Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Das gilt insbesondere, wenn Sie von Herrn Schumacher Äußerungen hören, wie etwa, daß der Schumanplan eine zweite Kapitulation nach 6 Jahren bedeute, oder der Besuch des Kanzlers in Paris zu diesem Zweck sei ein Ritt über den Bodensee, oder der Vertrag sei die Geburtsurkunde einer neuen prokommunistischen Partei, wobei die USA die Rolle des Standesbeamten spielten — das ist der Jargon des Ostens —,
oder der Schumanplan sei eine antidemokratische und technokratische Diktatur, gegen die er das deutsche Volk zur Mobilmachung aufrufe.
Wer steht denn nun auf Ihrer Seite und auf der Seite von Herrn Schumacher in diesem Haus, im Bundestag?
Die Herren Dorls, Richter, Renner, Loritz und Schumacher,
und draußen die Kommunisten, die Ostzone, Sowjetrußland, die französischen Kommunisten und einige rechtsradikale französische Schwerindustrielle. In was für einer Gesellschaft befindet sich denn Herr Dr. Schumacher? Gibt Ihnen das nicht zu denken, daß die Straße, aufgehetzt von den Kommunisten, gegen den Schumanplan demonstriert und daß unsere Pulte von kommunistischen Schreiben gegen den Schumanplan voll sind!
Im Europarat war das Stimmenverhältnis für den Schumanplan glaube ich, 80 ,zu 7; nämlich gegen die 7 deutschen sozialistischen Stimmen hat das ganze andere geschlossene Europa — und zu diesem Europa gehören die Sozialisten der anderen europäischen Staaten — den Schumanplan angenommen; auch die englische Labour Party.
— Ich glaube gern, daß alle diese 80 Idioten und Sie die einzigen Intelligenten waren.
So hat zum Beispiel der französische Sozialist André Philipp, den Sie zitiert haben, hinreißende und überzeugende Worte zugunsten des Schumanplans gefunden.
Es stehen auf der anderen Seite Ihnen gegenüber die Gewerkschaften Deutschlands mit einem bedingten Ja
und die Gewerkschaften Europas. Herr Schumacher hat Sie, die SPD, in eine hoffnungslose Isolierung hineinmanövriert,
und nun wollen Sie mit der Verbissenheit, die gerade Ihrem Führer so eigen ist, Ihre falsche Linie zum Verderben des deutschen Volkes weiterverfolgen.
Es gibt eben in der Politik Männer und Macher.
Männer sind Menschen, die Konzeptionen haben,
die die Probleme sachlich und positiv lösen wollen,
die die Sache immer über die Partei und Parteitaktik stellen, die mit konstruktiver Mitarbeit Schwierigkeiten zu überwinden suchen und denen vor allem etwas eigen ist: ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl.
Macher sind solche Leute, die die Probleme nur unter ihren parteipolitischen Gesichtspunkten sehen, denen es nicht um konstruktive Lösungen geht, sondern nur um zersetzendes Tun und Handeln. Männer und Macher der Politik! Und heute steht gegenüber: Schuman contra Schumacher.
Der Kampf und die Diskussion, die sich hier vollziehen, sind deswegen beschämend, weil sie so fernstehen von einer großen Idee, die seit Jahrhunderten uns endlich wieder zu einer Befreiung von unserer nationalen Enge bringt und die uns die
Völker Europas wieder sehen läßt, wie wir sie einst im Mittelalter als eine einzige große Völkerfamilie kannten, und weil auch dadurch eine rein materielle Verbesserung in unserem Volke erzielt wird.
Deswegen bekennt sich die Bayernpartei zum Schumanplan. Wir sehen, wie die anderen Redner Bedenken und Besorgnisse äußern. Auch wir fordern mit vollem Nachdruck, wenn diese Spule auch schon einige Male abgespult worden ist, die Beseitigung der Bestimmungen des Ruhrstatuts, der Beschränkungen der Verbundwirtschaft, die Aufrechterhaltung der Kohlenzentrale; wir fordern, daß diese Fragen in der Weise geregelt werden, um die Konkurrenz- und Startbedingungen in Deutschland mit denen der anderen Staaten gleich zu gestalten.
Wenn das geschieht—und nach den Mitteilungen der Bundesregierung, die wir heute bekommen haben, sind ja einige dieser Bedenken schon durch feste Zusagen ausgeräumt —, dann ist unser Bekenntnis zur Idee des Schumanplans durchaus positiv, weil wir mit ihm nicht nur etwas zum Wohle unseres Volkes, sondern auch zum Wohle Europas und der Welt zu tun glauben und weil wir damit den ersten Schritt in eine freie Welt und bessere Zukunft sehen.