Meine Damen und Herren! Die Antwortnote der drei Westmächte auf den Vorschlag der Regierung der UdSSR, Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrages aufzunehmen, war mit -dem Bundeskanzler Dr. Adenauer und, wie wir heute aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers erfahren haben, auch mit dem Oberbürgermeister von West-Berlin, der der Sozialdemokratischen Partei angehört, abgesprochen.
Der offensichtliche Zweck des Tones und des Inhaltes der Antwortnote ist, das- Zustandekommen von Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland im jetzigen Augenblick zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Wie die Presse .meldet, hat Dr. Adenauer in Paris auf- eine Verschärfung der Antwortnote der Westmächte hingewirkt Diese Tatsache, in Verbindung mit verschiedenen Erklärungen aus Regierungskreisen und des Bundeskanzlers selber, zeigt, daß Dr. Adenauer bestrebt ist, das Zustandekommen von Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrages, über die Wiederherstellung der nationalen Einheit und der Unabhängigkeit Deutschlands zu verhindern und statt dessen die Verhandlungen über den Abschluß des -Generalvertrags zu beschleunigen.
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Nach der Ursache dieses Verhaltens Dr. Adenauers forschen, heißt die Grundkonzeption seiner gesamten Politik klarlegen. Sowohl in der internationalen wie in der deutschen Presse hat die Erklärung des Staatssekretärs Hallstein, die Integration Europas umfasse das ganze Europa bis zum Ural, großes Aufsehen erregt. Der CDUPressedienst nannte einen Tag später diese Erklärung des Staatssekretärs und nächsten Mitarbeiters Dr. Adenauers eine große politische Konzeption.
Mit der Erklärung über den Zusammenschluß Europas bis zum Ural hat der Herr Staatssekretär das politische Programm seines Kanzlers in sehr offener und drastischer Weise charakterisiert.
Dr. Adenauer selber erklärte in Siegen, daß seine
Politik auf die Neuordnung Osteuropas gerichtet
sei.
Nach einem Bericht der „Neuen Zeitung" sagte Dr. Adenauer, erst wenn der Westen stark genug sei, ergebe sich ein wirklicher Ausgangspunkt für Verhandlungen mit dem Ziel, nicht nur die Sowjetzone, sondern das versklavte Europa östlich des Eisernen Vorhangs zu befreien.
Dr. Adenauer erklärte also im Prinzip dasselbe wie sein Staatssekretär. Die Konzeption Dr. Adenauers lautet: Aufrüstung Westdeutschlands, Eingliederung Westdeutschlands in eine Militärallianz mit dem Ziel, durch militärische Gewalt nicht nur die Deutsche Demokratische Republik, sondern das ganze östliche Europa zu erobern. Wer auf dem Gebiet der internationalen Politik, der Beziehungen zwischen den Völkern die militärische Macht in die Waagschale wirft, betreibt nichts anderes als eine Politik des Säbelrasselns, der Kriegsdrohung und des Krieges.
Er beschreitet damit den Weg, den bereits Hitler ging, der auch unter der Losung „Neuordnung Europas" mit bewaffneter Faust ein Land nach dem anderen besetzte.
Die Folge war, daß das deutsche Volk und ganz Europa in einen furchtbaren Krieg gestürzt wurden. Die Geschichte der letzten 35 Jahre dürfte allen zeigen, daß die Drohung mit militärischer Gewalt nicht die geeignete Basis für die Beziehungen zwischen den Völkern, insbesondere nicht für die Beziehungen mit der Sowjetunion ist.
Die Erfahrungen aller Eroberer beweisen, daß derjenige, der seine Beziehungen zur Sowjetunion auf der Grundlage des Gesprächs der Kanonen aufbauen will, daran zugrunde geht.
Die Adenauersche Konzeption der Aufrüstung, d. h. des Drohens mit der militärischen Gewalt, kann somit nur die Verwandlung Deutschlands in den Hauptkriegsschauplatz in einem dritten Weltkrieg sein.
Die Interessen des deutschen Volkes dagegen erfordern es, daß alles getan wird, damit sofortige Verhandlungen über den Abschluß des Friedensvertrages mit Deutschland aufgenommen werden. Solche Verhandlungen würden wesentlich dazu beitragen, daß die Gegensätze in Europa und in der Welt entspannt würden, und wären ein entscheidender Faktor zur Sicherung des Friedens in Europa.
Daß die Sowjetunion an einer Entspannung der internationalen Lage interessiert ist, wird aufs neue durch das äußerst bedeutsame Interview des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR Generalissimus Stalin unterstrichen.
Stalin bestätigt darin abermals, daß die Sowjetunion auf dem Standpunkt des friedlichen Nebeneinanderbestehens der beiden Systeme steht,
daß sie ihrerseits den Willen zur Zusammenarbeit, die Einhaltung eingegangener Verpflichtungen und den Grundsatz der Gleichberechtigung als Grundlage des Nebeneinanderbestehens der beiden Systeme betrachtet.
— Es steht wörtlich so drin! —
Es ist für das deutsche Volk von besonderer Wichtigkeit, daß Stalin ausdrücklich erklärt, er halte den derzeitigen Zeitpunkt für die Vereinigung Deutschlands für geeignet. Das Interview Stalins sollte allen westdeutschen Politikern Anlaß geben, ihre Haltung zur Note der Regierung der UdSSR zu überprüfen
und alles für das Zustandekommen von Verhandlungen über einen Friedensvertrag und gesamtdeutsche Beratungen, über freie und demokratische
Wahlen zur Nationalversammlung zu unternehmen. Dr. Adenauer aber befindet sich voll auf der
Linie der amerikanischen Politik, die an dem Abschluß eines Friedensvertrags nicht interessiert ist.
Dr. Adenauer fürchtet das Zustandekommen von Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrags. Er fürchtet gesamtdeutsche freie Wahlen. Der Bundeskanzler weiß ganz genau, daß er in einem einheitlichen demokratischen und friedliebenden Deutschland durch den demokratischen Willen unseres Volkes kein Kanzleramt einnehmen könnte.
Darum beschleunigt er den Abschluß des Generalvertrags, um Tatsachen zu schaffen., die, wie die Einbeziehung Westdeutschlands in den Atlantikpakt und die Aufstellung westdeutscher Truppenverbände in der Europa-Armee, die Herstellung der Einheit Deutschlands unmöglich machen.
Die amerikanische Zeitung „New York Harald Tribune" hat die Hintergründe der Entsendung der UN-Kommission enthüllt, wenn sie schreibt, daß diese Kommission erst im September den Vereinten Nationen ihren Bericht zu erstatten habe, daß aber bis dahin der europäische Verteidigungspakt unterzeichnet und die Rekrutierung deutscher Divisionen in Gang sein könne. Das heißt, meine Damen und Herren, die Kommission wurde nur nach Deutschland entstandt, um das Zustandekommen gesamtdeutscher freier Wahlen hinauszuzögern, bis mit dem Abschluß des Generalvertrags solche Tatsachen geschaffen sind, die die Herstellung der Einheit Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrags mit einem geeinten Deutschland unmöglich machen sollen.
Das erklärt auch, warum in der Antwortnote der Westmächte an die Sowjetregierung ausdrücklich die Bedingung enthalten ist, daß Deutschland sowohl vor wie nach dem Abschluß eines Friedensvertrags Teil des Atlantikkriegsblocks werden kann. Wie bekanntgeworden ist, ist in dem Generalvertrag der Passus enthalten, daß alle Verpflichtungen, die der Bundesrepublik auferlegt sind, von einem wiedervereinten Deutschland voll übernommen werden müssen.
Es ist einleuchtend, daß ein solcher Passus im Generalvertrag eine Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich machen würde.
Daß Dr. Adenauer bereit ist, für seine völlig auf der amerikanischen Linie liegende politische Konzeption auf deutsche Interessen zu verzichten, beweist nicht zuletzt sein Abkommen mit dem französischen Außenminister Schuman und dem Ministerpräsidenten der Saarregierung Hoffmann.
Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Dr. Adenauer, um das Zustandekommen seiner Europapläne zu erleichtern, auf die Saar als Bestandteil Deutschlands verzichtet hat. Es gibt weiterhin keinen Zweifel darüber, daß er durch seine Abmachungen und sein Gespräch mit Hoffmann die separatistische Saarregierung de facto anerkannt hat.
In Westdeutschland zeichnen sich also immer eindeutiger zwei politische Linien ab. Die eine ist die von Dr. Adenauer verfolgte Politik der Eingliederung Westdeutschlands in den Atlantikkriegsblock, der Remilitarisierung Westdeutschlands und der fortschreitenden Aufrichtung eines Polizeiregimes und der Militärdiktatur.
Diese Politik dient dem von den USA verfolgten Ziel der Aufrichtung ihrer Weltherrschaft.
Die andere politische Linie ist gerichtet auf die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf friedlichem Wege durch gesamtdeutsche demokratische Wahlen zur Nationalversammlung, die Bildung einer deutschen Regierung und den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland. Die Note der Regierung der UdSSR hat den Abschluß des Friedensvertrags mit Deutschland in den Mittelpunkt des internationalen Interesses gerückt. Im wachsenden Maße erkennt die westdeutsche Bevölkerung, daß in der Note der Sowjetregierung ein gangbarer Weg für die Erhaltung des Friedens und für die Errichtung eines einheitlichen, unabhängigen, friedlichen und demokratischen Deutschlands gewiesen wird.
Das Interview des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, Generalissimus Stalin, beseitigt alle Einwendungen und Zweifel an dem aufrichtigen Willen der Sowjetunion, einen Friedensvertrag auf der Basis der Wiederherstellung der nationalen Souveränität, der Unabhängigkeit und Gleichberechtigung mit Deutschland abzuschließen. Meine Damen und Herren, ich appelliere daher an Sie: Nutzen Sie diese Chance im Interesse unserer Nation; denn jedes Wort im Interview ist auch die wahre Absicht der Sowjetunion.
Die Feinde der Einheit Deutschlands, die den Abschluß eines Friedensvertrags nicht wollen, versuchen durch die Weckung chauvinistischer Ge-
fühle die Bestrebungen zum Abschluß des Friedensvertrags im deutschen Volk zu torpedieren. Dazu benutzen sie den Vorschlag der Sowjetregierung, die Grenzen Deutschlands auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens festzulegen. Dr. Adenauer, der bereitwillig zugunsten seiner Europa-Idee auf das Saargebiet verzichtet, erhebt ein großes Geschrei wegen der Oder-Neiße-Grenze. Indem die vier Großmächte die Oder-Neiße-Linie und die Aussiedlung der Deutschen aus den Gebieten östlich der Oder—Neiße festlegten, legten sie damit die östlichen deutschen Grenzen fest.
Seitdem ist das Gebiet östlich der Oder—Neiße von Millionen polnischer Arbeiter und Bauern besiedelt. Die Hetze gegen die Oder-Neiße-Grenze kann somit nur den Zweck verfolgen, neuen Zündstoff zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarvölkern zu schaffen, und liegt nur im Interesse derjenigen, die eine Freundschaft zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk nicht wollen.
Die Zukunft des deutschen Volkes selbst erfordert jedoch freundschaftliche Beziehungen zum polnischen Volk wie zu allen andern Völkern. Der Versuch, mit den Mitteln des Kriegs die Grenze an Oder und Neiße zu korrigieren, würde dem deutschen Volk nur neues Unglück bringen. Ich erkläre hier noch einmal, was ich bereits voriges Jahr zu dieser Frage schon sagte: Wenn in Polen Mikolaiczyk der Regierungschef wäre, so würden die amerikanische, die britische und die französische Regierung Ihnen verbieten, solche Reden hier zu halten!
Der Abschluß eines Friedensvertrags und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands liegen in erster Linie in deutschem Interesse. Das deutsche Volk kann sich darum in diesen Fragen nicht passiv verhalten, sondern muß selbst zu Handlungen übergehen. Auf die deutsche Initiative kommt es hierbei an. Das deutsche Volk und die Abgeordneten als die von der westdeutschen Bevölkerung gewählten Vertreter müssen eindeutig ihren Willen bekunden und den Abschluß des Friedensvertrags fordern. Darüber hinaus kann nur durch die deutsche Initiative der deutsche Verhandlungspartner geschaffen werden, der berechtigt ist, bei den Verhandlungen das deutsche Volk gegenüber den Großmächten zu vertreten. Dieser Verhandlungspartner kann nur eine gesamtdeutsche Regierung sein. Darum ist das Zustandekommen gesamtdeutscher demokratischer Wahlen zur Nationalversammlung
unumgänglich.
Wir haben es begrüßt, daß sich der Parteivorstand der SPD für die Aufnahme der Verhandlungen zwischen den Großmächten zum Abschluß eines Friedensvertrags erklärte. Ebenso begrüßen wir die Erklärung, daß die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als vorrangige Aufgabe zu betrachten sei und daß unter keinen Umständen die Einheit Deutschlands dem Abschluß des Generalvertrags geopfert werden dürfe. Darum stimmen wir dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu.
Jedoch erfordern diese Erklärungen des Parteivorstands und der Bundestagsfraktion der SPD, daß daraus zugleich die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Wer gesamtdeutsche Wahlen will, muß dafür sein, daß sich die Deutschen in Ost und West über ein gesamtdeutsches Wahlgesetz verständigen, daß also Beratungen zwischen den Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik und der Deutschen Bundesrepublik aufgenommen werden.
Die Sicherung des demokratischen Charakters der Wahlen ist eine Angelegenheit des deutschen Volkes selbst, wobei durchaus die Möglichkeit besteht, daß eine Kommission der vier Besatzungsmächte die Kontrolle ausübt.
Wer der Überzeugung ist, daß die AdenauerRegierung eine verhängnisvolle Politik betreibt, wer der Herstellung der Einheit Deutschlands den Vorrang gibt und wer den Abschluß eines Friedensvertrags will, der muß auch für den Zusammenschluß aller demokratischen Kräfte im Volke, insbesondere für den Zusammenschluß der Arbeiterklasse sein mit dem Ziel, der verhängnisvollen Poiitik der Adenauer-Regierung Einhalt zu gebieten und eine Politik, die im nationalen Interesse unseres Volkes steht, zu erzwingen. Es ist allgemein bekannt, daß die Unruhe und Unzufriedenheit über die Politik der Regierung Adenauer nicht nur in den Massen unseres Volkes, sondern auch unter den Abgeordneten dieses Hauses, ja selbst unter den Abgeordneten der Regierungsparteien wächst.
Der immer deutlicher auf den Krieg zusteuernde Kurs der Bundesregierung macht es aber erforderlich, daß die Abgeordneten nicht nur ihre Unruhe und Unzufriedenheit über die Politik der Bundesregierung draußen beim Volk zu erkennen geben, sondern auch den Mut aufbringen; dieser Politik ihre Zustimmung zu verweigern.
Dr. Adenauer erklärte heute: Die Sowjetunion will keinen Krieg. Er sagte ganz richtig,
daß die Sowjetunion einen großen inneren, friedlichen Aufbau des Landes vollzieht.
Mit dieser Erklärung, Herr Dr. Adenauer, die der
Wahrheit entspricht, entziehen Sie sich selbst die
Grundlage Ihrer ganzen Remilitarisierungspolitik.
Ich erinnere Sie an die Debatte über den Wehrbeitrag.
Das wollen Sie nicht hören! Ich erinnere Sie an die Debatte über den Wehrbeitrag. Damals hat Dr. Adenauer ein Memorandum vorgelesen und dem Hause einen Katalog vorgelegt, wieviel Divisionen und was weiß ich alles die Sowjetunion in Deutschland hat;
und heute erklärt er, daß die Sowjetregierung den Frieden will. Damit entzieht er seiner ganzen Politik; dem Aufbau seiner Divisionen in Deutschland, selbst die Grundlage.
Die kommunistische Fraktion erachtet es für notwendig, daß der Bundestag beschließt:
Erstens. Die Regierung Adenauer wird verpflichtet, sofort ihre Verhandlungen über den Abschluß des Generalvertrags einzustellen.
Zweitens: Die Regierung und der Bundestag wenden sich an die vier Großmächte mit der Aufforderung, möglichst bald mit den Verhandlungen über den Abschluß eines Friedensvertrags zu beginnen.
Drittens: Ich fordere den Bundestag auf, Vertreter für gesamtdeutsche Beratungen
über die Herbeiführung freier, demokratischer Wahlen zur Nationalversammlung in ganz Deutschland zu bestimmen.
Das ist der Weg, den das deutsche Volk in seiner Mehrheit verlangt. Dieser Weg allein liegt im nationalen Interesse unseres Volkes. Das ist der Wille unseres Volkes zu und Völkerverständigung.