Ich habe schon darauf hingewiesen, daß gleich nach Bekanntwerden der Vorlage sehr erhebliche Proteste laut
geworden sind. In diesen Protesten hat es an Ausdrücken wie „rechtsstaatliche Grundsätze" und „Vertrauen des Staatsbürgers in die Gesetzgebung" usw. usw. nicht gefehlt. Es kann auch kaum bestritten werden, daß der Umstand, um den es sich hier handelt, auffällig ist. Die Regierung hat in ihrer Vorlage den Versuch, dieser Gebührenordnung rückwirkende Kraft zu verleihen, sozusagen mit höherer Gewalt begründet. Die andere Seite, die Wirtschaftskreise, die sich durch diesen Versuch beschwert fühlten, haben sehr viel weniger vornehme Begründungen bei der Hand gehabt; es ist das mehr mit „Schlamperei" und ähnlichen Bemerkungen abgetan worden, zum mindesten mit einer sehr unfreundlichen Kritik.
Das hat den Ausschuß veranlaßt, besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Regierungsvorlage zugestimmt werden oder ob sie in der von der Regierung vorgelegten Form dem Hause zur Annahme empfohlen werden könne. Zu Anfang der Untersuchungen war unsere Meinung, es werde sich herausstellen, daß sich vielleicht aus der totalen Niederlage oder der Tatsache, daß wir in sehr vielen Dingen in unserem Staatswesen nicht frei sind, eine Erklärung anbieten werde, mit der man ausreichend hätte begründen können, daß die Regierung nicht in der Lage war, eine solche Gebührenordnung früher zu erlassen. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte sich der Ausschuß zweifellos auch nicht gescheut, Ihnen — den besonderen Umständen unserer Situation Rechnung tragend — auch einmal ein Gesetz vorzuschlagen, das rückwirkende Kraft hat.
Nach genauer Prüfung kann aber tatsächlich nicht in vollem Umfang der Begründung beigetreten werden, die die Regierung ihrem Entwurf mit auf den Weg gegeben hat. Zweifellos hat am Anfang der Tätigkeit der Außenhandelsstelle ein Zustand bestanden, der es den damals verantwortlichen Stellen nicht möglich gemacht hat, eine Gebührenordnung zu erlassen; aber von einem gewissen Zeitpunkt ab hat diese Möglichkeit zweifellos bestanden. Wir müssen uns in diesem Hause daran erinnern, daß zum Beispiel bei der Vorlage des Berichtes jenes Untersuchungsausschusses, der seinerzeit auf Antrag der Bayernpartei über die Einfuhrverfahren und über das Verfahren der Außenhandelsstelle überhaupt hier erstattet worden ist, schon auf den Umstand hingewiesen wurde, daß eine solche Gebührenordnung nicht vorlag. Bei der Verhandlung ist damals von der Regierung zugesagt worden, sie zu erlassen. Das ist indessen erst in dem Augenblick geschehen, in dem uns die Vorlage zugegangen ist.
Nachdem feststand, daß mit der Begründung nicht all die sehr gewichtigen Einwände und Beschwerden abgetan werden könnten, haben wir uns nicht entschließen können, den § 4 im Gesetzentwurf stehen zu lassen; denn wir wollten das Parlament unter gar keinen Umständen dem Verdacht aussetzen, daß es in jedem Augenblick auf Wunsch bereit sei, ein Gesetz nachzuliefern, wenn versäumt worden ist, ein Gesetz rechtzeitig zu erlassen.
Das Resultat dieser Überlegungen war zunächst einmal die Streichung des § 4 in der Fassung der Vorlage; das ist also die Ablehnung der rückwirkenden Kraft des Gesetzes. Wir konnten uns allerdings mit dieser Streichung alleine nicht begnügen. Das hätte nämlich bedeutet, daß alle diejenigen, die ihre Gebühren bezahlt haben und damit der Übung entsprochen haben, die solchen Ämtern und solchen Amtshandlungen gegenüber nun einmal von alters her am Platze ist, damit das
Recht erhalten hätten, die Gebühren zurückzufordern. Das hätte für die Bundeskasse eine sehr erhebliche Belastung bedeutet.
Aber nicht nur damit mußten wir uns auseinandersetzen, sondern auch mit dem Umstand, daß diese Rückzahlung einen zusätzlichen Gewinn für einige wenige Teilnehmer an der Wirtschaft bedeutet hätte; denn die Gebühren — soweit sie bezahlt sind, und der überaus große Teil der von der Außenhandelsstelle geforderten Gebühren ist bezahlt worden — sind natürlich von den Importeuren, bei denen sie zunächst erhoben wurden, im Preis an die nächste Stufe weitergegeben worden. Zu einem Teil sind die Gebühren in den Betrag eingegangen, der der Subventionierung zugrunde gelegt wurde, soweit es sich um Nahrungsmittel gehandelt hat — wie z. B. Getreide —, die subventioniert werden, um den höheren Auslandspreis auf einen niedrigeren Inlandspreis herunterzubringen. In anderen Fällen sind sie bei der Einfuhrpreisbildung auch mit einkalkuliert und deshalb immer weitergegeben worden. Hätte man also nun die Importeure einfach nur in die Lage versetzt, die Gebühren aus dem Grunde zurückzufordern, weil eine Gebührenordnung eben nicht bestand, dann wären die Leute nicht in der Lage gewesen, die weitergegebenen Gebühren nun ihren Kunden zu erstatten; sie hätten sie wohl oder übel behalten müssen, und die Erfassung durch die Steuer wäre nur zu einem geringen Teil möglich gewesen.
Wir haben auf der anderen Seite nicht geglaubt, daß es die Aufgabe des Gesetzgebers sei, zuzulassen, daß auf diese Weise eine zweifellos vorhandene Lücke dazu benutzt wird, eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, Ihnen den § 3 a in der Form der Beschlüsse des 19. Ausschusses zur Annahme vorzuschlagen. Zweifellos ist es auch so noch keine sehr elegante Lösung; aber es wird so der Tatsache Rechnung getragen, daß eben heute etwas getan werden muß, was leider zu seiner rechten Zeit nicht getan werden konnte und zu einer besseren Zeit als der gegenwärtigen leider nicht getan worden ist. Ich sage noch einmal: Auch für uns, die wir Ihnen diesen Vorschlag machen, ist die Lösung nicht befriedigend. Sie scheint uns aber notwendig zu sein, damit größeres Unheil verhütet wird und man einem ausgesprochenen Unrecht zuvorkommen kann.
Wir haben dabei sehr wohl die Argumente ernsthaft gewürdigt, die aus Prinzip gegen ein Gesetz mit rückwirkender Kraft vorgebracht worden sind. Wir haben uns aber auch andererseits der Erkenntnis nicht verschließen können, daß sehr viele mit dem Hinweis auf so hehre Grundsätze wie die der rechtsstaatlichen Ordnung und der Beschwerde gegen ein rückwirkendes Gesetz doch etwas für sich verteidigen wollen, was sie auf eine andere, offenere Weise nicht für sich zu reklamieren wagen würden.
Ich glaube, daß es in diesem Fall notwendig war, in der Berichterstattung etwas eingehender auf die Problematik der Dinge einzugehen, denn ich fürchte, wir haben mit einer Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit seitens der beteiligten Kreise zu rechnen, und es scheint mir notwendig zu sein, daß alle an der Abstimmung Beteiligten darüber genau im Bilde sind. Ich glaube außerdem, daß es Pflicht des Ausschusses und die Pflicht seines Berichterstatters ist, auch in aller Offenheit darauf hinzuweisen, daß es sich eben um den Versuch handelt, eine Lücke zu schließen, ein Versäumnis
auszugleichen, das aus der Welt zu reden unsere Aufgabe nicht ist.
Namens des Ernährungsausschusses und des mit der Sache vom Hause ebenfalls beauftragten Ausschusses für Außenhandelsfragen habe ich Ihnen die Annahme der Vorlage vorzuschlagen.