Rede von
Hugo
Scharnberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat am 20. Juni 1950 einmütig eine Entschließung angenommen, durch die der Herr Bundesminister der Finanzen aufgefordert wurde, ein Gesetz zur Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer einzubringen. Ich darf die den Tabak betreffende Situation, die damals den Bundestag beschäftigte, hier noch einmal kurz umreißen.
Das Schmuggelunwesen hatte dazu geführt, daß insbesondere Zigaretten über den berufsmäßigen Schwarzhandel und durch Angehörige der Besatzungsmacht in einer Größenordnung von monatlich 500 bis 600 Millionen Stück unverzollt und unversteuert in das Bundesgebiet gebracht wurden. In einzelnen Teilen des Bundesgebiets hatte der Schwarzhandel in Zigaretten einen Umfang angenommen, der dazu führte, daß mehr als die Hälfte der konsumierten Zigaretten unversteuert über den Schwarzhandel in den Verkehr gelangten. Die Debatten, die damals — am 4. Mai und am 2. Juni — hierüber stattfanden, ließen erkennen, daß der Bundestag im Gegensatz zu der damaligen Auffassung des Bundesministers der Finanzen glaubte, daß verwaltungstechnische Maßnahmen allein nicht
helfen und daß sie nur mit gleichzeitiger Preissenkung wirksam sein könnten.
Wie war nun die tatsächliche Entwicklung? In der Tat gelang es dem Bundesminister der Finanzen durch schlagartigen Einsatz der Überwachungsorgane, innerhalb der folgenden zwölf Monate den Schwarzhandel in Zigaretten auf etwa die Hälfte des ursprünglichen Standes herabzudrücken. Marktbeobachtungen haben ergeben, daß Mitte 1951 der Handel in unversteuerten Zigaretten auf etwa 250 Millionen Stück abgesunken war. Von diesem Zeitpunkt an setzte aber eine rückläufige Bewegung ein. Ob dies darauf zurückzuführen ist, daß nun einmal, wenn ein so starkes Preisgefälle zwischen Inlands- und Auslandspreis besteht, der Schmuggel nicht durch polizeiliche Maßnahmen beseitigt werden kann, oder ob dies auf den verstärkten Zustrom unversteuerter Zigaretten durch die hier in Deutschland neu stationierten amerikanischen Truppen zurückgeht, lasse ich dahingestellt.
In den presseamtlichen Mitteilungen des Bundesfinanzministers vom 18. März dieses Jahres wird eine eingehende Untersuchung über den Umfang, die Ursachen und die allein möglichen Abhilfsmaßnahmen, insbesondere hinsichtlich des Zigarettenschmuggels, angestellt. Allein bei der Zigarette wird der durch den Schmuggel eintretende Ausfall an Zöllen und Verbrauchsteuern auf etwa 275 Millionen DM jährlich geschätzt. Das entspricht einem Jahresumsatz von 4,2 Milliarden geschmuggelter Zigaretten im Werte von 350 bis 400 Millionen DM. Aber es handelt sich hier nicht allein um den rein fiskalischen Ausfall an Tabaksteuer. Die aus dem Schwarzhandel erlösten riesenhaften Summen verschlechtern unsere Devisenbilanz. Soweit die Erlöse in Deutschland ausgegeben werden, gehen allerdings Deviseneinnahmen nur in gewissem Umfange verloren, die sonst aus dem Sold und den Gehältern der Angehörigen der Besatzungsmächte verausgabt worden wären und unsere Devisenbilanz verbessert hätten. Sehr große Beträge aus diesem Schwarzmarkt werden aber laufend in hochwertigen Produkten wie optischen Geräten und Instrumenten und ähnlichen Produkten der deutschen Erzeugung angelegt und illegal in das Ausland gebracht. Diese Form des Devisenverlustes ist für %die deutsche Exportwirtschaft doppelt gefährlich, weil dieser illegale Transfer die Preisbasis der deutschen Ausfuhr noch zusätzlich zerrüttet und dadurch legale Kanäle unseres Exports verstopft.
Über das korrumpierende Wesen dieses Schwarzhandels brauche ich nicht viel zu sagen. In einer Zeit, in der die Bundesrepublik ihr ganzes Augenmerk darauf richten muß, die Steuermoral zu fördern, ist es unmöglich, einen Zustand bestehen zu lassen, der diese Moral auf einem wichtigen Sektor des täglichen Verbrauchs täglich und stündlich untergräbt.
Dabei ist darauf zu verweisen, daß der Schmuggel in ganz besonderem Maße auch die Jugend gefährdet, weil er sich erfahrungsgemäß vornehmlich Jugendlicher als Helfershelfer bedient.
Unsere infolge der hohen Steuersätze übersetzten Preise für Tabakerzeugnisse fallen völlig aus dem Rahmen der Preise in anderen Ländern heraus. Dies wird am deutlichsten durch angestellte Berechnungen, wieviel Arbeitsminuten der ungelernte Arbeiter in den einzelnen Ländern aufwenden
I muß, um sich eine bestimmte Einheit, z. B. 20 Zigaretten, kaufen zu können. Während hierfür
Deutscher. Bundestag — 201. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. März 1952 8641
in den Vereinigten Staaten 10 1/2 Minuten, in der Schweiz 11,4 Minuten, in Frankreich 18 Minuten, in England 25 Minuten und in Italien 44 Minuten erforderlich sind, muß der deutsche Arbeiter 91 Minuten zu diesem Zweck aufwenden. Während der legale Zigarettenverbrauch bei uns infolge dieser Steuerpolitik um 16 % gegenüber dem Friedensverbrauch Westdeutschlands gefallen ist, hat sich der Verbrauch in allen anderen Ländern erheblich gehoben, ja teilweise verdoppelt und mehr. Dies trifft nicht nur für die Vereinigten Staaten und England, sondern auch für Frankreich, Italien, ja sogar für Österreich zu. Im Saargebiet ist der Verbrauch doppelt so hoch wie im Ruhrgebiet. Die Zigarette ist in Deutschland durch den hohen Steuersatz zum Luxusartikel geworden. Eine Überprüfung der Verkaufsstände und Zigarettenhändler in den Verkehrszentren und Arbeitervierteln zeigt, daß die Mehrzahl der Konsumenten ihren Zigaretteneinkauf heute auf Mengen von jeweils 1 bis 2 Stück beschränkt. Es kommt uns nun in erster Linie darauf an, gerade diesen Konsumenten, die durch den übersteigerten Preis davon abgehalten werden, sich in maßvollem Verbrauch die kleinen Freuden ihres täglichen Lebens zu gönnen, eine Erleichterung zu verschaffen.
Es ist nicht einzusehen, warum wir unseren deutschen Menschen nicht den Vorteil einer besseren Versorgung mit Tabakwaren zukommen lassen sollen; es sei denn, daß hierdurch das Gesamtaufkommen an Steuern beeinträchtigt wird, denn in der heutigen Zeit zu einer Senkung der Tabaksteuern zu raten, wäre wohl nicht vertretbar. Aber gewissenhafte Berechnungen von Sachverständigen, die sich mit unseren Berechnungen und mit denen des Finanzministers decken, haben ergeben, daß ein niedrigerer Zigarettenpreis durch die entstehende und zu erwartende Konsumausweitung mindestens die gleiche Steuereinnahme erbringen wird, die heute bei den übersteigerten Sätzen erzielt wird. Dabei ist noch zu bedenken, daß die augenblicklichen Sätze, wie mein Vorredner schon gesagt hat, ohnehin korrigiert werden müssen, weil es infolge erhöhter Aufwendungen der Tabakwarenindustrie für Löhne, Gehälter, Rohmaterialien und Hilfsstoffe nicht möglich ist, bei den seit der Währungsreform unveränderten Preisen die gleichen Steuerbeträge aufzubringen, wie sie seit der Währungsreform zur Veranlagung kommen. Es ist bekannt, daß die Finanzämter deswegen auch der gesamten Tabakwarenindustrie Steuerstundungen gewähren mußten.
Es sind Besorgnisse vorgebracht worden, daß eine Verbilligung der Zigaretten eine gewisse Gefahr für den Absatz deutschen Tabaks bedeuten könnte. Diese Befürchtung ist unbegründet. Die Kontrollratsgesetze vom 17. Mai und vom 5. Dezember 1946 hatten — vom fiskalischen Standpunkt aus gesehen, völlig abwegig — das Selbstdrehen von Zigaretten begünstigt. Zweifellos wird sich die erwartete Umsatzsteigerung in Zigaretten zum Teil daraus rekrutieren, daß eine Anzahl Raucher, die sich bisher ihre Zigarette aus feingeschnittenem Rauchtabak selbst gedreht haben, zur Fabrikzigarette zurückkehren. Die überwiegende Mehrzahl dieser Selbstdreher hat dabei aber nicht den sogenannten steuerbegünstigten Feinschnitt verbraucht, der bekanntlich zu 50 % aus deutschem Tabak besteht, sondern vielmehr den echten Feinschnitt, der aus reinem überseeischem bzw. Orienttabak zusammengesetzt ist. So ist für den deutschen Tabakanbau aus dieser Konsumverlagerung keine Gefahr gegeben; im Gegenteil, durch die allgemeine Konsumausweitung wird auch die sogenannte schwarze Zigarette begünstigt, die zum Teil aus deutschem Tabak hergestellt ist.
Zum Schluß sei noch darauf verwiesen, daß die durch die Verbilligung der Zigaretten erwartete Verbrauchsausweitung künftig pro Jahr eine zusätzliche Abnahme griechischer und türkischer Tabake ermöglichen wird. Es ist bekannt, daß der Tabakabsatz für die Türkei und ganz besonders für Griechenland von so ausschlaggebender handelspolitischer Bedeutung ist, daß wir diese Menge durch entsprechende Exporte nicht nur kompensieren, sondern sogar erheblich überkompensieren können.
Ein Teil meiner Freunde meint, wie ich auch meinerseits schon ausgedrückt habe, daß die jetzigen Steuersätze eine prohibitive Wirkung haben, und sie halten diese prohibitive Wirkung im Interesse insbesondere der Jugendlichen für erwünscht. Es werden hierüber in der anschließenden Debatte noch nähere Ausführungen gemacht werden. Ich selbst glaube, daß die Gründe, die für eine Herabsetzung der übersteigerten Steuersätze sprechen, so gewichtig sind, daß sie solche Bedenken bei weitem aufwiegen.
Die Gründe, die für eine Tabaksteuerreform sprechen, sind, zusammengefaßt, folgende. Vom fiskalischen Standpunkt aus ist die Steuersenkung risikolos. Sie ist weiterhin zur Inhibierung des Schmuggels und des Schwarzhandels sowie zur Wiederherstellung der Steuermoral und nicht zuletzt im Interesse der Jugendlichen dringend erwünscht. Sie vermeidet umfangreiche Devisenverluste und Störungen unseres Exports und ist schließlich zur Wiederherstellung der alten fruchtbaren Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern des Südostens, insbesondere mit der Türkei und Griechenland, unerläßlich.
Wie Pressemeldungen zu entnehmen ist, prüft zur Zeit das Bundesfinanzministerium auch die Zweckmäßigkeit und Möglichkeit einer Herabsetzung der Verbrauchsteuern für Kaffee und Tee. Mit unserer Interpellation vom 24. Februar 1950 haben wir die Herabsetzung der Verbrauchsteuern für diese Artikel aus den gleichen Gründen angestrebt, aus denen wir damals und heute die Herabsetzung der Verbrauchsteuern für Tabakwaren gewünscht haben und wünschen. Dementsprechend begrüßen wir die Absichten des Bundesfinanzministeriums. Auch in diesem Falle sind die Dinge nicht allein unter dem fiskalischen Gesichtspunkt des Steueraufkommens, sondern vielleicht sogar in größerem Ausmaß als beim Tabak unter handelspolitischen Gesichtspunkten, auf die ich hier mit Nachdruck hinweisen möchte, zu sehen.