der Vollbeschäftigung distanziert. Denn wer Vollbeschäftigung vom Staate her will, der will natürlich die Leitung der Wirtschaft zentral vom Staate her,
mit der zwangsläufigen Folge des Einsatzes öffentlicher Mittel, Herr Kollege Baur, des Einsatzes von Steuermitteln, um die Vollbeschäftigung durchzuführen.
Es ist auch sehr interessant, wenn Herr Kollege Ollenhauer von einer bewußten Investitionspolitik für die Grundstoffindustrie spricht. Was heißt denn das? Wem ist denn die Richtigkeit der Investitionspolitik bei der Grundstoffindustrie „bewußt"? Wem denn? Doch nicht den Verantwortlichen, sondern Unverantwortlichen, Bürokraten, Verwaltungsstellen.
Woher beziehen sie denn ihre Weisheit?
Mein Herr Kollege Ollenhauer, nun, wir diskutieren hoffentlich weiter, und ich freue mich durchaus, daß Sie die Disskussion begonnen haben. Sie sind noch kein Paulus,
aber Sie sind auf dem besten Wege dazu.
Ich glaube, gerade diese Aussprache kann uns mit der Hoffnung erfüllen — nun, daß dieser Bundestag gut werden kann!
Ich meine gerade das Gegenteil von dem, was Herr Kollege Ollenhauer gefordert hat. Wir müssen die zwangswirtschaftlichen Reste, die wir noch haben, abbauen, diese Reste der staatlich gelenkten Wirtschaft auf dem Gebiete des Außenhandels, der Devisenwirtschaft, des Kapitalmarktes, der Wohnungszwangswirtschaft. Ich werde ein Wort im einzelnen dazu sagen: für mich sind diese Reste ein Scandalum nicht nur gegen die wirtschaftliche Vernunft, sondern vor allem gegen das Recht.
Kapitalmarkt! Wir wissen doch, daß unsere Zinspolitik grundsätzlich falsch war, daß sie uns gehindert hat, den Wertpapiermarkt aufzubauen und zu einer gesunden Kreditpolitik zu kommen. Der typische Fehlschluß, zu glauben, dadurch, daß man einen Zwangspreis, einen Zwangszins bestimme, könne man regulieren. Man hat gerade dadurch die Gesundung der Wirtschaft verhindert. Denn der Kredit ist doch das Blut des Wirtschaftskörpers, und dadurch, daß man die Wirkungen des Zinses als des Anzeichens, des Barometers für den richtigen Lauf, für das richtige Verhalten ausgeschaltet hat, hat man der ganzen Wirtschaft geschadet. Gerade die Investitionen durch die öffentliche Hand sind ein grotesker Verstoß gegen die marktwirtschaftlichen Grundsätze.
Wohnungsmarkt! Ja, wer glaubt wirklich noch, unsere Wohnungswirtschaft sei sozial! Mein Freund Preusker hat völlig recht. Es gibt doch nur eines: dieses Ministerium beseitigen dadurch, daß man den Wohnungsmarkt und den Wohnungsbau gesundet, nämlich mit marktwirtschaftlichen Gesetzen erfüllt. Wie kann man eine Wohnungszwangswirtschaft als sozial bezeichnen, wenn man den Hausbesitzer unter ein Ausnahmerecht stellt? Es ist auch eine Fiktion, der Hausbesitzer sei gewissermaßen ein reicher Mann. Der Hausbesitz ist zum größten Teil in der Hand kleiner Leute. Ihnen nimmt man ihr Recht. Wem nützt denn das? — Mein Freund Preusker wird, wenn er zu Worte kommt, Klügeres sagen können als ich. Er wird sagen können, daß die Dinge natürlich systematisch entwickelt werden müssen. Das Ziel ist klar. Wohnungsnot wird erst beseitigt, wenn die Ware Wohnung ihren gerechten Preis hat.
Daß soziale Härten vermieden werden müssen, ist klar.
Aber auch hier ist die Politik, das politische Handeln eine Sache des Mutes.
Aktive Konjunkturpolitik! Auch hier könnte ich auf Äußerungen des Herrn Kollegen Ollenhauer eingehen. Auch sie gibt es nur mit marktgerechten Mitteln. Sie ist notwendig. Wir wollen doch kein plumpes Laissez-aller, Laissez-passer; wenngleich wir immer der Meinung sind, daß im Zweifel der Eingriff des Staates in die Wirtschaft mehr schadet als nützt. Die wesentliche Aufgabe, die man stellen muß, ist, daß die Wirtschaft in die Lage versetzt wird, Reserven zu bilden. Nicht der Wirtschaft wegen, sondern der Arbeiter wegen, damit sie, wenn Rückschläge, wenn Krisen kommen, durchgehalten werden können.
Ich gehe mit dem Herrn Kollegen Ollenhauer wiederum einig, wenn er verlangt, daß eine echte Wettbewerbsordnung geschaffen wird — auch eine gute Erkenntnis des Wesens der Marktwirtschaft! —; denn sie ist die Grundlage der Wirtschaft. Der Entwurf des Gesetzes gegen die Wettbewerbsbeschränkungen ist von dem Kollegen Erhard und mir ausgearbeitet worden. Ich halte ihn für richtig. Die Wirtschaft muß wissen, daß es keine Pfründen in der Wirtschaft gibt, sondern nur den Erfolg ehrlicher Leistung für den Verbraucher. Ich bin der Meinung, das Kartellgesetz muß möglichst rasch behandelt werden. Es muß ergänzt werden durch eine Erweiterung und Verfeinerung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, durch eine Berufsordnung für den Handel und durch ein Gesetz zur regelung der Konsumgenossenschaften.
Staatskapitalismus! Sehr schön, Herr Ollenhauer; wir liegen uns fast in den Armen!
Ich bin seiner Meinung. Das heißt, im Eigentlichen nicht. Sie sind ja im Ergebnis anderer Meinung, Verzeihung, es stimmt also nicht. Ich halte den Staatskapitalismus für ein Unglück, und ich hätte gern ,aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gehört, daß diese Wirtschaft der öffentlichen Hand, die in den letzten Jahren entstanden ist, verurteilt wird und daß sie korrigiert werden muß. Die Betätigung des öffentlichen Eigentums in der werbenden Wirtschaft steht in unlösbarem Widerspruch mit den Grundsätzen der freien Wirtschaft. Es ist ein gefährlicher Weg, wenn der Staat mit Steuermitteln Wirtschaft treibt und gegen die Steuerzahler konkurriert.
Unser besonders kluger Herr Kollege Dr. Dresbach hat das schon vor Jahren sehr interessant und sehr überzeugend in seinem Artikel „Bundesschatzministerium" dargelegt. Jedes Wort kann man unterstreichen. Ich möchte fast meinen, hier könnte man einem unserer Minister für Sonderaufgaben eine besondere Aufgabe zuweisen.
Aber der Glaube, Herr Kollege Ollenhauer, man
könne durch idas Wirken der öffentlichen Hand in
der Wirtschaft das wirtschaftliche Leben befruchten
und günstig beeinflussen, ist eine Illusion, die Ihnen noch aus Ihrer sozialistischen Vergangenheit übriggeblieben ist.
Verkehr! — Herr Präsident, habe ich noch genügend Redezeit?