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ID0120404400

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    6. Ollenhauer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 204. Sitzung. Bonn, den 3. und 4. April 1952 8743 204. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. April, und Freitag, den 4. April 1952. Erster Tag: 3. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen 8744D, 8799D, 8800A Zur Tagesordnung 8745A, 15 Erweiterung des Punktes 2 durch die Anträge Nrn. 3268 und 3276 der Drucksachen betr. Truppenübungsplatz Bergen-Belsen 8745A Antrag auf Erweiterung des Punktes 1 durch den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verhandlungen über das Saargebiet (Nr. 3236 der Drucksachen): Mellies (SPD) 8745A Dr. von Brentano (CDU) 8745C Widerspruch gegen Aufsetzung 8745D, 8799D Absetzung der Punkte 3 a bis f betr. Zollfragen: Dr. Horlacher (CSU) 8745D Mellies (SPD) 8746A Sperrfrist für Fragen zur nächsten Frage- stunde 8745A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU, betr. Deutschen Verteidigungsbeitrag (Nrn. 3163, 3084 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erklärungen des Staatssekretärs Prof. Dr. Hallstein (Nrn. 3203, 3279 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einheit Deutschlands (Nrn. 3210, 3277, 3288 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Auswärtiges Amt (Nr. 3211 der Drucksachen) 8746B Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8746C als Abgeordneter 8798A Eichler (SPD), Anfragender 8748C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8751C, 8758A, 8767C Wehner (SPD), Antragsteller . . . . 8753B Dr. Reismann (FU), Antragsteller . 8762A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 8763C 011enhauer (SPD) 8763D, 8790A Euler (FDP) 8768D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 8771B Dr. von Merkatz (DP) 8776B Dr. von Brentano (CDU) 8779B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 8782D Reimann (KPD) 8784A Dr. Tillmanns (CDU) 8787A Kiesinger (CDU) 8791D Hedler (Fraktionslos) 8795B Loritz (Fraktionslos): zur Sache 8796A persönliche Bemerkung 8800B Dr. Reif (FDP) 8797C Abstimmungen 8798B Zur Geschäftsordnung, betr. Weiterberatung: Dr. von Brentano (CDU) 8800A Unterbrechung der Sitzung 8800B Zweiter Tag: 4. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen . 8800C, 8801A, 8816C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmen durch die Besatzungsmächte für militärische Zwecke (Nrn. 3246, 3006 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmung von Geländeteilen für militärische Zwecke (Nrn. 3247, 3145 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Flugplatzbau in Söllingen-Stollhofen und den Antrag der Fraktion der KPD betr. Freigabe des Städtischen Schwimmbades in Frankfurt/Main- Fechenheim durch die Besatzungsmacht (Nrn. 3248, 2961, 2968 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Verhinderung von Landbeschlagnahmung für militärische Zwecke und den Antrag der Fraktion der FU betr. Militärflugplatz in Münster-Handorf (Nrn. 3249, 2922, 3007 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Truppenübungsplatz Bergen-BelsenMunster-Fallingbostel (Nr. 3268 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erweiterung des Truppenübungsplatzes Bergen-Belsen (Nr. 3276 der Drucksachen) 8745A, 8800C Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 8801A als Abgeordneter 8807D Matthes (DP), Antragsteller 8802C Frau Korspeter (SPD), Antrag- stellerin 8803D Majonica (CDU) 8804B Niebergall (KPD) 8804C Morgenthaler (CDU) 8805A Müller (Frankfurt) (KPD) 8805D Dr. Bertram (FU) 8806B, 8807B Jaffé (DP) 8806D • Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8807A Dr. Arndt (SPD) (zur Abstimmung) . 8808A Abstimmungen 8808A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz) (Nr. 3217 der Drucksachen) . . . 8808B Arndgen (CDU), Antragsteller 8808B, 8810C Freidhof (SPD) 8808D Renner (KPD) 8810A Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 1951 (Nr. 3208 der Drucksachen) 8810D Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des von der Fraktion der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Abschnitts I des Grundgesetzes (Nr. 3206 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. steuerliche Erleichterungen für Handwerks- und Kleingewerbebetriebe (Nr. 3212 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 3213 der Drucksachen) 8810D Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 8811A Dr. Preusker (FDP), Antragsteller 8811D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8812A Loritz (Fraktionslos) 8812B Renner (KPD) 8812D Ausschußüberweisungen 8813A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zúm Strafverfahren gegen den Abg. Hilbert gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. Februar 1952 (Nr. 3222 der Drucksachen) 8813B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8813B Beschlußfassung 8813D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und ,Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 7. März 1952 (Nr. 3235 der Drucksachen) 8813D Löbe (SPD), Berichterstatter . . . 8814A Renner (KPD) 8814B Dr. Mende (FDP) 8814C Ritzel (SPD) 8814D Beschlußfassung 8815A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik (37. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Devisen für den deutschen Kunst- handel (Nrn. 3231, 3099 der Drucksachen) 8815A Dr.-Ing. Decker (FU), Berichterstatter 8815B Hennig (SPD) 8815D Beschlußfassung 8816C Nächste Sitzung 8816C Erster Tag: Donnerstag, den 3. April 1952. Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Robert Tillmanns


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns nach diesem ferngeschriebenen und vorgelesenen Monolog die Diskussion fortsetzen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)

    Zu diesem Monolog selber habe ich nichts zu sagen,

    (Erneute Zurufe von der .KPD)

    am allerwenigsten zu dem Appell an die Sozialdemokratie, mit dem er geschlossen hat. Aber zu einem habe ich etwas zu sagen, nämlich dazu, daß unser gemeinsames Einstehen für das deutsche Land im Osten hier als Hetze gegen die OderNeiße-Grenze bezeichnet worden ist. Das verbitten wir uns schlechthin.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Also zur Weiterführung der Diskussion. Ich stimme Herrn Kollegen Wehner zu, daß in dem Viermächtegespräch nichts getan werden solle, was die Türen zuschlage. Ich stelle nur die Frage: wo ist das geschehen? Auf keinen Fall in der Note der Westalliierten vom 25. März. Das behauptet nicht einmal die Sowjetregierung, ja nicht einmal Herr Reimann. Von dort ist lediglich gesagt worden, man erschwere die Dinge oder man gehe ihnen aus dem Wege. Die Note der Westmächte bedeutet doch nichts anderes, als daß, nachdem die Sowjetunion in ihrer Note vom 10. März ihre Position bezogen hat, nun die Gegenposition klargestellt worden ist, und zwar in einer Art und Weise, die die Weiterführung der Diskussion in keiner Weise abschneidet, sondern geradezu die Voraussetzung dafür schafft. Herr Kollege Wehner, es ist in der Note der drei Westalliierten weder von der Funktion der UN-Kommission als einer Voraussetzung gesprochen, noch ist irgendein anderes Verlangen als schlechthin unabdingbar hingestellt worden. Wir können nur dankbar dafür sein, daß die Position in der Frage gesamtdeutscher freier Wahlen
    und der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung und ihrer innen- und außenpolitischen Selbständigkeit so klargestellt worden ist. Daß bezüglich der Ostgrenze in der Antwortnote daran erinnert ist, daß diese im Potsdamer Abkommen nicht festgelegt sei, ist nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit.
    Es erscheint mir wenig sinnvoll, jetzt auf Grund dieses Notenwechsels eine Diskussion über die Frage zu führen, was nun eigentlich das Primäre ist: die Wiedervereinigung Deutschlands oder der Zusammenschluß Europas. Das ist ja doch eigentlich zum Hauptthema der heutigen Diskussion gemacht worden, und es ist dabei so hingestellt worden, als sei die Europapolitik, die wir bisher geführt haben, ein Hindernis für die Wiedervereinigung Deutschlands. Der Beweis dafür, daß in dieser Politik ein Hindernis liege, ist in keiner Weise erbracht worden.

    (Abg. Rische: Dann wählen Sie doch!)

    Die Einigung Europas — darüber waren wir uns bisher einig — ist eine weitgehend eigenständige Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten vorbereitet hat und sich nach diesem Kriege und seinem unseligen Ende sämtlichen europäischen Völkern geradezu aufdrängt. Sie wäre auf jeden Fall ge-. kommen, und diese Bewegung zur Vereinigung der europäischen Völker wird auf jeden Fall weitergehen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien weil das Schwergewicht der politischen Tatsachen dahin drängt. Und, Herr Kollege Schmid, trotz des provisorischen Charakters des Grundgesetzes, über den wir uns einig sind, steht in diesem Grundgesetz, daß es die Aufgabe der Bundesrepublik ist, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. In diesem Grundgesetz steht der Art. 24, in dessen Abs. 2 es heißt: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen." Das ist im Grundgesetz festgelegt, ohne daß in irgendeiner Weise gesagt ist, das dürfe nicht geschehen, solange Deutschland nicht vereinigt sei. Die Gesetzgeber des Grundgesetzes haben es als eine Wesensaufgabe auch dieses provisorischen Bundes festgelegt, daß er durch den Zusammenschluß mit den anderen europäischen Völkern dem Frieden der Welt dienen soll. Auf dem Hamburger Kongreß der Europäischen Bewegung, der im September 1951 getagt hat, ist in Übereinstimmung auch mit allen sozialistischen Teilnehmern dieses Kongresses festgelegt worden: „Um zu erhalten, was die westliche Gesinnung ausmacht, um Europa seinen Wohlstand zurückzugeben und die Lebenshaltung seiner Bevölkerung zu heben, um die Welt in Gleichgewicht und Frieden zu halten, müssen Deutschland und die anderen Länder 'unverzüglich zu einer europäischen Gemeinschaft zusammengebaut werden." Ich frage die hier anwesenden Mitglieder dieses Hauses, die der Entschließung zugestimmt haben, ob sie heute noch zu dieser Entschließung stehen oder ob sie das nicht mehr tun. Schließlich ist erst vor einigen Tagen in Frankfurt auf dem Kongreß der Sozialistischen Bewegung für die Vereinigten Staaten von Europa folgendes be schlossen worden — ich zitiere hier nach den „Stuttgarter Nachrichten" —: Zur gegenwärtigen Lage Deutschlands wurde festgestellt, daß nur eine einzige Hypothese annehmbar und dem Frieden dienlich, sei, nämlich die Eingliederung Deutschlands in die neue europäische Gemeinschaft. Ich frage diese Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion auch hier, ob sie zu diesen Beschlüssen des sozialistischen Europakongresses stehen oder nicht. (Abg. Dr. Wuermeling: Ausgezeichnet! — Abg. Schoettle: Hat mit uns doch überhaupt nichts zu tun!)


    (Sehr richtig! in der Mitte.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Dr. Tillmanns)

    Ich stimme andererseits Herrn Kollegen 011enhauer durchaus zu, wenn er heute festgestellt hat, daß die Eingliederung Deutschlands in den Westen die Chance der Wiedervereinigung Deutschlands nicht vermindern dürfe. Nur, wenn Herr Ollenhauer weiter gesagt hat: Also dürfen keine weiteren Tatsachen geschaffen werden, so frage ich: glauben Sie denn, daß das Aufgeben unserer Europapolitik, d. h. ein Abweichen von dieser Politik des Zusammenschlusses der europäischen Völker die Chance der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit erhöhen würde?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ein solcher Weg würde doch die Abwendung Deutschlands von den westlichen Völkern mit sich bringen. Mir scheint, das ist genau das, was die Sowjetunion will.
    Wenn behauptet wird, die Sowjets seien wahrscheinlich bereit, die Sowjetzone Deutschlands als eine Art Preis dafür freizugeben, daß wir uns nicht an einer westlichen Integration bzw. an einer Verteidigungsgemeinschaft beteiligten, und wenn in diesem Zusammenhang Herr Kollege Schmid von Kompensationen gesprochen hat, so kann, ich nur eine Frage stellen: Für was sollen denn die Sowjets solche Kompensationen zahlen? Für die Preisgabe einer Verteidigungsgemeinschaft, die wir selber nicht wollen, die von deutschen Parteien selbst bekämpft wird? Für die Preisgabe einer Verteidigungsgemeinschaft, über die sich Franzosen und Deutsche nicht einig werden können, die nicht zustande kommt, weil noch Dinge wie die Saar zwischen uns stehen? Solange wir selber uns anstrengen, diese Verteidigungsgemeinschaft nicht zustande kommen zu lassen, wozu sollen denn die Sowjets einen Preis dafür zahlen?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es kann doch nur eine logische Konsequenz aus dieser Situation geben, nämlich es durch die konsequente Fortführung der Europapolitik und einer Politik des Zusammenschlusses Europas es dahin zu bringen, daß eines Tages ein echtes Gespräch auf der Ebene der vier Mächte möglich wird. Noch ist die Situation nicht so weit. Ich glaube, das, was wir vorhin von Herrn Reimann gehört haben, hat das allen klargemacht.
    Noch gibt es keine Anzeichen dafür, daß man auf der östlichen Seite wirklich bereit ist, ein Gesamtdeutschland in wirklicher innen- und außenpolitischer Entscheidungsfreiheit als demokratischen Rechtsstaat zustande kommen zu lassen. Erst vor einigen Tagen hat auf einer Konferenz von SED-Journalisten, die in Berlin stattgefunden hat, Herr Rudolf Herrnstadt auf die Frage, was man denn tun müsse, wenn in einem wiedervereinigten Deutschland reaktionäre Kräfte die Oberhand gewönnen - wir sind alle, die wir in diesem Hause sitzen, mit Ausnahme der Kommunisten „reaktionäre Kräfte" —, geantwortet: „In diesem Fall wird die deutsche Arbeiterklasse genau so wie die Arbeiter in der Tschechoslowakai handeln!". Schließlich ist dort gesagt worden: „Im übrigen ist diese Fragestellung falsch, denn in einem einheitlichen Deutschland werden wir die reaktionären Kräfte gar nicht erst in die Verlegenheit kommen lassen, zum Zuge zu kommen." Meine Damen und Herren, das ist die Wirklichkeit, mit der wir es gégenwärtig zu tun haben,

    (Abg. Wehner: Das ist keine Wirklichkeit, das ist Haarspalterei!)

    und es kann sich doch nur darum handeln — und das ist der Sinn der Antwortnote der westlichen Alliierten —, klarzustellen, daß eine solche Lösung nicht in Frage kommt.
    Die erste Note der Sowjetunion - das wurde schon gesagt — ist wahrhaftig nicht das Gesamtausmaß von Zugeständnissen, die vielleicht eines Tages zu erreichen sind, sondern, wenn überhaupt, nur ein ganz kleiner Bruchteil. Und Neutralisierung — das wurde hier heute gesagt — wird auch von der Sozialdemokratischen Partei abgelehnt. Aber ich frage Sie: Wenn Sie das ablehnen, welche Möglichkeit gibt es dann überhaupt — da wir alle die bolschewistische Lösung ablehnen — zwischen einer Neutralisierung und einem Zusammengehen mit der westlichen Welt? Herr Professor Schmid hat heute gesagt: Ja, es gibt etwas dazwischen!, und er hat es formuliert, wenn ich ihn richtig verstanden habe, als den Mut, die Unbestimmtheit des Verhandlungsergebnisses in Kauf zu nehmen. Haben Sie den Eindruck, daß der Bolschewismus bereit ist, Unbestimmtheit irgendeines Verhandlungsergebnisses in Kauf zu nehmen? Mir scheint, das Gegenteil ist der Fall. Im übrigen können wir nur nach klaren Konzeptionen Politik machen.

    (Zuruf von der SPD: Auch an der Saar zum Beispiel!)

    Sie weisen darauf hin, daß auch bei den Westmächten hier und da Widerstände gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands vorhanden seien.

    (Zuruf von der SPD: Das soll sogar in Deutschland sein!)

    Herr Kollege Ollenhauer hat darauf hingewiesen, daß sogar vertragliche Bindungen beständen, die hier unter Umständen Schwierigkeiten bereiten könnten. Aber ich stelle die Frage: Glauben Sie denn, daß, wenn es zwischen der Deutschen Bundesrepublik und den westlichen Staaten zu einer Lockerung, zu einer Distanzierung, ja sogar zu einer Abänderung der politischen Situation käme, daß dann etwa diese Widerstände gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands beseitigt werden könnten? Mir scheint, dann werden sie erst recht stark werden. Und das haben wir doch hier alle gemeinsam festgestellt: Ohne daß es zu einer wirklichen Viermächtevereinbarung kommt, ist überhaupt eine Wiedervereinigung Deutschlands nicht möglich.
    Andererseits möchte ich mit aller Bestimmtheit sagen: Europa darf nicht etwa um den Preis eines Verzichts auf die deutsche Wiedervereinigung zusammengebracht werden. Aber das verlangt auch niemand. Das ist von niemanden in irgendeiner Weise erklärt worden. Es ist in der Antwortnote vom 25. März sogar ausdrücklich erklärt, daß diese Wiedervereinigung das gemeinsame Ziel ist. Dasselbe sagt der Generalvertrag.


    (Or. Tillmanns)

    Solange die Situation so ist, ist die Politik des Zusammènschlusses Europas und die Politik der Wiedervereinigung Deutschlands überhaupt keine Alternative, überhaupt kein „Entweder-Oder", sondern nur ein „Sowohl als auch".

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Beide bedingen sich gegenseitig und beide fördern sich gegenseitig, und, Herr Kollege Wehner, kein Mensch weiß, was zeitlich an die erste Stelle kommt. Wir können heute nur eines tun, nämlich beides in dem Sinne, daß es sich gegenseitig bedingt, vorwärtszutreiben, wenn wir wirklich zu einer Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit kommen wollen. Wir haben nur eine Aussicht auf Einheit und Freiheit, nämlich wenn die Hoffnung der Sowjets auf das Auseinanderbrechen Europas und der westlichen Welt sich nicht erfüllt. Auf diese Entwicklung spekulieren sie doch dauernd. Und, Herr Kollege Schmid, es ist nicht der Sinn der Europapolitik, uns stark zu machen, sondern der Sinn dieser Europapolitik ist, daß dadurch daß die westlichen Völker, daß die europäischen Völker mit den Atlantikmächten sich politisch, wirtschaftlich und auch verteidigungsmäßig zu einer großen Gemeinschaft zusammenschließen, den Sowjets gezeigt wird, daß ihre Hoffnung, sie könnten Europa und Deutschland mit politischen Mitteln eines Tages doch noch in die Hand bekommen, irrig ist. Das ist der Sinn unserer Politik, und nur so kann die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit verwirklicht werden.

    (Abg. Rische: Ja, wollen Sie marschieren, oder was wollen Sie?)

    Andererseits ist es die Aufgabe der Bundesregierung — ich sage das noch einmal —, dafür zu sorgen, daß jede Chance eines echten Gesprächs genutzt wird. Wir wollen nichts Provokatives gegen die Sowjetunion.

    (Abg. Rische: Ja, wie wollen Sie denn zum Gespräch kommen?)

    Wir haben gegenüber der Sowjetunion nur ein einziges Anliegen: daß sie das deutsche Volk in Freiheit

    (Abg. Rische: Bitte, die haben Sie!) und in Selbständigkeit seine politische Ordnung bauen läßt.


    (Erneuter Zuruf von der KPD: Die haben Sie!) — Nein, die haben wir bis heute nicht!


    (Abg. Rische: Natürlich! Lesen Sie die . Note! — Zuruf von der CDU: Was verstehen Sie unter Freiheit?)

    Meine Damen und Herren, ich sage das gerade in Erwiderung auf die verschiedenen Behauptungen, die heute aufgestellt worden sind, wir oder die Bundesregierung dächten an irgendeine weitreichende Ostpolitik, die uns nicht zustehe. Der Herr Bundeskanzler hat dazu schon das Nötige gesagt.

    (Abg. Renner: In Gießen hat er einiges dazu gesagt!)

    Er hat gesagt, was er wirklich gemeint hat. (Abg. Rische: Und was schreibt die „Neue Zeitung"? — Abg. Renner: Neuordnung
    Osteuropa!)
    Im übrigen stelle ich hier die Frage: Ist es denn wirklich verboten, wenn wir in der politischen Diskussion von heute darauf hinweisen,

    (Abg. Renner: Aha!)

    daß das freie Europa von heute nur ein Teil Europas ist?

    (Abg. Renner: Na also!)

    Ist es verboten, darauf hinzuweisen?

    (Abg. Rische: Wo wollen Sie denn jetzt hin? — Abg. Renner: Zum Ural!)

    Auf dem eben von mir zitierten Kongreß der Sozialistischen Europa- Bewegung in Frankfurt hat der Regierende Bürgermeister Reuter gesagt, solange das sowjetische System der Unterdrückung lebendig sei, könne die Einigung der Völker Europas nicht endgültig sein; erst wenn es möglich sein werde, daß sich eines Tages freie Deutsche mit freien Polen und freien Tschechen an einen Tisch setzen, dann würden sich die Probleme der Völker Europas ohne weiteres lösen. Ich frage: Wenn das Herr Bürgermeister Reuter sagt, warum ist es dann anderen deutschen Politikern verboten?

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das ist etwas anderes!)

    Warum wird denn hier plötzlich so getan, als bedeutete das ein neues politisches Programm? Daran denkt niemand.

    (Abg. Rische: Herr Tillmanns, präzisieren Sie doch!)

    — Es handelt sich doch nur darum, daß hier Selbstverständlichkeiten ausgesprochen werden.
    Ich zitiere noch einmal die Entschließung des Hamburger Europa-Kongresses. In dieser Entschließung heißt es: „Die europäische Gemeinschaft muß bestrebt sein, das ganze Europa zu umgreifen, einschließlich der Länder, die zur Zeit ihrer demokratischen Freiheiten beraubt sind."

    (Abg. Rische: Also! Jetzt haben Sie klar gesprochen!)

    Ich habe nicht gehört, daß irgend jemand gegen diese Entschließung der Europäischen Bewegung die Vorwürfe erhoben hat, die heute hier erhoben worden sind.

    (Abg. Rische: Sie gehen ja an den Realitäten der Politik vorbei!)

    Ich sage noch einmal: wir wollen nichts als die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und die Schaffung eines Zustandes, in dem Deutschland nach seinem Wesen, seiner Geschichte und seiner Kultur seine politische, wirtschaftliche und soziale Ordnung bestimmen kann.

    (Abg. Rische: Bitte sehr!)

    Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben auf die Ausführungen des Kanzlers, daß heute keine Kriegsgefahr bestehe, weder vom Westen noch vom Osten her, ungefähr so geantwortet: Warum denn dann überhaupt Verteidigung? Lassen Sie mich darauf kurz antworten. Der Grund ist allein der: Damit die heutige Situation, bei der der Schutz der gesamten westlichen Welt über Europa steht, auf eine Reihe von Jahren aufrechterhalten wird. Es geht darum, daß diese Situation, bei der die Sowjetunion weiß, daß jeder Schritt zur Gewalt unmöglich ist, weil er zum Krieg mit der gesamten übrigen Welt führen würde, daß diese Situation, die eine große Anstrengung der übrigen Mächte, vor allen Dingen Amerikas, bedeutet, auf eine Reihe von Jahren klar und eindeutig bestehen bleibt. Das geht eben auf die Dauer nur, wenn sich die europäischen Völker als Partner an dieser großen gemeinsamen Aufgabe beteiligen. Es geht also nur um den Frieden. Es ist einfach Lüge, wenn behauptet wird, irgend jemand denke an


    (Dr. Tillmanns)

    Eroberungspolitik. Wir wären dem Ziel der Sicherung des Friedens, der Einheit und der Freiheit unseres Volkes schon näher, wenn über diese Fragen unter uns selbst nicht soviel Uneinigkeit, soviel Zwietracht und soviel Unsicherheit vorhanden wäre. Was wir bisher erreicht haben .— und die Note der Sowjetregierung vom 10. März war, wie mein Freund von Brentano richtig gesagt hat, ein großer Erfolg —, haben wir durch die Einmütigkeit aller großen Parteien dieses Bundestages in der Politik der Wiedervereinigung Deutschlands ,erreicht. Mir scheint, es ist nahezu eine Schicksalsfrage der Nation, ob es uns gelingt, diese Gemeinsamkeit aufrechtzuerhalten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Und heute wollen Sie unsern Antrag ablehnen! — Abg. Rische: Werfen Sie Ihr Feuerzeug weg, Herr Tillmanns; es ist am Brennen!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß insbesondere in der Erwiderung des Herrn Bundeskanzlers auf meine Ausführungen das Sachliche so kurz gekommen ist. Der Herr Bundeskanzler hat eigentlich nur in zwei Punkten auf Ausführungen in meiner Rede Bezug genommen. In beiden Punkten ist meinen Ausführungen ein Sinn unterstellt worden, bei dem man davon ausgehen muß, daß es dem Herrn Bundeskanzler nicht in erster Linie auf eine sachliche Klärung und eine sachliche Aussprache mit der Opposition ankommt.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Sie müssen sich etwas deutlicher ausdrücken, Herr Ollenhauer!)

    — Ich glaube, das ist verständlich genug. Ich habe nicht die Absicht, mit ähnlichen Methoden zu antworten, wie wir sie heute hier erlebt haben.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich finde, in diesem Hause kann eine Bemerkung, wie ich sie im Zusammenhang mit der Position Deutschlands gegenüber den vier Besatzungsmächten gemacht habe, daß wir in diesem Falle alle vier Besatzungsmächte in gleicher Weise zu betrachten haben, von niemandem, der guten Willens ist und der die grundsätzliche Einstellung der Sozialdemokratie kennt, in der Weise ausgelegt werden, wie es der Herr Bundeskanzler getan hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was soll es für einen Sinn haben, daß der Herr Bundeskanzler auf eine Rede des Vertreters der Opposition mit einer Reihe von sachlichen Vorschlägen schließlich nichts anderes zu sagen weiß, als daß unsere Ausführungen eine überraschend große Sympathie für die Sowjetunion und ein überraschend großes Maß von Gutgläubigkeit in die Absichten der Sowjetunion hätten erkennen lassen. Herr Bundeskanzler, Sie haben diese Rede gehört, und Sie wissen, daß ich in dieser Rede, obwohl es nicht nötig gewesen wäre, wiederholt unsere Skepsis und unsere Vorbehalte gegenüber den wirklichen Absichten der Sowjetunion zum Ausdruck gebracht habe. Meine Damen und Herren, wenn Sie hier an uns appellieren, daß wir in dieser Frage doch an das Gemeinsame denken sollten, bitte, dann appellieren Sie an den Repräsentanten Ihrer Regierung, daß er die Gemeinsamkeit nicht
    durch eine derartig unsachliche, ich möchte sagen, sogar auf eine sehr demagogische Wirkung nach außen berechnete Art hier stört.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Das ist die Methode: Haltet den Dieb! — Zurufe von der Mitte und rechts: Unmöglich! — Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und der SPD.)

    — Ich wünschte, meine Damen und Herren, Sie hätten dieselben sehr scharfen und klaren Begriffe in der Bewertung von solchen Äußerungen auch bei anderen Gelegenheiten.
    Ich möchte jetzt noch einiges zur Diskussion sagen. Meine Damen und Herren! Es gibt hier eine sachliche Meinungsverschiedenheit, von der ich bedauere, daß sie nicht mit größerer Klarheit ausgetragen worden ist. Herr Kollege von Brentano, Sie glauben ja wohl selbst nicht, daß Sie mit der Bemerkung, wir hätten uns nicht zur Sache geäußert und das, was wir hier täten, sei Spiegelfechterei, das Thema der Behandlung der Thesen der Sozialdemokratie erschöpft zu haben.

    (Abg. Dr. Wuermeling und Abg. Dr. von Brentano: Welcher Thesen?)

    — Entschuldigen Sie! Außerdem möchte ich einmal folgendes zu all diesen Debatten sagen, Herr Wuermeling. Ich glaube, die Position ist nicht ganz so, wie Sie sie hier schaffen möchten. Schließlich: die erste Veranlassung, die Grundlagen der Politik hier darzulegen, besteht für die Regierung und ihre Mehrheit. Und wir sind dauernd in der Position, meine Damen und Herren, daß wir, z. B. bei außenpolitischen Debatten dieser Art, über eine Reihe von Themen sprechen, bei der der Mehrheit dieses Hauses jede sachliche Möglichkeit für eine Orientierung und Unterrichtung fehlt.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wenn hier gefragt wird: „was ist Ihre Politik?", so ist die erste Frage hier an die Regierung und an Sie über den konkreten Inhalt Ihrer Politik zu richten.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. von Brentano: Das haben wir ja getan! — Abg. Dr. Wuermeling: Der Kanzler hat es doch dargelegt!)

    Heute haben wir eine Frage diskutiert, nämlich wie soll das Verhältnis der Bundesrepublik bei den gegenwärtigen diplomatischen Unterhaltungen über eine Viermächtekonferenz sein. Und nur diese Frage! Das ist das einzig Interessante. Herr Tillmanns hätte sich seine Ausflüge in die Sozialistenkonferenz von Frankfurt ruhig sparen können.

    (Zuruf rechts: Das war sehr interessant!)

    — Ja, vielleicht haben Sie es noch nicht gehört. Das ist nicht unsere Schuld. Aber ich möchte nur darauf aufmerksam machen: Sie können in keiner Weise — und das könnten Sie wissen, wenn Sie die Dinge verfolgten — die Sozialdemokratische Partei für die Beschlüsse von Frankfurt verantwortlich machen.

    (Abg. Dr. Tillmanns: Das habe ich auch nicht getan!)

    — Ich komme nur in einem Satz auf diese Sache zurück. Herr Tillmanns, Sie haben den Regierenden Oberbürgermeister Reuter mit seinen Bemerkungen über freiheitliche Systeme zitiert, die im Osten Europas genau so notwendig seien wie im Westen. Nun, Herr Tillmanns, Sie wissen doch


    (Ollenhauer)

    genau, daß zwischen dem, was Herr Reuter mit diesen Bemerkungen gemeint hat, und der Frage, die hier zur Diskussion stand, ob es eine deutsche Aufgabe in bezug auf die Neuordnung von Osteuropa gibt, ein grundsätzlicher Unterschied besteht.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. von Brentano: Das ist von niemandem gesagt worden!)

    — Dann sollten Sie aber solche Äußerungen wie die von Herrn Reuter nicht als polemisches Argument gegen uns verwenden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Dann brauchen Sie die Äußerungen des Kanzlers nicht mißzuverstehen!)

    — Ich komme nicht darauf zurück.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sie haben davon angefangen!)

    — Entschuldigen Sie, ich habe mich zunächst auf den Bericht der „Allgemeinen Zeitung" über die Rede in Siegen gestützt. Die Erklärung des Herrn Kanzlers, daß er also die Gebiete östlich der OderNeiße-Linie gemeint hat, habe ich zur Kenntnis genommen. Ich habe nicht die Absicht, sie weiterhin hier zu verfolgen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Gut!)

    Nein, meine Damen und Herren, es geht um etwas anderes. Es ist hier gesagt worden — . der Herr Bundeskanzler hat es gesagt —, man kann mit der Sowjetunion nur vernünftig verhandeln, wenn wir stark sind.

    (Sehr richtig! rechts.)

    — Sehr interessant. Das ist ein Punkt, bei dem wir eben in der Beurteilung der Situation nicht übereinstimmen,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    jedenfalls soweit die deutsche Position in Frage kommt. Ich bin wohl mit Ihnen oder Sie mit mir der Auffassung, daß, wenn die Sowjetunion sich aus solchen Überlegungen zu ihrer Note veranlaßt gesehen hat, es, wie der Herr Bundeskanzler selbst hier in Bonn erklärte, nicht die zu befürchtenden zwölf deutschen Divisionen sind, sondern daß es die ökonomische und militärische Macht der Vereinigten Staaten ist. Das ist doch der reale Machtfaktor!

    (Abg. Dr. Tillmanns: Der gehört doch zu uns!)

    — Sie sollten doch nicht so reden, als wären wir, was diese Machtposition anlangt, ein Teil der Vereinigten Staaten von Nordamerika.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. von Brentano: Das war schlecht!)

    Ich sage das deshalb, weil Sie sich, wenn Sie dieses Argument, die Stärke macht Deutschland frei, und wir müssen unter diesem Gesichtspunkt jede vertragliche Bindung eingehen, die Deutschland in dieses System eingliedert, für eine Politik in der deutschen Einheitsfrage entscheiden, bei der die deutsche Regierung über kurz oder lang jede Manövrier- und Handlungsfähigkeit verliert.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Als interessantes Gegenbeispiel zu dieser Theorie, auf die Macht zu bauen, gibt es noch ein anderes. Das andere ist, daß hier Herr von Brentano zu unserer Überraschung erklärt hat, die Regierungskoalition werde unseren Antrag in bezug auf die Fragen der deutschen Einheit ablehnen, weil sie der Regierung keine neuen Auflagen geben

    (Abg. Dr. von Brentano: Ich habe von dem ersten Antrag gesprochen!)

    - Sie meinen doch den gedruckten, nicht wahr, den Antrag mit den vier Punkten?

    (Abg. Dr. von Brentano: Ja!)

    — Genau das meine ich. Das ist praktisch eine Ausführungsbestimmung zu dem Beschluß vom 27. September, und ich bedauere außerordentlich, daß im Zusammenhang mit dieser Debatte in dieser Frage die Koalition sich für die Ablehnung entschieden hat.
    Meine Damen und Herren! Die Frage ist, ob wir
    als Deutsche, und zwar hier in der Bundesrepublik,
    wirklich richtig daran tun - und ich richte am
    Schluß dieser kurzen Bemerkung diese Frage ganz
    ernsthaft an Sie —, davon auszugehen, daß das,
    was jetzt an Vertrags- und Verteidigungssystem im
    Westen Europas aufgebaut ist, der einzig mögliche
    Weg ist, um zu einer Befriedung Europas und der
    Welt zu kommen. Ich glaube, es wäre für die
    deutsche Situation besser, wenn jedenfalls wir
    Deutschen uns nicht so hundertprozentig auf diese
    eine Möglichkeit festlegten. Es könnte uns sonst
    passieren, daß die entscheidenden Mächte, die die
    Träger dieser jetzigen Vertragsorganisation sind,
    im Zuge von Verhandlungen auf einer anderen
    Ebene sehr bald zu anderen Vorstellungen kommen.

    (Dr. von Brentano: Welche denn?)

    Hier steht die Frage: wir sollten uns so verhalten
    — und das ist der konkrete Vorschlag —, daß wir als Bundesregierung nicht Verpflichtungen internationaler Art übernehmen, die eine zukünftige frei gewählte gesamtdeutsche Regierung in ihrer Entscheidungsfreiheit einengen

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wer will denn das?) und die von vornherein auch in dem Gespräch unter den Vier den Eindruck erwecken, als wenn die drei Westmächte mit aktiver deutscher Unterstützung die Verwirklichung der Einheit Deutschlands von der vorherigen Anerkennung des jetzt bestehenden Vertrags- und Verteidigungssystems im Westen abhängig machen. Das ist die konkrete Frage. Sie sind der Meinung, daß sie keinen Zusammenhang damit hat. Aber darin liegt die Meinungsverschiedenheit, und ich glaube, es wäre wert, daß Sie sich auch mit dieser Alternative ernsthaft auseinandersetzen.


    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Tillmanns: Das tun wir ja den ganzen Nachmittag!)