Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute die Interpellation Drucksache Nr. 2828 zu beantworten und gleichzeitig zu dem Antrag auf Überprüfung einer Senkung der Tabaksteuer Stellung zu nehmen. Um die Interpellation zu beantworten, müßte ich Ihnen eigentlich Hunderte von Zahlen mitteilen. Um Sie jedoch nicht zu ermüden, habe ich den Herrn Präsidenten gebeten, fünf Nachweisun-
8642 Deutscher Bundestag - 2U1. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. März 1952
gen drucken zu lassen, die Ihnen vorliegen. Ich darf mich bei allem Folgenden auf diese Nachweisungen beziehen.
Frage 1 der Interpellation wünscht Auskunft über die Entwicklung des Tabaksteueraufkommens. An Tabaksteuer sind aufgekommen im Rechnungsjahr 1949 2190 Millionen DM, im Rechnungsjahr 1950 2100 Millionen DM. Im Haushalt für 1951 ist die Tabaksteuer im Ertrag mit 2200 Millionen DM veranschlagt. In den ersten elf Monaten des laufenden Rechnungsjahres sind 2048 Millionen DM aufgekommen. Es kann also damit gerechnet werden, daß das veranschlagte Jahresaufkommen erreicht werden wird.
Welches Tabaksteueraufkommen die verschiedenen Tabakwaren, insbesondere Zigaretten, Zigarren und Rauchtabak, erbracht haben, läßt sich nur aus dem Steuerwert der für die verschiedenen Tabakwaren ausgegebenen Steuerzeichen entnehmen. Ich darf dazu auf die Nachweisung Nr. 1 hinweisen. Daraus ersehen Sie, daß in den eisten zehn Monaten des laufenden Rechnungsjahres der Steuerwert der für Zigaretten ausgegebenen Steuerzeichen um rund 212 Millionen DM gleich 15,8 % über dem entsprechenden Steuerwert für das erste Halbjahr des Rechnungsjahres 1950 liegt, im Monatsdurchschnitt also um rund 21 Millionen DM gestiegen ist. Der Steuerwert des Steuerzeichens für die übrigen Tabakerzeugnisse ist dagegen in den ersten zehn Monaten des laufenden Rechnungsjahres gegenüber denen des Rechnungsjahres 1950 gesunken, und zwar bei Zigarren um 5.6 Millionen DM oder 2,9 %, bei Feinschnitt um 29,7 Millionen DM oder 11 %, bei Pfeifentabak um 2,2 Millionen DM oder 5,9 %, zusammen 37,5 Millionen DM.
Frage 2. Der Verbrauch an Tabakerzeugnissen wird statistisch nirgends erfaßt. Der Verbrauch entspricht aber bei Betrachtung längerer Zeiträume etwa der Menge der versteuerten Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake. Darüber gibt Ihnen die Nachweisung 2 den gewünschten Aufschluß. Danach wurden versteuert im Rechnungsjahr 1950 23,6 Milliarden Zigaretten, 3,8 Milliarden Zigarren, 15,7 Millionen kg Feinschnitt und 4,8 Millionen kg Pfeifentabak, in den ersten zehn Monaten des Rechnungsjahres 1951 23,7 Milliarden Zigaretten - das sind 18,6 v. H. mehr als in der entsprechenden Zeit des Vorjahres -, 3,4 Milliarden Zigarren - das sind 3,9 % mehr als in der entsprechenden Zeit des Rechnungsjahres 1950 -, 12,9 Millionen kg Feinschnitt - das sind 2,7 v. H. mehr als in der entsprechenden Zeit des Rechnungsjahres 1950 - und 4,09 Millionen kg Pfeifentabak - das sind 0,3 % mehr als in der entsprechenden Zeit des Vorjahres.
Bei einer Steuer, die vom Kleinverkaufspreis berechnet wird, soll man neben den Mengen vor allem aber die Kleinverkaufswerte vergleichen. Das ermöglicht Ihnen die Nachweisung 3. Danach betrug der Gesamtkleinverkaufswert, also der Geldaufwand der Raucher, im Rechnungsjahr 1950 3,8 Milliarden DM und in den ersten zehn Monaten des Rechnungsjahres 1951 3,6 Milliarden DM; das sind also 10,9 % mehr als in den ersten zehn Monaten des Rechnungsjahres 1950. Dieser Gesamtmehraufwand beruht auf einer Steigerung des Kleinverkaufswertes für Zigaretten um 376 Millionen DM und für Zigarren um 13 Millionen DM. Dem steht ein Absinken der Kleinverkaufswerte für Feinschnitt und Pfeifentabak gegenüber.
Frage 3. Ich darf wohl unterstellen, daß mit dem Verbrauch unversteuerter Zigaretten der Verbrauch von geschmuggelten Zigaretten gemeint ist. Ober den Verbrauch an Deputaten und von Probezigaretten liegen keine Unterlagen vor. Den Verbrauch an unversteuerten, also geschmuggelten Zigaretten zu schätzen, ist sehr schwer. Die „Saturday Evening Post" schrieb am 17. Mai 1951, daß 1950 auf dem Schwarzen Markt Deutschlands etwa 6 Milliarden Zigaretten abgesetzt worden seien.
Es kann nicht bezweifelt werden, daß die verstärkte Schmuggelbekämpfung seitdem nicht un-beachtliche Erfolge gezeitigt hat. Ich möchte deshalb die Menge der geschmuggelten Zigaretten nach dem heutigen Stand auf etwa 3 1/2 Milliarden Stück im Jahr oder etwa 300 Millionen Stück im Monat schätzen. Das würde ungefähr einem Steuerausfall von 400 Millionen DM entsprechen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam im zweiten Kalendervierteljahr 1951 auch das Institut für Demoskopie bei seinen Marktuntersuchungen. Es ermittelte, daß sich 12 % der Zigarettenraucher als Konsumenten geschmuggelter ausländischer Zigaretten bekannten. Das bedeutet einen Monatskonsum von 250 Millionen und einen Jahreskonsum von 3 Milliarden Zigaretten.
Frage 4. Über den Absatz an Zigarren und über das Steueraufkommen aus Zigarren gibt Ihnen die Nachweisung 4 Auskunft. Die Steuersenkung für Zigarren wurde am 20. Februar 1950 durchgeführt. Durch sie wurde erreicht, daß die durchschnittlich im Monat versteuerte Zigarrenmenge von 184 Millionen Stück im Rechnungsjahr 1949 auf 320 Millionen Stück im Rechnungsjahr 1950, d. h. um rund 74 v. H., und auf 340,4 Millionen Stück in den ersten zehn Monaten des Rechnungsjahres 1951, also um rund 84 v. H. gegenüber dem Jahre 1949 anstieg. Umgerechnet auf den Kopf der Bevölkerung bedeutet dies eine Steigerung des Jahreskopfverbrauchs von 47 Stück im Rechnungsjahr 1949 auf 81 Stück im Rechnungsjahr 1950 und auf 85 Stück in den ersten zehn Monaten des Rechnungsjahres 1951.
Mit dieser Steigerung ging aber eine Verlagerung des Zigarrenverbrauchs auf die niedrigeren Preisklassen einher. Während der durchschnittliche Kleinverkaufspreis im Rechnungsjahr 1949 28,8 Pfennig betrug, sank er im Rechnungsjahr 1950 auf 19,12 Pfennig und in den ersten zehn Monaten des laufenden Rechnungsjahres weiter auf 18,79 Pfennig für eine Zigarre. Die Ausweitung des Umsatzes um 74 oder 84 % ergibt deshalb nur eine Steigerung des gesamten Kleinverkaufswertes der Zigarren, also des Geldaufwandes des Rauchers, um 15 v. H. im Rechnungsjahr 1950 und nach dem Absatz in den ersten zehn Monaten im laufenden Rechnungsjahr um 19 v. H. Die Steuersenkung für Zigarren hatte danach zur Folge, daß das Steueraufkommen aus Zigarren im Durchschnitt von monatlich 26,08 Millionen DM in den von der Steuersenkung noch unbeeinflußten ersten drei Vierteljahren des Rechnungsjahres 1949 auf monatlich 18,7 Millionen DM im Rechnungsjahr 1950 und auf monatlich 18,62 Millionen DM im laufenden Rechnungsjahr sank. Es kann danach nicht bestritten werden, daß die Steuersenkung für Zigarren trotz der Umsatzausweitung zu einer Minderung des Tabaksteueraufkommens aus Zigarren geführt hat. Andererseits muß aber betont werden, daß sich die Steuersenkung günstig auf die Beschäftigungslage ausgewirkt hat und Kurzarbeit
und Arbeitslosigkeit in der Zigarrenindustrie beseitigen half. Dies ist damals der besondere Anlaß für diese Maßnahme gewesen.
Die Steuersenkung für beimischungspflichtigen Feinschnitt von 53 auf 50 v. H. ist am 8. August 1951 in Kraft getreten. Aus der Statistik für die Monate September bis Januar ergibt sich, daß von dem in diesen Monaten insgesamt versteuerten Feinschnitt von 6,07 Millionen kg 5,3 Millionen kg, gleich 87,4 %, auf die beiden niedrigsten steuerbegünstigten Preisklassen für Feinschnitt mit Beimischung von Inlandtabak entfallen. In den entsprechenden Monaten des Rechnungsjahres 1950 wurden 6,37 Millionen kg Feinschnitt versteuert. Die versteuerte Menge ist in den fünf Monaten also um 4,8 v. H. gesunken. Die Ankündigungen der Industrie, die von einem Rückgang bis zu 33 v. H. gesprochen haben, sind also nicht eingetreten.
Frage 5. Den Zigaretten-Kopfverbrauch in den Jahren 1938 und 1950 bitte ich aus der Nachweisung 5 zu entnehmen.
Frage 6. Ich habe im April und Mai vorigen Jahres in einer Anzahl von Herstellungsbetrieben der Tabakindustrie Betriebsprüfungen durchführen lassen, die mich davon überzeugt haben, daß ein Teil der Betriebe nicht mehr mit Gewinn oder nicht mehr mit dem für die Aufrechterhaltung der Erzeugung erforderlichen Gewinn arbeiten. Vermehrte Gesuche um Vollstreckungsaufschub haben diese Tatsache bestätigt. Die gestiegenen Produktionskosten zwingen also zur Berichtigung des Erlöses, der dem Hersteller von dem gebundenen Endpreis seiner Erzeugnisse bleibt. Eine Preiserhöhung scheidet aus. Würden die Preise für Tabakwaren erhöht werden, dann müßte trotz aller Abwehrmaßnahmen mit einem Ansteigen des Schmuggels in wahrscheinlich nicht voraussehbarem Ausmaß gerechnet werden. Bei dieser Sachlage habe ich mich deshalb Ende Oktober dazu entschließen müssen, den Tabakwarenherstellern auf Einzelantrag durch sicherheits- und zinslose Stundung gewisser Teilbeträge der Tabaksteuer zu helfen. Danach können von der in der Zeit vom 31. Oktober 1951 bis zunächst 30. April 1952 fällig werdenden Tabaksteuer gestundet werden: bei Zigarren und Zigaretten 7 v. H., bei Feinschnitt 10 v. H., bei Pfeifentabak 11 v. H., Strangtabak 15 v. H., Kaufeinschnitt 16 v. H., Schnupftabak 30 v. H. und Kautabak 40 v. H.
Der Absatz an Zigaretten wird vermutlich im laufenden Rechnungsjahr 28,5 Milliarden Stück gegenüber 23,7 Milliarden Stück im vorigen Rechnungsjahr erreichen, d. h. er wird um rund 20 % höher sein als im Rechnungsjahr 1950. Diese Mengen entsprechen einem Jahresverbrauch je Kopf der Bevölkerung von 498 Zigaretten im Rechnungsjahr 1950 und von 591 Zigaretten im Rechnungsjahr 1951.
Was nun die Frage einer etwaigen Senkung der Tabaksteuer, natürlich verbunden mit einer Senkung des Preises für Tabakerzeugnisse, insbesondere für Zigaretten, betrifft, so brauche ich vor dem Hohen Hause nicht zu betonen, daß eine solche Maßnahme dann nicht möglich ist, wenn sie einen Ausfall an Steuereinnahmen erwarten läßt oder wenn dieser Ausfall im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegt. Eine Senkung der Tabaksteuer, verbunden mit der Senkung der Preise, wäre also nur dann möglich, wenn mit größter Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, daß der Ausfall durch erhöhten Konsum ausgeglichen wird.
Dagegen haben sich nun zahlreiche Verbände im Lande gewandt.
Sie sprechen die Befürchtung aus, eine solche Politik der Konsumsteigerung, insbesondere bei Zigaretten, könne für unsere Jugend von gesundheitsgefährdender Auswirkung sein.
Der Finanzminister ist gern bereit, sich mit dem Bundesminister des Innern ins Benehmen zu setzen, um gerade diesen Gesichtspunkt ernsthaft zu prüfen. Der Finanzminister hat aber in erster Linie volkswirtschaftliche und haushaltswirtschaftliche Gesichtspunkte zu wahren.
— Auch ethische, aber nicht allein.
Von diesem Gesichtspunkt aus muß er folgendes feststellen.
Für den Gedanken einer Preissenkung und damit einer Steuersenkung mit dem Ziele, das gleiche Aufkommen zu erhalten, spricht erstens die Tatsache, daß der Bundesfinanzminister schon gezwungen gewesen ist, in den letzten Monaten des vergangenen Kalenderjahres Steuerstundungen auszusprechen, die, auf das ganze nächste Jahr übertragen, natürlich einen beträchtlichen Ausfall an Steuern erbringen müßten. Um diese Stundungen aufzuheben und um wieder den Steuerertrag mit 100 v. H. erheben zu können, wäre unter Umständen eine Überprüfung der Tabaksteuer, Zigarettensteuer usw. notwendig.
Zweitens: Der Schmuggel an der Grenze und über die Grenze ist durch die scharfen Überwachungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Zolls sicherlich wesentlich zurückgedrängt worden. Diese Maßnahmen müßten aber bei dem versagen, was man Besatzungsschmuggel heißt, also bei dem Absatz der Mengen, die aus überflüssigen Rationen der Besatzungsangehörigen stammen, für deren Verbrauch nicht notwendig sind und ohne Zoll und ohne Steuer in den deutschen freien Verkehr gehen. Der Umfang dieses Besatzungsschmuggels scheint mir sehr hoch zu sein und war im letzten Jahr zweifellos im Steigen begriffen. Die wirksamste Maßnahme dagegen scheint mir zu sein, daß die Rationen an Zigaretten — und nebenbei bemerkt: auch an Kaffee —, die die Besatzungsangehörigen beziehen, auf ein Maß herabgesetzt werden, daß sie zwar für den täglichen Verbrauch des Einzelnen ausreichen, aber nicht darüber hinaus einen Anreiz bieten, sie irgendwie auf den deutschen Markt zu bringen, sei es als Geschenke, sei es, um sie im Verkaufswege zu verwerten. Ich habe mich deshalb in den letzten Monaten bemüht, diese Frage zusammen mit den Besatzungsmächten in dem Sinne zu lösen, daß die Besatzungsmächte die Rationen an Zigaretten und Kaffee für die Besatzungsangehörigen prozentual stark herabsetzen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen; aber nach den letzten Mitteilungen, die ich erhalten habe, darf ich mit einem Erfolg dieser Verhandlungen rechnen. Wenn diese Verhandlungen abgeschlossen sind und eine neuerliche Überprüfung des Tatbestandes ergibt, daß die Stundung, die bisher auf dem Gebiet der Zigarettensteuer gegeben worden ist. weiter gewährt werden müßte und damit die Gefahr eines Steuerausfalls einträte, dann müßte ich, um das Erträgnis zu erhalten und um nicht Einnahmen zu verlieren — die Haushaltslage läßt einen solchen
Verlust nicht zu —, die Frage, ob eine Senkung der Tabaksteuer und eine Senkung der Preise möglich ist, zusammen mit dem Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen überprüfen.