Rede von
Herbert
Wehner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion vermag der Empfehlung des Herrn Ausschußberichterstatters nicht zu folgen. Das Gesetz über die Aufnahme eines Kredits durch den Bund im Rahmen der von den Vereinigten Staaten gewährten Wirtschaftshilfe steht, wie wir im Bericht gehört haben, materiell im Zusammenhang mit dem Abkommen über gegenseitige Sicherheit, zu dem der Bundestag bisher seine Zustimmung nicht gegeben hat. Durch den Notenwechsel zwischen dem amerikanischen Hohen Kommissar und dem Herrn Bundeskanzler vom 19. Dezember bzw. 28. Dezember vergangenen Jahres ist der Übergang vom Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 15. Dezember 1949, das der Bundestag ratifizierte, zu einem Abkommen über gegenseitige Sicherheit vorgenommen worden. Art und Zweckbestimmung des Gesetzes über gegenseitige Sicherheit verleihen diesem Gesetz eine weitertragende und auch materiell andere Bedeutung als die eines Bewilligungsgesetzes von der Art des Gesetzes über wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem der Bundestag im Rahmen des Abkommens vom Dezember 1949 seine Zustimmung gegeben hat.
Das in der Note des Herrn Bundeskanzlers vom 28. Dezember vergangenen Jahres ausgesprochene ausdrückliche Bekenntnis zur Zweckerklärung des Gesetzes über gegenseitige Sicherheit — eines amerikanischen Gesetzes -- kann nicht als eine bloße Zusatzvereinbarung zum Abkommen vom Dezember 1949 angesehen werden. Es handelt sich unserer Auffassung nach dabei um eine politische Willenserklärung der Bundesregierung, die durch die Ratifikation des Abkommens vom 15. Dezember 1949 nicht gedeckt wird. Das Bekenntnis zum Zweck des Gesetzes über gegenseitige Sicherheit umschließt ausdrücklich ein Bekenntnis zur Stärkung der Außenpolitik und Sicherheit der Vereinigten Staaten, und es steht für uns außer Zweifel, daß der Notenwechsel vom Dezember 1951 ratifikationsbedürftig ist. Es bedarf also eines Bundesgesetzes. Bevor der Bundestag über dieses Ratifikationsgesetz entschieden hat, kann nach Ansicht der sozialdemokratischen Fraktion kein Gesetz beschlossen werden, das materiell auf dem Abkommen über gegenseitige Sicherheit fußt, wie es in diesem Gesetz, das uns in Drucksache Nr. 3333 vorgelegt wurde, der Fall ist. Eine vorherige Beschlußfassung über ein Gesetz, das sich aus dem Abkommen über gegenseitige Sicherheit herleitet, könnte als eine Art von Anerkennung des erwähnten Notenwechsels angesehen werden, ohne daß die gesetzgebende Körperschaft diesen Notenwechsel ausdrücklich und in der notwendigen Form anerkannt hätte. Einem solchen Mißverständnis darf
sich der Bundestag nach unserer Meinung um so weniger aussetzen, als bei Stellen der Bundesregierung die Auffassung vorhanden war, als ob dieser Notenwechsel keiner Ratifikation bedürfe.
Daß auch die Mehrheit des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten Wert darauf legt, nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, als würde die Beschlußfassung über das jetzt hier vorgelegte Kreditgesetz eine Ratifikation sozusagen vorwegnehmen oder präjudizieren, zeigt ja, daß es in dieser Beziehung auch bei der Mehrheit erhebliche Bedenken gibt. Wir können uns aber mit diesen Bedenken allein nicht zufriedengeben; daher stimmt die sozialdemokratische Fraktion gegen dieses Gesetz.