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ID0116102600

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    Deutscher Bundestag — 161. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Juli 1951 6497 161. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Juli 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6498A, 6559C Beschlußfassung des Deutschen Bundestags zum Gesetz über steuerliche Behandlung von Tabakerzeugnissen besonderer Eigenart 6498A Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen 6498A Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen . 6498A Zolltarifgesetz 6498A Gesetz über eine Bundesbürgschaft zur Abwicklung von Saatenkrediten für die Ernten bis zum Jahre 1949 6498A Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuerrechts 6498B Gesetz zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes 6498B Vorlage des Entwurfs einer Verordnung PR Nr. 50/51 — Kohle — II/51 — zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr, Aachen und Niedersachsen sowie zur Sicherstellung der Deckung des Bedarfs an festen Brennstoffen 6498B Anfrage Nr. 198 der Abg. Strauß u. Gen. betr. Auslieferung deutscher Wertpapiere (Nrn. 2355, 2483 der Drucksachen) . . . 6498B Mitteilung der Bundesregierung betr. Beratung des Gesetzentwurfs über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft (Nr. 2450 der Drucksachen) 6498B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 6498D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Fortgang der Beratungen über den Gesetzentwurf betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 2484 der Drucksachen) 6499C zur Geschäftsordnung: von Thadden (DRP) 6498B zur Sache: Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 6499C Dr. Henle (CDU) 6502B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 6510C Euler (FDP) 6521C Dr. Bertram (Z) 6525D Albers (CDU) 6532A Henßler (SPD) 6535A Dr. von Merkatz (DP) 6539D Dr. Seelos (BP) 6542B zur Geschäftsordnung: Arndt (SPD) 6545A zur Sache: Dr. Preusker (FDP) 6545B Reimann (KPD) 6547B Tichi (BHE-DG) 6552C Löfflad (WAV) 6553D Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 6554C zur Geschäftsordnung: Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 6555B Erler (SPD) 6555B Strauß (CSU) 6555C Ewers (DP) 6555C Ollenhauer (SPD) 6555D zur Abstimmung: Mellies (SPD) 6556A Dr. Preusker (FDP) 6556A Ausschußüberweisungen 6556B Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes (Nrn. 2268, 2341, 2432, 2499 der Drucksachen) . 6556C Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Berichterstatter 6556D Beschlußfassung 6557A Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts (Nrn. 2130, 2316, 2433, 2501 der Drucksachen) 6557A Hoogen (CDU), Berichterstatter . . 6557A Beschlußfassung 6557B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Nrn. 2463 und zu 2463 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) 6557C Dr. Hammer (FDP), Berichterstatter 6557D Freidhof (SPD) 6558B Renner (KPD) 6558B, 6558D Abstimmungen 6558A, B Rückblick auf die zweijährige Tätigkeit des Deutschen Bundestags und Wünsche für die Parlamentsferien: Vizepräsident Dr. Schäfer 6559D Nächste Sitzung 6559D Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Johannes Albers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Aufgabe, den Schumanplan in allen seinen Einzelheiten und Auswirkungen zu werten. Ich werde auch nicht dem Herrn Kollegen Schmid antworten. Dies werde ich auch deshalb nicht tun, weil ich nicht über seine Redebegeisterung und auch nicht über seine selbsteigene und sarkastische Rhetorik verfüge. Wir haben ihn ja in den letzten zwei Jahren kennengelernt.
    Seine Kritik versuchte, ein dürftiges Nein zur Vorlage zu finden. Ich sehe die Aufgabe meiner Darlegungen darin, erneut das Positive der Vorlage herauszuheben. Mich und Millionen Mitglieder der christlich-sozialen Arbeiterbewegung des Bundes und des Auslandes interessiert in erster Linie die Frage: Was bringt der Schumanplan den arbeitenden Volksschichten? Ist das, was geschaffen werden soll, wirklich ein kapitalistisches Unternehmen? Ist es ein Riesenkartell? Ist es das, was die Gegner von ihm sagen? Und da meine ich, wer die vorliegenden Unterlagen unvoreingenommen prüft, kann eine solche Feststellung nicht treffen.
    Die Eigentumsverhältnisse an Kohle und Eisen in den einzelnen Ländern werden von dem Vertrag nicht berührt. Ob Kohle und Eisen sich in Privatbesitz oder in Staatsbesitz befinden, ob und wie die Eigentumsfrage in der Zukunft geregelt werden soll, das ist und bleibt ureigenste Aufgabe jedes der beteiligten Länder.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    In Deutschland steht diese Frage noch zur Entscheidung. Es liegt in unserer Zuständigkeit, in welchem Sinn die Regelung des Eigentums an Kohle und Eisen erfolgen soll. Durch unser Ja zum Schumanplan wird uns die Entscheidung hierfür nicht vorweggenommen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Man wendet ein, daß über die Hohe Behörde ein zu großer Einfluß des Kapitals gegeben sei. Dazu stelle ich fest, daß nach dem Vertrag die Vertreter in den Organen Vertreter der beteiligten Staaten und Völker sein sollen. Darüber, daß es die richtigen Männer und Frauen sind, die neben ihren sachlichen Qualitäten über die notwendige Unabhängigkeit verfügen, haben die Stellen zu entscheiden, die diese Vertreter delegieren. Das sind
    wir, und das ist die Regierung. Wir würden unsere Aufgabe nicht richtig erfüllen, wir würden unsere Aufgabe gegenüber unseren Wählern nicht erfüllen, wenn wir hier nicht klar und eindeutig unsere Pflicht sehen würden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Es ist von großer Bedeutung, daß die Hohe Behörde sich in ihren sachlichen Entscheidungen auf den Beratenden Ausschuß zu stützen hat. Dieser setzt sich zu gleichen Teilen zusammen aus Vertretern der Erzeuger, der Arbeitnehmer und der Verbraucher. Gegenüber Auffassungen, die eine paritätische Besetzung dieses Organs aus Unternehmern und Arbeitnehmern fordern, sehen wir in der Heranziehung der Verbraucher die bessere Lösung. Während wir in Deutschland es noch nicht fertiggebracht haben, ein Organ der überbetrieblichen Mitbestimmung wie den Bundeswirtschaftsrat zu schaffen, ist hier von vornherein in europäischem Rahmen für Kohle und Eisen ein derartiges Organ gebildet worden, das auch den Interessen der Sozialpartner und der Verbraucherschaft Rechnung tragen soll.

    (Abg. Henßler: Beratender Ausschuß, Herr Albers!)

    — Ich spreche ja ausdrücklich vom Beratenden Ausschuß.

    (Abg. Henßler: Nicht bestimmender 'Ausschuß!) Diese Konstruktion kann für Entscheidungen, die wir demnächst in diesem Hause gerade in bezug auf das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht zu fällen haben, wertvolle Anregungen geben.

    Wenn ich also zusammenfassend die Struktur und Zusammensetzung der Organe des Schumanplans bewerte, so darf ich feststellen, daß der Plan nicht ein Instrument einseitiger und kapitalistischer Interessen sein kann, sondern ein Zusammenspiel von' Kapital und Arbeit auf europäischer Basis schaffen wird.
    Meine verehrten Damen und Herren, wenn die Bundesregierung und der Herr Bundeskanzler sich seit mehr als fünf Vierteljahren um die Schaffung des Schumanplans bemühten, so haben sie ja auch einen Auftrag dieses Parlaments erfüllt, ja, ich glaube sagen zu dürfen, der Kanzler hat sogar einen Auftrag der Opposition erfüllt. Ich habe vor mir liegen einen Auszug aus der Rede des Herrn Dr. Schumacher zur Saarfrage vom 10. März 1950 in diesem Hause. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich die markantesten Sätze aus den damaligen Ausführungen des Herrn Dr. Schumacher wiederholen. Er sagte:
    Man sollte jetzt von unserer Seite den Versuch machen, unter Betonung der europäischen Kooperation und in streng europäischem Rahmen im Geiste der Gemeinsamkeit auf das Ziel einer größtmöglichen wirtschaftlichen Vereinigung Europas loszugehen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ohne Zweifel ist es eine gute Sache, wenn Frankreich und Deutschland gerade wegen der besonderen Spannung zwischen diesen Ländern und ihren Wirtschaften auch den Anfang bei der konkreten Behandlung dieser Themen machen;

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr schön!)

    denn wenn Frankreich und Deutschland nicht
    die Formel der ökonomischen Symbiose für die
    Zeit nach dem Aufhören des Marshallplans
    finden, dann konkurrieren sie sich mit den 1952


    (Albers)

    vorhandenen europäischen Überkapazitäten in Grund und Boden. Die Völker erzeugen durch eine falsche Politik in Europa eine Arbeitslosigkeit, die dem östlichen Totalitarismus eine vorher noch nie gekannte Chance gibt.
    Darum, meine Damen und Herren, steuern wir auf das Ziel eines Friedensvertrages mit Deutschland. Aber solange er nicht realisiert ist, sollten wir besonders auf wirtschaftspolitischem Gebiet, nicht auf territorialem Gebiet, das Ziel angehen, Anfänge zu schaffen in der gegenseitigen wirtschaftlichen Berücksichtigung der Interessen Frankreichs und Deutschlands durch direkte Fühlungnahme. Mit anderen Worten, ich rede hier einer Initiative zu Verhandlungen mit Frankreich speziell auf wirtschaftspolitischem Gebiet das Wort, Verhandlungen, die größer sind und tiefer gehen als das, was Handelsvertragsabkommen hervorbringen können, die einen französisch-deutschen Freundschaftsvertrag bringen.
    Ich glaube, daß im Schumanplan diese Voraussetzungen für einen deutsch-französischen Friedensvertrag, wie es auch der Herr Dr. Schumacher wünschte, gegeben sind.

    (Beifall bei der CDU.)

    Wenn es aber anders wäre, so muß ich jetzt die Frage stellen, würden dann die Gewerkschaften in einem solch objektiven Verhältnis zum Schuman-plan stehen? Gewiß sind noch Wünsche offen. Wir kennen diese Wünsche: Aufhebung der Diskriminierung aus dem Besatzungsrecht, Aufhebung der Ruhrbehörde und der noch bestehenden Produktionsbeschränkungen. Der Herr Bundeskanzler hat heute früh zu dem Antrag der SPD in mehr oder weniger positiver Weise Stellung genommen. Ich frage Sie: Wird unsere Ausgangsposition besser, wenn wir den Schumanplan ablehnen? Wir meinen, nur durch Mitarbeit, Mitgestaltung und Mitverantwortung bei der europäischen Neuordnung kann unsere Situation auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet verbessert werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das haben auch die Gewerkschaften in ihrer Stellungnahme mit berücksichtigt und herausgestellt. Gerade die Gewerkschaftsvertreter der anderen fünf am Schumanplan beteiligten Länder — mögen sie aus dem Internationalen Bund der Freien Gewerkschaften oder aus der Christlichen Gewerkschaftsinternationale kommen — haben sich in vorbildlicher und kameradschaftlicher Weise für die Gleichberechtigung Deutschlands eingesetzt. Männer wie Oldenbroek vom Internationalen Bund der Freien Gewerkschaften und Serrarens von der Christlichen Gewerkschafts-Internationale sind uns wohl auch Mitgaranten dafür, daß der Sinn und der Zweck des Schumanplans erfüllt wird.

    (Abg. Dr. von Brentano: Ausgezeichnet!)

    Und wer wollte daran zweifeln, daß die mächtigen internationalen Organisationen der Bergarbeiter und der Metallarbeiter nicht in der Lage wären, einseitige und den europäischen und den Arbeiterinteressen abträgliche Entwicklungen zu verhindern?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    So mächtig die Gewerkschaften aber auch sind, eins vermögen sie nicht: in einem in sich zerrissenen Europa, in dem zu eng gewordenen Rahmen der Nationalwirtschaften auf die Dauer soziale Sicherheit und sozialen Fortschritt zu gewährleisten. Es ist ein untrügliches Zeichen für die gefährliche
    Situation, in der wir uns befinden, daß die Produktivität der europäischen Arbeit kaum noch ein
    Drittel der Produktivität der amerikanischen beträgt. Das liegt doch beileibe nicht an mangelnder
    Tüchtigkeit und mangelndem Fleiß der europäischen und insbesondere der deutschen Arbeiter;
    das liegt doch einzig und allein an der Desorganisation der europäischen Wirtschaft und der zurückgebliebenen technischen Ausrüstung der Betriebe.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Die Überwindung dieses Zustandes erfordert gerade vom Standpunkt der Interessen der breiten Schichten unseres Volkes zwingend die europäische Wirtschaftseinheit. Jetzt wird der Zusammenschluß allen beteiligten Völkern die Chance zum sozialen Fortschritt und zur Wohlfahrt geben können. Die Voraussetzungen dafür, daß dieser Fortschritt wirklich den breitesten Volksschichten zugute kommt, sind durch die heutige starke staats-
    und wirtschaftspolitische Stellung der Arbeitnehmerschaft und ihrer gewerkschaftlichen Organisationen weit mehr als je gegeben.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Die sich im europäischen Rahmen vollziehende Arbeitsteilung, die Ausnutzung günstiger Standortbedingungen und dazu der leistungssteigernde Wettbewerb sind, wie heute früh schon verschiedentlich betont wurde, die Voraussetzungen für eine größere Kreditwürdigkeit und damit für eine bessere technische Ausrüstung der beteiligten Unternehmen. Damit ist dann aber auch die Gewißheit für eine Erhöhung des Sozialprodukts gegeben. Bei der Verteilung dieses vergrößerten Sozialproduktes befinden sich die Gewerkschaften auf ihrem ureigensten Aufgabengebiet. Überlassen wir also ruhig die Sorgen um die Hebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, auch die Sorgen um den gerechten Anteil am Sozialprodukt, den Gewerkschaften.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Für die beteiligte Arbeitnehmerschaft ist es natürlich von großem Interesse, zu wissen, inwieweit die neue Gemeinschaft auf ihre Arbeitsbedingungen einwirkt. Dazu ist zu sagen, daß die Fragen der Arbeitsbedingungen und der sozialen Leistungen durch den Schumanplan nicht berührt werden. Eine Verschlechterung der sozialpolitischen Verhältnisse braucht daher nicht befürchtet zu werden, im Gegenteil! Es ist selbstverständlich, daß der Schumanplan mit der Zeit zu einer einheitlichen, fortschrittlicheren europäischen Sozialpolitik führen wird, die auch uns neue Impulse in der sozialpolitischen Gestaltung geben kann und geben wird. Uns Deutschen ist dabei die Aufgabe gestellt, so wie bisher in der Sozialpolitik anregend und führend mitzuwirken, dann aber nicht mehr allein auf dem Gebiete der Bundesrepublik, sondern auf gesamteuropäischem Boden.

    (Beifall bei der CDU.)

    Es kann freilich nicht übersehen werden, daß in den Jahren des Übergangs gewisse wirtschaftliche Schwierigkeiten eintreten können, durch deren Auswirkungen auch die Arbeiterschaft betroffen werden kann. Wir können nun aber mit Befriedigung feststellen, daß der Vertrag für derartige Fälle besondere Schutzmaßnahmen zugunsten der Arbeiterschaft vorsieht. Es ist der Hohen Behörde insbesondere zur verpflichtenden Auflage gemacht,, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um etwa freiwerdende Arbeitskräfte wieder sinnvoll in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Mit dieser Frage beschäftigen sich schon die Gewerkschaften in Belgien.


    (Albers) Ich habe heute morgen in der „Welt der Arbeit" zur Kenntnis nehmen müssen, daß die christlichen Gewerkschaften, die freien Gewerkschaften und die liberalen Gewerkschaften von Belgien in den letzten Tagen zusammengetreten sind, um für ihr Land gerade die Auswirkungen des Schumanplans zu überprüfen und festzustellen, inwieweit die belgische Arbeiterschaft hier miterfaßt wird. Sie wird miterfaßt. Das wissen unsere Freunde in Belgien; aber sie sagen immer wieder klar und deutlich: Wenn wir auch mit diesen Schwierigkeiten zu rechnen haben, wir stehen mit einem positiven Ja zu dem Schumanplan, weil wir von ihm im Laufe der Jahre eine Besserung unserer gesamten sozialen Verhältnisse erwarten.


    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Von größter Wichtigkeit erscheint mir auch die Bestimmung, daß die Hohe Behörde bindende Empfehlungen für die Hebung des Lohnniveaus rückständiger Länder geben kann. Damit wird ein ungezügelter zwischenstaatlicher Konkurrenzkampf auf Kosten der Arbeiter verhindert. Darin scheint mir ein besonders großer Fortschritt zu liegen. Wie oft in der Geschichte wurden berechtigte soziale Ansprüche der Arbeiterschaft mit dem Argument abgelehnt, daß man sich bei der Erfüllung dieser Ansprüche im zwischenstaatlichen Konkurrenzkampf nicht mehr behaupten könne. Hier ist nun mit dem Gedanken aufgeräumt, daß gesteigerte wirtschaftliche Rentabilität nur durch Verschlechterung der sozialen Bedingungen erkauft werden kann.
    Die Bestimmung des Vertrags, durch welche die Hohe Behörde verpflichtet wird, durch technischen Fortschritt ausgelöste Arbeitslosigkeit zu verhüten oder zu beseitigen, wurde gelegentlich, insbesondere aus französischen Kreisen heraus, als wirtschaftsfeindlich bezeichnet. Dem vermag ich nicht zu folgen. Gewiß ist diese Verpflichtung eine wirtschaftliche Belastung; diese Belastung muß aber von der Wirtschaft getragen werden, weil die Wirtschaft nicht Selbstzweck ist. Der arbeitende Mensch ist nicht mehr Objekt der, Wirtschaft. Die Übernahme von Mitverantwortung für das Schicksal des arbeitenden Menschen durch die Wirtschaft und ihr Eintreten für ihn in schwierigen Zeiten ist so ein Akt der sozialen Gerechtigkeit.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Sie wird letztlich auch die Leistungskraft der Wirtschaft steigern und damit in Wahrheit dem echten Fortschritt dienen. Der neugeschaffene Wirtschaftsgroßraum wird die Sicherung des Arbeitsplatzes und die Wiedereingliederung von Arbeitslosen erleichtern.
    Die im Zusammenhang mit dem Schumanplan vorgesehene Freizügigkeit der Kohle- und Stahlarbeiter innerhalb des ganzen Wirtschaftsbereiches betrachte ich als eine der bedeutungsvollsten Maßnahmen nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht.
    Die internationale Arbeiterbewegung, mag sie sozialistisch oder christlich sein, hat stets für Völkerverständigung und Völkerversöhnung gewirkt. Das war eine ihrer großen Leistungen in der Geschichte. Die Arbeiter der verschiedenen Nationen habén sich nach diesem Kriege wieder als erste die Hand gereicht. Jetzt sollen diesem Verständigungswillen der Arbeiterschaft neue Möglichkeiten erschlossen werden. Die Zusammenarbeit der Kohle- und Stahlarbeiter der verschiedenen Nationalitäten im Rahmen des Schumanplans wird diesem Willen zur Verständigung neue Impulse geben, in der europäischen Arbeiterschaft noch mehr als bisher europäisches Bewußtsein wecken und das Gefühl europäischer Gemeinsamkeit lebendig halten. Ich habe nur den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, daß die vorgesehene Freizügigkeit durch die beteiligten Regierungen sehr bald realisiert wird.
    Der Schumanplan läßt gewiß noch einige Wünsche offen. Durch die Mitwirkung der deutschen Gewerkschaftsvertreter sind in letzter Stunde noch einige wichtige Verbesserungen erreicht worden. Im großen und ganzen muß aber der Plan, so wie er jetzt vorliegt, als eine geeignete Grundlage für die erstrebte übernationale Gemeinschaft von Kohle und Eisen angesehen werden. Ich darf dabei mit Freude feststellen, daß die deutschen und die internationalen Gewerkschaftsorganisationen mit 'jener Verantwortung an den Schumanplan herangegangen sind, die sich aus ihrer Pflicht ergab, für die Sicherung des Friedens in Europa zu wirken und dafür einzutreten, daß der Lebensstandard der arbeitenden Menschen auf jene Höhe gebracht wird, die die Arbeiterschaft außerhalb Europas schon vielfach erreicht hat.
    Der Schumanplan erfordert sicherlich von allen beteiligten Völkern noch gewisse Opfer. Diese werden aber nicht vergebens sein. Sie müssen gebracht werden, wenn wir das Fundament für eine bessere Zukunft legen und den Gefahren, die uns bedrohen, entgehen wollen. Ich halte es mit der „Welt der Arbeit", die in ihrer Ausgabe vom 11. Mai dieses Jahres ihre Stellungnahme zusammenfassend wie folgt präzisierte:
    Wenn Chaos und Elend verhindert werden sollen, dann ist es notwendig, daß in allen Ländern Vorurteile aufgegeben werden und auf billige egoistische Erfolge, wie sie sich aus der machtpolitischen Lage darbieten, verzichtet wird. Dann ist es erforderlich, daß entschlossen der Aufbau eines neuen Europa begonnen wird, eines Europa, das seine blutige und tragische Vergangenheit vergißt und alle Gedanken und Handlungen auf die Zukunft richtet.
    Wir wollen durch unser Ja zum Schumanplan unseren Beitrag zur Verwirklichung dieser ersten europäischen Gemeinschaftsorganisation leisten. Wir sind der Auffassung, daß die noch bestehenden diskriminierenden Bestimmungen des Besatzungsstatuts mit dem Wirksamwerden des Vertrages fallen werden. Wenn freilich vor der Ratifizierung des Vertrages durch den Bundestag eine entsprechende Garantieerklärung der Besatzungsmächte verlangt wird, so verkennt man, glaube ich, die Wirkung eines solchen Verlangens. Wir glauben sagen zu müssen, daß dadurch vielleicht gewisse Wege versperrt werden, daß es aber bei uns gerade liegt, durch unser Ja zum Schumanplan den Willen zur europäischen Gemeinschaft unter Beweis zu stellen und den anderen den Weg leichter zu machen.
    Wir geben deshalb dem Gesetzentwurf und dem Schumanplan unsere Zustimmung. Ich bin gewiß, daß die volle Gleichberechtigung der Bundesrepublik Wirkung und Folge dieser Tat und unserer Mitarbeit in der europäischen Gemeinschaft sein wird. Eine Gemeinschaft wird nicht dadurch gebildet, daß man von ihr redet, nicht dadurch, daß man aus Mißtrauen geborene Bedingungen stellt, sondern dadurch, daß man eine Vertrauensbasis schafft und dadurch auch gemeinsame Aufgaben löst. Ich habe für meine Partei, für meine Fraktion, für meine Freunde aus der christlich-sozialen


    (Albers)

    Arbeiterbewegung und für meine Freunde im Ausland, für meine Freunde in der christlichen Gewerkschafts-Internationale nur ein positives Ja, zur Vorlage abzugeben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Henßler.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Bei den Reden der Befürworter des Schumanplanes ist mir aufgefallen, daß sie geflissentlich über wichtige Probleme hinwegplätscherten, die eingehend geprüft werden müßten, wenn man die Frage klar beantworten will, ob für alle Teilnehmer ein gleicher Start besteht, ob Gleichberechtigung vorhanden ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    In wie starkem Maße das geschah, dafür ist auch die Rede des Herrn Kollegen Dr. Henle ein sprechendes Beispiel. Er erwähnte zu Recht, daß wir bei der Schaffung der Ruhrbehörde damals erklärt haben, die Herausnahme des Ruhrgebiets allein bedeute noch nicht Europäisierung,

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz)

    auch die Industrien der anderen Länder müßten dazukommen. Aber wir haben damals — er hat es selbst vorgetragen — Wert darauf gelegt: mit gleichem Recht und mit gleicher Verpflichtung.
    Herr Henle meinte: Jetzt ist es so weit. Wir sagen: Nein, es ist nicht so weit hinsichtlich der gleichen Berechtigung und der gleichen Verpflichtung. Ich wundere mich außerordentlich, daß eine Persönlichkeit, die so eng mit der Wirtschaft des Ruhrgebiets verbunden ist, wie Herr Dr. Henle, der zweifellos als ein Sachkenner auf diesem Gebiet angesprochen werden muß, über diese Frage oberflächlich hinweggleitet,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    genau so oberflächlich und genau so irreführend, wie es die Propagandaführung der Bundesregierung tut.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich lese in der Begründung der Vorlage: „Die Bundesregierung hat von Anfang an keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie in keinem Punkte eine durch das Besatzungsrecht verursachte Schlechterstellung zulassen konnte, da dies eine mit dem Buchstaben und dem Geiste des Vertrages unvereinbare Diskriminierung bedeutet hätte".
    Das ist ganz großartig gesagt. Noch großartiger ist dann die Feststellung, daß deshalb die Gleichberechtigung Deutschlands nicht Gegenstand, sondern selbstverständliche Voraussetzung der Verhandlungen gewesen sei.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und 'Herren! Das ist nach meiner Auffassung ein protziges Eigenlob,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    auf das aber ein bekanntes Volkswort zutrifft. Aus Höflichkeit will ich es etwas umändern und sagen: Eigenlob riecht nicht gut!

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: So vornehme Sachen imponieren immer!)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler müßte es besser wissen, daß der Schumanplan
    nicht die Gleichberechtigung zum Ausgangspunkt
    hat und daß er auch nicht das Ergebnis der Verhandlungen mit den Schumanplanpartnern allein ist, sondern daß dabei noch von anderer Seite entscheidender Einfluß genommen wurde, und zwar genau gegen den- Sinn der Gleichberechtigung. Ich darf nur erinnern an die Auflösung des gemeinsamen Kohlenverkaufs, an die Dekartellisierung bei Eisen und Stahl, an die Beschränkung zu einer völlig ungenügenden Verbundwirtschaft. Ich darf feststellen, daß diese Dinge, obwohl sie zum Teil außerhalb des Schumanplans liegen, doch praktisch Bestandteile des Schumanplans sind

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und zum Teil auch in die Bedingungen des Schumanplans eingebaut wurden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Regierung steht ziemlich allein mit ihrer Behauptung, daß der Plan für alle vorteilhaft sei und daß er einen vernünftigen Kompromiß darstelle. Zum Beweis will ich an die Verhandlungen erinnern, die im Bundesrat geführt wurden. Zum Beweis will ich ferner daran erinnern, wie selbst die Sachverständigen der Regierung über einige Fragen urteilen — sehr im Gegensatz zu der Behauptung von einer Gleichberechtigung. Der Bundesrat hat u. a. den Herrn Bauer, einen Sachverständigen der Regierung, gehört. In seiner Rede im Bundesrat hat Herr Bauer ohne weiteres zugeben müssen, daß bei Eisen und Stahl die wirtschaftlich beste Betriebsform nicht gestattet ist,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    er hat betont, eine Änderung könne im Rahmen des Schumanplans nicht herbeigeführt werden,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    sondern die Kunst müsse darin bestehen, außerhalb des Schumanplans im Verhandlungswege die beste Betriebsform zu erreichen. Denn man werde. so sagte er wörtlich, uns nach dem Plan auf die Dauer nicht 'Maßstäbe auferlegen können, die für die anderen nicht gelten. Das ist doch das glatte Eingeständnis, das die Voraussetzung der Gleichberechtigung nicht erfüllt ist.

    (Abg. Dr. Arndt: Hört! Hört!)

    Und an einer anderen Stelle spricht er sich noch deutlicher aus:
    Was uns jetzt auferlegt wird, wird entweder von den Franzosen, Italienern, Belgiern und Holländern in analoger Form übernommen werden müssen, oder aber wir müssen die Freiheit bekommen, uns so einzurichten, wie es die andern tun.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Diese Voraussetzungen müßten nach dem Urteil dieses Sachverständigen erst noch erfüllt werden, ehe man von Gleichberechtigung reden könnte.
    Meine Damen und Herren, ich frage mich vergebens, wie Herr Bauer diese Regelung erreichen will, wenn das Ja einmal ausgesprochen

    (Sehr richtig! bei der SPD — Abg. Dr. Tillmanns: Und wenn das Nein ausgesprochen ist?!)

    und damit die Bindung für 50 Jahre übernommen ist.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Von einem der Herren ist darauf hingewiesen worden, man sollte die Möglichkeiten einer Revision nicht unterschätzen, die der Schumanplan biete. Aber diese Möglichkeiten sind so, daß eine Revision praktisch nie verwirklicht werden kann; so


    (Henßler)

    schwierig ist sie gemacht, so kompliziert ist sie. Außerdem — ich betone es noch einmal — sind la die Feststellungen, auf die sich die Monita des Herrn Bauer beziehen, zum Teil Bestandteil des Vertragswerkes, für das er eintritt.
    Ich wiederhole die wesentlichen Punkte hier noch einmal: hundertprozentige Verbundwirtschaft zwischen Hütte und Erz in Frankreich; der französische Bergbau unter einer Verwaltung. Das ist alles ausdrücklich anerkannt, darüber hat die Hohe Behörde nicht mehr zu bestimmen. Auf der anderen Seite: nur sehr beschränkte Verbundwirtschaft in der Form einer nur 75 %igen Koks- und Kohlesicherung bei 12 von ungefähr 24 Gesellschaften, bei Eisen und Stahl einer 75 %igen Sicherung der gegenwärtigen Kapazität. Und es gibt Sachverständige — ich kann darüber nicht urteilen —, die erklärren, daß durch die Zechen, die diesen Hüttenwerken zugeteilt wurden, die 75 %ige Deckung absolut in Frage gestellt ist.
    Meine Damen und Herren! Der Kollege Albers sprach von der Haltung der Gewerkschaften. Er kann für sich und für seine Freunde, also nur auf diese beschränkt, reden; aber es ist Irreführung, es so darzustellen, als ob es d e n gewerkschaftlichen Standpunkt pro Schumanplan gäbe.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich darf darauf hinweisen, daß selbst solche Persönlichkeiten der Gewerkschaftsbewegung, die die Bundesregierung als pro Schumanplan bezeichnet, außerordentlich starke Vorbehalte machen.
    Ich darf hier an die Rede des Herrn Dr. Wagenführ erinnern, die er — auch als Sachverständiger — im Bundesrat gehalten hat. Er wies darauf hin, „daß es speziell vom deutschen Standpunkt aus noch eine ganze Reihe von sehr ernsten Vorbehalten gibt, ohne deren Klärung eine endgültige Beurteilung außerordentlich schwer gemacht wird." Er führte als Beispiele die Begrenzung der Stahlkapazität, der Verbundwirtschaft und des Deutschen Kohleverkaufs an. In seiner Rede forderte er, die Mitarbeit müsse an die Bedingung geknüpft werden, daß die Ruhrbehörde, die Begrenzung der Stahlkapazität und eine Reihe anderer wirtschaftlicher Diskriminierungen beseitigt werden.
    Meine Damen und Herren! Auch Redner, die heute für den Schumanplan eintraten, haben die Beseitigung der Ruhrbehörde gewünscht und gefordert. Es ist uns erklärt worden, darüber bestehe ein bindendes Versprechen. Ich halte es doch
    für nötig, darauf hinzuweisen, daß ein Versprechen der Beseitigung der Ruhrbehörde für
    sich allein betrachtet das Problem selbst noch gar nicht voll anspricht. Noch wichtiger als die Beseitigung der Ruhrbehörde an sich ist die Antwort auf die Frage: Was wird sich ändern?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Besteht die Gewähr dafür, daß sich die Hohe Behörde nicht als Traditionsträger der Ruhrbehörde erweist?

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Wird man von .ihr mehr Verständnis für die Lage im Bundesgebiet erwarten können?
    Meine Damen und Herren, auch hinsichtlich der deutschen Eisen- und Stahlkapazität ist nicht allein entscheidend, ob die gegenwärtige Kapazitätsbeschränkung fällt. Noch wichtiger ist es, ob Gewähr dafür besteht, daß die Hüttenwerke die erforderlichen Zuweisungen an Kohle, an Koks, an
    Schrott usw. erhalten werden oder ob es bleibt, wie es ist: daß der Exportbedarf praktisch den Vorrang hat.
    Ich meine, die jüngsten Erfahrungen sind eine ernste Warnung. Ich finde es auffällig, daß die Redner hier den Schumanplan nicht auch unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Situation beurteilen.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wir wollen ja gerade von der gegenwärtigen Situation los; das ist doch der Grund!)

    — Ich werde Ihnen gleich sagen, warum man diese Gesichtspunkte mit berücksichtigen muß. Die Ruhrbehörde ist zu einem Export verpflichtet, der zur starken Beschränkung statt zum dringend erforderlichen weiteren Ausbau der Wirtschaft des Bundesgebiets führt. Die Bundesregierung hat gebeten und gebettelt, um zu erreichen, daß die Exportmengen heruntergesetzt werden; sie hat ein kühles Nein erfahren. Und die da in der Ruhrbehörde mit Nein entschieden haben, sind doch, wenn der Schumanplan angenommen wird, unsere Partner von morgen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Zu einem ganz erheblichen Teil sind sie es, Herr von Rechenberg.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Die Amerikaner und die Engländer sind nicht drin. Es sind andere drin! Wollen Sie es bei dem jetzigen Zustand belassen ? — Nein !)

    — Herr von Rechenberg! Diejenigen, die unsere Partner von morgen sein wollen, um eine Wende in der europäischen Zusammenarbeit herbeizuführen, hätten in der Ruhrbehörde die beste Möglichkeit gehabt, zu beweisen, daß sie diese Wende wollen.

    (Sehr gut! und Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Diese Erfahrungen aus der jüngsten Zeit sind nichts anderes als ein Glied in der Kette der Politik seit 19,45.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich hätte gewünscht, nicht allzuviel in die Vergangenheit zurückgehen zu müssen. Angesichts der Debatten hier ist es aber notwendig, an einiges zu erinnern. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen, die sich um die Frage der ersten Festsetzung der Eisen- und Stahlkapazität ergaben. Die Engländer wollten damals schon 10 Millionen t bewilligen. Es kam eine Festsetzung von 5 Millionen t heraus, weil die französische Regierung und die russische Regierung nur eine Kapazität von knapp 2 Millionen t genehmigen wollten. Die ganze französische Politik war ja von Anfang an darauf eingestellt: Das Ruhrgebiet muß sich in seiner industriellen Struktur völlig ändern. Kohlen soll es ausführen, aber nicht Eisen und Stahl produzieren. Man hat diese Forderung mit dem Sicherheitsbedürfnis begründet.
    Meine Damen und Herren! Diese Einstellung in der Vergangenheit bestätigt sich in der Gegenwart. Wie steht es denn im Augenblick? Wenn unsere Eisen- und Stahlindustrie ihre Produktion nicht schon jetzt wesentlich einschränken mußte, so nur deshalb, weil sie fast zu 25 % ihres Bedarfs amerikanische Kohlen einführen muß. Diese Kohlen sind je Tonne um 70 DM teurer.

    (Hört! Hört! links.)

    Unseren Export aber müssen wir beinahe zum
    Inlandspreis liefern. Diese 70 DM stellen den Un-


    (Henßler)

    terschied zwischen den Rohstoffkosten unserer Hüttenwerke, soweit die Kohle in Frage kommt, und den Rohstoffkosten dar, die die Hüttenwerke der anderen europäischen Staaten haben. Die Hüttenwerke können diese Kosten nur tragen, indem sie ihre Abnehmer, zum Teil zusätzlich belasten. Der größte Teil ihrer mit amerikanischer Kohle geschaffenen Produktion muß ausgeführt werden, um die Devisen zur Einfuhr dieser Kohle zu verdienen. Unter diesen Umständen kann der Eisen- und Stahlbedarf der eigenen Wirtschaft nicht entsprechend befriedigt werden. Hier haben wir das Beispiel eines außerordentlich erschwerten Wettbewerbs. Ich sehe keine Möglichkeit, anzunehmen, das werde morgen anders werden, wenn wir nicht wissen, wie die Hohe Behörde hierbei verfahren wird.
    Herr Albers hat gesagt: Ja Gott, dieser Hohen Behörde wird ein beratender Ausschuß beigegeben, in dem auch die Gewerkschaften vertreten sind, und die Gewerkschaften werden schon dafür sorgen. Ich bedauere dem Gewerkschaftler Albers noch klarmachen zu müssen, daß ein erheblicher Unterschied zwischen Mitberatung und Mitbestimmung ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    In der Innenpolitik hat er sich als Gewerkschaftler dagegen gewehrt, daß man nur vom Mit wirkungsrecht redet. Da hat er begriffen, daß das Mitwirkungsrecht praktisch wenig bedeutet, daß es vielmehr auf das Mitbestimmungsrecht ankommt.
    Nun sucht man uns die Sache schmackhafter zu machen, indem man uns erzählt: Seht, die französische Schwerindustrie beklagt sich auch.

    (Aha-Rufe bei der SPD.)

    Ja, meine Damen und Herren, für so dusselig halte ich sie auch nicht, den Vorteil hinauszuschreien, den sie vom Schumanplan hat.

    (Beifall bei der SPD.).

    Wenn man uns als Beispiel dafür die Entschließung
    der Metzer Industrie- und Handelskammer angibt,
    so frage ich: Was will man denn damit beweisen?

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ach so, jetzt verstehe ich Sie. Sie wollen die Annahme des Plans! Sie sind denn auch nicht so dusselig, bei Ihrer Kritik Vorteile herauszustellen!)

    — Herr von Rechenberg, Sie sollten mit Ihren Zwischenrufen ein wenig vorsichtiger sein, da Sie auf der anderen Seite so leicht beleidigt sind, wenn man Ihnen gegenüber etwas sagt.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wenn man etwas Falsches sagt!)

    — Ich habe nichts Falsches behauptet,

    (Abg. Freiherr von Rechenberg: Fragen Sie Ihre Fraktion!)

    sofern Sie mir nicht etwas unterstellen, was ich damit nicht aussprechen wollte. An sich war meine Feststellung richtig.
    Ich frage: Ist es denn eine so absolut feststehende, ausgemachte Tatsache, daß die Hüttenindustrie im Ruhrgebiet auf der Kohlebasis den günstigsten Standort hat? Darf ich fragen, warum die Ruhrindustriellen seinerzeit Wert darauf gelegt haben, große moderne Werke in Lothringen auf dem Erz zu errichten? Mindestens — das werden mir die Fachleute bestätigen; ich selber bin keiner, sondern ich stütze mich auf ihr Urteil — kann man darüber streiten, ob die Hüttenindustrie auf der Erzbasis nicht einen genau so günstigen Standort hat wie die
    Hüttenindustrie auf der Kohlebasis. Es steht fest, wenn E r z zugeführt werden muß, wird die doppelte Tonnage gebraucht, als wenn ich Kohle zuführen muß. -
    Ich darf eine zweite Frage aufwerfen. Herr Kollege Dr. Henle, ich denke noch an die Auseinandersetzungen in den zwanziger Jahren im Ruhrgebiet, als die große Rationalisierung in der Eisen- und Stahlindustrie erfolgte. Wie ist sie begründet worden? Doch auch damit, daß die Eisen- und Stahlindustrie bezüglich des Standorts im Wettbewerb benachteiligt sei; diese Benachteiligung im Standort müsse durch eine entsprechende Organisation, durch eine entsprechende Rationalisierung ausgeglichen werden. Sie wissen so gut wie ich, daß wir mindestens zeitweise von der Reichsbahn verlangt haben, Sondertarife für die Erzzufuhr zu gewähren. Sind Sie so absolut sicher, daß sich, wenn solche Sondertarife gewährt werden sollten, nicht einer finden wird, der sagt: Das ist Subventionierung, das ist staatliche Unterstützung, und das ist nach den Statuten des Schumanplans nicht gestattet?
    Dabei muß noch folgendes berücksichtigt werden. Unsere Hüttenindustrie steht heute mit großen Betriebsabteilungen noch weit unter dem technischen Leistungsstand. Zur gleichen Zeit fast, als man in den anderen Ländern des Schumanplanbereichs unter Zuhilfenahme von Marshallplangeldern moderne Werke baute, wurden bei uns in sehr großem Maße noch Restitutionen verfügt. Diese beschränkten sich nicht auf sogenannte gestohlene Maschinen, vielmehr wurde jede Maschine ausländischen Ursprungs, auch wenn sie ehrlich bezahlt war, weggenommen. Zur gleichen Zeit wurden auch die Demontagen durchgeführt. Wer die Hüttenindustrie kennt, weiß, daß man bei den Demontagen überall das Kernstück, das Wertvollste aus dem Betrieb, herausgenommen hat. Aus meiner Dortmunder Erfahrung kann ich sagen, daß es in einem Fall die Fünf-Meter-Straße war. Man hätte die Möglichkeit gehabt, eine andere zu liefern. Nein, man wollte dies e Straße haben. Die weiteren Verhandlungen haben ergeben, man werde die Schaffung einer neuen Fünf-Meter-Straße nicht dulden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Im anderen Fall handelt es sich um das moderne Preßwerk des Dortmunder Hüttenvereins „Union". Anläßlich der Verhandlungen über den Abtransport dieser großen Presse im Dortmunder Hüttenverein wurde die feierliche Versicherung abgegeben: Wir wollen dafür eintreten, daß Sie einen Ersatz bekommen; das soll zwar keine 10 000- oder 15 000-
    Tonnen-Presse sein, sondern eine Presse von geringerer Kapazität. Seit sechs Monaten — es kann eher mehr sein als weniger — warten wir noch auf die Entscheidung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dieses Versprechen ist noch nicht einmal bis zu den Hohen Kommissaren gelangt. Auf Grund dieser Erfahrungen müssen wir solchen Zusicherungen gegenüber sehr kritisch sein.
    Es ist noch folgendes zu berücksichtigen. Wir haben heute schon Mangel an Kohle, besonders an Kokskohle. Das französische Investierungsprogramm ist noch längst nicht durchgeführt, aber nach den Statuten des Schumanplans gestattet. Wir müssen damit rechnen, daß die Anforderungen nicht geringer werden, sondern noch steigen. Wer gibt uns die Garantie, daß man in diesem Falle sagt, daß die eigene Eisen- und Stahlindustrie denselben Anspruch wie fremde Werke hat?


    (Henßler)

    Bei der Propaganda für den Schumanplan hat man zeitweise auf die Lockerung der Industriekontrolle verwiesen, darauf, daß es uns nunmehr auch gestattet ist, die verbotenen Industrien wieder in Gang zu bringen, allerdings mit der sehr wesentlichen Einschränkung, daß, solange ein Mangel an festen Brennstoffen besteht, Genehmigungen nur insoweit erteilt werden dürfen, als der zusätzliche Verbrauch von Kohle und Koks die Befriedigung des Bedarfs derjenigen Staaten, welche feste Brennstoffe einführen, nicht beeinträchtigt. Ein Teil dieser Industrien, die' früher Kohle verflüssigten, denkt auf Grund dieser Verfügung im Augenblick nicht daran, ein neues Verfahren einzuführen, sondern bleibt bei der Verarbeitung von Ölrückständen. Ich habe heute eine Mitteilung von den Chemiewerken in Marl bekommen. Hier geht es um das Recht der Herstellung von Buna. Während die Zuteilung an Chemiekohle im April 35 000 t und im Mai und Juni je 25 000 t betrug, wurde sie inzwischen für den Monat Juli auf 7680 t gekürzt:

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich stelle fest:. Kein Mensch regt sich dabei auf, daß mit dieser Beschränkung auch das Schicksal einiger tausend Arbeiter verbunden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Herr Rechenberg! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das wollen wir ja gerade ändern! Das ist doch der Zustand von heute!)

    — Ja, sicher wollen wir das ändern.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Na also!) Die Frage ist nur, ob es durch den Schumanplan geändert wird,


    (Beifall bei der SPD)

    oder ob dieser Plan nicht statt der Schaffung eine Verhinderung von Europa ist.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Hinzu kommt noch, daß meines Wissens in Frankreich neun moderne Großkokereien geschaffen werden. Bisher konnten wir Koks ausführen. Nach der jetzt eintretenden Wandlung wird man von uns nicht mehr den Koks verlangen und uns die Nebenprodukte lassen; man wird die Kokskohle verlangen.

    (Abg. Dr. Schumacher: Sehr richtig!)

    Mit Recht hat man darauf hingewiesen, daß der gemeinsame Markt eine völkerverbindende Kraft haben kann — „kann", das muß man beachten — und nicht von vornherein hat und daß er sie nur haben kann, wenn erfüllt wird, was auch der Herr Bundeskanzler in seiner Rede sagte: daß der Schumanplan auf einer gegenseitigen Angleichung der nationalen Wirtschaften der beteiligten Länder beruht. Man bezeichne mir eine Stelle des Schumanplans, bei der man guten Gewissens davon reden könnte, daß diese gegenseitige Angleichung erfolgt ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Nun möchte ich die Frage noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt behandeln, nämlich unter dem Gesichtspunkt: Welche Änderungen müssen wir hinsichtlich unserer Außenhandelspolitik .und unserer Zahlungsbilanz befürchten? In normalen Zeiten mußten wir unsere Devisen im wesentlichen im europäischen Austauschgeschäft verdienen. Dabei mußte ein erhebliches Plus herauskommen, damit wir die natürliche Unterbilanz beim überseeischen Geschäft ausgleichen konnten. Von einem nationalen gegenseitigen Ausgleich kann aber keine Rede sein, wenn die eigene Eisen- und Stahlindustrie mit einer derartigen Schrumpfung rechnen muß, daß sie nicht einmal imstande ist, den Friedensbedarf des deutschen Volkes zu decken.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Da soll man nicht ausgehen von dem, was ist, sondern von dem, was sein müßte. pies gilt insbesondere dann, wenn wir an eine tatkräftige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herangehen wollen. Sie hat nämlich zur Voraussetzung, daß man ungefähr eine Million neuer Arbeitsstellen schafft.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir liegen in unserem Eisen- und Stahlverbrauch unter dem Niveau der anderen Länder. Diese hatten längst nicht die Zerstörungen aufzuweisen wie wir, sie sind nicht vor das Problem gestellt, für 8 oder 10 Millionen Vertriebene neue Heimstätten 'zu schaffen. Wenn wir das berücksichtigen, dann hätten wir im eigenen Bundesgebiet einen Bedarf von ungefähr 16 bis 17 Millionen t Eisen und Stahl, ohne auch nur ein Kilo für Rüstungszwecke zu verwenden. Jetzt laufen wir Gefahr, daß, wenn irgendeine Absatzstörung eintritt und die Hohe Kommission von ihrem Recht, Kontingente festzusetzen, Gebrauch macht, der eigenen Industrie nicht einmal gestattet ist, den eigenen Bedarf zu decken,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sondern daß sie gedrosselt werden muß, daß wir Arbeitslose auf uns nehmen müssen, während wir auf der anderen Seite gezwungen sind, Eisen und Stahl einzuführen. Wie wir dabei das Problem des Ausgleichs unserer Zahlungsbilanz meistern sollen, meine Damen und Herren, das möchte ich noch hören.
    Ähnlich ist es mit der Verpflichtung zur Ausgleichsabgabe im Kohlenbergbau. Man könnte Verständnis dafür haben, daß der Kohlenbergbau, unter Umständen auch die Eisen- und Stahlindustrie, zu einer solchen solidarischen Haftung verpflichtet werden. Aber gibt es nur in Belgien einen Kohlenbergbau, der notleidend ist, der modernisiert oder bei dem unter Umständen die eine oder andere Zeche stillgelegt werden muß, so daß man die Verpflichtung hat, für die Arbeiter eine neue Erwerbsmöglichkeit zu schaffen? Ich denke, daß wir auch im südlichen Ruhrgebiet eine ganze Reihe solcher Zechen haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist unter Fachleuten kein Streit, daß sich unter
    den neuen Kohlengesellschaften — ich weiß im
    Augenblick nicht ihre Zahl, es sind ungefähr 20 —

    (Zuruf von der SPD: 23!)

    mindestens drei, wenn nicht vier befinden, die vier bis fünf Zechen umfassen, welche unter den gegenwärtigen Umständen gar nicht rentabel gestaltet werden können, sondern Zuschuß brauchen. Warum gilt für diese Zechen nicht, was man den belgischen zuerkennt?
    Oder noch ein näherliegendes Beispiel: Was für die belgischen Kohlengruben zutrifft, trifft auch für eine ganze Reihe von Erzgruben in unserem Gebiet zu. Warum sind die ausgenommen? Und wenn es jetzt hübsch in Gemeinschaft gehen soll, warum ist uns dann nicht, nachdem es schon im Plan selbst nicht drin steht, die Zusicherung gegeben, daß wir den außerordentlichen Nachholbedarf unserer Eisen- und Stahlindustrie, der auf die Demontagen und auf die Kriegszerstörungen zurückzuführen ist, im Wege einer Förderung


    (Henßler)

    durch -die Schumanplan-Behörden möglichst schnell decken können,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    um gleiche Startmöglichkeiten zu schaffen?
    Meine Damen und Herren, man könnte noch eine ganze Reihe anderer Einzelfragen aufwerfen. Bezüglich der südlichen Ruhrzechen hat Herr Dr. Grosse, wirtschaftswissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Verband der Bergarbeiter, darauf hingewiesen, daß man, als dieses Problem der südlichen Ruhrzechen angesprochen wurde, einfach erklärte: wenn sie nicht rentabel arbeiten können, müssen sie stillgelegt werden!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dabei ist man im Ruhrgebiet — auch da berufe ich mich wieder auf Fachleute — der Meinung, daß sich die Rentabilität dieser Zechen in verhältnismäßig wenig Jahren ändern kann, weil man beim Abteufen neuer Zechen im nördlichen Gebiet so große Schwierigkeiten überwinden muß, daß dies naturgemäß zu einer Verteuerung führt. Aber man kann diese Gruben nicht zeitweise stillegen. Hinzu kommt dabei noch, daß, wenn diese Gruben stillgelegt würden, die Wasserhaltung in diesen Zechen wahrscheinlich weiterbetrieben werden müßte, um zu verhüten, -daß andere noch in Betrieb befindliche Zechen dieses Wasser bekommen und dadurch die Gefahr des Versaufens eintritt.
    Schließlich noch eine Bemerkung, die zu machen ich vergessen habe; ich will sie nachholen. Im Schumanplan ist davon die Rede, die Stahlfacharbeiter hätten ja Freizügigkeit im Bereich des Vertragsgebietes. Das gleiche heißt es von den Kohlenfacharbeitern. Diese werden aber wohl kaum in Frage kommen. Da befürchte ich auch nicht, daß man uns Investitionsmittel verweigert; denn wir sollen ja der große Kohlenlieferant sein.

    (Abg. Dr. Preusker: Hoffentlich bald!)

    Jedenfalls, als ich das von dieser Freizügigkeit las, erinnerte ich mich an die französische Propaganda in den Jahren 1945 und 1946, in der es hieß, man könne Deutschland unmöglich so industrialisieren, daß es für alle seine Menschen Arbeit habe; das sei eine Gefährdung der Sicherheit Frankreichs; deshalb gebe es nur eine Lösung: Deutschland müsse darauf verzichten, in entsprechendem Maße Waren auszuführen, und es müsse auf den Weg gewiesen werden, M e n s c h en auszuführen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn diese Frage in den Schumanplan-Verhandlungen wieder ausdrücklich angeschnitten wurde, wenn dabei von der Freizügigkeit und davon gesprochen wurde, daß beschäftigungslos werdende Stahlfacharbeiter ja auch in den Bergbau gehen könnten, so kann ich mir denken, daß man in den Kreisen, die an diesem Plan besonderes Interesse haben, ganz klar damit rechnet, daß die Wirkung des Plans eine Verkümmerung unserer Eisen- und Stahlindustrie sein wird.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Zu der Bindung auf 50 Jahre will ich nichts weiter sagen. Ich will nur feststellen, daß nicht einmal eine anständige Revisionsmöglichkeit vorgesehen ist. Heute wird uns gesagt: Ach, die wird ohnehin kommen! Nun, wenn die Interessenten an diesem Plan diese Revisionsmöglichkeit wollen, was hätte sie gehindert, in dem Plan selbst schon eine anständige Formulierung dafür zu finden?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Noch eine weitere Bemerkung. In der Begründung wird zwar festgestellt, daß im Schumanplan die freie Entscheidung aller teilnehmenden Staaten darüber, ob sie eine Sozialisierung wollen, gewahrt geblieben sei. Aber ich muß sagen: das ist nicht präzis genug ausgedrückt. Wir wollen ja nicht bloß eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse, die uns schon vor zwei Jahren versprochen wurde

    (Zuruf rechts: Aha!)

    — ich glaube, wenn wir daran nicht immer wieder erinnern, vergißt die Regierung noch, was sie versprochen hat —,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    sondern wir wollen zugleich mit der Sozialisierung auch eine planmäßige Gestaltung. Und da frage ich: Wird man dann gegen eine solche planwirtschaftliche Gestaltung nicht die Dezentralisationsbestimmungen ins Feld führen?
    Meine Damen und Herren! Zum Schluß: Im Grundgesetz ist die Festlegung enthalten, daß die Bundesrepublik gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa sein soll. Ich unterstreiche: gleichberechtigtes. Ich denke auch an einen Beschluß vom 28. Juli 1950, den der Bundestag mit Ausnahme der Kommunisten einstimmig faßte. Er enthielt das Bekenntnis zur Gleichheit der Rechte aller europäischen Völker. Wir wünschen und verlangen von Ihnen, daß Sie zu diesem Ihrem eigenen Beschluß stehen.

    (Abg. Dr. Arndt: Bravo!)'

    Meine Damen und Herren! Der Schumanplan ist keine Wende in' der Praktizierung der Gleichberechtigung. Nach meiner Auffassung ist er nur Anlehnung an die alte Politik. Das Bestreben, eine neue Etappe in der Anpassung, mindestens in über die Wirtschaft an der Ruhr Verfügungsgewalt zu bekommen, ist dabei viel stärker als das Bestreben, europäische Einheit auf der Basis der Gleichberechtigung zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD.) Das ist unser Eindruck. Deshalb sagen wir ein hartes Nein zu diesem Vertragswerk, weil wir den Weg offenlassen wollen zu einer echten europäischen Neuordnung.


    (Beifall bei der SPD.)