Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Bei den Reden der Befürworter des Schumanplanes ist mir aufgefallen, daß sie geflissentlich über wichtige Probleme hinwegplätscherten, die eingehend geprüft werden müßten, wenn man die Frage klar beantworten will, ob für alle Teilnehmer ein gleicher Start besteht, ob Gleichberechtigung vorhanden ist.
In wie starkem Maße das geschah, dafür ist auch die Rede des Herrn Kollegen Dr. Henle ein sprechendes Beispiel. Er erwähnte zu Recht, daß wir bei der Schaffung der Ruhrbehörde damals erklärt haben, die Herausnahme des Ruhrgebiets allein bedeute noch nicht Europäisierung,
auch die Industrien der anderen Länder müßten dazukommen. Aber wir haben damals — er hat es selbst vorgetragen — Wert darauf gelegt: mit gleichem Recht und mit gleicher Verpflichtung.
Herr Henle meinte: Jetzt ist es so weit. Wir sagen: Nein, es ist nicht so weit hinsichtlich der gleichen Berechtigung und der gleichen Verpflichtung. Ich wundere mich außerordentlich, daß eine Persönlichkeit, die so eng mit der Wirtschaft des Ruhrgebiets verbunden ist, wie Herr Dr. Henle, der zweifellos als ein Sachkenner auf diesem Gebiet angesprochen werden muß, über diese Frage oberflächlich hinweggleitet,
genau so oberflächlich und genau so irreführend, wie es die Propagandaführung der Bundesregierung tut.
Ich lese in der Begründung der Vorlage: „Die Bundesregierung hat von Anfang an keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie in keinem Punkte eine durch das Besatzungsrecht verursachte Schlechterstellung zulassen konnte, da dies eine mit dem Buchstaben und dem Geiste des Vertrages unvereinbare Diskriminierung bedeutet hätte".
Das ist ganz großartig gesagt. Noch großartiger ist dann die Feststellung, daß deshalb die Gleichberechtigung Deutschlands nicht Gegenstand, sondern selbstverständliche Voraussetzung der Verhandlungen gewesen sei.
Meine Damen und 'Herren! Das ist nach meiner Auffassung ein protziges Eigenlob,
auf das aber ein bekanntes Volkswort zutrifft. Aus Höflichkeit will ich es etwas umändern und sagen: Eigenlob riecht nicht gut!
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler müßte es besser wissen, daß der Schumanplan
nicht die Gleichberechtigung zum Ausgangspunkt
hat und daß er auch nicht das Ergebnis der Verhandlungen mit den Schumanplanpartnern allein ist, sondern daß dabei noch von anderer Seite entscheidender Einfluß genommen wurde, und zwar genau gegen den- Sinn der Gleichberechtigung. Ich darf nur erinnern an die Auflösung des gemeinsamen Kohlenverkaufs, an die Dekartellisierung bei Eisen und Stahl, an die Beschränkung zu einer völlig ungenügenden Verbundwirtschaft. Ich darf feststellen, daß diese Dinge, obwohl sie zum Teil außerhalb des Schumanplans liegen, doch praktisch Bestandteile des Schumanplans sind
und zum Teil auch in die Bedingungen des Schumanplans eingebaut wurden.
Die Regierung steht ziemlich allein mit ihrer Behauptung, daß der Plan für alle vorteilhaft sei und daß er einen vernünftigen Kompromiß darstelle. Zum Beweis will ich an die Verhandlungen erinnern, die im Bundesrat geführt wurden. Zum Beweis will ich ferner daran erinnern, wie selbst die Sachverständigen der Regierung über einige Fragen urteilen — sehr im Gegensatz zu der Behauptung von einer Gleichberechtigung. Der Bundesrat hat u. a. den Herrn Bauer, einen Sachverständigen der Regierung, gehört. In seiner Rede im Bundesrat hat Herr Bauer ohne weiteres zugeben müssen, daß bei Eisen und Stahl die wirtschaftlich beste Betriebsform nicht gestattet ist,
er hat betont, eine Änderung könne im Rahmen des Schumanplans nicht herbeigeführt werden,
sondern die Kunst müsse darin bestehen, außerhalb des Schumanplans im Verhandlungswege die beste Betriebsform zu erreichen. Denn man werde. so sagte er wörtlich, uns nach dem Plan auf die Dauer nicht 'Maßstäbe auferlegen können, die für die anderen nicht gelten. Das ist doch das glatte Eingeständnis, das die Voraussetzung der Gleichberechtigung nicht erfüllt ist.
Und an einer anderen Stelle spricht er sich noch deutlicher aus:
Was uns jetzt auferlegt wird, wird entweder von den Franzosen, Italienern, Belgiern und Holländern in analoger Form übernommen werden müssen, oder aber wir müssen die Freiheit bekommen, uns so einzurichten, wie es die andern tun.
Diese Voraussetzungen müßten nach dem Urteil dieses Sachverständigen erst noch erfüllt werden, ehe man von Gleichberechtigung reden könnte.
Meine Damen und Herren, ich frage mich vergebens, wie Herr Bauer diese Regelung erreichen will, wenn das Ja einmal ausgesprochen
und damit die Bindung für 50 Jahre übernommen ist.
Von einem der Herren ist darauf hingewiesen worden, man sollte die Möglichkeiten einer Revision nicht unterschätzen, die der Schumanplan biete. Aber diese Möglichkeiten sind so, daß eine Revision praktisch nie verwirklicht werden kann; so
schwierig ist sie gemacht, so kompliziert ist sie. Außerdem — ich betone es noch einmal — sind la die Feststellungen, auf die sich die Monita des Herrn Bauer beziehen, zum Teil Bestandteil des Vertragswerkes, für das er eintritt.
Ich wiederhole die wesentlichen Punkte hier noch einmal: hundertprozentige Verbundwirtschaft zwischen Hütte und Erz in Frankreich; der französische Bergbau unter einer Verwaltung. Das ist alles ausdrücklich anerkannt, darüber hat die Hohe Behörde nicht mehr zu bestimmen. Auf der anderen Seite: nur sehr beschränkte Verbundwirtschaft in der Form einer nur 75 %igen Koks- und Kohlesicherung bei 12 von ungefähr 24 Gesellschaften, bei Eisen und Stahl einer 75 %igen Sicherung der gegenwärtigen Kapazität. Und es gibt Sachverständige — ich kann darüber nicht urteilen —, die erklärren, daß durch die Zechen, die diesen Hüttenwerken zugeteilt wurden, die 75 %ige Deckung absolut in Frage gestellt ist.
Meine Damen und Herren! Der Kollege Albers sprach von der Haltung der Gewerkschaften. Er kann für sich und für seine Freunde, also nur auf diese beschränkt, reden; aber es ist Irreführung, es so darzustellen, als ob es d e n gewerkschaftlichen Standpunkt pro Schumanplan gäbe.
Ich darf darauf hinweisen, daß selbst solche Persönlichkeiten der Gewerkschaftsbewegung, die die Bundesregierung als pro Schumanplan bezeichnet, außerordentlich starke Vorbehalte machen.
Ich darf hier an die Rede des Herrn Dr. Wagenführ erinnern, die er — auch als Sachverständiger — im Bundesrat gehalten hat. Er wies darauf hin, „daß es speziell vom deutschen Standpunkt aus noch eine ganze Reihe von sehr ernsten Vorbehalten gibt, ohne deren Klärung eine endgültige Beurteilung außerordentlich schwer gemacht wird." Er führte als Beispiele die Begrenzung der Stahlkapazität, der Verbundwirtschaft und des Deutschen Kohleverkaufs an. In seiner Rede forderte er, die Mitarbeit müsse an die Bedingung geknüpft werden, daß die Ruhrbehörde, die Begrenzung der Stahlkapazität und eine Reihe anderer wirtschaftlicher Diskriminierungen beseitigt werden.
Meine Damen und Herren! Auch Redner, die heute für den Schumanplan eintraten, haben die Beseitigung der Ruhrbehörde gewünscht und gefordert. Es ist uns erklärt worden, darüber bestehe ein bindendes Versprechen. Ich halte es doch
für nötig, darauf hinzuweisen, daß ein Versprechen der Beseitigung der Ruhrbehörde für
sich allein betrachtet das Problem selbst noch gar nicht voll anspricht. Noch wichtiger als die Beseitigung der Ruhrbehörde an sich ist die Antwort auf die Frage: Was wird sich ändern?
Besteht die Gewähr dafür, daß sich die Hohe Behörde nicht als Traditionsträger der Ruhrbehörde erweist?
Wird man von .ihr mehr Verständnis für die Lage im Bundesgebiet erwarten können?
Meine Damen und Herren, auch hinsichtlich der deutschen Eisen- und Stahlkapazität ist nicht allein entscheidend, ob die gegenwärtige Kapazitätsbeschränkung fällt. Noch wichtiger ist es, ob Gewähr dafür besteht, daß die Hüttenwerke die erforderlichen Zuweisungen an Kohle, an Koks, an
Schrott usw. erhalten werden oder ob es bleibt, wie es ist: daß der Exportbedarf praktisch den Vorrang hat.
Ich meine, die jüngsten Erfahrungen sind eine ernste Warnung. Ich finde es auffällig, daß die Redner hier den Schumanplan nicht auch unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Situation beurteilen.
— Ich werde Ihnen gleich sagen, warum man diese Gesichtspunkte mit berücksichtigen muß. Die Ruhrbehörde ist zu einem Export verpflichtet, der zur starken Beschränkung statt zum dringend erforderlichen weiteren Ausbau der Wirtschaft des Bundesgebiets führt. Die Bundesregierung hat gebeten und gebettelt, um zu erreichen, daß die Exportmengen heruntergesetzt werden; sie hat ein kühles Nein erfahren. Und die da in der Ruhrbehörde mit Nein entschieden haben, sind doch, wenn der Schumanplan angenommen wird, unsere Partner von morgen.
Zu einem ganz erheblichen Teil sind sie es, Herr von Rechenberg.
— Herr von Rechenberg! Diejenigen, die unsere Partner von morgen sein wollen, um eine Wende in der europäischen Zusammenarbeit herbeizuführen, hätten in der Ruhrbehörde die beste Möglichkeit gehabt, zu beweisen, daß sie diese Wende wollen.
Meine Damen und Herren! Diese Erfahrungen aus der jüngsten Zeit sind nichts anderes als ein Glied in der Kette der Politik seit 19,45.
Ich hätte gewünscht, nicht allzuviel in die Vergangenheit zurückgehen zu müssen. Angesichts der Debatten hier ist es aber notwendig, an einiges zu erinnern. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen, die sich um die Frage der ersten Festsetzung der Eisen- und Stahlkapazität ergaben. Die Engländer wollten damals schon 10 Millionen t bewilligen. Es kam eine Festsetzung von 5 Millionen t heraus, weil die französische Regierung und die russische Regierung nur eine Kapazität von knapp 2 Millionen t genehmigen wollten. Die ganze französische Politik war ja von Anfang an darauf eingestellt: Das Ruhrgebiet muß sich in seiner industriellen Struktur völlig ändern. Kohlen soll es ausführen, aber nicht Eisen und Stahl produzieren. Man hat diese Forderung mit dem Sicherheitsbedürfnis begründet.
Meine Damen und Herren! Diese Einstellung in der Vergangenheit bestätigt sich in der Gegenwart. Wie steht es denn im Augenblick? Wenn unsere Eisen- und Stahlindustrie ihre Produktion nicht schon jetzt wesentlich einschränken mußte, so nur deshalb, weil sie fast zu 25 % ihres Bedarfs amerikanische Kohlen einführen muß. Diese Kohlen sind je Tonne um 70 DM teurer.
Unseren Export aber müssen wir beinahe zum
Inlandspreis liefern. Diese 70 DM stellen den Un-
terschied zwischen den Rohstoffkosten unserer Hüttenwerke, soweit die Kohle in Frage kommt, und den Rohstoffkosten dar, die die Hüttenwerke der anderen europäischen Staaten haben. Die Hüttenwerke können diese Kosten nur tragen, indem sie ihre Abnehmer, zum Teil zusätzlich belasten. Der größte Teil ihrer mit amerikanischer Kohle geschaffenen Produktion muß ausgeführt werden, um die Devisen zur Einfuhr dieser Kohle zu verdienen. Unter diesen Umständen kann der Eisen- und Stahlbedarf der eigenen Wirtschaft nicht entsprechend befriedigt werden. Hier haben wir das Beispiel eines außerordentlich erschwerten Wettbewerbs. Ich sehe keine Möglichkeit, anzunehmen, das werde morgen anders werden, wenn wir nicht wissen, wie die Hohe Behörde hierbei verfahren wird.
Herr Albers hat gesagt: Ja Gott, dieser Hohen Behörde wird ein beratender Ausschuß beigegeben, in dem auch die Gewerkschaften vertreten sind, und die Gewerkschaften werden schon dafür sorgen. Ich bedauere dem Gewerkschaftler Albers noch klarmachen zu müssen, daß ein erheblicher Unterschied zwischen Mitberatung und Mitbestimmung ist.
In der Innenpolitik hat er sich als Gewerkschaftler dagegen gewehrt, daß man nur vom Mit wirkungsrecht redet. Da hat er begriffen, daß das Mitwirkungsrecht praktisch wenig bedeutet, daß es vielmehr auf das Mitbestimmungsrecht ankommt.
Nun sucht man uns die Sache schmackhafter zu machen, indem man uns erzählt: Seht, die französische Schwerindustrie beklagt sich auch.
Ja, meine Damen und Herren, für so dusselig halte ich sie auch nicht, den Vorteil hinauszuschreien, den sie vom Schumanplan hat.
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Wenn man uns als Beispiel dafür die Entschließung
der Metzer Industrie- und Handelskammer angibt,
so frage ich: Was will man denn damit beweisen?
— Herr von Rechenberg, Sie sollten mit Ihren Zwischenrufen ein wenig vorsichtiger sein, da Sie auf der anderen Seite so leicht beleidigt sind, wenn man Ihnen gegenüber etwas sagt.
— Ich habe nichts Falsches behauptet,
sofern Sie mir nicht etwas unterstellen, was ich damit nicht aussprechen wollte. An sich war meine Feststellung richtig.
Ich frage: Ist es denn eine so absolut feststehende, ausgemachte Tatsache, daß die Hüttenindustrie im Ruhrgebiet auf der Kohlebasis den günstigsten Standort hat? Darf ich fragen, warum die Ruhrindustriellen seinerzeit Wert darauf gelegt haben, große moderne Werke in Lothringen auf dem Erz zu errichten? Mindestens — das werden mir die Fachleute bestätigen; ich selber bin keiner, sondern ich stütze mich auf ihr Urteil — kann man darüber streiten, ob die Hüttenindustrie auf der Erzbasis nicht einen genau so günstigen Standort hat wie die
Hüttenindustrie auf der Kohlebasis. Es steht fest, wenn E r z zugeführt werden muß, wird die doppelte Tonnage gebraucht, als wenn ich Kohle zuführen muß. -
Ich darf eine zweite Frage aufwerfen. Herr Kollege Dr. Henle, ich denke noch an die Auseinandersetzungen in den zwanziger Jahren im Ruhrgebiet, als die große Rationalisierung in der Eisen- und Stahlindustrie erfolgte. Wie ist sie begründet worden? Doch auch damit, daß die Eisen- und Stahlindustrie bezüglich des Standorts im Wettbewerb benachteiligt sei; diese Benachteiligung im Standort müsse durch eine entsprechende Organisation, durch eine entsprechende Rationalisierung ausgeglichen werden. Sie wissen so gut wie ich, daß wir mindestens zeitweise von der Reichsbahn verlangt haben, Sondertarife für die Erzzufuhr zu gewähren. Sind Sie so absolut sicher, daß sich, wenn solche Sondertarife gewährt werden sollten, nicht einer finden wird, der sagt: Das ist Subventionierung, das ist staatliche Unterstützung, und das ist nach den Statuten des Schumanplans nicht gestattet?
Dabei muß noch folgendes berücksichtigt werden. Unsere Hüttenindustrie steht heute mit großen Betriebsabteilungen noch weit unter dem technischen Leistungsstand. Zur gleichen Zeit fast, als man in den anderen Ländern des Schumanplanbereichs unter Zuhilfenahme von Marshallplangeldern moderne Werke baute, wurden bei uns in sehr großem Maße noch Restitutionen verfügt. Diese beschränkten sich nicht auf sogenannte gestohlene Maschinen, vielmehr wurde jede Maschine ausländischen Ursprungs, auch wenn sie ehrlich bezahlt war, weggenommen. Zur gleichen Zeit wurden auch die Demontagen durchgeführt. Wer die Hüttenindustrie kennt, weiß, daß man bei den Demontagen überall das Kernstück, das Wertvollste aus dem Betrieb, herausgenommen hat. Aus meiner Dortmunder Erfahrung kann ich sagen, daß es in einem Fall die Fünf-Meter-Straße war. Man hätte die Möglichkeit gehabt, eine andere zu liefern. Nein, man wollte dies e Straße haben. Die weiteren Verhandlungen haben ergeben, man werde die Schaffung einer neuen Fünf-Meter-Straße nicht dulden.
Im anderen Fall handelt es sich um das moderne Preßwerk des Dortmunder Hüttenvereins „Union". Anläßlich der Verhandlungen über den Abtransport dieser großen Presse im Dortmunder Hüttenverein wurde die feierliche Versicherung abgegeben: Wir wollen dafür eintreten, daß Sie einen Ersatz bekommen; das soll zwar keine 10 000- oder 15 000-
Tonnen-Presse sein, sondern eine Presse von geringerer Kapazität. Seit sechs Monaten — es kann eher mehr sein als weniger — warten wir noch auf die Entscheidung.
Dieses Versprechen ist noch nicht einmal bis zu den Hohen Kommissaren gelangt. Auf Grund dieser Erfahrungen müssen wir solchen Zusicherungen gegenüber sehr kritisch sein.
Es ist noch folgendes zu berücksichtigen. Wir haben heute schon Mangel an Kohle, besonders an Kokskohle. Das französische Investierungsprogramm ist noch längst nicht durchgeführt, aber nach den Statuten des Schumanplans gestattet. Wir müssen damit rechnen, daß die Anforderungen nicht geringer werden, sondern noch steigen. Wer gibt uns die Garantie, daß man in diesem Falle sagt, daß die eigene Eisen- und Stahlindustrie denselben Anspruch wie fremde Werke hat?
Bei der Propaganda für den Schumanplan hat man zeitweise auf die Lockerung der Industriekontrolle verwiesen, darauf, daß es uns nunmehr auch gestattet ist, die verbotenen Industrien wieder in Gang zu bringen, allerdings mit der sehr wesentlichen Einschränkung, daß, solange ein Mangel an festen Brennstoffen besteht, Genehmigungen nur insoweit erteilt werden dürfen, als der zusätzliche Verbrauch von Kohle und Koks die Befriedigung des Bedarfs derjenigen Staaten, welche feste Brennstoffe einführen, nicht beeinträchtigt. Ein Teil dieser Industrien, die' früher Kohle verflüssigten, denkt auf Grund dieser Verfügung im Augenblick nicht daran, ein neues Verfahren einzuführen, sondern bleibt bei der Verarbeitung von Ölrückständen. Ich habe heute eine Mitteilung von den Chemiewerken in Marl bekommen. Hier geht es um das Recht der Herstellung von Buna. Während die Zuteilung an Chemiekohle im April 35 000 t und im Mai und Juni je 25 000 t betrug, wurde sie inzwischen für den Monat Juli auf 7680 t gekürzt:
Ich stelle fest:. Kein Mensch regt sich dabei auf, daß mit dieser Beschränkung auch das Schicksal einiger tausend Arbeiter verbunden ist.
— Ja, sicher wollen wir das ändern.
Die Frage ist nur, ob es durch den Schumanplan geändert wird,
oder ob dieser Plan nicht statt der Schaffung eine Verhinderung von Europa ist.
Hinzu kommt noch, daß meines Wissens in Frankreich neun moderne Großkokereien geschaffen werden. Bisher konnten wir Koks ausführen. Nach der jetzt eintretenden Wandlung wird man von uns nicht mehr den Koks verlangen und uns die Nebenprodukte lassen; man wird die Kokskohle verlangen.
Mit Recht hat man darauf hingewiesen, daß der gemeinsame Markt eine völkerverbindende Kraft haben kann — „kann", das muß man beachten — und nicht von vornherein hat und daß er sie nur haben kann, wenn erfüllt wird, was auch der Herr Bundeskanzler in seiner Rede sagte: daß der Schumanplan auf einer gegenseitigen Angleichung der nationalen Wirtschaften der beteiligten Länder beruht. Man bezeichne mir eine Stelle des Schumanplans, bei der man guten Gewissens davon reden könnte, daß diese gegenseitige Angleichung erfolgt ist.
Meine Damen und Herren! Nun möchte ich die Frage noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt behandeln, nämlich unter dem Gesichtspunkt: Welche Änderungen müssen wir hinsichtlich unserer Außenhandelspolitik .und unserer Zahlungsbilanz befürchten? In normalen Zeiten mußten wir unsere Devisen im wesentlichen im europäischen Austauschgeschäft verdienen. Dabei mußte ein erhebliches Plus herauskommen, damit wir die natürliche Unterbilanz beim überseeischen Geschäft ausgleichen konnten. Von einem nationalen gegenseitigen Ausgleich kann aber keine Rede sein, wenn die eigene Eisen- und Stahlindustrie mit einer derartigen Schrumpfung rechnen muß, daß sie nicht einmal imstande ist, den Friedensbedarf des deutschen Volkes zu decken.
Da soll man nicht ausgehen von dem, was ist, sondern von dem, was sein müßte. pies gilt insbesondere dann, wenn wir an eine tatkräftige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit herangehen wollen. Sie hat nämlich zur Voraussetzung, daß man ungefähr eine Million neuer Arbeitsstellen schafft.
Wir liegen in unserem Eisen- und Stahlverbrauch unter dem Niveau der anderen Länder. Diese hatten längst nicht die Zerstörungen aufzuweisen wie wir, sie sind nicht vor das Problem gestellt, für 8 oder 10 Millionen Vertriebene neue Heimstätten 'zu schaffen. Wenn wir das berücksichtigen, dann hätten wir im eigenen Bundesgebiet einen Bedarf von ungefähr 16 bis 17 Millionen t Eisen und Stahl, ohne auch nur ein Kilo für Rüstungszwecke zu verwenden. Jetzt laufen wir Gefahr, daß, wenn irgendeine Absatzstörung eintritt und die Hohe Kommission von ihrem Recht, Kontingente festzusetzen, Gebrauch macht, der eigenen Industrie nicht einmal gestattet ist, den eigenen Bedarf zu decken,
sondern daß sie gedrosselt werden muß, daß wir Arbeitslose auf uns nehmen müssen, während wir auf der anderen Seite gezwungen sind, Eisen und Stahl einzuführen. Wie wir dabei das Problem des Ausgleichs unserer Zahlungsbilanz meistern sollen, meine Damen und Herren, das möchte ich noch hören.
Ähnlich ist es mit der Verpflichtung zur Ausgleichsabgabe im Kohlenbergbau. Man könnte Verständnis dafür haben, daß der Kohlenbergbau, unter Umständen auch die Eisen- und Stahlindustrie, zu einer solchen solidarischen Haftung verpflichtet werden. Aber gibt es nur in Belgien einen Kohlenbergbau, der notleidend ist, der modernisiert oder bei dem unter Umständen die eine oder andere Zeche stillgelegt werden muß, so daß man die Verpflichtung hat, für die Arbeiter eine neue Erwerbsmöglichkeit zu schaffen? Ich denke, daß wir auch im südlichen Ruhrgebiet eine ganze Reihe solcher Zechen haben.
Es ist unter Fachleuten kein Streit, daß sich unter
den neuen Kohlengesellschaften — ich weiß im
Augenblick nicht ihre Zahl, es sind ungefähr 20 —
mindestens drei, wenn nicht vier befinden, die vier bis fünf Zechen umfassen, welche unter den gegenwärtigen Umständen gar nicht rentabel gestaltet werden können, sondern Zuschuß brauchen. Warum gilt für diese Zechen nicht, was man den belgischen zuerkennt?
Oder noch ein näherliegendes Beispiel: Was für die belgischen Kohlengruben zutrifft, trifft auch für eine ganze Reihe von Erzgruben in unserem Gebiet zu. Warum sind die ausgenommen? Und wenn es jetzt hübsch in Gemeinschaft gehen soll, warum ist uns dann nicht, nachdem es schon im Plan selbst nicht drin steht, die Zusicherung gegeben, daß wir den außerordentlichen Nachholbedarf unserer Eisen- und Stahlindustrie, der auf die Demontagen und auf die Kriegszerstörungen zurückzuführen ist, im Wege einer Förderung
durch -die Schumanplan-Behörden möglichst schnell decken können,
um gleiche Startmöglichkeiten zu schaffen?
Meine Damen und Herren, man könnte noch eine ganze Reihe anderer Einzelfragen aufwerfen. Bezüglich der südlichen Ruhrzechen hat Herr Dr. Grosse, wirtschaftswissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Verband der Bergarbeiter, darauf hingewiesen, daß man, als dieses Problem der südlichen Ruhrzechen angesprochen wurde, einfach erklärte: wenn sie nicht rentabel arbeiten können, müssen sie stillgelegt werden!
Dabei ist man im Ruhrgebiet — auch da berufe ich mich wieder auf Fachleute — der Meinung, daß sich die Rentabilität dieser Zechen in verhältnismäßig wenig Jahren ändern kann, weil man beim Abteufen neuer Zechen im nördlichen Gebiet so große Schwierigkeiten überwinden muß, daß dies naturgemäß zu einer Verteuerung führt. Aber man kann diese Gruben nicht zeitweise stillegen. Hinzu kommt dabei noch, daß, wenn diese Gruben stillgelegt würden, die Wasserhaltung in diesen Zechen wahrscheinlich weiterbetrieben werden müßte, um zu verhüten, -daß andere noch in Betrieb befindliche Zechen dieses Wasser bekommen und dadurch die Gefahr des Versaufens eintritt.
Schließlich noch eine Bemerkung, die zu machen ich vergessen habe; ich will sie nachholen. Im Schumanplan ist davon die Rede, die Stahlfacharbeiter hätten ja Freizügigkeit im Bereich des Vertragsgebietes. Das gleiche heißt es von den Kohlenfacharbeitern. Diese werden aber wohl kaum in Frage kommen. Da befürchte ich auch nicht, daß man uns Investitionsmittel verweigert; denn wir sollen ja der große Kohlenlieferant sein.
Jedenfalls, als ich das von dieser Freizügigkeit las, erinnerte ich mich an die französische Propaganda in den Jahren 1945 und 1946, in der es hieß, man könne Deutschland unmöglich so industrialisieren, daß es für alle seine Menschen Arbeit habe; das sei eine Gefährdung der Sicherheit Frankreichs; deshalb gebe es nur eine Lösung: Deutschland müsse darauf verzichten, in entsprechendem Maße Waren auszuführen, und es müsse auf den Weg gewiesen werden, M e n s c h en auszuführen.
Wenn diese Frage in den Schumanplan-Verhandlungen wieder ausdrücklich angeschnitten wurde, wenn dabei von der Freizügigkeit und davon gesprochen wurde, daß beschäftigungslos werdende Stahlfacharbeiter ja auch in den Bergbau gehen könnten, so kann ich mir denken, daß man in den Kreisen, die an diesem Plan besonderes Interesse haben, ganz klar damit rechnet, daß die Wirkung des Plans eine Verkümmerung unserer Eisen- und Stahlindustrie sein wird.
Zu der Bindung auf 50 Jahre will ich nichts weiter sagen. Ich will nur feststellen, daß nicht einmal eine anständige Revisionsmöglichkeit vorgesehen ist. Heute wird uns gesagt: Ach, die wird ohnehin kommen! Nun, wenn die Interessenten an diesem Plan diese Revisionsmöglichkeit wollen, was hätte sie gehindert, in dem Plan selbst schon eine anständige Formulierung dafür zu finden?
Noch eine weitere Bemerkung. In der Begründung wird zwar festgestellt, daß im Schumanplan die freie Entscheidung aller teilnehmenden Staaten darüber, ob sie eine Sozialisierung wollen, gewahrt geblieben sei. Aber ich muß sagen: das ist nicht präzis genug ausgedrückt. Wir wollen ja nicht bloß eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse, die uns schon vor zwei Jahren versprochen wurde
— ich glaube, wenn wir daran nicht immer wieder erinnern, vergißt die Regierung noch, was sie versprochen hat —,
sondern wir wollen zugleich mit der Sozialisierung auch eine planmäßige Gestaltung. Und da frage ich: Wird man dann gegen eine solche planwirtschaftliche Gestaltung nicht die Dezentralisationsbestimmungen ins Feld führen?
Meine Damen und Herren! Zum Schluß: Im Grundgesetz ist die Festlegung enthalten, daß die Bundesrepublik gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa sein soll. Ich unterstreiche: gleichberechtigtes. Ich denke auch an einen Beschluß vom 28. Juli 1950, den der Bundestag mit Ausnahme der Kommunisten einstimmig faßte. Er enthielt das Bekenntnis zur Gleichheit der Rechte aller europäischen Völker. Wir wünschen und verlangen von Ihnen, daß Sie zu diesem Ihrem eigenen Beschluß stehen.
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Meine Damen und Herren! Der Schumanplan ist keine Wende in' der Praktizierung der Gleichberechtigung. Nach meiner Auffassung ist er nur Anlehnung an die alte Politik. Das Bestreben, eine neue Etappe in der Anpassung, mindestens in über die Wirtschaft an der Ruhr Verfügungsgewalt zu bekommen, ist dabei viel stärker als das Bestreben, europäische Einheit auf der Basis der Gleichberechtigung zu schaffen.
Das ist unser Eindruck. Deshalb sagen wir ein hartes Nein zu diesem Vertragswerk, weil wir den Weg offenlassen wollen zu einer echten europäischen Neuordnung.