Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Da ich das Pech habe, gerade an dieser Stelle auf der Rednerliste zu stehen, ist es meine Aufgabe, zu versuchen, die Debatte wieder in eine sachliche Form zu bringen.
Gerade dieses Gesetz, das so große Opfer fordert
und entsprechend große Hilfen bringen soll, hätte von Anfang an nur mit rein sachlichen Argumenten behandelt werden dürfen. Denn es steht unter der Tragik, daß jede Lösung der Aufgabe, einen Lastenausgleich zu schaffen, als weitgehend unbefriedigend empfunden wird. Bei einem solchen Gesetz ist es leicht, Dinge herauszuzerren, an denen sich propagandistische Angriffe aufhängen lassen. Ich bedauere es daher außerordentlich, daß der Herr Kollege Ollenhauer in seiner Rede den Anfang zu solchem Verfahren gemacht hat.
Wir haben im Ausschuß sachlich miteinander verhandelt und dabei auch viele Kompromisse gefunden. Daß wir in bestimmten Fällen nicht einig werden konnten, liegt an der grundsätzlichen Verschiedenheit unserer Auffassung. Wir wollten eine gerechte Lösung dieser uns gestellten Aufgabe unter Berücksichtigung der erlittenen Schäden. Sie haben von Anfang an erklärt, man dürfe nicht zurückblicken, sondern müsse sich damit begnügen, die vorhandenen sozialen Mängel und Schäden zu beseitigen. Wenn aber Herr Ollenhauer jetzt plötzlich erklärt, seine Fraktion habe so ungefähr allein das Interesse der Flüchtlinge vertreten, so übersteigt das doch schon das Maß des Erträglichen.
Wir haben in ehrlichem Bemühen, unserem Volke zu helfen, diese Aufgabe angepackt und sind in der Belastung des erhalten gebliebenen Vermögens bis an die äußerste Grenze gegangen. Diese Tatsache ist zwar bestritten worden, sie wird aber leider schon in kurzer Zeit an manchen Stellen of fen-kundig werden. Wenn aus dem deutschen Volksvermogen zur gleichen Zeit Milliardenleistungen für Besatzungskosten und soziale Aufgaben, Investitionshilfe usw. erbracht werden, so ist das nur unter schärfster Anziehung der Steuerschraube möglich. Kommen dazu noch jährlich fast 2 Milliarden Abgabe für den Lastenausgleich, so ist damit in vielen Fällen die Grenze des Tragbaren bereits überschritten. Die bisherigen Leistungen konnten überhaupt nur dadurch erbracht werden, daß unsere Wirtschaftspolitik diese Erfolge aufgewiesen hat. Hinzu kommt, daß es auch in der Binnenwirtschaft eine Art von Transferproblem gibt, und niemand von uns kann heute schon voraussehen, welche Wirkungen sich aus dieser gewaltigen Eigentumsübertragung — der Vertreter des BHE hat das zwar bestritten, es handelt sich aber tatsächlich um eine gewaltige Eigentumsübertragung — für unsere Volkswirtschaft und für unser nationales Arbeits- und Sozialsystem ergeben werden.
Die Vermögensabgabe, die hier vorgesehen ist, ist insbesondere bei dem ertraglosen Hausbesitz schon über das erträgliche Maß hinaus gesteigert worden. Die Vorwürfe, daß die Abgabesätze zu niedrig seien, entkräften sich selbst durch die Tatsache, daß in Grenzfällen den Abgabepflichtigen nur noch 40 % ihres Vermögens verbleiben, während die Empfangsberechtigten nach dem jetzigen Entwurf — ebenfalls in Grenzfällen natürlich — Entschädigung bis zur Höhe von 75 % erhalten. Der Ausgleich der Lasten ist hier also fast schon übersteigert.
Diese Abgabe vom erhalten gebliebenen Vermögen war ja ursprünglich dazu bestimmt, einen Ausgleich für verlorenes Vermögen zu schaffen. Nach der jetzigen Fassung des Gesetzes wird aber ein erheblicher Teil der aus dem Vermögen kommenden Mittel als Hilfe für Bedürftige verwandt, also in den sozialen Teil der Leistungen geleitet. Wir haben diese Regelung von Anfang an unterstützt, und zwar nicht erst nach heftigen Auseinandersetzungen, Herr Kriedemann, wie Sie behauptet haben.
Wir nehmen daraus aber die Berechtigung zu unserer Forderung, daß zusätzlich auch Mittel aus der öffentlichen nand gegeben werden. Die Linderung von Not, wie sie aus dem verlorenen Krieg entstanden ist, ist Aufgabe des gesamten Volkes, also der Gesamtheit der Steuerzahler, die sich in der öffentlichen Hand zusammenfinden. Die soziale Staffelung ist hierbei durch unser sehr progressives Steuersystem eingebaut. Auch die Heranziehung der Vermögensteuer zum Lastenausgleich ist aus dem Gedanken einer breiteren Streuung des Kreises der Abgabepflichtigen entstanden. Auch die nächste Generation, die in dem jetzt vor uns liegenden Menschenalter zu Vermögen kommt, soll ihren Anteil an der Gesamtlast mittragen.
Ein Wort noch zur Währungsgewinnabgabe. Es wird beanstandet, daß die sogenannten Währungsgewinne nicht restlos erfaßt werden. Hier liegt nach unserer Meinung ein Versäumnis bei der Währungsreform vor. Was damals voll und ganz zur Verfügung gestanden hätte, wäre heute nur noch unter schweren volkswirtschaftlichen Erschütterungen erfaßbar. Übrigens wird die Hypothekengewinnabgabe in Anlehnung an die Regelung der Umstellungsgrundschulden immer in eine enge Verbindung mit dem Wohnungsbau gebracht, meiner Ansicht nach zu Unrecht. Bei dieser Abgabe handelt es sich um eine sehr harte Maßnahme gegen die Gläubiger, nicht etwa gegen die Hypothekenschuldner. Man sollt vielmehr auf die enge Verbindung dieser Abgabe mit dem Altsparerproblem hinweisen, und wir haben die feste Absicht, uns dieses Problems mit aller Entschlossenheit anzunehmen.
Wenn unsere Ansichten über den Umfang der Mittel, die für die Wohnraumhilfe eingesetzt werden sollen, auseinandergehen, so darf ich noch darauf hinweisen, daß auch von der Wirtschaft in erheblichem Umfang Wohnraum für Geschädigte geschaffen worden ist. Diese Hilfe sollte man in jeder Weise weiterfördern und stützen.
Wir alle, die wir eine quotale Entschädigung, also die Hauptentschädigung, begrüßen, bedauern es, daß für diesen wichtigen Zweck gerade in den ersten Jahren so geringe Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob nicht ein Teil der für Förderungsmaßnahmen vorgesehenen Beträge für eine echte Eingliederung verwendet werden sollte. Wir werden vor allem alle Maßnahmen unterstützen, die dazu dienen, Mittel durch eine Vorfinanzierung zu beschaffen. Im übrigen aber werden wir in der dritten Lesung jeden der Anträge, die uns hier vorgelegt werden, ehrlich prüfen. Wir werden überprüfen, ob wir diesen Gedankengängen zustimmen können.
— Wir haben nicht die Absicht, Herr Kollege Seuffert — wie uns einmal bei einer Gelegenheit vorgeworfen worden ist —, rücksichtslos alle Anträge der Opposition mit Mehrheit niederzustimmen. Wir haben nur dann von unserer Mehrheit Gebrauch gemacht, wenn wir uns von den Argumenten, die uns vorgetragen worden sind, nicht haben überzeugen lassen können. Dann werden Sie uns das Recht, von der Mehrheit Gebrauch zu machen, nicht streitig machen können.
Der Lastenausgleich muß jetzt endlich Wirklichkeit werden, selbst wenn wir noch einzelne Mängel an diesem Gesetz feststellen. Wir werden diesem Gesetz auf jeden Fall zustimmen. Deswegen rufe ich dem Bundestag zu: Fangen wir an!