Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zum Bundeshaushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit eine Reihe von Änderungsanträgen ge-
stellt, die ich kurz begründen möchte. Zuerst verlangen wir die Streichung des Gehalts des Herrn Bundesarbeitsministers und seines Staatssekretärs. Wir stützen uns bei diesem Verlangen auf die in den letzten vier Jahren von seiten des Herrn Bundesarbeitsministers betriebene Politik, seine Ausarbeitung von Gesetzen — beispielsweise das Gesetz über die Aufsichtsräte, das Arbeitsgerichtsgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz —, Selbstverwaltungsgesetze, die besonders charakteristisch für den politischen Kurs sind, den der Herr Bundesarbeitsminister in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat.
Zu Kap. 1111 Tit. 300, Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, verlangen wir eine Erhöhung der Mittel, und zwar dergestalt, daß eine wirklich praktische Hilfe für die Bezieher der Arbeitslosenfürsorgeunterstützungen in Erscheinung tritt. Sie haben in den letzten Tagen erneut darüber diskutiert, daß die Mittel der Arbeitslosenversicherung für das kommende Jahr in Höhe von 185 Millionen DM in Form von Bundesschuldverschreibungen abgegolten werden sollen. Wir lehnen bei dieser Position die Verwendung von Bundesschuldverschreibungen selbstverständlich ab und verlangen dafür Barzahlung.
Wir sind weiter der Meinung, daß die alten gewerkschaftlichen Forderungen berücksichtigt werden sollten, nach denen ein Mittel von 50 % des zuletzt verdienten Lohnes eingesetzt werden soll. Ich darf daran erinnern, daß wir es waren, die bereits vor langer Zeit in diesem Hause eine Erhöhung der Arbeitslosenunterstützungssätze und der Sätze der Arbeitslosenfürsorge um 30% verlangt haben. Wenn wir einige nackte Zahlen nehmen, so müssen wir feststellen, daß im Jahre 1952 443 399 Arbeitslosenunterstützungsempfänger vorhanden waren, dagegen waren 713 552 Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger vorhanden, insgesamt — ich stütze mich hier auf die statistischen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums — 1 156 951 Personen. Das Mittel der Unterstützungsauszahlung liegt gerade bei den letzten bei 108 DM im Monat, und ich glaube, daß niemand bestreiten wird, daß mit diesem Unterstützungssatz ein halbwegs normales Leben überhaupt nicht bestritten werden kann. Wir sind der Auffassung, daß auch hier die Mittel im Etat eingesetzt werden müssen, die notwendig sind, daß die Zahlungen in der Form, wie sich die Bundesregierung das denkt — nämlich in Bundesschuldverschreibungen —, zu unterbleiben haben und daß die Zahlungen in bar erfolgen müssen.
Dasselbe trifft auf Kap. 1113 Tit. 600 bis 601 zu, wo es sich um die Zuschüsse für die Grundbeträge zur Rentenversicherung der Arbeiter handelt.
Wir haben hier die Tatsache zu verzeichnen, daß ein Antrag vorlag, der eine Erhöhung der Unterstützungssätze um 15, 12 und 10 DM vorsah. Dann wurde ein Kompromißvorschlag gemacht, der 10, 5 und 4 DM vorsah, und herausgekommen ist dabei eine Erhöhung der wirklich erbärmlichen Unterstützungssätze um 5, 4 und 3 DM. Auch hier tritt in Erscheinung, daß die Bundesregierung 555 Millionen DM, also in diesem Jahre 185 Millionen DM in Form von Bundesschuldverschreibungen gibt und damit die Rentenversicherung außerordentlich stark belastet.
Wir sind der Meinung, daß nach den Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers auch in den nächsten Jahren eine Klarheit über die Etatgestaltung gar nicht zu erreichen sein wird. Der Antrag, der von Ihnen angenommen worden ist — nämlich die Geltung auch über dieses Jahr zu erstrecken —, wird in der praktischen Wirkung verpuffen, und Sie werden im nächsten Jahre genau dieselben Methoden anwenden wie gegenwärtig. Ich erinnere daran, daß der Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin die Erhöhung des Grundbetrags in der Rentenversicherung auf 600 DM verlangt hat und darüber hinaus die Erhöhung des Steigerungsbetrages für die Rentenversicherung auf 1,2 v. H. des Einkommens festlegen wollte.
Meine Damen und Herren, Sie haben Gelegenheit, in den kommenden Wochen einiges von Ihren Wahlversprechungen unter Beweis zu stellen. Wenn bereits jetzt in dem Wahlaufruf der CDU davon gesprochen wird, allein für Arbeitslosenfürsorge, Renten und Kriegsopferfürsorge würden im Jahre 17,8 Milliarden DM ausgegeben, so entspricht das nicht den Tatsachen, da die Dinge wesentlich anders liegen.
Wir sind der Meinung, daß auch in der Frage des Tit. 608 — dort trifft dasselbe zu — das Geld zum Ausbau einer wirklichen Hilfe für die Rentner und für die Körperbeschädigten sowie zu einer wirklichen Hilfe bei der Bekämpfung der Tuberkulose verwendet werden sollte und daß man den Bau von Kasernen dabei selbstverständlich zu unterlassen hat.
— Noch einen Satz! — Der Herr Bundesarbeitsminister hat in der vergangenen Zeit leider vergessen, die Sanierung der Sozialversicherung im Bundestag zur Diskussion zu stellen. Er wird, wenn diese Regierung bestehen bleiben sollte, über die Frage der Sanierung der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung auch im neuen Bundestag hinweggehen. Da wir der Ansicht sind, daß eine solche Politik vor dem deutschen Volke nicht verantwortet werden kann, sind wir nicht bereit, diesem Etat die Zustimmung zu geben.