Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß auch ich meinen Bericht recht kurz halten kann***). Der hohe Stand unserer Gesetzgebung auf dem Gebiet Verschleppte Personen und Flüchtlinge, Siebenter Teil des Überleitungsvertrags, macht uns die Annahme dieser Bestimmungen des Vertrages leicht. Es kommt noch hinzu, daß es der hohe Stand der Gesetzgebung auf diesem Gebiet ermöglicht hat, bei den Vertragsverhandlungen den Art. 3 einzufügen, wonach die Bundesrepublik das bisherige Gesetz Nr. 23 der Alliierten Hohen Kommission in Zukunft durch eigene Rechtsvorschriften zu ergänzen befugt wird.
Der Art. 1 befaßt sich mit der Rechtsstellung der heimatlosen Ausländer. Das deutsche Gesetz darüber entspricht allen Erwartungen, die man überhaupt nur haben kann, und deswegen hat man auch davon abgesehen, die ursprüngliche Forderung durchzudrücken, daß dieses Gesetz nicht wieder aufgehoben werden dürfe. Die Alliierten haben davon abgesehen, ein ausdrückliches Versprechen dieser Art aufzunehmen, dessen Annahme uns natürlich Schwierigkeiten bereitet hätte, weil wir damit zukünftige Regierungen festlegen sollten.
Bezüglich der weiteren Vorschrift des Art. 1, durch geeignete Rechtsvorschriften demnächst dafür Sorge zu tragen, daß die Zulassung und Verteilung von politischen Flüchtlingen, die um Asyl nachsuchen, geregelt werde, ist eine Verordnung
*) Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11285A, 11286C
**) Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11288D
***) Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11289C
in der Vorbereitung, die kurz vor dem Abschluß steht und in Kürze ergehen wird.
Dann haben wir uns hiernach zu verpflichten, daß wir der Genfer Konvention beitreten. Der Ausschuß hat dabei eigentlich nur etwas Anstoß daran genommen, daß diese Verpflichtung eine einseitige Verpflichtung ist. Warum sich nicht auch die übrigen Teilnehmer an diesen Verträgen verpflichten sollen, ist nicht recht einzusehen. Wir sind übrigens ohnehin willens, der Genfer Konvention beizutreten. Der Bundestag hat sich mit der Frage bereits befaßt, und so bereitet uns auch dieser Punkt keine Schwierigkeiten.
Bleibt der Suchdienst, der sich mit der personenstandsmäßigen Dokumentation bezüglich der in KZs gewesenen Deutschen und Ausländer, im übrigen aber auch der in Deutschland gewesenen Ausländer, befaßt. Auch das ist schon einer Regelung von deutscher Seite aus zugeführt worden. Man beabsichtigt, aus der dort jetzt schon bestehenden Behörde, einem Amt mit einem Sonderstab, eine Anstalt öffentlichen Rechts zu machen.
Das Gesetz vom 27. Mai 1952 über die Kriegsgräber regelt auch schon die nächste Frage dieses Abschnittes, nämlich die Betreuung der Gräber von alliierten zivilen Verstorbenen und von Soldaten aus diesem Kriege. Es bleibt also herzlich wenig Neues dabei für uns noch zu tun.
Ein besonderes Anliegen sind dabei allerdings die Fragen der internationalen Rechtsstellung der Flüchtlinge und der heimatlosen Ausländer — ich sprach eben schon davon, daß ihre Angelegenheiten durch das Ausländergesetz vom 25. April 1951 geregelt sind —, die sozusagen als Bodensatz bei uns bleiben werden, die also nicht außerhalb Deutschlands als Emigranten wieder eine neue Existenz begründen können. Das bedeutet sowohl finanziell als auch stimmungsmäßig für das deutsche Volk zum großen Teil eine schwere Belastung. Es ist aber vor allen Dingen dabei zu berücksichtigen, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens und im Sinne der Genfer Konvention, der wir beizutreten versprechen sollen, nicht die deutschen Flüchtlinge gelten; denn nach der dort herrschenden Definition gilt nicht als Flüchtling, wer im Zufluchtslande das Recht der Staatsangehörigen hat. Da indessen diese Auslegung und Definition, die sich zunächst hauptsächlich gegen Deutsche richtete, auch sehr viele Angehörige anderer Staaten trifft — ich erinnere z. B. an die türkischen Flüchtlinge aus Bulgarien; auf dem Balkan kommen solche Dinge überhaupt häufiger vor, auch in Indien —, steht auf die Dauer doch zu erwarten, daß sich eine günstigere Auslegung im Interesse der deutschen Flüchtlinge durchsetzt, die zwar nicht für diesen Vertrag eine Rolle spielen würde, die aber in der internationalen Diskussion der Flüchtlingsfrage von Bedeutung wäre.
Der Ausschuß hatte keine Bedenken, diesen Siebenten Teil des Überleitungsvertrags zur Annahme zu empfehlen, wenngleich die Einseitigkeit der Verpflichtung eine Diskussion auslöste. Es war nicht einzusehen, weswegen nur wir und nicht auch die anderen eine Verpflichtung übernehmen sollten, und zwar vor allem auch deshalb, weil es eine — zwar nur in der Theorie, aber immerhin hinsichtlich des, sagen wir, Ehrenstandpunktes — etwas ungewöhnliche Zumutung war, daß wir uns jetzt schon verpflichten sollen, ein Abkommen zu ratifizieren, das noch nicht ratifizierungsreif ist. Es wird zwar eingereicht werden, liegt aber dem Bundestag noch nicht vor. Da aber der Bundestag ohnehin schon
bekundet hat, daß dieses Abkommen ratifiziert werden soll, bleibt es ohne praktische Bedeutung. Ich habe deswegen im Auftrage des Ausschusses die Annahme dieser Teile vorzuschlagen, soweit nicht grundsätzliche Einwendungen erhoben werden, die sich aus der Einstellung einiger Parteien gegen die Verträge überhaupt ergeben.