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ID0117005000

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Metadaten
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    Vokabeln: 6
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    6. Kalinke.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1951 6997 170. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen 6998D Nachruf des Präsidenten auf den verstorbenen Abg. Fischer 6999B Glückwunsch zum 70. Geburtstag des Abg. Dr. Kleindinst 6999B Anfrage Nr. 211 der Zentrumsfraktion betr. Preise für Kohle und Eisen (Nm. 2636, 2700 der Drucksachen) 6999A Anfrage Nr. 212 der Zentrumsfraktion betr. Einführung einer Produktionssteuer (Nrn. 2637, 2712 der Drucksachen) 6999A Anfrage Nr. 213 der Zentrumsfraktion betr. Abweithung vom Umsatzsteuerrecht bei der Durchführung der Entflechtung (Nrn. 2638, 2718 der Drucksachen) 6999A Änderung der Tagesordnung 6999C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Stundung von Soforthilfeabgabe und über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe (Soforthilfe-Anpassungsgesetz) (Nr. 2708 (neu) der Drucksachen) 6999C Ausschußüberweisung 6999C Beschlullfassung über zusätzliche Ausschußüberweisung des Antrags der SPD betr. Erhöhung aller Unfallrenten (Nr. 2622 der Drucksachen) 6999D Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Vertragsentwurf über die Organisation einer gemeinsamen Verwaltung des Hafens von Kehl (Nr. 2594 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Wiederbesiedlung der Stadt Kehl (Nrn. 1493, 2713 der Drucksachen) . . . 6999D Maier (Freiburg) (SPD), Interpellant 6999D Gengler (CDU), Berichterstatter . . 7002B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 7003D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 7006B Dr. Kopf (CDU) 7009A Niebergall (KPD) 7010D Rümmele (CDU) 7012A Renner (KPD) (zur Abstimmung) . 7012C Abstimmungen 7012D Ersatzwahl für den Bundesschuldenausschuß 7013A Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Gewährung von Winterbeihilfen (Nr. 2642 der Drucksachen; Antrag Nr. 2724 der Drucksachen) 7013B Frau Korspeter (SPD), Interpellantin 7013B Bleck, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern 7014D Frau Niggemeyer (CDU) 7016A Dr. Kneipp (FDP) 7016C0 Renner (KPD) 7016D, 7018D Frau Dr. Brökelschen (CDU) 7017C, 7019D Frau Nadig (SPD) 7018B Mellies (SPD) 7019C Ausschußüberweisung 7020B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sorge für die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz) (Nr. 2667 der Drucksachen) 7020C Ausschußüberweisung 7020C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung vom 22. Februar 1951 (Nr. 2643 der Drucksachen) 7020D Horn (CDU), Antragsteller 7020D Dr. Preller (SPD) 7022D Kohl (Stuttgart) (KPD) 7023D Frau Kalinke (DP) 7024C Arndgen (CDU) 7026A Ausschußüberweisung 7026D Erste Beratung des von den Abg. Jacobi, Mellies, Dr. Dresbach, Lücke, Dr. Reismann, Ewers, Dr. von Merkatz u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (RVO) (Nr. 2676 der Drucksachen) 7026D Ausschußüberweisung 7026D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen (Nr. 2683 der Drucksachen) 7027A Ausschußüberweisung 7027A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Bundesarbeits- und Sozialgerichte (Nrn. 2634, 2331 der Drucksachen) . . 7027A Sabel (CDU), Berichterstatter . . . 7027B Ludwig (SPD) 7028A Kohl (Stuttgart) (KPD) 7028B Beschlußfassung 7028C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Ott, Frau Wessel und Fraktion des Zentrums betr. Erhöhung der Beträge für alle Unterstützungsempfänger (Nrn. 2631, 1863 der Drucksachen) 7028D Freidhof (SPD), Berichterstatter . 7028D Beschlußfassung 7029A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films (34. Ausschuß) über die Interpellation der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP betr. UFI-Auktion in Wiesbaden (Nrn 2668, 1590 der Drucksachen) 7029A Dr. Vogel (CDU): als Berichterstatter 7029B als Abgeordneter 7030A Hennig (SPD) 7031A Mende (FDP) 7032B Ewers (DP) 7032D Gundelach (KPD) 7033C Mayerhofer (BP) 7034A Jacobs (SPD) 7034B Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 7034D Beschlußfassung 7035A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Bau- und Bodenrecht (36. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entwurf eines Gesetzes auf Aufhebung des Gesetzes zur Ergänzung der Kleingarten- und Kleinpachtordnung vom 26. Juni 1935 (Nrn. 2651, 1859 der Drucksachen) 7035B Winkelheide (CDU), Berichterstatter 7035B Beschlußfassung 7035C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nr. 2680 der Drucksachen) . . . . . 7035C Beschlußfassung 7035C Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Nr. 2694 der Drucksachen) 7035C Pannenbecker (Z), Antragsteller . 7035D Ewers (DP) (zur Geschäftsordnung) 7036A Dr. Arndt (SPD) 7036B Beschlußfassung 7037A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. GARIOA-Kredit für die deutsche Presse (Nr. 2671 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 343) . . . . 7037A Vogel (CDU), Antragsteller . 7037A, 7038D von Thadden (Fraktionslos) . 7037B, 7038D Renner (KPD) 7037D Beschlußfassung 7039A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 338) 7039C Beschlußfassung 7039C Nächste Sitzung 7039C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Rudolf Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Es ist charakteristisch für die Arbeit, die vom Bundesarbeitsministerium auf den verschiedenen sozialpolitischen Gebieten geleistet wird, daß noch im jetzigen Zeitpunkt die Durchführungsverordnung für das bereits vor acht Monaten beschlossene Gesetz fehlt. Wir haben auf dem andern Sektor, dem arbeitsrechtlichen Gebiet, ähnliche Erscheinungen zu verzeichnen, und zwar trotz wiederholter Versprechungen, die vom Herrn Bundesarbeitsminister selbst oder seinem Staatssekretär in diesem Hause abgegeben worden sind, Versprechungen, die dahin gingen, daß die Dinge bereits ausgebrütet und im Bundesarbeitsministerium in irgendeine Form gegossen werden. Diese Dinge werden aber niemals hier dem Plenum des Bundestags vorgelegt.
    Dasselbe erleben wir auf dem Gebiet der Änderung der Arbeitslosenversicherungsgesetzgebung, wo ebenfalls bisher vom Bundesarbeitsministerium


    (Kohl [Stuttgart])

    dem Bundestag auch nicht die Spur eines Gedankens vorgetragen worden ist. Immer wieder wurde behauptet, daß die Dinge in der Schwebe seien. Ich gehe mit dem Kollegen Preller absolut einig, daß mit der Vorlage dieses neuen Gesetzentwurfs die Wahl zu den Körperschaften in der Sozialversicherung praktisch überhaupt auf die lange Bank geschoben wird.

    (Abg. Horn: Stimmt ja gar nicht!)

    — Doch, sie wird auf die lange Bank geschoben; denn Sie werden zuerst den Gesetzentwurf — das heißt diese Änderung — mit dem Urgesetz in Einklang bringen müssen. Ändern müssen Sie, bevor Sie überhaupt die Wahlen durchführen können. Das ist eine Tatsache.
    Wir haben die Verpflichtung, uns doch mit einigen Rosinen aus dem Kuchen, den uns der Kollege Horn serviert hat, zu beschäftigen. Ich glaube, einige Paragraphen zeigen sehr deutlich, was Sie eigentlich mit Ihrem Änderungsantrag zu diesem Gesetz bezwecken. Ich glaube, daß Sie nun einige Hintertürchen öffnen wollen, die zu öffnen Ihnen bei der Verabschiedung dieses wirklich nicht glänzenden Gesetzes betreffend die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung nicht gelungen ist. Ich weise beispielsweise auf den § 1 hin. Der Herr Kollege Preller hat mit Recht auf die Konsequenzen hingewiesen, die die Annahme dieses Paragraphen mit sich bringt. Ich glaube, Ihre Einbeziehung der Knappschaftsversicherung in den § 1 in diesem Zusammenhang entspringt dem sehr eindeutigen Wunsch, eine im Ruhrbergbau vorhandene Gruppe von sogenannten technischen Angestellten nun auf diesem Umweg in die Selbstverwaltungskörperschaft der Knappschaftsversicherung einzuschmuggeln. Die Tatsache besteht; denn ich kenne
    die Eingaben dieser Gruppe, einer Gruppe, die mit gewerkschaftlichen Tendenzen aber auch nicht das mindeste zu tun hat, sondern die mit den Gedankengängen des Unternehmertums im Ruhrgebiet sehr eng liiert ist.
    Weiter haben Sie noch in § 1 Abs. 2 eine sehr entscheidende Änderung, indem Sie nun bezüglich der Berechtigung zur Wahl nur von den Versicherten sprechen und dort den Nachweis einer dreimonatigen Beitragszahlung verlangen. Meine Herren, wenn Sie gerecht sein wollen, müssen Sie zugeben, daß Sie hier sehr einseitig verfahren, weil in diesem § 1 Abs. 2 mit keinem Wort davon die Rede ist wie man eigentlich die Unternehmer, die ebenfalls wählen wollen, zu kontrollieren gedenkt, ob sie die Beiträge, die sie dem Arbeiter abgezogen haben, an die Kassen der Sozialversicherungsträger vorschriftsmäßig entrichtet haben.
    Bedenklich erscheint uns vor allen Dingen der § 3 dieses Gesetzes, von dem Herr Kollege Horn sagt, er gewähre eine gewisse Freizügigkeit, indem auch Kräfte, die nicht den Dienstweg gegangen seien, als Geschäftsführer zugelassen würden. Aber, meine Damen und Herren, den Pferdefuß, den Herr Kollege Horn allerdings nicht angeführt hat, sehen wir darin, daß der obersten Verwaltungsbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle die endgültige Bestätigung zusteht. Auch das ist wieder ein Schlag gegen den Gedanken der reinen Selbstverwaltung.
    Der § 9 — Herr Kollege Preller wies ebenfalls mit Recht darauf hin — und der § 10 bringen tatsächlich in den wirklich nicht idealen Zustand der gesamten Sozialversicherung eine Zersplitterung hinein, die vermieden werden muß. Sie stellen als Faktum beispielsweise in § 9 die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte heraus. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Herr Bundesarbeitsminister auf der Krankenkassentagung davon gesprochen hat, eine Hilfe für die Krankenkassen, für die Sozialversicherung könne nicht damit erreicht werden, daß eine Erweiterung der Pflichtgrenze vorgenommen werde. Er bezog sich dabei auf den Antrag der Sozialdemokratischen Partei, die Pflichtgrenze auf 600,— DM zu erhöhen. Wenn aber der Herr Bundesarbeitsminister einmal erkannt hat, daß die Sozialversicherung so, wie sie gegenwärtig besteht, reformbedürftig ist, dann, glaube ich, muß diese Erkenntnis doch irgendwie ihren fruchtbaren Niederschlag finden. Ich bin der Auffassung, der Bundestag hat Veranlassung, dem Bundesarbeitsminister und seinen Bearbeitern dieses sozialpolitischen Problems doch einmal sehr ernstlich auf die Füße zu treten, damit wir in recht kurzer Zeit auch in diesem Hause die seit Jahren diskutierte notwendige Reform der Sozialversicherung zugunsten der Kranken und Sozialrentner behandeln können.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hatte nicht erwartet, daß es heute wieder zu einer umfassenden Debatte um das Problem der Einheitsversicherung kommen würde. Auch war ich nicht Gast des Deutschen Ortskrankenkassentags und bin deshalb mit dem Gedankengut dieser . Diskussionen um unsere Gesetzesvorlage nicht so vertraut. Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß sich Herr Professor Preller mit Herrn Kohl, dem letzten Redner, restlos in seiner Auffassung von der Schaffung einer möglichst umfassenden „Staatsbürgerversorgung für jedermann" identifizieren möchte; aber ich verstehe doch, warum er einiges nicht wissen kann. Herr Kollege Dr. Preller ist sehr viel später in den Bundestag gekommen und konnte an den Beratungen über das Selbstverwaltungsgesetz, die nicht immer bequem und einfach waren, leider nicht teilnehmen. Wenn er dabei gewesen oder wenn er besser informiert worden wäre, dann wüßte er, daß uns niemals vorgeschwebt hat, mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Selbstverwaltung in den Sozialversicherungsträgern etwa die Probleme der Organisationsform der deutschen Sozialversicherung zu diskutieren oder so nebenher mitzuerledigen. Wenn Herr Professor Preller weiter gut informiert wäre, so wüßte er auch, daß all die Fragen, die er angeschnitten hat, im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß nicht nur aufs gründlichste geprüft, sondern sogar widerlegt worden sind. So verlockend es wäre, auf dieses Problem einzugehen, habe "ich doch nicht die Absicht, diejenigen weitgehend zu belehren, die sich gut aus den damaligen Protokollen unterrichten können.
    Ich möchte nur auf die Frage eingehen, die Herr Dr. Preller besonders erwähnt hat. Da möchte ich — und ich fühle mich hierin mit unseren Koalitionspartnern einig — zunächst Verwahrung dagegen einlegen, daß die Behandlung dieses Antrags etwa eine Verzögerung der Verabschiedung der Wahlordnung und der Durchführung der Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen zur Folge haben könnte, Ich bitte die Herren Kollegen aus der SPD, alles zu tun und dafür zu sorgen, daß dieser Antrag


    (Frau Kalinke)

    im Sozialpolitischen Ausschuß so schnell über die Bühne geht, wie Sie wünschen, daß der Antrag des Bundesrats über die Bühne gegangen wäre. Wir werden das unsere dazu tun. Es gibt darin keine neuen Probleme; es gibt nur ein Problem: jetzt festzustellen, daß nicht etwa der Bundestag, auch nicht sein Ausschuß, sondern der Bundesrat die Verabschiedung der Wahlordnung verzögert hat, als in seinen Ausschüssen wochenlang die Frage der Wahlausweise diskutiert wurde und als man sich nicht klar darüber war, ob die Rentner das aktive und passive Wahlrecht zur gleichen Zeit haben sollten. Als die Besprechungen mit den sogenannten Sozialpartnern und mit den Verbänden beendet waren, war es der Bundesrat, der Wochen und Wochen brauchte — das möchte ich nur sachlich feststellen —, um die Wahlordnung dann doch abzulehnen.
    Wir müssen uns gegen den Vorwurf verwahren, daß bei diesem Gesetz Sonderinteressen vertreten würden oder daß es sich um eine Zersplitterung der Kräfte der Sozialversicherungsträger handele, wie es Herr Professor Preller ausgedrückt hat. Herr Professor Preller, als Sozialpolitiker wissen Sie so gut wie ich, daß in der französischen Zone die französische Militärregierung — inspiriert nicht allein von Ihren Freunden, sondern in der Hauptsache von denen des Herrn Abgeordneten Kohl; aber auch Ihre Freunde haben mitgeholfen — damals die Einheitsversicherung befohlen hat. In den Landtagen der französischen Zone ist nach demokratischen Regeln abgestimmt worden, und in den Landtagen der französischen Zone hat man sich zum deutschen Recht, wie es in der Reichsversicherungsordnung niedergelegt ist, bekannt; und die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter der Betriebe der französischen Zone haben sich dort bei den Abstimmungen mit großer Mehrheit für ihre Betriebskrankenkassen so ausgesprochen, wie sich die Arbeiter und Angestellten gelegentlich in ihren Treuebekenntnissen zu den Selbsthilfeeinrichtungen ihrer Ersatzkassen aussprechen.

    (Abg. Kohl [Stuttgart]: Stimmt nicht ganz!)

    - Das stimmt, und Sie wissen es. Wenn Sie diesen Zwischenruf machen, sprechen Sie gegen besseres Wissen.

    (Zurufe von der KPD.)

    Was geschah in Bremerhaven? In Bremerhaven hat ein Ortskrankenkassenleiter zusammen mit einem Ihrer Herren Genossen mit Hilfe der amerikanischen Militärregierung die Einheitskasse geschaffen!

    (Glocke des Präsidenten.)

    — Einen Augenblick. Gestatten Sie, Herr Präsident: Herr Dr. Hammer, haben Sie die Liebenswürdigkeit und geben Sie mir die Zeit Ihrer Fraktion?

    (Abg. Dr. Hammer: Ich bitte darum!)

    - Ich danke Ihnen. — Ich spreche — und ich bin mit den Freunden aus der Freien Demokratischen Partei und der Christlich Demokratischen Union einig — zu der Frage nur so, wie sie sich uns sachlich im Sozialpolitischen Ausschuß dargestellt hat. Die Innungskassen in Bremerhaven wurden geschlossen, weil man der Auffassung war, daß die Bäcker und Schlachter Eigenbrötler seien. Die Ersatzkassen wurden mit der Begründung geschlossen, die Geschäftsführer seien Mitglieder der NSDAP gewesen. Die Betriebskrankenkassen und die Landkrankenkassen wurden geschlossen, weil sie angeblich eine preußische Einrichtung seien. Es entbehrt nicht des Reizes, in die Geschichte jener Zeit nach 1945 hineinzuschauen und festzustellen,
    wie entgegen jeder, aber auch jeder Vorstellung von Demokratie dort verfahren worden ist.

    (Hört! Hört! und Sehr richtig! rechts.)

    Ich glaube, die guten Demokraten in diesem Hause werden alle mit mir einig sein, daß die deutschen Versicherten selber zu bestimmen haben, wie die Form aussehen soll, in der sie sich ihre Krankenkasse wünschen.

    (Zuruf von der SPD: Im Entwurf steht es anders!)

    In der französischen Zone soll nichts anderes geschehen, als was überall und zu jeder Zeit unter der Reichsversicherungsordnung möglich war, und ich darf für die Auch-Sozialpolitiker, die heute in den Zeitungen schreiben, daß die Ortskrankenkassen noch mehr geschädigt werden, wenn weitere Krankenkassen zugelassen würden, nur noch hinzufügen: In der französischen Zone sind weder die Beiträge erhöht noch die Leistungen gesenkt worden, nachdem die Sonderkassen wieder zugelassen wurden.
    Was uns das Experiment der uns von der russischen Kommandantur in Berlin bescherten Einheitsversicherung gekostet hat, meine Herren und Damen, darüber wollen wir in der augenblicklichen Situation und in dieser Stunde schweigen.
    Ich wüßte nicht — ich habe, wie gesagt, die Reden beim Ortskrankenkassentag nicht gehört — was in diesem Entwurf verankert wäre, was außerhalb der RVO irgendeine Regelung zuließe. Ich weiß auch nicht, von welchen anderen Tendenzen Herr Professor Preller spricht, wenn er zum § 1 sagt, daß die Zulassung von Vereinigungen von Arbeitnehmern zur Einreichung von Wahlvorschlägen zu den Selbstverwaltungsorganen nicht demokratisch wäre. Ja, dann weiß ich nicht, was Herr Professor Preller, und wenn er für seine Freunde gesprochen hat, was seine Fraktion dann für demokratisch hält?! Setzen Sie voraus, daß etwa sämtliche Versicherten der deutschen Sozialversicherung Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind? Ich glaube, Sie sind mit mir der Auffassung, daß das nicht der Fall ist. Wenn es so ist, daß die Mehrzahl der Versicherten nicht ihre gewerkschaftliche Vertretung in einer Massen- und Einheitsorganisation hat und zu haben wünscht, dann sollen auch die übrigen Verbände, Organisationen und Gemeinschaften, in denen sich Arbeitnehmer zusammengefunden haben, dasselbe Recht haben, eine Liste aufzustellen, wie jede andere Gewerkschaft.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wenn wir als gute Demokraten die Selbstverwaltung als die vornehmste und edelste Tugend in der Demokratie wahrhaft pflegen und entwickeln wollen, dann wollen wir dazu beitragen, daß auch die Menschen an sie herangeführt werden, die nicht ihr Ideal in den Massenorganisationen unserer Zeit sehen.

    (Aha! bei der SPD.)

    — Nicht aha! Meine Meinung ist Ihnen bekannt, und ich habe sie nie verschwiegen. Herr Professor Preller, Sie kennen die Zahl der Zwangsversicherten genau so gut, wie Sie die Zahl der Zwangsorganisierten kennen! Wir wollen die Freiheit und wir wünschen die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der sozialen Krankenversicherung wie in der sozialen Renten- und Unfallversicherung nach den Prinzipien der Demokratie und der Freiheit, die wir in einem Rechtsstaat so auffassen, daß sie nur unteilbar sein kann.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)