Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem von den Fraktionen der Regierungskoalition, der FU und der SPD vorgelegten Gesetzentwurf, der den eigenartigen Namen trägt „Gesetzentwurf zur Sicherung und Erleichterung der Aufgaben der Kommission der Vereinten Nationen in Deutschland", erkläre ich folgendes.
Es steht nach der Charta der Vereinten Nationen einwandfrei fest, daß die Behandlung der deutschen Frage nicht zur Zuständigkeit der UN gehört. Die Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Voraussetzungen zur Durchführung der Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung durch die UN ist daher illegal.
Der Antrag auf Einsetzung einer solchen Kommission wurde von der Adenauer-Regierung auf Geheiß der Hohen Kommission nur gestellt, um gesamtdeutsche Wahlen zu verhindern oder zumindest so lange hinauszuzögern, bis der GeneralKriegs-Vertrag unterzeichnet und die Aufstellung westdeutscher Söldnerverbände vollendete Tatsache ist.
Das deutsche Volk ist sich darüber klar und einig, welche Voraussetzungen bestehen müssen, um die Durchführung freier, geheimer, gleicher Wahlen in ganz Deutschland zu sichern. Es bedarf darüber keiner Belehrungen durch Vertreter Brasiliens, Islands oder Pakistans. Das deutsche Volk wehrt sich mit aller Entschiedenheit dagegen, wie ein Kolonialvolk behandelt zu werden. Die Durchführung gesamtdeutscher freier, demokratischer Wahlen ist ausschließlich Angelegenheit des deutschen Volkes selbst. Es ist das selbstverständliche Recht der Deutschen aus dem Westen und Osten unseres Vaterlandes, sich selbst über die Durchführung freier Wahlen zu verständigen und die Voraussetzungen dafür in allen Teilen Deutschlands zu überprüfen.
Die Regierung und die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik haben sich zu wiederholten Malen an den Bundestag und an die Bundesregierung gewandt, um eine solche Verständigung in die Wege zu leiten. Sie haben sich auch mit einer Überprüfung der Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen in allen Teilen Deutschlands durch eine gesamtdeutsche Kommission unter Kontrolle der vier Besatzungsmächte einverstanden erklärt.
4 Die Bundestagsfraktion der KPD
ist nach wie vor der Meinung, daß die Prüfung der Voraussetzungen freier, allgemeiner, geheimer und demokratischer Wahlen in ganz Deutschland durch eine aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands zusammengesetzte Kommission unter der Kontrolle der vier Besatzungsmächte, der UdSSR, der USA, Englands und Frankreichs, durchgeführt werden kann.
Wir sehen in dem vorgelegten Gesetzentwurf nichts anderes als das Bestreben, die Durchführung freier, demokratischer Wahlen in ganz Deutschland für eine Nationalversammlung zu verhindern, und lehnen deshalb den Gesetzentwurf ab.