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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 204. Sitzung. Bonn, den 3. und 4. April 1952 8743 204. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. April, und Freitag, den 4. April 1952. Erster Tag: 3. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen 8744D, 8799D, 8800A Zur Tagesordnung 8745A, 15 Erweiterung des Punktes 2 durch die Anträge Nrn. 3268 und 3276 der Drucksachen betr. Truppenübungsplatz Bergen-Belsen 8745A Antrag auf Erweiterung des Punktes 1 durch den Antrag der Fraktion der SPD betr. Verhandlungen über das Saargebiet (Nr. 3236 der Drucksachen): Mellies (SPD) 8745A Dr. von Brentano (CDU) 8745C Widerspruch gegen Aufsetzung 8745D, 8799D Absetzung der Punkte 3 a bis f betr. Zollfragen: Dr. Horlacher (CSU) 8745D Mellies (SPD) 8746A Sperrfrist für Fragen zur nächsten Frage- stunde 8745A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU, betr. Deutschen Verteidigungsbeitrag (Nrn. 3163, 3084 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erklärungen des Staatssekretärs Prof. Dr. Hallstein (Nrn. 3203, 3279 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einheit Deutschlands (Nrn. 3210, 3277, 3288 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Auswärtiges Amt (Nr. 3211 der Drucksachen) 8746B Dr. Kopf (CDU): als Berichterstatter 8746C als Abgeordneter 8798A Eichler (SPD), Anfragender 8748C Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8751C, 8758A, 8767C Wehner (SPD), Antragsteller . . . . 8753B Dr. Reismann (FU), Antragsteller . 8762A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 8763C 011enhauer (SPD) 8763D, 8790A Euler (FDP) 8768D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 8771B Dr. von Merkatz (DP) 8776B Dr. von Brentano (CDU) 8779B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 8782D Reimann (KPD) 8784A Dr. Tillmanns (CDU) 8787A Kiesinger (CDU) 8791D Hedler (Fraktionslos) 8795B Loritz (Fraktionslos): zur Sache 8796A persönliche Bemerkung 8800B Dr. Reif (FDP) 8797C Abstimmungen 8798B Zur Geschäftsordnung, betr. Weiterberatung: Dr. von Brentano (CDU) 8800A Unterbrechung der Sitzung 8800B Zweiter Tag: 4. April 1952 Geschäftliche Mitteilungen . 8800C, 8801A, 8816C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmen durch die Besatzungsmächte für militärische Zwecke (Nrn. 3246, 3006 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FU betr. Beschlagnahmung von Geländeteilen für militärische Zwecke (Nrn. 3247, 3145 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Flugplatzbau in Söllingen-Stollhofen und den Antrag der Fraktion der KPD betr. Freigabe des Städtischen Schwimmbades in Frankfurt/Main- Fechenheim durch die Besatzungsmacht (Nrn. 3248, 2961, 2968 der Drucksachen), mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Verhinderung von Landbeschlagnahmung für militärische Zwecke und den Antrag der Fraktion der FU betr. Militärflugplatz in Münster-Handorf (Nrn. 3249, 2922, 3007 der Drucksachen), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Truppenübungsplatz Bergen-BelsenMunster-Fallingbostel (Nr. 3268 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erweiterung des Truppenübungsplatzes Bergen-Belsen (Nr. 3276 der Drucksachen) 8745A, 8800C Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 8801A als Abgeordneter 8807D Matthes (DP), Antragsteller 8802C Frau Korspeter (SPD), Antrag- stellerin 8803D Majonica (CDU) 8804B Niebergall (KPD) 8804C Morgenthaler (CDU) 8805A Müller (Frankfurt) (KPD) 8805D Dr. Bertram (FU) 8806B, 8807B Jaffé (DP) 8806D • Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8807A Dr. Arndt (SPD) (zur Abstimmung) . 8808A Abstimmungen 8808A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz) (Nr. 3217 der Drucksachen) . . . 8808B Arndgen (CDU), Antragsteller 8808B, 8810C Freidhof (SPD) 8808D Renner (KPD) 8810A Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 1951 (Nr. 3208 der Drucksachen) 8810D Ausschußüberweisung 8810D Erste Beratung des von der Fraktion der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Abschnitts I des Grundgesetzes (Nr. 3206 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. steuerliche Erleichterungen für Handwerks- und Kleingewerbebetriebe (Nr. 3212 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 3213 der Drucksachen) 8810D Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 8811A Dr. Preusker (FDP), Antragsteller 8811D Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 8812A Loritz (Fraktionslos) 8812B Renner (KPD) 8812D Ausschußüberweisungen 8813A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zúm Strafverfahren gegen den Abg. Hilbert gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. Februar 1952 (Nr. 3222 der Drucksachen) 8813B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8813B Beschlußfassung 8813D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und ,Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 7. März 1952 (Nr. 3235 der Drucksachen) 8813D Löbe (SPD), Berichterstatter . . . 8814A Renner (KPD) 8814B Dr. Mende (FDP) 8814C Ritzel (SPD) 8814D Beschlußfassung 8815A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik (37. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Devisen für den deutschen Kunst- handel (Nrn. 3231, 3099 der Drucksachen) 8815A Dr.-Ing. Decker (FU), Berichterstatter 8815B Hennig (SPD) 8815D Beschlußfassung 8816C Nächste Sitzung 8816C Erster Tag: Donnerstag, den 3. April 1952. Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Manchmal hatte ich heute während der Debatte den Eindruck, als sei die Frage, die wir heute diskutieren, eine Frage, die hier von uns in diesem Hohen Hause gelöst werden könne. Leider ist es nicht so. Leider ist es nicht in unsere Zuständigkeit gegeben, die deutsche Einheit herbeizuführen. Leider sind wir — und das ist ja auch angeklungen — darauf angewiesen, immer wieder diese Forderung zu erheben, immer wieder das Interesse der Weltöffentlichkeit auf diese Frage zu lenken, immer wieder von neuem nach Ost und West zu sagen, daß die Beschlüsse von Jalta, von Teheran und von Potsdam, die zu dieser unseligen Zerreißung unseres Vaterlands geführt haben, noch den Geist des Krieges, aber nicht den neuen Geist des Friedens geatmet haben,

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    daß die Entscheidungen, die in Potsdam gefallen sind, nicht der Beginn einer neuen Friedensepoche sein konnten, sondern daß sie, wenn sie nicht einer Revision unterzogen werden, in sich bereits den Keim für neue Auseinandersetzungen in der Zukunft tragen.
    Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, es ist — ich wiederhole es — leider nicht uns allein gegeben, diese Fragen zu entscheiden. Mein Kollege Euler hat schon in seiner Rede gesagt: wenn es in der deutschen Zuständigkeit läge, wenn es nur an uns läge, die Wahlen in Gesamtdeutschland auszuschreiben, - ja, wie das Ergebnis einer solchen Wahl wäre, daran zweifelt niemand in diesem Hause. Aber wir sind nun einmal darauf angewiesen, hier ein Einverständnis der vier Mächte herbeizuführen, die Deutschland seit dem Jahre 1945 besetzt halten.
    Wir diskutieren hier über die Note der Sowjetunion vom 10. März, und wir diskutieren über ihre Beantwortung am 25. März. Ich meine, es ist doch notwendig, sich einmal die Frage zu stellen, wie es eigentlich dahin gekommen ist, daß wir eine solche Note vom 10. März diskutieren können, von der wir doch alle den Eindruck haben, daß sie wirklich eine neue Epoche eingeleitet haben kann, daß auf jeden Fall das erste Mal seit dem Jahre 1945 wenigstens dem geschriebenen Wort nach ein Kurswechsel in der Politik der Sowjetunion zu sehen ist.

    (Sehr richtig!)

    Das zwingt doch, einen Blick auf die deutsche Außenpolitik schlechthin zu werfen, wie sie in den letzten Jahren geführt worden ist, und ich möchte vorwegnehmen, was ich dazu sagen mochte. Ich glaube, wir haben Anlaß, hier zu unterstreichen, daß diese Note vom 10. März niemals geschrieben und niemals angekommen wäre, wenn nicht die deutsche Politik in den letzten Jahren unbeirrbar und zah einen sehr konsequenten Weg gegangen ware.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte auf die einzelnen Etappen dieser Politik nicht eingehen, ich möchte ment im einzelnen an diesen Weg erinnern, der von der Münchener Ministerpräsidentenkonferenz über die zahlreichen Außenministerkonferenzen in London, in Moskau und in Paris gefuhrt hat, über alle diese Konferenzen, auf denen wir von der sowjetrussischen Regierung zu den deutschen Problemen und zu den deutschen Fragen immer nur das Wort „nein" hören konnten.
    Eines aber, glaube ich, dürfte unbestreitbar sein: wenn wir in den letzten Jahren die Politik verfolgt hätten, die uns eben in seiner letzten Rede Herr Kollege Schmid empfohlen hat dann wäre die sowjetrussische Note nicht geschrieben worden,

    (lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien) und dann wäre auch die Antwort der westlichen Alliierten anders ausgefallen.


    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe das, was Herr Kollege Ollenhauer über die gleiche Wertung dieser vier Mächte sagte, durchaus verstanden. Auch ich hatte niemals den Eindruck, daß Herr Kollege Ollenhauer etwa in der moralischen Wertung dieser vier Mächte auch nur einen Vergleich ziehen wollte.

    (Zuruf von der SPD: Sprechen Sie auch für den Kanzler?)

    — Meine Damen und Herren, ich spreche nur für mich; das scheint bei Ihnen nicht bekannt zu sein. —

    (Heiterkeit. — Abg. Kunze: Und für die Fraktion!)

    Ich möchte dem Herrn Kollegen Ollenhauer trotzdem sagen, daß ich auch in der Auffassung, die er


    (Dr. von Brentano)

    hier vertreten hat, wie er, ich möchte sagen, die politische Wertung, also die politische Kraft der Vier verglichen hat, in keiner Weise mit ihm übereinzustimmen vermag. Selbstverständlich ist es insofern richtig, als wir der Zustimmung der vier Mächte bedürfen; denn wir wissen alle — und dasist hier von allen Sprechern wohl gesagt worden —: der Weg zur deutschen Einheit führt notwendigerweise über eine Vereinbarung der Vier, die dazu nein oder ja sagen können. Aber wenn ich eine Entscheidung von vier Partnern erwarte, dann lege ich mehr Wert auf den Einfluß und auf die Wirkung von dreien, die es gut mit mir meinen, als auf denjenigen, der es schlecht mit mir meint. Insofern bin ich nicht der Meinung, daß wir von einer gleichen Wertung, auch nicht im politischen Gespräch, in der politischen Diskussion zwischen den Vieren, reden können.
    Gewiß, der Herr Kollege Schmid mag recht haben, wenn er sagte: Die Entscheidungen, die etwa seit der Washingtoner Konferenz von den westlichen Alliierten über die deutsche Zukunft getroffen worden sind, sind nicht frei von Egoismus. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß irgend jemand hier in diesem Saale so merkwürdige Vorstellungen von politischen Realitäten hat,

    (Abg. Kiesinger: Wir leben immer noch auf dieser Welt!)

    daß er etwa glaubt, auf irgendeiner Seite könnte man mit Geschenken aus Liebe rechnen.

    (Sehr gut! rechts und in der Mitte. — Weiterer Zuruf rechts: Es ist keine Brautnacht!)

    — Nein, daß politische Entscheidungen letzten Endes entscheidend auch von Zweckmäßigkeitserwägungen der Beteiligten beeinflußt werden, ist mir klar; und daß es nicht nur eine Geste etwa der inneren Freundschaft ist, wenn wir heute in einem anderen Verhältnis zu den westlichen Alliierten stehen, das wissen wir alle. Aber ich glaube doch, auch wenn solche Gründe wie in allen Fällen entscheidend mitspielen, dann sollten wir uns doch freuen, daß es der deutschen Politik gelungen ist, aus drei Siegern des Jahres 1945 drei Partner von morgen zu machen. So hoffen wir wenigstens.
    Ich weiß nicht, ob es auf dem Wege — ich wiederhole es —, den der Herr Kollege Schmid angezeigt hat, gelungen wäre.

    (Abg. Kunze: Er hat ja keinen angezeigt!)

    Ich meine das um so weniger, als ich dem Herrn Kollegen Schmid — er ist leider nicht da — sagen muß: seine Vorstellungen auch über die Politik der deutschen Regierung in den nächsten Wochen und Monaten

    (Zuruf von der CDU: Nichts zu tun!) halte ich für so verhängnisvoll,


    (Abg. Euler: Sehr richtig!)

    daß ich jede Regierung, die eine solche Politik treiben würde, mit aller Leidenschaft bekämpfen müßte.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Schmid sagte in diesem Zusammenhang sinngemäß: Wir dürfen nichts tun, was Sowjetrußland das Interesse an einer solchen Verständigung etwa nehmen könnte. Er sprach davon, es bedeute doch wohl eine Zumutung für die Russen, wenn man von ihnen verlange, zuzustimmen, daß sich Deutschland, daß sich vielleicht morgen das gesamte Deutschland in Europa integrieren
    könne. Meine Damen und Herren, ich habe nicht soviel Verständnis für die russische Psychologie, und ich will es auch nicht haben; denn ich habe kein Verständnis dafür, daß man mit einem solchen Vorschlage dem deutschen Volke zumutet, nichts zu tun und sich nicht zu entscheiden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist ja dann sogar gesagt worden. Es ist ausgesprochen worden: es müsse nun Aufgabe der deutschen Politik sein, nichts mehr zu tun, keine Fakten zu schaffen, auch nicht durch den Abschluß von Verträgen, von denen nur der Böswillige sagen kann, daß sie irgendwelche aggressiven Tendenzen enthielten. Wenn wir diesen Weg gehen, dann werden wir, glaube ich, ohne viel Aufwand von Phantasie den Ablauf der Verhandlungen zwischen den vier Mächten voraussagen können.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Dann werden die Verhandlungen etwa denselben Lauf nehmen wie die Besprechungen im Palais Marbre Rose in Paris; dann werden noch in zwei Jahren die ersten Voraussetzungen dafür, über was man überhaupt sprechen will, in einem Kreise der stellvertretenden Außenminister diskutiert werden; und wir werden beiseite stehen und vielleicht das Interesse Rußlands allerdings durch unsere Passivität geweckt, aber das Interesse der westlichen Alliierten verloren haben.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wie wenig überzeugend das, was Herr Kollege Schmid hier zu diesem Problem vortrug, war, scheint mir nicht nur sein Vortrag als solcher bewiesen zu haben, der sehr reich an Widersprüchen war.

    (Sehr gut! rechts.)

    Herr Kollege Schmid hat hier immer wieder in einer ganzen Reihe von Sätzen das gleiche gesagt: Was wir Deutschen brauchen, was wir Deutschen verlangen, was man uns Deutschen geben muß, ist eine Sonderregelung.

    (Abg. Kunze: Weil er ja nichts zu sagen hatte!)

    Aber die Frage, welche Sonderregelung er meint, hat er nicht beantwortet.

    (Sehr gut! rechts.)

    Ich finde, eine solche Diskussion sollte doch eigentlich überflüssig sein.
    Es ist hier heute mittag auch schon von dem Herrn Bundeskanzler einmal gesagt worden, welche Möglichkeiten denn bestehen. Das führt mich zu der Diskussion über die beiden Noten zurück. Ich glaube, das, was zu diesen beiden Noten zunächst auch vom Herrn Kollegen Wehner gesagt worden ist, war nicht ganz überzeugend. Er hat schon beanstandet, daß die Alliierten in der Antwortnote vom 15. Oktober vorigen Jahres nicht hinreichend auf unser Petitum in der Beschlußfassung vom 27. September eingegangen seien. — Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Note vom 15. Oktober nachlesen, werden Sie feststellen, daß das falsch ist. Die Note vom 15. Oktober hat in einer erfreulichen Weise — ich möchte sagen: das erstemal — das echte und ursprünglichste deutsche Anliegen: wie können wir zu freien Wahlen kommen?, aufgenommen, und die Alliierten haben es dann auch versucht, dieses Anliegen bei der UNO durchzusetzen.
    Genau so scheint es mir auch mit der zweiten Note zu sein, von der ich Ihnen sagen möchte, daß


    (Dr. von Brentano)

    diese Note nach meiner persönlichen Überzeugung in allen Punkten den echten und vitalen deutschen Interessen entspricht.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    ' Über die Frage, wieweit es Sowjetrußland mit seinen Vorschlägen ehrlich meint oder nicht, hier zu diskutieren, scheint mir müßig zu sein.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, wir haben alle gewisse Vorstellungen von der Verhandlungsfähigkeit der Sowjetregierung, und man soll es uns weiß Gott nicht übelnehmen, wenn wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre mißtrauisch geworden sind. Aber selbst wenn ich unterstelle, daß die Note vom 10. März ausnahmsweise ehrlich gemeint gewesen sein sollte — ich hoffe es im Interesse Deutschlands, des gesamten deutschen Volkes und des Weltfriedens —, dann muß ich sagen: Diese Note hat eine Antwort verdient; denn wer auf Grund dieser Note — etwa ohne Richtigstellung und Vorbehalte — in Verhandlungen getreten wäre, hätte das deutsche Interesse verraten.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben von den Alliierten erwartet und verlangt, daß sie in diesem Gespräch das deutsche Interesse wahren; denn wir wollen, daß jetzt nicht mehr über Deutschland entschieden, sondern mit Deutschland beraten wird.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Diese Note Rußlands hat — um einiges in Erinnerung zu rufen — zur Bedingung gemacht, daß die Diskussion über den Friedensvertrag davon ausgehen müsse, daß im Potsdamer Vertrag die Grenzen Deutschlands festgelegt seien. Ich bin darüber überrascht, daß irgend jemand sagen kann, es sei doch nicht gut, daß die Alliierten auf diese Feststellung geantwortet hätten, denn man dürfe doch jetzt nicht die Frage der Oder-Neiße-Linie diskutieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, als wolle man die Diskussion über diese Forderung führen, um die Diskussion über das eigentliche Anliegen der deutschen Wahlen etwa hinauszuschieben oder zu verzögern.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Meine Damen und Herren, wir sind uns alle darüber im klaren, daß es die oberste Aufgabe der deutschen Politik sein und bleiben wird — der Herr Bundeskanzler hat es uns bestätigt —, freie Wahlen in Deutschland herbeizuführen. Der Herr Bundeskanzler hat als Chef der Regierung in den Schlußworten seiner Erklärung vom 27. September vorigen Jahres gesagt, daß er dieses Ziel — und nicht mehr und nicht weniger — erreichen wolle, weil es den Anfang der Einheit Deutschlands bedeuten werde.
    Aber wenn in einer Note, auf Grund deren eine Diskussion entstehen soll, die Feststellung enthalten ist, daß Deutschland an der Oder-NeißeLinie aufhört, dann erwarte und verlange ich von den Alliierten, die sich ja seit Washington zum Sprecher dieser deutschen Wünsche gemacht haben, daß sie widersprechen und eindeutig erklären: Deutschland hört nicht an der Oder—Neiße auf.

    (Stürmischer Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn die Note der Sowjetregierung zu dem Kardinalproblem, das uns beschäftigt, schweigt — Sie finden darin kein Wort über freie Wahlen —, dann erwarte ich von der Antwort, daß man Sowjetrußland sagt: Voraussetzung für die Errichtung einer gesamtdeutschen Regierung müssen freie Wahlen sein.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich finde, die Note enthält auch keinerlei unzumutbare Forderung, wenn in einer — der Herr Bundeskanzler sagte es schon — ungewöhnlich diskreten und -zurückhaltenden Weise an den Beschluß der Vereinten Nationen erinnert und der Wunsch ausgedrückt wird, daß es doch gut wäre, wenn sich vielleicht Sowjetrußland entschließen könnte, der UN-Kommission den Zutritt zur sowjetisch-besetzten Zone zu geben. Wer das bereits als eine bösartige Hintanhaltung oder Erschwerung von Viermächtebesprechungen ansieht, scheint mir doch die Empfindlichkeit Rußlands etwas zu überschätzen und den anderen etwas starke Nerven zuzumuten.
    Ein Weiteres. In der Note der Sowjetrussen steht eindeutig, daß die deutsche Regierung, die gebildet werden soll, auch nach Abschluß des Friedensvertrags in ihren außenpolitischen Entscheidungen nicht frei sein soll.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich glaube, daß niemand hier in diesem Hause eine solche Entscheidung akzeptieren würde. Ich habe es darum begrüßt, daß die Alliierten mit Nachdruck erklärt haben, eine aus freien Wahlen hervorgegangene deutsche Regierung müsse vor und nach dem Abschluß des Friedensvertrags ihre vollkommene politische Handlungsfreiheit besitzen.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.) Wenn die Allierten das nicht gesagt hätten, dann hätten wir es sagen müssen.

    Wir sind uns, glaube ich, auch darüber einig — es ist ja auch hier gesagt worden —, daß es eine deutsche Neutralität nicht geben kann und nicht geben darf, wenn wir nicht unser Leben als deutsches Volk verlieren wollen.
    Was bedeutet die sowjetrussische Note? Sie sagt: Deutschland soll sich keinerlei Koalitionen oder Vereinbarungen anschließen, die gegen einen am Krieg Beteiligten gerichtet sein können, und zwar auch nicht in Zukunft. Dafür soll es das immerhin recht dubiose Geschenk erhalten, wieder eine nationale Wehrmacht zu gründen, und zwar im Rahmen des Friedensvertrags und mit der Ausrüstung, die der Friedensvertrag vorsehen wird.

    (Abg. Rische: Was wollen Sie mehr?)

    — Ja, Herr Kollege, wir wollen allerdings mehr!

    (Abg. Rische: Na also! Bitte begründen Sie!) Ich bin überrascht, daß ausgerechnet Herr Kollege Rische dafür eine Begründung braucht.


    (Heiterkeit.)

    Aber wenn er sie haben will, er mag sie hören;
    ich will sie ihm nicht vorenthalten. Das, was hier
    vorgeschlagen wird — gleichzeitig mit dem
    üblichen Abzug der Besatzungstruppen und was
    alles dazu gehört —, ist die Forderung einer sogenannten bewaffneten Neutralität, wobei der Umfang der Bewaffnung dieser Neutralität in das
    diskretionäre Ermessen des Kreml gestellt wird.

    (Abg. Euler: Feuerwehr! — Abg. Rische: Es gibt doch ein Viermächteabkommen oder einen Friedensvertrag!)

    — Ja, ja, Sie wissen doch, was ein Viermächteabkommen ist.

    (Abg. Rische: Es sind vier Mächte, und es ist doch vorgeschlagen)



    (Dr. von Brentano)

    Meine Damen und Herren, daß wir eine solche Lösung nicht akzeptieren, ja nicht einmal diskutieren, halte ich persönlich für meine Freunde und für mich für eine Selbstverständlichkeit.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich halte es für absolut notwendig, daß auch hierauf die Antwort der Alliierten klar und unmißverständlich ist.

    (Zurufe von der KPD.)

    — Über deutsche Fragen und deutsche Probleme diskutiere ich nicht mit Ihnen; das habe ich Ihnen schon oft genug gesagt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und so glaube ich, daß diese Diskussion, die wir heute hatten, und auch der Antrag, den die sozialdemokratische Fraktion gestellt hat, doch eigentlich nicht sehr — erlauben Sie mir zu sagen: sinnvoll war; denn es ist die Politik der Bundesregierung, die ja von einer Mehrheit des Hauses getragen wird, zwar mehr oder minder maßvoll kritisiert worden. Aber es ist uns wieder mal nicht gesagt worden, was wir eigentlich sonst machen sollten.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Deswegen erinnert mich diese Diskussion verzweifelt an diejenige vom 7. und 8. Februar in diesem Hause.

    (Sehr gut! rechts.)

    Meine Bitte ist es an die nachfolgenden Redner der Opposition, vielleicht mal nicht nur in der Kritik hängen zu bleiben, für die ich volles Verständnis habe — dazu brauchen wir ja ein Parlament —,

    (Zuruf rechts: Es kommen keine mehr!) sondern uns zu sagen, was wir an Stelle dessen machen sollten, was wir bisher getan haben.


    (Abg. Euler: Das wissen die selber nicht! — Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich kann mich — Herr Kollege Schmid ist inzwischen wiedergekommen — auch nicht mit der Erklärung von ihm zufriedengeben, die mich ein wenig an das Delphische Orakel erinnert:

    (Zuruf rechts: Pythia!)

    Was wir wollen, was wir brauchen und was wir haben müssen, ist eine besondere Regelung für Deutschland, und dafür müssen die im Osten und die im Westen Verständnis haben. Aber welche Regelung wir wollen und brauchen, haben Sie nicht einmal angedeutet.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Das wird das Ergebnis der Verhandlungen sein müssen, Herr von Brentano!)

    — Herr Kollege, wenn Sie noch nicht einmal eine Vorstellung davon haben, wie diese Verhandlungen ausgehen sollen, wie soll sich dann eigentlich eine deutsche Regierung daran beteiligen?

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sind es — ich sage das auch in diesem Zusammenhang — uns, der gesamten deutschen Öffentlichkeit, aber auch der Weltöffentlichkeit schuldig, mit solchen Spiegelfechtereien einmal aufzuhören, und sehr nüchtern und ernst zu reden.

    (Stürmischer Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Niemand von uns kann behaupten, daß er etwa den Stein der Weisen besitze,

    (Zuruf von der SPD: Na also!)

    und niemand von uns muß davon überzeugt sein, daß dieser Weg in allen Punkten richtig sei. Sagen Sie uns doch den andern! Das ist weder von Ihnen noch von Herrn Kollegen Ollenhauer auch nur andeutungsweise gesagt worden.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Sagen Sie ihn doch! — Abg. Ollenhauer: Warum schweigt der Bundeskanzer zur Sache?)


    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Damit können wir allerdings eines mit ziemlicher Gewißheit erreichen: daß wir uns im wahrsten Sinne des Wortes zwischen zwei Stühle setzen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Meine Bitte und mein Wunsch an die Regierung ist, daß sie nichts tun darf und tun soll, was einem ehrlichen Gespräch über die deutsche Einheit wirklich im Wege stehen kann, daß sie aber auch nichts unterlassen darf, was die deutsche Entwicklung gefährden und unsere Beziehung zum Osten und zum Westen verschlechtern könnte.

    (Sehr richtig!)

    Und unsere Beziehung zum Osten wird nur dadurch verschlechtert,

    (Zuruf von der SPD: Das war sehr konkret!)

    daß wir inkonsequent werden. Das ist sehr konkret.

    (Zuruf von der SPD: D a s ist Spiegelfechterei! — Gegenruf von der CDU: Sie haben es nicht verstanden!)

    Zu den Anträgen kann ich nur folgendes sagen. Den Antrag, den wir gestellt haben, hat mein Kollege Euler begründet. Inzwischen ist ein weiterer Antrag der sozialdemokratischen Fraktion eingegangen. Ich finde, daß dieser Antrag, wenn er nicht weiter begründet wird, in allem auch den Vorstellungen entspricht, die wir von den weiteren Verhandlungen haben. Ich habe deswegen gegen die Annahme dieses Antrags gar nichts einzuwenden unter der Voraussetzung, daß die sozialdemokratische Fraktion auch unseren Antrag anzunehmen bereit ist. Den ursprünglichen Antrag in der Drucksache mit den vier Punkten halte ich durch diese Aussprache wirklich für überholt, und ich bin nicht der Meinung, daß Anlaß und Notwendigkeit bestehen, der Regierung irgendwelche Richtlinien auf den Weg zu geben. Uber diese Richtlinien sind wir hinreichend unterrichtet, und der auswärtige Ausschuß ist jederzeit in der Lage, sich über den Verlauf der weiteren Verhandlungen die nötigen Informationen zu verschaffen. Deswegen beantrage ich, diesen Antrag abzulehnen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fürst zu Oettingen-Wallerstein.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fürst zu Eugen Oettingen-Wallerstein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zunächst mit dem Antrag des Ausschusses für das


    (Fürst zu Oettingen-Wallerstein)

    Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, Drucksache Nr. 3163, zu befassen, der bis jetzt in der Diskussion keine Rolle gespielt hat und in dem der Ausschuß sich die Ziffer 6 des Antrags der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3084 zu eigen gemacht hat und dadurch gleichfalls den Wunsch bekundet, daß die den eventuellen Verteidigungsbeitrag betreffenden Abmachungen erst zu paraphieren seien, wenn der Generalvertrag auf der Basis der deutschen Souveränität, d. h. der vollen deutschen Gleichberechtigung zuvor ratifiziert worden ist. Dieser Punkt des Antrags der Föderalistischen Union ist durch unsere Überzeugung bedingt, daß der Friede unbedingt erhalten werden muß, daß die Wiedervereinigung Deutschlands nicht gefährdet werden darf, ohne von dem Standpunkt der striktesten Ablehnung des Bolschewismus irgendwie abzuweichen, und — auch von dieser Voraussetzung ging unser Antrag aus — daß die Verteidigungsgemeinschaft wohl die stärkste Ausdrucksform gemeinschaftlichen Denkens und europäischen Fühlens ist, wofür aber doch wohl erst die Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Das geeinte Europa, zu dem wir uns immer bekannt haben, muß aber erst da sein. Es muß von allen Partnern ebenso wie von uns bejaht werden. Dieses geeinte Europa kann nun einmal nur auf dem Boden vollster Gleichberechtigung gedeihen. Bis jetzt hat uns der Gang der Ereignisse recht gegeben.
    Die übrigen Punkte unseres seinerzeitigen Antrags hat der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten teils für gegenstandslos, teils für erledigt erklärt und teilweise abgelehnt. Meine Fraktion ist aber gleich mir der Ansicht, daß auch diese Punkte von solcher Tragweite sind, daß sie nicht ohne weiteres abgetan werden können.
    Da ist zunächst der Punkt 1. Die Bundesregierung beabsichtigt, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen; das ist ein Thema, das mir ganz sicher nicht als gegenstandslos erscheint. Wir sind der Meinung, daß nach der mit aller Gründlichkeit durchgeführten Entmilitarisierung des deutscher Volkes in den letzten sieben Jahren und nach de Diffamierüng des deutschen Soldaten unserem Volke nicht jetzt schon wieder eine allgemeine Wehrpflicht zugemutet werden kann. Die Entschließung, die die Regierungsparteien am 8. Februar mit Drucksache Nr. 3074 zur Annahme brachten, stellt übrigens gar keine Festlegung im Sinne einer allgemeinen Wehrpflicht dar.
    Wir sind ferner nach wie vor der Ansicht, daß ein Bundestagsausschuß für Verteidigungsfragen sehr wohl am Platze ist. Der Auswärtige Ausschuß oder ein Unterausschuß, der unter Umständen nicht zusammentritt oder nicht zusammengerufen wird, ist dafür nicht zuständig.

    (Präsident D r. Ehlers übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Wir sind auch nach wie vor der Auffassung, daß eine verfassungsrechtliche Klärung notwendig ist, da nach dem Wortlaut des Grundgesetzes der Bund nicht die Befugnis hat, die Wehrhoheit auszuüben bzw. die Wehrpflicht einzuführen. Es gibt nur den Weg der vorherigen Klärung durch das Bundesverfassungsgericht oder eine verfassungsrechtliche Regelung im Benehmen mit den Ländern.
    Wir meinen auch, daß die völkerrechtliche Stellung der etwaigen deutschen Soldaten im Benehmen mit den in Betracht kommenden Stellen geklärt werden muß. Wenn 21 deutsche Journalisten
    nach dem deutschen Waffenstillstand und vor der japanischen Kapitulation bei den Japanern mit ihren Schreibmaschinen weitergekämpft haben und daraufhin im Jahre 1947 von einem amerikanischen Militärgericht zu schwersten Freiheitsstrafen — lebenslänglich und zwanzig bis dreißig Jahre — verurteilt werden konnten

    (Hört! Hört! links)

    und wenn im Jahre 1950 acht bewaffnete Volkspolizisten aus der Ostzone, die den amerikanischen Sektor Berlins durchfuhren, von dem amerikanischen Bezirksgericht zu je drei bzw. zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden sind, weil sie gegen das Kontrollratsgesetz verstoßen hatten, das den Deutschen das Waffentragen verbot, so ist das doch wohl ein Fingerzeig dafür, daß alle Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit die völkerrechtliche Stellung des deutschen Soldaten genau die gleiche wie die der übrigen Angehörigen der etwaigen europäischen Kontingente ist. Wie man den jetzigen Standpunkt nennt — völkerrechtlich oder besatzungsrechtlich —, ist für den Betroffenen egal. Wichtig ist, daß die Alliierten den bisherigen Standpunkt aufgeben. Je genauer diese Fragen geklärt werden, desto fester kann die Einigkeit Europas, so glauben wir, zur gegebenen Zeit untermauert werden, zu deren Verwirklichung wir uns nach wie vor bekennen.
    Wir bitten daher, unseren Antrag anzunehmen, und zwar unter Weglassung der Ziffer 3, da dieser Punkt durch die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 3077 der Regierungsparteien erledigt ist. Wir bitten ferner, über den Antrag eventuell ziffernweise abstimmen zu lassen.
    Was nun unsere Stellungnahme zu dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 3210, die deutsche Einheit betreffend, anlangt, so stehen wir auf dem Standpunkt, daß alle Verhandlungsmöglichkeiten mit Rußland ausgenützt werden müssen, daß die Verbindungen mit dem Osten nicht abreißen sollen und daß die Erhaltung des Friedens und die friedliche Wiedergewinnung der deutschen Einheit — selbstverständlich außerhalb der russischen Einflußsphäre — oberstes Ziel ist. Mag man den russischen Vorschlägen mit noch so berechtigter großer Skepsis gegenüberstehen, — unversucht darf nichts bleiben! Das kann uns selbstverständlich nicht hindern, uns zum Westen und zur westlichen Kultur zu bekennen. Wovor wir aber warnen möchten, das wäre das vielleicht übereilte Eingehen von Bindungen, also der Abschluß des Generalvertrags und des Verteidigungsbeitrags nebst Zusatzverträgen, so daß die vielleicht noch vorhandenen Verbindungsmöglichkeiten mit dem Osten gefährdet werden könnten, zumal der Inhalt dieser Verträge noch nicht bekannt ist. Wenn General Eisenhower kürzlich betont hat, Europas Sicherheit stehe und falle mit der Beteiligung Deutschlands, so können wir das sehr gut verstehen, und wir begrüßen diesen Standpunkt auch, wir erwarten aber, daß die Alliierten aus dieser Erkenntnis die erforderlichen Konsequenzen in dem Sinne ziehen, daß unsere Beteiligung unter allen Umständen nur einen Verteidigungscharakter haben wird, und zwar auf der Grundlage der Gleichberechtigung, und daß der Verteidigungsbeitrag nicht der Ausgangspunkt für einen Präventivkrieg sein darf. Wir müssen angesichts der gegebenen Lage erwarten, daß die alliierten Staatsmänner wie General Eisenhower dafür Verständnis aufbringen, daß wir die Integration Europas bejahen. aber auch die Einheit Deutschlands einschließlich der Gebiete jen-


    (Fürst zu Oettingen-Wallerstein)

    seits der Oder-Neiße anstreben und daß diese deutsche Einheit seitens der Alliierten nicht anderen politischen Zielen geopfert werden kann.
    Wir sind auch der Ansicht, daß wir in allen Phasen der Verhandlungen der Westalliierten mit Rußland mit eingeschaltet sein müssen, damit wir, so gut es geht, verhindern können, daß wir zum Schacherobjekt werden. Durch Beiseitestehen erreichen wir bestimmt gar nichts. Alle Maßnahmen und Versuche, die der Erhaltung des Friedens, der Einigkeit Deutschlands und dem Aufbau eines geeinten Europas dienen, sind nur zu begrüßen.
    Angesichts der heute zur Debatte stehenden Fragen würden wir es begrüßen, wenn eine geschlossene, einheitliche Stellungnahme des Bundestags zustande käme. Wir beantragen daher, den Antrag der SPD Drucksache Nr. 3210 und den Antrag der Regierungsparteien Drucksache Nr. 3277 dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten mit dem Auftrag zu überweisen, einen einheitlichen Wortlaut abzufassen, wobei wir aber feststellen, daß wit den Hinweis auf die am 6. Februar dieses Jahres verabschiedete Wahlordnung nicht billigen können, nachdem die Föderalistische Union aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten seinerzeit gegen diese Wahlordnung gestimmt hat.

    (Beifall bei der FU.)