Rede von
Albert Ludwig
Juncker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß für einen Teil meiner Freunde in der FDP einen anderen Standpunkt einnehmen, als ihn mein Kollege Preusker eben begründet hat. Es scheint, als solle hier aus Gründen der Optik ein Gesetz zum Zuge kommen, von dessen Unwirksamkeit man von vornherein überzeugt ist.
Der Antrag der Zentrumsfraktion Umdruck Nr. 364 geht ganz richtig von der Tatsache aus, daß das Schwergewicht der Investitionshilfe nicht mehr auf der Aufbringung von einer Milliarde beruht, sondern auf dem neu eingefügten § 36, und zwar aus der Erkenntnis heraus, daß die beispielsweise der Eisen- und Stahlindustrie aus der Umlage von einer Milliarde zugedachten 2- bis 300 Millionen nur einen Tropfen auf einen heißen Stein bedeuten, während mit dem § 36 schließlich doch eine organische Lösung der finanziellen Schwierigkeiten der Grundstoffindustrien angestrebt wird, die dazu beitragen dürfte, die Engpässe durch Selbstfinanzierung zu beseitigen. § 36 räumt nämlich die früher nach § 7 a des Einkommensteuergesetzes gewährten Vergünstigungen der Abschreibungsmöglichkeiten wieder ein, wobei ich allerdings ausdrücklich davor warnen möchte, in der Selbstfinanzierung die alleinige Quelle der Kapitalaufbringung zu sehen, denn zweifellos sind auch vor dem Kriege nicht alle Investitionen für `Kohle, Eisen, Stahl und Energie aus Gewinnerträgen erstellt worden.
Aber lassen Sie mich zu diesem Gesetz auch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Meine Damen und Herren, auch wir sind im Prinzip der Auffassung, daß auf eine Investitionshilfe nicht verzichtet werden kann und daß den Notwendigkeiten einer Produktionsausweitung Rechnung getragen werden muß, soweit das für Kohle und Energie in Frage kommt, denn die beiden Wirtschaftszweige dürften kaum in der Lage sein, die für die Produktionsausweitung notwendigen Kapitalien aus eigenen Betriebserträgnissen aufzubringen. Wir sind aber andererseits auch der Meinung, daß insbesondere die verarbeitenden Industrien, die in der Lage waren zu investieren, keinen Nutzen hätten bzw. daß diese Investitionen illusorisch würden, wenn die vorgelagerten Stufen praktisch außerstande wären, den Mehrbedarf zu decken. Ich kann eigentlich nicht einsehen, warum man nicht insbesondere auf die Betriebe zurückgreift, die einmal durch die Produktionsausweitung in die Lage versetzt werden, an dieser Produktionssteigerung unmittelbar zu profitieren, die aber andererseits auch durch die bisher bereits getätigten Investitionen es praktisch als ein Äquivalent auffassen müßten, auf diese Weise etwas zu tun. Es würde zu weit führen, hier auf Einzelheiten einzugehen, deren Erörterung ich der Generaldebatte in der dritten Lesung vorbehalten möchte.
Vor allem möchte ich noch kurz auf etwas hinweisen, was auch Herr Kollege Kurlbaum schon erwähnte. Wenn man sich die heutige Fassung des Gesetzes ansieht, so kann man es nur begrüßen, daß seinerzeit, kurz vor den Parlamentsferien, das Gesetz nicht auf Anhieb verabschiedet wurde. Ich bin der Auffassung, daß man sich auch einmal Gedanken darüber machen sollte, worauf eigentlich die Animosität gegen dieses Gesetz beruht. Es kann nicht bestritten werden, daß die derzeitigen Versorgungsschwierigkeiten tatsächlich in einer Weise ausgenutzt worden sind, daß weite Kreise der verarbeitenden Industrie und auch des Handels sich heute dazu verurteilt sehen, Geld aufzubringen für Zweige der Wirtschaft, die durch die von ihnen geforderten Überpreise zweifellos in der Lage wären, diese Investitionen selbst zu machen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch das Bundeswirtschaftsministerium eindringlich bitten, sich doch einmal um diese Auswüchse zu bekümmern; ich bin gern bereit, Namen und Firmen zu
nennen, die hierfür verantwortlich zeichnen. Wenn derartigen Manipulationen nicht Einhalt geboten wird, meine Damen und Herren, leidet nicht nur das Ansehen der Bundesregierung, sondern darüber hinaus auch das Ansehen der Demokratie.
— Sicher, dazu haben die anderen Redner ja auch hur gesprochen.
Lassen Sie mich nur die Dinge noch kurz von der Seite der Aufbringung her beurteilen. Es kann nicht bestritten werden, daß sowohl die konjunkturellen als auch die betrieblichen Voraussetzungen sich grundsätzlich geändert haben. Es muß als wirtschaftlicher Wahnsinn bezeichnet werden, wenn heute, bei einer gewissen Liquiditätssorge in der gewerblichen Wirtschaft, Betriebe tatsächlich gezwungen sind, kurz- und mittelfristige Kredite aufzunehmen, die nunmehr in langfristige umgewandelt werden müßten, damit sie der Abgabepflicht genügen können.
Aus all diesen Gründen bedaure ich, im Augenblick einen anderen Standpunkt nicht einnehmen zu können. Ich muß auch erklären, daß mir der von Herrn Kollegen Bertram eingereichte Antrag auf Beseitigung der §§ 1 bis 35 am sympathischsten erscheint.