Wenn ich das gewußt hätte! Welch gute Gedanken habe ich schon unter den Tisch fallenlassen!
Ich glaube, auch der Vorwurf des Herrn Kollegen Ollenhauer, wir hätten für den Verkehr nichts getan, ist nicht berechtigt. Es ist viel getan worden,
auch für die Straßen ist viel getan worden, natürlich angesichts der unglaublichen Beschädigung und angesichts der Not mancher Länder, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen konnten, nicht genug. Wir sind der Meinung, daß die Probleme des Verkehrs sorgfältigste Beachtung verdienen; wir lehnen aber alle Monopole und alle sozialistischen Bestrebungen auch auf dem Gebiete des Verkehrs ab. Vielmehr müssen private und staatliche Verkehrsträger die gleichen Rechte haben. Organisatorisch hat der erste Bundestag durch seine Gesetzgebung, durch das Bundesbahngesetz, durch das Güterkraftverkehrsgesetz, schon die richtige Ausgangsstellung geschaffen. Es gilt nun, zu einer Ordnung der Beziehungen zwischen den Verkehrsträgern zu kommen. Diese Ordnung muß wirtschaftlich bestimmt sein. Darum halte ich es für notwendig, daß die Bundesregierung die Verkehrsträger veranlaßt, sich zunächst einmal zusammenzusetzen und zu einer Verständigung zu kommen. Das kann man von ihnen verlangen. Erst wenn diese Versuche mißglücken, kann man den Gesetzgeber angehen.
Mit Recht hat Herr Kollege Ollenhauer auf die Bedeutung der Bundesbahn hingewiesen. Sie ist ja nicht nur ein Sondervermögen des Bundes, sondern die größte Auftraggeberin der deutschen Wirtschaft. Sie droht in die Gefahr zu kommen, Kostgängerin des Bundes zu werden. Die Bundesbahn muß ihr Bemühen, durch eigene Maßnahmen, wie Rationalisierung, ihre Wirtschaftlichkeit herzustellen, fortsetzen. Aber die Übergangsschwierigkeiten, in denen sie durch besondere Verhältnisse, durch die Kriegsfolgen steht, rechtfertigen den Wunsch, daß sie in die Lage versetzt wird, ihre Anlagen und Fahrzeuge in gutem Zustande zu erhalten und nach den Bedürfnissen des Verkehrs und dem Stande der Technik zu erneuern.
Ein kurzes Wort zur Landwirtschaft. Die Landwirtschaft hat in den letzten fünf Jahren Erstaunliches geleistet; sie hat ebenso wie die industrielle Wirtschaft ihre Produktion mehr als verdoppelt. Trotz des Rückschlages der beiden Weltkriege, trotz der ungünstigen Verhältnisse in der Struktur, trotz der klimatischen Hemmungen, trotz der fehlenden Bodengüte steht die deutsche Landwirtschaft mit ihrer Leistung in der fortschrittlichen europäischen Landwirtschaft an vierter Stelle. Aber diese Leistung ist durch eine Verschuldung erreicht, die mehr als 5 Milliarden DM ausmacht.
Die Ziele, die wir uns hier setzen, sind klar. Die landwirtschaftliche Rentabilität muß weiterhin gefördert werden. Die Preisschere muß durch gleiche Bewertung der landwirtschaftlichen Arbeit und der gewerblichen, der industriellen Arbeit geschlossen werden. Das Ziel der Parität von Löhnen und Preisen mit denen anderer Wirtschaftsgruppen muß durch wirtschaftliche Maßnahmen — nicht durch planwirtschaftliche Maßnahmen — erstrebt werden. In der Landwirtschaft muß das preisgebundene Denken beseitigt werden. Es läßt sich, glaube ich, erreichen, daß die landwirtschaftlichen Bedarfsgüter verbilligt werden. Meine Partei steht zu dem, was der Herr Bundeskanzler in seiner bekannten Zusammenkunft mit den Spitzen der deutschen Landwirtschaft in Rhöndorf am 17. Februar 1951 erklärt hat. Wir sind der Überzeugung, daß es möglich ist, seine Versprechungen einzulösen. Wir unterstützen daher alle Maßnahmen, welche geeignet sind, besonders die Leistungsfähigkeit der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe zu steigern. Wir wünschen eine großzügige Agrarpolitik mit dem Ziele der Vermehrung und auch der Verbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
Die Flurbereinigung darf nicht erst in einem Menschenalter durchgeführt werden. Wir müssen uns das Ziel setzen, sie in einem kürzeren Zeitraum, in fünf bis acht Jahren Wirklichkeit werden zu lassen und sie mit der Sicherung gegen weitere Realteilung des Grundbesitzes zu verbinden. Wir erwägen die Errichtung von Landkauffonds, aus denen besonders Kleinbauern gespeist werden können, die doch überwiegend aus Berufung und aus Neigung Bauern sind. Diese sollte man in den Stand setzen, ihre Betriebe aufzustocken und von den technischen Möglichkeiten unserer Zeit Gebrauch zu machen.
Wir wollen einen besonderen Schutz gerade den kleinen und mittleren Betrieben — es sind ja in Deutschland über eineinhalb Millionen — zuwenden. Dazu gehören die Obst-, die Gemüse-, die Garten- und die Weinbauern. In ihnen steckt ein wertvoller Teil unserer Volkssubstanz. Man muß auch einmal die Leistungen dieser Leute anerkennen, die es durch einen Arbeitseinsatz, der stärker ist als der jeder anderen Berufsgruppe, erreichen, daß sie ihre Produkte zu den gleichen Preisen wie Großbetriebe auf den Markt bringen und dadurch mitwirken, daß die Lebensmittelpreise für unser Volk erträglich sind. Das geschieht fast durch einen Raubbau an der Arbeitskraft des Bauern und seiner Familienangehörigen, nicht zuletzt der Bauersfrau.
Wir schlagen ein Bundessiedlungsgesetz mit einer positiven Agrarreform an Stelle der so unheilvoll ausgeschlagenen negativen sogenannten Bodenreform vor. Wir schlagen die Reorganisation der Einfuhr- und Vorratsstellen mit dem Ziele vor, ausgeglichene Preise und ausgeglichene Versorgungsverhältnisse zu erzielen. Wir übernehmen auch das von dem Herrn Bundeskanzler aufgestellte Ziel des gemeinschaftlichen europäischen Marktes für die Landwirtschaft und teilen nicht die Bedenken, die Herr Kollege Ollenhauer erhoben hat. Notwendig ist nur, daß die Startbedingungen fair sind. Das ist eine 'schwierige Frage. Das Klima kann man nicht ändern; aber man kann verhin-
dern, daß ein Dumping in den öffentlichen Lasten, die auf der deutschen Landwirtschaft liegen, besteht.
Die Finanzfrage. Wir stimmen dem Herrn Bundeskanzler in den Zielen der Währungssicherung und des Haushaltsausgleichs zu. Es genügt aber nach unserer Meinung nicht, lediglich die bisherige Steuer- und Finanzpolitik „fortzuführen". Wir müssen uns viel entschlossener von den konfiskatorischen Steuergesetzen des Kontrollrats weiter wegentwickeln. Auch Finanzen und Steuern müssen von den Gesetzen der Wirtschaft, der Marktwirtschaft beherrscht werden. Die Eigentumsbildung muß für alle steuerlich erleichtert werden, und echte Leistung muß steuerlich begünstigt werden. Der Steuerdruck ist immer noch unwirtschaftlich hoch, insbesondere bei der Einkommen- und bei der Körperschaftsteuer. Die Sätze der Körperschaftsteuer sind bei der sogenannten kleinen Steuerreform ja nicht geändert worden.
Die Steuerreform sollte durchgeführt werden, auch bevor eine neue Verteilung der Steuern auf Bund und Länder durchführbar ist.
Wir müssen die große Steuerreform anstreben und versuchen, ein einfaches und übersichtliches Steuersystem zu schaffen. Wir müssen die Doppelbesteuerung für die Kapitalerträge, die wirtschaftsfeindlich ist, beseitigen und müssen überhaupt aufhören, Steuern, die eigentumsfeindlich wirken, zu erheben. Wir sind auch der Meinung, daß die Umsatzsteuer, insbesondere im Hinblick auf die außenpolitischen Notwendigkeiten, die sich aus GATT und Montan-Union ergeben, grundlegend gewandelt werden muß. Das sind schwierige Fragen. Wir wissen, daß ein Abbau der Steuern nur möglich ist, wenn ein Abbau der Aufgaben des Staates und damit ein Abbau des aufwendigen Staatsapparats möglich ist.
Die Sozialpolitik. Ich bin mit Herrn Kollegen Ollenhauer über die Bedeutung des sozialen Wirkens durchaus einig. Hauptziel der richtigen Wirtschaftspolitik ist die Sozialpolitik. Vor allem ist es notwendig, den richtigen Menschen an den richtigen Arbeitsplatz zu bringen und die Bedürfnisse des einzelnen zum Vorteil der Gesamtwirtschaft zu befriedigen.
Es ist sehr schön, daß Herr Kollege Ollenhauer das Gespenst der ständig zunehmenden Arbeitslosigkeit nicht mehr an die Wand zu malen brauchte. Wenn ich an die erste Stellungnahme der Sozialdemokratie zur Regierungserklärung und viele folgende Erklärungen denke, — nun, das war ja die Fuchtel, die man über der Bundesregierung schwang. Die Arbeitslosigkeit ist kein Schreckgespenst mehr; praktisch herrscht Vollbeschäftigung. Echte Arbeitslosigkeit beschränkt sich auf durchschnittlich eine halbe Million; der Rest ist nicht mehr einsatzfähig oder gerade im Arbeitsplatzwechsel begriffen. Wenn wir an den Bedarf an Menschen in den kommenden Jahren denken, wenn wir an den deutschen Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft denken, dann wissen wir, daß wir vor einem Mangel an Arbeitskräften, insbesondere an Fachkräften, stehen. Wir müssen alles tun, um hier abzuhelfen, Lehrlingsstellen schaffen, ihre Ausbildung verbessern, die Qualität des Facharbeitertums heben. Wir müssen auch denken an die Gefahr, daß die Schlüsselkräfte des Arbeitsprozesses überaltert sind, daß ihre Leistungsfähigkeit durch die Überanstrengung der beiden Kriege beeinträchtigt ist. Verstärkte Berufsberatung ist ein Gebot, Verbesserung der Arbeitsbedingungen selbstverständliche Pflicht. Es darf den unsozialen Unternehmer nicht mehr geben, er muß der öffentlichen Diffamierung verfallen,
er wird auch Seltenheitswert bekommen. Ich glaube an die Möglichkeit gewaltiger Leistungen, gewaltiger Steigerung der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft auch in sozialer Hinsicht. Vielleicht mag es Ihnen in meinem Munde etwas kühn klingen, wenn ich sage: in absehbarer Zeit kann, wenn wir gut wirtschaften, die 40-Stunden-Woche Tatsache sein.
— Ich hatte auf Ihren frenetischen Beifall gehofft.
Aber ich erkenne langsam, Wahrheiten werden hier nur anerkannt, wenn sie aus dem eigenen Gemüte erwachsen.
— Sie waren immer liebenswürdig. Ich habe mich in Ihrer Huld gesonnt
— doch, doch, meistens —, ich habe auf eine tief gegründete Freundschaft gepocht, wofür der Herr Bundeskanzler kein Verständnis hat.
Ich wollte noch einmal sagen: Die echte soziale Leistung liegt in der Ausweitung und Vertiefung der richtigen Wirtschaftsordnung, die zu schaffen wir begonnen haben. Nur aus den Überschüssen des Volkseinkommens sind soziale Leistungen möglich, eben nur durch die erhöhte Produktion. Sie zu steigern, das ist nicht nur wirtschaftspolitische, sondern auch sozialpolitische Forderung. Ich darf auf unsere Ziele — sie sind Ihnen bekannt — verweisen: Kapital und Eigentum auf breiter Basis zu verteilen, Besitz für alle zu schaffen. Das Ziel der Partnerschaft in den Betrieben, des Miteigentums der Arbeiter an den Betrieben ist durchaus fruchtbar, es soll gefördert werden.
Über die Ideen des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts oder der sogenannten Wirtschaftsdemokratie habe ich mich schon geäußert. Ich halte sie für wirtschaftswidrig. Wir sind der Meinung, daß die nicht auf restlos korrekte Art zustande gekommene Regelung des Mitbestimmungsrechts in den Grundstoffindustrien auf dem Gebiet von Kohle -und Eisen den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes angepaßt werden muß. Ich stimme nicht mit dem überein, was Herr Kollege Dr. von Brentano über das überbetriebliche
Mitbestimmungsrecht, über die Frage des Bundeswirtschaftsrats gesagt hat, wenn er meint, hier könnte man alle Schichten, alle Stände, Herr Kollege Schmid, des Volkes zusammenfassen und zu wirtschaftspolitischen Erkenntnissen führen und hier in diesem Hause könnte sich dann die Aussprache erübrigen. Schon diese Vorstellung: Sie sollen entscheiden, und andere sollen gedacht haben, — schon diese Erwägung beweist die Unmöglichkeit. Der vorläufige Reichswirtschaftsrat hat versagt, und auch der Gedanke eines Bundeswirtschaftsrats wird eine Fehlleistung sein.
Man wird debattieren, und wer debattiert, ohne die Fähigkeit zur Entscheidung zu haben, der tut sich leicht; denn er trägt keine Verantwortung. Die Verantwortung der Entscheidung kann man und soll man dem Parlament nicht abnehmen.
Die soziale Lage des Mittelstandes ist uns eine große Sorge. Ich halte für charakteristisch für den Mittelstand eine bestimmte Lebenshaltung, die auf Selbstverantwortung, auf Eigenständigkeit und auf Eigentum gerichtet ist. Dieser Mittelständler ist der beste Typus unseres Volkes, ist der eigentliche Garant der Demokratie. Der Arbeiter, der seinen Sohn in die Lehre schickt, der kleine Beamte, der seinen Sohn auf die hohe Schule schickt, beweist eine bessere Haltung als der Mittelständler, dessen Lebensziel und -wunsch sich in einem Luxusauto erschöpft.
Die Lage der freien Berufe, die Lage der geistigen Berufe ist schwierig; sie zu bessern, selbstverständliche Pflicht. Herr Kollege Dr. von Brentano hat Zutreffendes darüber gesagt.
Es wäre merkwürdig, wenn ich über soziale Fragen redete und nicht etwas zu den Renten sagte.
Meine Damen und Herren, es gibt eine sehr primitive Auffassung von der Reform der Sozialpolitik und damit auch von der Reform des Rentenwesens, die ungefähr so aussieht: Man nehme dem einbeinigen Leierkastenmann die Drehorgel weg und fülle seine Mütze statt mit Almosen am nächsten Postschalter mit Silbermünzen. — Eine antiquierte, eine gefährliche Vorstellung! Die Drehorgel muß durch ein Produktionsmittel, durch ein Werkzeug ersetzt werden, das dem Geschädigten nicht nur die Existenz sichert, sondern ihm auch das Gefühl wiedergibt, daß er ein wirkender, daß er ein freier, daß er ein auf eigene Verantwortung gestellter Mensch ist.
Was vor allem not tut, ist der Auftrag zur beruflichen Umschulung in viel stärkerem Maße, als das bisher geschehen ist. Die nicht zu entbehrenden Renten sollen eine ausreichende Höhe haben. Unnötige Rentenzahlungen — natürlich nicht die Ansprüche der staatlichen Rentenversicherung — sollten wegfallen, und die dadurch eingesparten Beträge sollten dem echten Rentner, dem bedürftigen Rentner als ausreichender Lebensunterhalt zukommen. Das Bedürfnis nach der Daseinssicherung — wir wollen es nicht ironisieren —, die durch die staatliche Sozialversicherung erstrebt wird, ist ebenso berechtigt wie das Bedürfnis des anderen Personenkreises, der sich durch Versicherung
und Kapitalansammlungsverträge gegen Lebensschicksalsschläge zu sichern versucht. Jeder, dem die eigene Gestaltung seines Schicksals zuzumuten ist, soll auch tatsächlich sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und nicht die Gemeinschaft in Anspruch nehmen. Wir werden deshalb jeder Erhöhung der Versicherungspflichtgrenzen widersprechen.
Vielleicht darf ich unsere sozialen Ziele, unsere konkreten sozialen Ziele, noch in Schlagworten aufführen: klare Trennung zwischen Versicherung und Fürsorge, Vielgestaltigkeit unserer Versicherungsträger in der Sozialversicherung, Anwartschaftsdeckung in der Rentenversicherung, die Anrechnungsfreigrenzen bei Erwerbstätigkeit der Kriegsopfer und der Sozialrentner erhöhen, Altsparerentschädigung bessern, die Gläubiger von Anleihen aus öffentlicher Hand in gewissem Umfang entschädigen. Dazu gehört auch der Vollzug des Heimkehrerentschädigungsgesetzes, das noch der Promulgation durch das Kabinett bedarf. In gleicher Linie liegt der Schutz der alten Angestellten. Ich darf vielleicht von dieser Stelle aus einen Appell an die Wirtschaft, besonders an die großen Betriebe, richten, hier in der Sicherung der alten Angestellten eine eigene echte soziale Verpflichtung zu sehen.
Meine Damen und Herren, ich darf abschließen. Wir Freien Demokraten, wir sind hochmütige Leute.
Wir sind selbstbewußt. Daran können die Wahlergebnisse und können die Wahlrechte — mögen sie gestaltet werden, wie sie wollen — nichts ändern. Wir wissen: es gibt nur unseren , den liberalen Staat, es gibt nur unser, das liberale Recht, es gibt nur unsere, die liberale Wirtschaft, und nur in unserem, im liberalen Geiste wird sich Europa und wird sich die Welt ordnen lassen. In dieser Haltung nehmen wir teil an der Arbeit der Bundesregierung, die unser Vertrauen besitzt.