Rede von
Fürst zu
Eugen
Oettingen-Wallerstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zunächst mit dem Antrag des Ausschusses für das
Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, Drucksache Nr. 3163, zu befassen, der bis jetzt in der Diskussion keine Rolle gespielt hat und in dem der Ausschuß sich die Ziffer 6 des Antrags der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3084 zu eigen gemacht hat und dadurch gleichfalls den Wunsch bekundet, daß die den eventuellen Verteidigungsbeitrag betreffenden Abmachungen erst zu paraphieren seien, wenn der Generalvertrag auf der Basis der deutschen Souveränität, d. h. der vollen deutschen Gleichberechtigung zuvor ratifiziert worden ist. Dieser Punkt des Antrags der Föderalistischen Union ist durch unsere Überzeugung bedingt, daß der Friede unbedingt erhalten werden muß, daß die Wiedervereinigung Deutschlands nicht gefährdet werden darf, ohne von dem Standpunkt der striktesten Ablehnung des Bolschewismus irgendwie abzuweichen, und — auch von dieser Voraussetzung ging unser Antrag aus — daß die Verteidigungsgemeinschaft wohl die stärkste Ausdrucksform gemeinschaftlichen Denkens und europäischen Fühlens ist, wofür aber doch wohl erst die Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Das geeinte Europa, zu dem wir uns immer bekannt haben, muß aber erst da sein. Es muß von allen Partnern ebenso wie von uns bejaht werden. Dieses geeinte Europa kann nun einmal nur auf dem Boden vollster Gleichberechtigung gedeihen. Bis jetzt hat uns der Gang der Ereignisse recht gegeben.
Die übrigen Punkte unseres seinerzeitigen Antrags hat der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten teils für gegenstandslos, teils für erledigt erklärt und teilweise abgelehnt. Meine Fraktion ist aber gleich mir der Ansicht, daß auch diese Punkte von solcher Tragweite sind, daß sie nicht ohne weiteres abgetan werden können.
Da ist zunächst der Punkt 1. Die Bundesregierung beabsichtigt, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen; das ist ein Thema, das mir ganz sicher nicht als gegenstandslos erscheint. Wir sind der Meinung, daß nach der mit aller Gründlichkeit durchgeführten Entmilitarisierung des deutscher Volkes in den letzten sieben Jahren und nach de Diffamierüng des deutschen Soldaten unserem Volke nicht jetzt schon wieder eine allgemeine Wehrpflicht zugemutet werden kann. Die Entschließung, die die Regierungsparteien am 8. Februar mit Drucksache Nr. 3074 zur Annahme brachten, stellt übrigens gar keine Festlegung im Sinne einer allgemeinen Wehrpflicht dar.
Wir sind ferner nach wie vor der Ansicht, daß ein Bundestagsausschuß für Verteidigungsfragen sehr wohl am Platze ist. Der Auswärtige Ausschuß oder ein Unterausschuß, der unter Umständen nicht zusammentritt oder nicht zusammengerufen wird, ist dafür nicht zuständig.
Wir sind auch nach wie vor der Auffassung, daß eine verfassungsrechtliche Klärung notwendig ist, da nach dem Wortlaut des Grundgesetzes der Bund nicht die Befugnis hat, die Wehrhoheit auszuüben bzw. die Wehrpflicht einzuführen. Es gibt nur den Weg der vorherigen Klärung durch das Bundesverfassungsgericht oder eine verfassungsrechtliche Regelung im Benehmen mit den Ländern.
Wir meinen auch, daß die völkerrechtliche Stellung der etwaigen deutschen Soldaten im Benehmen mit den in Betracht kommenden Stellen geklärt werden muß. Wenn 21 deutsche Journalisten
nach dem deutschen Waffenstillstand und vor der japanischen Kapitulation bei den Japanern mit ihren Schreibmaschinen weitergekämpft haben und daraufhin im Jahre 1947 von einem amerikanischen Militärgericht zu schwersten Freiheitsstrafen — lebenslänglich und zwanzig bis dreißig Jahre — verurteilt werden konnten
und wenn im Jahre 1950 acht bewaffnete Volkspolizisten aus der Ostzone, die den amerikanischen Sektor Berlins durchfuhren, von dem amerikanischen Bezirksgericht zu je drei bzw. zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden sind, weil sie gegen das Kontrollratsgesetz verstoßen hatten, das den Deutschen das Waffentragen verbot, so ist das doch wohl ein Fingerzeig dafür, daß alle Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit die völkerrechtliche Stellung des deutschen Soldaten genau die gleiche wie die der übrigen Angehörigen der etwaigen europäischen Kontingente ist. Wie man den jetzigen Standpunkt nennt — völkerrechtlich oder besatzungsrechtlich —, ist für den Betroffenen egal. Wichtig ist, daß die Alliierten den bisherigen Standpunkt aufgeben. Je genauer diese Fragen geklärt werden, desto fester kann die Einigkeit Europas, so glauben wir, zur gegebenen Zeit untermauert werden, zu deren Verwirklichung wir uns nach wie vor bekennen.
Wir bitten daher, unseren Antrag anzunehmen, und zwar unter Weglassung der Ziffer 3, da dieser Punkt durch die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 3077 der Regierungsparteien erledigt ist. Wir bitten ferner, über den Antrag eventuell ziffernweise abstimmen zu lassen.
Was nun unsere Stellungnahme zu dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 3210, die deutsche Einheit betreffend, anlangt, so stehen wir auf dem Standpunkt, daß alle Verhandlungsmöglichkeiten mit Rußland ausgenützt werden müssen, daß die Verbindungen mit dem Osten nicht abreißen sollen und daß die Erhaltung des Friedens und die friedliche Wiedergewinnung der deutschen Einheit — selbstverständlich außerhalb der russischen Einflußsphäre — oberstes Ziel ist. Mag man den russischen Vorschlägen mit noch so berechtigter großer Skepsis gegenüberstehen, — unversucht darf nichts bleiben! Das kann uns selbstverständlich nicht hindern, uns zum Westen und zur westlichen Kultur zu bekennen. Wovor wir aber warnen möchten, das wäre das vielleicht übereilte Eingehen von Bindungen, also der Abschluß des Generalvertrags und des Verteidigungsbeitrags nebst Zusatzverträgen, so daß die vielleicht noch vorhandenen Verbindungsmöglichkeiten mit dem Osten gefährdet werden könnten, zumal der Inhalt dieser Verträge noch nicht bekannt ist. Wenn General Eisenhower kürzlich betont hat, Europas Sicherheit stehe und falle mit der Beteiligung Deutschlands, so können wir das sehr gut verstehen, und wir begrüßen diesen Standpunkt auch, wir erwarten aber, daß die Alliierten aus dieser Erkenntnis die erforderlichen Konsequenzen in dem Sinne ziehen, daß unsere Beteiligung unter allen Umständen nur einen Verteidigungscharakter haben wird, und zwar auf der Grundlage der Gleichberechtigung, und daß der Verteidigungsbeitrag nicht der Ausgangspunkt für einen Präventivkrieg sein darf. Wir müssen angesichts der gegebenen Lage erwarten, daß die alliierten Staatsmänner wie General Eisenhower dafür Verständnis aufbringen, daß wir die Integration Europas bejahen. aber auch die Einheit Deutschlands einschließlich der Gebiete jen-
seits der Oder-Neiße anstreben und daß diese deutsche Einheit seitens der Alliierten nicht anderen politischen Zielen geopfert werden kann.
Wir sind auch der Ansicht, daß wir in allen Phasen der Verhandlungen der Westalliierten mit Rußland mit eingeschaltet sein müssen, damit wir, so gut es geht, verhindern können, daß wir zum Schacherobjekt werden. Durch Beiseitestehen erreichen wir bestimmt gar nichts. Alle Maßnahmen und Versuche, die der Erhaltung des Friedens, der Einigkeit Deutschlands und dem Aufbau eines geeinten Europas dienen, sind nur zu begrüßen.
Angesichts der heute zur Debatte stehenden Fragen würden wir es begrüßen, wenn eine geschlossene, einheitliche Stellungnahme des Bundestags zustande käme. Wir beantragen daher, den Antrag der SPD Drucksache Nr. 3210 und den Antrag der Regierungsparteien Drucksache Nr. 3277 dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten mit dem Auftrag zu überweisen, einen einheitlichen Wortlaut abzufassen, wobei wir aber feststellen, daß wit den Hinweis auf die am 6. Februar dieses Jahres verabschiedete Wahlordnung nicht billigen können, nachdem die Föderalistische Union aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten seinerzeit gegen diese Wahlordnung gestimmt hat.