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ID0115102600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 151. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1951 5993 151. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5993D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Oellers 5994A Änderungen der Tagesordnung 5994A Rücktritt des Schriftführers Abg. Freiherrn von Aretin und Benennung des Abg. Dr. Fink als Schriftführer 5994B Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Nr. 2234 der Drucksachen) 5994B Beschlußfassung 5994C Beratung des Antrags der Zentrumsfraktion betr. UKW-Programm Westfalen (Nr. 2225 der Drucksachen) 5994D Dr. Bertram (Z) 5994D, 5996A Dr. Vogel (CDU) 5995C Brunner (SPD) 5995D Dr. Horlacher (CSU) 5996A Übergang zur Tagesordnung 5996B Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU betr. Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Vorbereitung der Neugliederung des Bundesgebietes (Nr. 2222 der Drucksachen; Änderungsantrag (Umdruck Nr 224) 5996B Dr. Preusker (FDP) 5996B, D Heiland (SPD) 5997A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5997B Beschlußfassung 5997C Dritte Beratung der Ersten und Zweiten Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nrn. 1784, 2092, 1928 der Drucksachen), in Verbindung mit der Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nrn. 1500, 1900 bis 1927 der Drucksachen; Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung; Umdruck Nr. 218) . 5997D, 5998A Dr. Wuermeling (CDU) 5997D Schoettle (SPD) 6003D Dr. Schäfer (FDP) 6010C Renner (KPD) 6013C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6016B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 6017B Abstimmungen 6018B Beratung des Antrags der Abg. Dr. Preiß, Neber u. Gen. betr. Fortführung der Phosphatdünger-Subventionen im Düngerwirtschaftsjahr 1951/52 (Nr. 2294 der Drucksachen) 6020C Dr. Preiß (FDP), Antragsteller . . 6020C Beschlußfassung 6021B Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Versorgung mit Hausbrandkohle und Nutzholz (Nr. 2295 der Drucksachen) . . 6021B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP), Antragsteller 6021B Dr. Kreyssig (SPD) 6022A Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 6023D Matthes (FDP) 6024A Weiterberatung vertagt 6024C Beratung der Übersicht Nr. 29 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 203) 6024C Beschlußfassung 6024C Nächste Sitzung 6024C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Franz-Josef Wuermeling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Anläßlich der Beratung des- Haushaltsplans ist es bei der dritten Lesung im allgemeinen üblich. einige generelle politische Gesichtspunkte über die Politik der Bundesregierung bzw. der einzelnen Minister herauszustellen. Ich möchte mich deswegen in der Generalaussprache hei meinen heutigen Ausführungen nicht mit Einzelheiten des Haushaltsplans befassen, die in den vergangenen Beratungen ja mehr als zur Genüge im einzelnen behandelt worden sind, sondern mich einmal den Ergebnissen der Arbeit unserer Bundesregierung zuwenden. die nun knapp zwei Jahre im Amte ist, und bei Prüfung dieser Ergebnisse feststellen, ob die politische Linie, vor allem die wirtschafts- und sozialpolitische Zielsetzung, die wir uns vorgenommen hatten, eingehalten worden ist oder ob irgendein Anlaß besteht, hier eine Änderung eintreten zu lassen.
    Meine Damen und Herren! Ich habe hier vor mir ein Flugblatt der Sozialdemokratischen Partei aus dem letzten Wahlkampf liegen. Das beginnt mit den Worten: „Nach der Bundestagswahl 1948 begann die Katastrophenpolitik."

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Inwieweit die Politik der Bundesregierung eine ..Katastrophenpolitik" gewesen ist, möchte ich in den folgenden Darlegungen untersuchen.
    Ist wirklich alles so ziellos und planlos, sinnlos und erfolglos gewesen, wie es von der Opposition immer wieder vor der Bevölkerung dargestellt wird, oder haben wir das Programm, das wir uns gesetzt haben, eingehalten und haben wir bei der Durchführung des Programms wesentliche Erfolge erzielt? Ich erinnere mich hier einer Äußerung, die Herr Kollege Dr. Menzel bei der Beratung der Verbesserung der Beamtenbesoldung kürzlich getan hat, in der auch wieder der Gedanke ausgesprochen wurde, diese Gehaltsdebatte sei eine Folge der unglückseligen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

    (Abg. Dr. Greve: Sehr richtig!)

    So einfach und so simpel, wie es hier dargestellt wird, liegen die Dinge wahrhaftig nicht;

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    denn man sollte auch in Kreisen der Opposition nicht immer ganz unberücksichtigt lassen, daß sich mit Ausbruch des Korea-Konflikts in der ganzen Welt eine entscheidende Wandlung in wirtschaftspolitischer Hinsicht vollzogen hat,

    (erneute Zustimmung bei der CDU)

    mit der alle Völker Europas und in Übersee fertig werden müssen und die in keiner Weise eine Einzelerscheinung in unserem Bundesgebiet ist.

    (Wiederholte Zustimmung bei der CDU.)

    Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. September 1949 durchzusehen und sie daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit man sich an die damals gegebene Zielsetzung gehalten hat. Im Vordergrund der Regierungserklärung stand der Satz:
    Das Streben nach Linderung der Not, nach sozialer Gerechtigkeit, wird der oberste Leitstern bei unserer gesamten Arbeit sein
    — und, meine Damen und Herren, ist es bis heute geblieben.

    (Zurufe von der SPD.)

    Insbesondere wurden von dem Herrn Bundeskanzler, als wichtige soziale Aufgaben herausgestellt einerseits das Problem einer besseren Verteilung der Vertriebenen innerhalb unseres Bundesgebiets und andererseits das Problem der nachdrücklichen Förderung des Wohnungsbaues.

    (Sehr richtig! hei der CDU.)

    Wir haben im vergangenen Jahre 250 000 Vertriebene aus den Flüchtlingsländern in die übrigen Länder umgesiedelt und sind dabei, in diesem Jahre nach unserm neuen Umsiedlungsgesetz wiederum 300 000 Vertriebene aus den Flüchtlingsländern umzusiedeln,

    (Zuruf von der SPD: Glauben Sie das?)

    so daß allein in zwei Jahren über eine halbe Million Vertriebene aus den Flüchtlingsgebieten umgesiedelt werden.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Also ist dieses Ziel, das sich die Bundesregierung gesteckt hat, in voller Durchführung begriffen. Jeder Sachverständige weiß, daß sich solche Dinge, wenn Wohnungen gebaut und Arbeitsstätten geschaffen werden müssen, nicht von heute auf morgen oder auch nur von Monat zu Monat lösen lassen.
    Was denn Wohnungsbau angeht, so ist durch das Erste Wohnungsbaugesetz festgelegt worden, daß für unsere Wohnungsuchenden, die zum Teil noch in Höhlen und Kammern wohnen, jährlich 300 000 Wohnungen geschaffen werden. 300 000 haben wir im vergangenen Jahre gebaut; 300 000 werden auch in diesem Jahre erstellt; und wir werden innerhalb von insgesamt drei Jahren annähernd eine Million der fünf Millionen fehlenden Wohnungen gebaut haben. Auch hier sind wir also in voller und erfolgreicher Durchführung unseres Programms begriffen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der CDU.)

    Eines der wichtigsten Probleme, ich möchte fast sagen: das wichtigste, das zu behandeln ist, ist das Problem der Arbeitsbeschaffung. Die Bundesregierung hat in ihrer damaligen Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß dieses Anliegen für sie eines der wichtigsten sei. Auch insofern ist unsere Konzeption unverändert geblieben. Wie liegen die Dinge nun heute? Weiß man eigentlich in der Bevölkerung des Bundesgebietes, daß wir im Jahre 1936, also im Aufrüstungsjahr jenes unseligen Adolf Hitler, 11,2 Millionen beschäftigte Arbeitnehmer innerhalb des Bundesgebietes hatten und daß wir diese BeBeschäftigtenzahl allein bis zum März 1950 auf 13,3 Millionen haben steigern können?

    (Lebhafte Rufe bei der CDU: Hört! Hört! — Zurufe von der SPD.)

    Also 2,1 Millionen mehr waren schon im März 1950 in Arbeit und Brot, als innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik im Jahre 1936, im Aufrüstungsjahr Hitlers, in Arbeit und Brot waren.

    (Erneute Zurufe links.)



    (Dr. Wuermeling)

    Von März 1950 bis März 1951 hat sich diese Zahl von 13,3 Millionen auf 14,24 Millionen,

    (Hört! Hört! bei der CDU)

    also um fast eine weitere Million erhöht. Allein im letzten Jahre, von März zu März, sind also im Gebiet unserer Bundesrepublik eine Million Arbeitsstätten geschaffen worden.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU.)

    Meine Damen und Herren, die Beschaffung von einer Million Arbeitsplätzen bedeutet bei einem Aufwand von zirka 10 000 DM je Arbeitsplatz rund 10 Milliarden DM richtig geleitete Investition, neben der diese oder jene Fehlinvestition, die hier oder da vielleicht einmal vorgekommen ist, völlig in den Hintergrund tritt und die man der Bevölkerung nicht immer allein vor Augen führen soll. Man sollte statt dessen auf die wesentlichen Dinge hinweisen. In der Frage der Beschäftigtenziffer ist als neuestes Ergebnis zu verzeichnen, daß wir im Mai dieses Jahres bereits zu einer Beschäftigtenziffer von 14 452 000 gekommen sind und damit um mehr als 1,1 Millionen höher liegen als im Frühjahr 1950. Ich frage die Herren von der Opposition: Ist das erfolgreiche Arbeitsbeschaffungspolitik oder Katastrophenpolitik, die wir getrieben haben?

    (Lebhafter Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Greve: Die Arbeitslosen sind doch aber nach wie vor da!)

    - Herr Kollege Greve, damit wollte ich mich jetzt gerade auseinandersetzen, und ich wäre sehr dankbar, wenn Sie sich einmal die Ausführungen darüber anhören würden.
    Die Zahl der Arbeitslosen ist heute tatsächlich noch dieselbe wie zu Beginn der Arbeit der Bundesregierung, nämlich etwa 1 300 000. Man sollte diese Zahl aber zunächst einmal mit der Zahl der nachgewiesenen Arbeitslosen von 900 000 vergleichen, die wir im Aufrüstungsjahr Hitlers 1936 im Gebiet unserer Bundesrepublik auch noch gehabt haben.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Wir haben also nur 400 000 Arbeitslose mehr als im Jahr 1936, in. dem seinerzeit die Aufrüstung schon in vollem Gange war.
    Ich komme nun zu der Frage, woran es liegt, daß dieser bedauerliche Grundstock von 1,3 Millionen Arbeitslosen immer noch nicht wesentlich gemindert werden konnte. Das liegt doch daran, daß ein fortdauernder Zustrom von Hunderttausenden von zusätzlichen Arbeitskräften in unser Bundesgebiet erfolgte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Trotzdem ist dadurch die Zahl der Arbeitslosen nicht gestiegen, sondern durch unsere Arbeitsbeschaffungspolitik haben diese Menschen, wie ich eben schon nachgewiesen habe, in Arbeit und Brot gebracht werden können.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wir dürfen hier nicht übersehen, daß seit dem Zusammentritt der Bundesregierung Hunderttausende von Kriegsgefangenen heimgekehrt sind. Hinzu kommt der große Kreis der Personen, der durch Zuwanderung aus dem Ostzone und aus anderen Gebieten in unser Land geströmt ist. Vor allem gehört dazu auch die gewaltige Zahl von Jugendlichen aus den geburtsstarken Jahrgängen der ersten Hitlerzeit 1934, 1935, 1936. So strömen jährlich Hunderttausende von jungen Kräften zusätzlich in den Arbeitsmarkt hinein; und sie alle müssen in Arbeit und Brot gebracht werden.
    Schließlich erscheint es mir auch von besonderer Wichtigkeit, daß fast zwei Drittel dieser 1,3 Millionen Arbeitslosen auf die drei großen Flüchtlingsländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern entfallen. Daraus erhellt eindeutig, daß ès sich um eine strukturelle Arbeitslosigkeit handelt, die unmittelbar durch die Kriegsfolgen bedingt ist und nicht etwa das Ergebnis einer falschen Wirtschaftspolitik darstellt.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wenn wir heute bereits rund 300 000 Arbeitslose weniger haben als um die gleiche Zeit im vergangenen Jahr, so ist uns das ein Beweis dafür, daß sich die Zahl der Arbeitslosen fortwährend vermindert. Ich darf Ihnen die Versicherung geben, daß es nicht nur das Ziel der Bundesregierung, sondern auch das sämtlicher Koalitionsparteien ist, diese Entwicklung mit dem allergrößten Nachdruck auch in der Zukunft zu fördern.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, ich komme nun auf eine andere Frage zu sprechen, die in der öffentlichen Diskussion auch sehr viel behandelt wird, das ist die Frage des Lebensstandards unserer Bevölkerung. Das Hauptziel der Arbeit unserer Bundesregierung ist und bleibt die Besserung des Lebensstandards.

    (Zurufe von der KPD: Na, na!)

    Warum sagt die Opposition in den Versammlungen draußen unserer Bevölkerung nicht, daß wir um die Jahreswende 1948/49 einen Lebenshaltungsindex von 168 gehabt haben, daß also eine Teuerung um 68 % gegenüber 1938 vorgelegen hat? Und warum weist man die Bevölkerung nicht darauf hin, daß der Lebenshaltungsindex infolge der Wirtschafts-und Arbeitsbeschaffungspolitik unserer Bundesregierung, in Auswirkung der sozialen Marktwirtschaft bis zum vergangenen Sommer auf 150, auf 149, ja auf 148 heruntergedrückt worden ist?

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Dadurch ist eine Erhöhung der realen Kaufkraft der breiten Massen innerhalb von anderthalb Jahren um etwa 12 % eingetreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Gelächter und Zurufe bei der SPD.)

    Mit dieser Abwärtsbewegung des Lebenshaltungsindex ging eine Aufwärtsentwicklung der Nominallöhne parallel, die sich innerhalb dieser Zeit von etwa 125, 130 % auf etwa 150 % erhöht haben.

    (Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Wir stehen also vor der Tatsache — und das halte ich für das bedeutsamste und größte Ergebnis der Arbeit der Bundesregierung —, daß sich die fallende Kurve des Lebenshaltungsindex und die steigende Kurve des Lohnindex im vergangenen Sommer bei 150 geschnitten haben, so daß die durchschnittlichen Reallöhne der breiten Massen der Industriearbeiterschaft aus der Zeit vor dem Kriege im vergangenen Sommer effektiv wiederhergestellt waren.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. — Gelächter und Zurufe bei der SPD.)

    Ich weiß nicht, ob man in einer solchen Krisenzeit wie der heutigen überhaupt noch größere Leistungen und Erfolge erzielen könnte.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD und von der KPD. — Glocke des Präsidenten.)



    (Dr. Wuermeling)

    Meine Damen und Herren, es ist allerdings in den letzten Monaten eine wesentlich andere Entwicklung eingetreten. Sie wird von uns lebhaft bedauert, während es leider Gottes gelegentlich den Anschein hat, als würden Sie (zur SPD) sich darüber freuen. Wenn jetzt der Lebenshaltungsindex inzwischen wieder auf 164 oder 166 gestiegen ist, so ist diese Entwicklung — das wissen wir alle, und auch Sie von der Opposition wissen es — eine ausschließliche Folge der grundlegenden Änderung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt seit Ausbruch des Korea-Konfliktes.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wenn das nicht so wäre, müßte ja eine solche Entwicklung nur bei uns in Deutschland eingetreten sein. Aber sie ist nicht nur bei uns eingetreten, sondern, wie ich Ihnen ohne weiteres nachweisen kann, in sämtlichen Ländern der Welt, und zwar dort in noch viel stärkerem Ausmaße als bei uns in der Bundesrepublik.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Darf ich Ihnen dazu einmal einige Zahlen mitteilen, die nicht von uns und nicht von der Bundesregierung und überhaupt nicht in Deutschland errechnet worden sind, sondern von einer internationalen Organisation, nämlich der Internationalen Arbeitsorganisation — International Labour Organisation (ILO) —, einer der Unterorganisationen der Vereinten Nationen. Dort sind die Steigerungen der Lebenshaltungskosten in den einzelnen Ländern, vor allem in Europa, für die Zeit seit Ausbruch der Korea-Krise bis zum Anfang des Jahres 1951 errechnet worden. Es ergeben sich folgende wirklich sehr interessante Ziffern. Die Lebenshaltungskostensteigerung betrug in diesem Zeitraum z. B. in Österreich 20 %, in Belgien 10 %, in Dänemark 10 %, in Finnland 23 %, in Frankreich 15 %, in Griechenland 11 %, in Luxemburg 11 %, in Italien 7 %, in Norwegen 13 %, in Schweden 11 % in den Vereinigten Staaten 9 %, und nur die Bundesrepublik, Großbritannien und die Schweiz stehen mit 5, 4 und 3 % weit unter dem Steigerungssatz der Lebenshaltungskosten in allen anderen Ländern.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Und da kommt man her und schiebt der Erhardschen sozialen Marktwirtschaft die Schuld an der Steigerung unserer Lebenshaltungskosten in die Schuhe!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Haben Sie auch Zahlen über die Einkommensschichtung?)

    — Auch darauf komme ich noch.
    Was im übrigen die Lebenshaltung der breiten Massen angeht, so lassen sich auch darüber einige nicht uninteressante Angaben machen. Wenn der Verbrauch an Fleisch, Fett, Obst und Südfrüchten sowie Trinkvollmilch je Kopf der Bevölkerung vom Ernährungswirtschaftsjahr 1948/49 auf 1949/50 — die Zahlen für das letzte Jahr liegen uns jetzt noch nicht vor — erheblich gestiegen ist, dann scheint mir das ein Beweis dafür zu sein, daß auch die Kaufkraft der breiten Massen in dieser Zeit erheblich gestiegen ist.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Widerspruch und Unruhe bei der SPD.)

    Es ist z. B. gestiegen: der Fleischverbrauch von 17,8
    auf 29,5 kg je Kopf, der Fettverbrauch von 9,3 auf
    16,1 kg je Kopf, der Verbrauch an Obst und Südfrüchten von 23,1 auf 34 kg und an Trinkvollmilch
    von 71 auf 97,4 1. Dabei wird doch wohl nicht geltend gemacht werden können, daß dieser erhöhte Verbrauch an Trinkvollmilch etwa nur durch die besitzenden Schichten, vielleicht durch Milchkuren oder so etwas, bedingt sei, sondern jedermann weiß, daß dieser Milchverbrauch und ebenso auch dieser Fleischverbrauch nur ein Verbrauch durch die breiten Massen im weitesten Umfange sein kann, wenn eine solche Erhöhung der Prozentsätze eingetreten ist.
    Da die Erhöhung der Lebenshaltungskosten, von der ich vorher sprach, auch bei uns im Lande eingetreten ist, bitte ich, mir zu gestatten, hier einmal einen Satz aus einer früheren Bundestagssitzung zu zitieren. Dieser Satz lautet folgendermaßen:
    Die Aufwendungen für die großen Militärlasten und damit die Verringerung des Anteils der arbeitenden Menschen am Sozialprodukt, die Senkung der Lebenshaltung ganzer Völker, sie sind doch im letzten Grunde das Ergebnis der sowjetischen Militär- und Rüstungspolitik.
    Mit diesen Worten hat der Führer der sozialdemokratischen Oppossition, Herr Dr. Schumacher, in unserem Bundeshause hier selbst in aller Ausdrücklichkeit anerkannt, daß die derzeitige Situation in der gesamten Welt eine Verschlechterung des Lebenstandards der breiten Massen aller Völker leider Gottes zur Folge haben muß. Es wäre recht gut, wenn sich die sozialdemokratische Partei in ihren Versammlungen draußen im Lande auch gelegentlich einmal dieses Satzes ihres Vorsitzenden erinnerte und nicht immer behauptete, daß die Dinge nicht vom Kommunismus und von Korea, sondern lediglich von der verfehlten Wirtschaftspolitik des Herrn Ministers Erhard kämen.

    (Abg. Dr. Schumacher: Das ist einfacher Quatsch! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Herr Kollege, ich nehme an, daß Sie Ihre eigene Äußerung doch nicht als so etwas bezeichnen wollen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schumacher: Wo habe ich das gesagt? — Wo?)

    — Das ist ein wörtliches Zitat aus dem Bundestagsprotokoll vom 9. März 1951.

    (Abg. Dr. Schumacher: Zusammenhang, bitte! — Zusammenhang, bitte!)

    - Anläßlich der Debatte über die Antwort an Grotewohl.

    (Abg. Dr. Schumacher: Zusammenhang, bitte!)

    — Der Satz davor lautet:
    Die Auslösung der großen Aufrüstungswelle in der ganzen Welt ist doch durch den sowjetischen Militarismus erfolgt.

    (Abg. Dr. Schumacher: Richtig!) Und dann folgt der eben verlesene Satz:

    Die Aufwendungen für die großen Militärlasten und damit die Verringerung des Anteils der arbeitenden Menschen am Sozialprodukt, die Senkung der Lebenshaltung ganzer Völker, sie sind doch im letzten Grunde das Ergebnis der sowjetischen Militär- und Rüstungspolitik.

    (Starker Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schumacher: Das entschuldigt doch nicht die Bundesregierung! Sie zitieren aus einer gemeinsamen Kundgebung gegen den Kommunismus. Aber: Was man nicht definieren kann, das sieht man als Korea an!)



    (Dr. Wuermeling)

    Ich möchte noch die Entwicklung der Industrieproduktion innerhalb des Bundesgebiets hervorheben. Es wird Ihnen bekannt sein, daß wir zur Zeit der Währungsreform ein Produktionsvolumen von etwa 50 % des Jahres 1936 hatten. Es wird Ihnen aber auch weiter bekannt sein, daß diese 50 % sich bis zum Januar 1949 auf 77 %, bis zum Januar 1950 auf 89 %,

    (Unruhe — Glocke des Präsidenten)

    zum Januar 1951 auf 117 % gesteigert haben und daß der Produktionsindex jetzt im April mit 132 % seinen bisherigen Höchststand erreicht hat.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.) Das besagt, daß wir jetzt in der Bundesrepublik mehr als zweieinhalbmal soviel wirtschaftliche Produktion leisten als Mitte des Jahres 1948 und daß wir fast ein Drittel Produktion mehr schaffen, als im Aufrüstungsjahr Hitlers, 1936, im Bundesgebiet geschaffen werden konnte.


    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Es ist vielleicht nicht uninteressant, auch einmal Zahlen über einzelne Industriezweige und ihre Entwicklung zu hören und zu erfahren, daß der Eisenerzbergbau sein Produktionsvolumen gegenüber 1936 auf 162 % erhöht hat, die Erdölgewinnung auf 289 %, der Fahrzeugbau auf 195 %, die Elektrotechnik auf 319 %, die Feinmechanik auf 165 %, die Mineralölverarbeitung auf 167 %, die Hohlglasherstellung auf 230 % und, was ganz besonders interessant ist, die Elektrizitätserzeugung auf 205 %, alles im Verhältnis zum Aufrüstungsjahr 1936.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.) Das sind die Auswirkungen unserer „Katastrophenpolitik", ein wirtschaftlicher Aufstieg, wie man ihn selbst bei kühnsten Hoffnungen im Jahre 1945 oder 1948 niemals erwartet hätte.


    (Beifall bei der CDU.)

    Dazu gehört nun noch ein kurzer Blick auf die Entwicklung unseres Außenhandels.

    (Zurufe von der SPD.)

    Sie wissen, daß wir darauf angewiesen sind, uns im weiten Umfange durch Einfuhren Rohstoffe und Lebensmittel zu beschaffen,

    (Abg. Renner: Und Kohlen!)

    daß wir aber in die Notwendigkeit versetzt sind,
    diese Einfuhren durch eigene Exporte zu bezahlen. Wie ist nun die Entwicklung hier unter der
    Führung der Bundesregierung bzw. des Herrn
    Professors Erhard gewesen? Während wir im Sommer 1948 ein Ausfuhrvolumen von etwa 200 Millionen DM monatlich hatten, hatten wir im April
    1951 ein Ausfuhrvolumen von 1 155 000 000 DM,

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)

    also fast eine Versechsfachung der- Ausfuhr gegenüber dem Jahre 1948.
    Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Einfuhr, die demgegenüber in den Zeiten vorher immer wesentlich höher war als die Ausfuhr, ist so gewesen, daß wir im April dieses Jahres zum ersten Male mit einer Ausfuhrhöchstleistung von 1,15 Milliarden eine aktive Handelsbilanz unserer Bundesrepublik erzielt haben

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und damit dem Ergebnis, das erreicht sein muß, wenn der Marshall-Plan abläuft, ein wesentliches und entscheidendes Stück nähergekommen sind.

    (Zurufe von der SPD.)

    All das sind Dinge, die das Volk offenbar nicht wissen darf, weil mit der Kenntnis dieser Umstände eine entsprechende Beurteilung unserer wirtschaftspolitischen Konzeption einherlaufen

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und damit der Zusammenbruch der aus dem vergangenen Jahrhundert stammenden marxistischen Wirtschaftstheorie offenbar werden würde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der SPD.)

    Zum Außenhandel noch einiges mehr.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Während wir 1949 57 % unserer Einfuhr durch eigene Ausfuhren finanzieren konnten, stieg dieser Prozentsatz der Eigenfinanzierung im Jahre 1950 bereits auf 82 %, so daß wir nur noch zu 18 % auf ausländische Hilfe, auf ausländische Fremdfinanzierung angewiesen waren. Weiter ist vielleicht interessant, daß unser Export sich von 1949 auf 1950 allein mehr als verdoppelt hat, während die Einfuhrsteigerung in dieser Zeit nur etwa 45 % betrug, so daß dadurch die Annäherung der Exportziffern und der Importziffern in gleicher Weise gefördert wurde. Wenn man weiter hört, daß unsere Ausfuhr im Jahre 1948 sich nur zu 17 % auf Fertigwaren erstreckte, während im Jahre 1950 statt der 17 % bereits 70 % Fertigwaren ausgeführt wurden, dann scheint mir das ein Erfolg der Liberalisierung des Außenhandels zu sein, wie ihn sich vor einem oder zwei Jahren wohl kaum jemand hätte träumen lassen.

    (Zuruf von der SPD: Reden Sie doch nicht so viel dummes Zeug!)

    Ich möchte noch einige wenige Sätze über die Finanzpolitik der Bundesregierung und vor allem unseres Bundesfinanzministers sagen, weil die Einkommensteuerreform des Jahres 1950 immer wieder in ganz besonderem Maße zum Gegenstand des politischen Kampfes, ich möchte eigentlich richtiger sagen, zum Gegenstand politischer Verhetzung gemacht wird. Was die im Jahre 1950 beschlossenen Einkommensteuertarife angeht, so wissen Sie genau so gut wie wir, daß auch Sie im Wirtschaftsrat im Jahre 1948 diesen Tarifsätzen Ihre Zustimmung gegeben haben, den Tarifsätzen, die Sie heute als unsozial vor der Bevölkerung bekämpfen.

    (Sehr richtig! — Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Wenn Sie für eine Wiederherstellung der alten, höheren Steuertarife kämpfen, dann kämpfen Sie für jene Sätze, die in der Linie der früheren Morgenthaupolitik zur Erdrosselung der deutschen Wirtschaft festgelegt worden sind. Ich nehme an, daß Sie doch nicht das Ziel haben, bei uns solche Wirtschaftseffekte zu erzielen.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Und dann dieses Märchen von dem „Millionen-Geschenk", von den 900 Millionen, die den Großkapitalisten durch diese Einkommensteuerreform geschenkt worden sein sollen.
    Wie haben sich denn die Dinge in Wirklichkeit entwickelt? Nach der Abrechnung, die uns der Herr Finanzminister neulich hier im Hause gegeben hat, sind es ganze 165 Millionen DM, die im zweiten Halbjahr 1950 an veranlagter Einkommensteuer weniger eingegangen sind als in dem entsprechenden Halbjahr des Vorjahres. So zerplatzt geradezu diese Seifenblase von dem 900-Millionen-Geschenk,


    (Dr. Wuermeling)

    ganz abgesehen davon, daß ja bei dieser Senkung um die 165 Millionen DM nicht nur die „Großverdiener", sondern alle Veranlagten, auch die Bauern, die Mittelständler und die freien Berufe, berücksichtigt worden sind. So bleibt also eigentlich so gut wie nichts mehr von dieser ganzen These, die nur zur Förderung des Klassenkampfes bestimmt ist, übrig.

    (Zurufe von der SPD.)

    Eines dürfen wir noch mit ganz besonderer Anerkennung feststellen — und ich freue mich, daß der Herr Finanzminister jetzt gerade anwesend ist —: wir haben so viel über die Steuerschätzungen gesprochen — zu hoch, zu niedrig, falsch, leichtfertig usw. —, und welches Ergebnis hat uns der Herr Finanzminister neulich von der Tribüne dieses Hauses aus vorführen können? 9,734 Milliarden hatte der Minister in unserem Haushaltsplan veranschlagt, und 9,870 Milliarden sind eingegangen, also 136 -Millionen mehr, als veranschlagt war.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Veranschlagung mußte in einem Zeitpunkt erfolgen, als der Eingang noch nicht feststand, sogar in einem Zeitpunkt, als wir wußten, daß das erste Halbjahr des Rechnungsjahres uns nur 44 % der veranschlagten Steuerbeträge eingebracht hatte, als wir also unterstellen mußten, daß die fehlenden 6 % im zweiten Halbjahr nachgeholt würden. Das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Entwicklung hat sich gerechtfertigt; die 6 % sind nachgeholt worden, und wir haben die veranschlagte Summe sogar noch überschritten, ohne daß dabei irgendwelche Steuererhöhungen ernsten Ausmaßes einkalkuliert worden wären.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dann einen kurzen Blick auf das Gebiet der Sozialpolitik. Wir sind ja eine solch „unsoziale Regierungskoalition",

    (Zurufe und ironischer Beifall bei der SPD)

    die überhaupt keinen Sinn für die Not der breiten Massen hat.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    Was haben wir denn auf diesem Gebiete in den letzten zwei Jahren geleistet? Aufbauend auf den Rentenerhöhungen durch das SozialversicherungsAnpassungsgesetz, das ja unter unserer Führung im Jahre 1949 erlassen wurde, und zwar bei der Invalidenrente um 33 %, bei der Witwenrente um 50 %, bei der Waisenrente um 78 %, in der Angestelltenversicherung bei den Ruhegeldern um 19 %, bei den Witwenrenten um 32 % und bei den Waisenrenten um 22 %, aufbauend auf diesen damals schon erheblich erhöhten Sätzen ist nun — und zwar rückwirkend vom 1. Juni dieses Jahres — die von uns allen lang ersehnte durchschnittlich 25%ige Rentenerhöhung für die Invalidenrentner endlich im Werden. Auch das scheint mir eine besondere soziale Leistung zu sein. Die Mittel für diese Erhöhung der Renten sind doch nur auf der Grundlage des gehobenen Status aufzubringen, den unsere Wirtschaft inzwischen infolge der sozialen Marktwirtschaft erreicht hat, mit der die Dinge gestaltet wurden.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wenn Sie vielleicht noch einige wenige Zahlen über den Sozialaufwand interessieren, der in den letzten Jahren im Bundesgebiet für die notleidenden Schichten gemacht wurde, dann merken wir uns vielleicht einmal alle — jetzt rede ich von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen, weil sonst die Dinge über die einzelnen Jahre nicht vergleichbar sind —, daß
    an sozialen Kriegsfolgelasten im Jahre 1948/49
    2,06 Milliarden DM, im Jahre 1949/50 3,18
    Milliarden DM, im Jahre 1950/51 3,85 Milliarden
    DM, und an sonstigen Soziallasten in den drei
    Jahren 1,73 Milliarden DM, 2,53 Milliarden DM
    und 3,13 Milliarden DM aufgebracht wurden, daß
    also an sozialen Kriegsfolgelasten und an sonstigen
    Soziallasten insgesamt in steigender Summe 3,79
    Milliarden DM, 5,71 Milliarden DM und im Jahre
    1950/51 fast 7 Milliarden DM aufgebracht wurden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sind das soziale Leistungen unter Führung der Bundesregierung oder ist das Katastrophenpolitik auf Kosten der ärmeren Volksschichten?

    (Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Propaganda! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, auch ein Blick auf die landwirtschaftliche Produktion, die wir bei einem Gesamtüberblick über die inneren Angelegenheiten nicht vergessen dürfen: Die Ernteerträge in der Bundesrepublik betrugen 1946 63 % des Durchschnittes der Jahre 1935/39. Im Jahre 1949 waren es bereits über 80 % des Durchschnitts von 1935/39, und im Jahre 1950 haben unsere deutschen Bauern bereits 110 % der Durchschnittsleistung der Jahre 1935/39 erarbeitet.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

    Auch hier frage ich: Ist das Katastrophenpolitik, ist das Abstieg, oder ist das Stärkung unserer inneren Leistungskraft und Vermeidung der Einfuhr von Lebensmitteln, auf die wir in der Vergangenheit in gesteigertem Maße angewiesen waren?
    Nur am Rande — nicht, weil ich es nicht für wichtig hielte, sondern weil die Zeit drängt — sei erwähnt, welche besonders bedeutsamen Gesetze wir unter Führung dieser Bundesregierung in den letzten Jahren verabschiedet haben. Ich erinnere in erster Linie an das Kriegsopferversorgungsgesetz, durch das endlich ein einheitliches und im großen und ganzen wesentlich verb essertes Kriegsopferversorgungsrecht in ganz Deutschland mit einem erheblichen Mehraufwand an Mitteln erreicht werden konnte. Wir haben weiter das Gesetz zu Art. 131 verabschiedet, mit dem Hunderttausenden von bis- her entrechteten öffentlichen Bediensteten wieder eine geordnete Rechtsstellung gegeben wurde. Dazu war eine gewaltige Kraftanstrengung des Bundes erforderlich, da etwa 750 Millionen DM jährlich für diesen Zweck aufgebracht werden müssen.
    Mit besonderer Freude weise ich auch darauf hin, daß es gelungen ist, das Mitbestimmungsgesetz im Bereich von Eisen und Kohle vor einiger Zeit hier über die Bühne zu bringen und damit ein wesentliches Ziel der Sozialpolitik der CDU/CSU auf diesem Gebiete zu verwirklichen.

    (Zuruf von der SPD: Sie schmücken sich mit fremden Federn!)

    Im übrigen hat die Bundesregierung das außerordentlich schwierige Problem des Lastenausgleichs in Angriff genommen und bereits vor einiger Zeit dem Hohen Hause einen fertigen Entwurf vorgelegt,

    (Zuruf von der SPD: Höchste Zeit!)

    den zu verabschieden jetzt unsere Aufgabe ist. Also
    auch auf diesem schwierigsten aller Gebiete hat
    man trotz all der sonstigen Sorgen, Schwierigkeiten


    (Dr. Wuermeling)

    und Nöte nicht geruht, sondern den Dingen ihren Fortgang gegeben.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wenn uns in der innenpolitischen Arbeit bisher noch ein Wunsch offen geblieben ist, dann ist es der, daß wir als CDU/CSU es bisher in dem Hohen Hause noch nicht haben durchsetzen können, daß ein entsprechender sittlicher Schutz unserer deutschen Jugend in der Öffentlichkeit gegenüber Literatur und Film usw. gewährleistet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber da können wir leider gegenüber der Öffentlichkeit immer wieder nur darauf hinweisen, daß wir in diesen Fragen, bei denen es um das letzte geht, als CDU/CSU mit der kleinen Splitterpartei des Zentrums in diesem Hause fast ganz allein stehen und daß es uns lediglich deshalb, weil wir nicht über mehr Stimmen verfügen, nicht möglich gewesen ist, die Jugend in unserem Vaterlande so zu schützen, wie es besonders unter den heutigen Verhältnissen geboten ist.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen] : Am liebsten würden Sie sie einsperren! — Abg. Renner: Ihr gebt ihnen wieder Uniformen')

    Ich muß noch an die großen Leistungen erinnern, die von der Bundesrepublik für unseren kämpfenden Vorposten Berlin aufgebracht worden sind. Im Jahre 1948 haben wir vom Bundesgebiet her 219 Millionen DM nach Berlin leiten können, im Jahre 1949/50 430 Millionen DM und im Jahre 1950/51 bereits 540 Millionen DM. Das sind mehr als eine halbe Milliarde Mark aus Haushaltsmitteln in einem Jahr für das tapfer kämpfende Berlin. Auch hier fragen wir: Ist das eine Leistung unserer selbst schwerstens ringenden Bundesrepublik, oder ist das auch „Katastrophenpolitik", wie Sie es darzustellen belieben?

    (Zuruf von der SPD: Das ist Propaganda!)

    Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich könnte diese Darlegungen auf den verschiedensten Gebieten noch vertiefen und noch mit ganz anderen Belegen kommen. Hierzu bietet sich vielleicht später einmal Gelegenheit. Eines möchte ich zum Schluß in diesem Zusammenhang noch einmal kurz streifen, die Frage des Verhältnisses zwischen der Opposition und den Regierungsparteien hier im Hause und draußen im Lande. Ich hatte die Ehre, bereits vor einigen Tagen hier auszuführen, daß die Regierungsparteien ebenso wie die Bundesregierung für jede Kritik an ihrer Arbeit, wenn sie ehrlich und sachlich und mit dem Ziel, dem Wohl des Vaterlandes zu dienen, geübt wird, aufrichtig dankbar sind. Wir müssen uns jedoch, zumal angesichts der soeben hier vorgetragenen Tatsachen, dagegen verwahren, daß lediglich deshalb, weil es bei den letzten Wahlen nicht gelungen ist, an die Macht zu kommen, die Bundesregierung und die Regierungsparteien vor der Bevölkerung in einer Weise herabgesetzt werden, daß die Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens geradezu gefährdet werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Erinnern Sie sich doch, daß es in früheren Zeiten schon einmal eine Opposition gegeben hat, die sich insbesondere auf außenpolitischem Gebiet auch als sogenannte „nationale Opposition" gebärdet hat.

    (Abg. Dr. Schumacher: Werden Sie nicht frech!)

    Und wer hat seinerzeit die Früchte dieser Opposition des Herrn Hugenberg geerntet? Nicht der Herr Hugenberg,

    (Abg. Dr. Schumacher: Jetzt die CDU!) sondern der Herr Hitler. Und wenn eine Oppositionspartei heute versucht, auf außenpolitischem Gebiet die gleiche Fanfare zu blasen, dann wird nicht Herr Dr. Schumacher derjenige sein, der die Früchte einer solchen Opposition erntet,


    (Zurufe von der SPD)

    sondern die Nutznießer einer solchen Opposition werden Herr Remer, Herr Grotewohl und Herr Stalin sein.

    (Abg. Dr. Schumacher: Das sind Vergleiche! — Fortdauernde erregte Zurufe von der SPD. — Unruhe.)

    Meine Damen und Herren!

    (Abg. Dr. Schumacher: Armseliges Geschwätz! — Weitere Zurufe von der SPD und andauernde Unruhe.)

    Ich habe am Schluß lediglich noch eine besondere Verpflichtung zu erfüllen. Ich habe unserer Bundesregierung den aufrichtigen Dank nicht nur unserer Partei, nicht nur der Regierungsparteien, sondern des ganzen deutschen Volkes für das zu sagen, was unter ihrer Führung in den letzten zwei Jahren in Deutschland geleistet worden ist.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Dieser Dank gilt insbesondere auch unserem Finanzminister, der das undankbarste Amt in der Bundesrepublik zu erfüllen hat, der sich aber in den vergangenen Jahren als der Garant unserer deutschen Währung bewährt hat. Dieser Dank gilt weiter insbesondere unserem Wirtschaftsminister Erhard, dessen wirtschaftspolitische Konzeption letzten Endes die Grundlage für die Ihnen soeben vorgetragenen Ergebnisse gewesen ist. Unser Dank gilt neben allen anderen Bundesministern in allererster Linie unserem Bundeskanzler Dr. Adenauer, der sich in seinem hohen Alter von 75 Jahren, aber mit steter Jugendfrische noch für unser deutsches Volk aufopfert. Wir geben vor dem deutschen Volk das Versprechen ab, daß wir unserer Bundesregierung auf ihrem Wege folgen werden, zum Wohle unseres Vaterlandes und unserer Heimat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich habe eben wiederholt Beanstandungen gehört, daß die Redezeit abgelaufen sei. Ich habe nicht den Eindruck, daß ich in den vergangenen Wochen bei Rednern der großen Fraktionen ein besonderes Maß von Enge bewiesen habe. Ich bitte, das auch heute freundlichst zur Kenntnis nehmen zu wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, welche Absichten der Herr Kollege Wuermeling bei seiner Rede gehabt hat. Wenn er die Frage an mich richten würde, was ich von seiner Rede halte, dann würde ich ihm sagen: es war die hemdärmeligste Propaganda, die ich je in diesem Parlament erlebt habe.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn das der Beginn des Kreuzzuges für die
    Wahrheit ist, den Herr Kollege Wuermeling kürzlich angekündigt hat, dann kann sich die deutsche


    (Schoettle)

    Öffentlichkeit auf einiges gefaßt machen, was man nicht mehr gut mit parlamentarischen Ausdrücken belegen kann.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wo habe ich denn die Unwahrheit gesagt?)

    — Meine Herren, es gibt so eine Art von Interpretation und Färbung der Wahrheit, die verzweifelte Ähnlichkeit mit-dem Gegenteil der Wahrheit hat. Der Herr Kollege Wuermeling hat hier den Versuch gemacht, das Lob der Bundesregierung in
    einer Weise zu singen, die den Eindruck erweckte, als ob außer der Regierung nichts vorhanden wäre und nichts getan worden wäre. Meine Damen und Herren, wir kennen die Melodie. Sie lautet immer wieder: Die Regierung ist a priori das Gute, das Leistungsfähige, und die Opposition ist a priori das Negative.

    (Große Unruhe. — Zurufe von der Mitte: Leider!)

    Weil die Opposition Ihnen nicht paßt und Ihnen Dinge sagt, die Ihnen nicht passen — manchmal Dinge, die viele von Ihnen innerlich selber fühlen und nur nicht wagen laut auszusprechen —, deshalb müssen Sie hier diese Töne reden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich bin nicht hierhergekommen, um mit Herrn Kollegen Wuermeling zu polemisieren. Ich habe mir vorgenommen, mich mit einigen Fragen zu beschäftigen, die der Haushaltsplan und die Periode, die wir auf diesem Gebiete erreicht haben, aufwerfen. Aber da der Herr Kollege Wuermeling sich ein sehr umfangreiches Manuskript aufgebaut hat und ich jetzt nicht mit seinen Zahlen in Wettbewerb treten kann,

    (Zuruf von der Mitte: Können Sie auch nicht!)

    erstens weil ich kein Wirtschaftspolitiker bin, und zweitens weil ich nicht die Absicht habe, hier sämtliche Statistiken vorzulesen und sie in dem Sinne zu interpretieren, wie es der Regierung paßt, muß ich mich auf einige Bemerkungen beschränken.
    Eine Bemerkung generell, meine Damen und Herren. In diesem Hause mag es, da eine Mehrheit bereit ist, Beifall zu klatschen, leicht möglich sein, mit solchen rhetorischen Leistungen, wie sie Herr Wuermeling vollbracht hat, eine akustische Resonanz zu erzielen, die bei der Übertragung nach draußen schließlich den Eindruck erweckt, daß Sie alle sehr stand- und kapitelfest hinter dieser Regierung stehen, während wir weiß Gott wissen, daß es zum Teil ganz anders aussieht. Wir wissen ja, was hinter den Kulissen der Regierung nicht nur an kleinen Intrigen, gelegentlichen Auseinandersetzungen und Scharmützeln, sondern auch an echten politischen, ökonomischen und anderen Gegensätzen-vorhanden ist. Tun Sie also doch nicht so, als ob die Regierung und ihre Koalition ein rocher de bronze sei, an dem kein Fehler und nicht das kleinste Rißchen zu entdecken sei.

    (Zuruf von der Mitte: Wir haben uns geeinigt, aber wir sind nicht gleichgeschaltet!)

    — Was die Einigung betrifft, so wollen wir doch sehen, ob sie noch andere Stürme aushält.
    Meine Damen und Herren, ich kann dem Herrn Kollegen Wuermeling versichern, daß seine heutige rhetorische Leistung, wenn sie schwarz auf weiß gedruckt nach draußen käme oder in öffentlichen Versammlungen, vor allem vor den Massen der arbeitenden Menschen, vorgetragen würde, eine
    ganz andere Wirkung erzielen würde als hier im Bundestag.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn es wäre eine Täuschung, Herr Kollege Wuermeling, wenn Sie annehmen wollten, daß die Unzufriedenheit draußen im Volk lediglich dem Wirken der bösen Opposition zuzuschreiben sei. Es gibt einige sehr reale Ursachen, die die Menschen da und dort zu Verzweiflungshandlungen treiben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es gibt eine materielle Not, die das Handeln von Millionen von Menschen diktiert, und die können Sie mit Ihren statistischen Kunststücken nicht beseitigen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Haben wir die herbeigeführt?)

    Wir haben in den letzten Wochen und Monaten eine Welle von Preissteigerungen erlebt. Sie wissen, daß es so ist, und Sie wissen, welches die Wirkungen auf die Lebenshaltung der breiten Massen der Bevölkerung sind.
    Sie können auch nicht leugnen — Herr Kollege Wuermeling hat das einfach dadurch aus der Welt zu schaffen versucht, daß er nicht davon gesprochen hat —, daß die sozialdemokratische Opposition
    — ich spreche jetzt nur von der Sozialdemokratie
    — keineswegs ganz unschuldig an dem ist, was der Herr Kollege Wuermeling als Erfolge der Regierung bezeichnete. Es gibt da einige Dinge, auf die Sie in Ihrer Rede besonders stolz waren, die die Opposition nicht ganz unmaßgeblich mit beeinflußt hat. Ich will ganz und gar nicht sehr lange davon reden, lieber Herr Kollege Wuermeling, daß das, was Sie als die große Leistung des Augenblicks bezeichnet haben, die 25%ige Erhöhung der Sozialrenten, ja auch eine Vorgeschichte hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Dreimal sind in diesem Hause die sozialdemokratischen Anträge niedergestimmt worden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das läßt sich nicht leugnen. Aber es läßt sich auch nicht leugnen, daß die Erhöhung der Sozialrenten nicht erst am 1. Juli 1951 fällig war, sondern daß sie schon lange fällig ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie kennen auch nicht die Stimmung in den Kreisen der Betroffenen.
    Im übrigen, da ich mich auf das Herauspicken einzelner Fälle beschränken muß: Herr Kollege Wuermeling hat davon geredet, welche großen Leistungen auf dem Gebiete der Flüchtlingsumsiedlung durch die Bundesregierung und ihre Koalition erreicht worden seien. Sollte es ihm ganz unbekannt sein, daß die Initiative zum Flüchtlingsumsiedlungsgesetz von der sozialdemokratischen Fraktion ausging? Das dürfte Ihnen doch nicht unbekannt sein! Auch nicht, -daß der Einfluß der sozialdemokratischen Fraktion bei der Festsetzung der Quoten und bei dem Tempo, in dem diese Maßnahmen durchgeführt wurden, entscheidend war. Ebenso dürfte Ihnen nicht ganz unbekannt sein, Herr Kollege Wuermeling, daß das Erste Wohnungsbaugesetz,- auf das Sie mit Recht stolz sind — und wir auch —, nicht ohne Mitwirkung der sozialdemokratischen Opposition, ja man kann sagen, nicht ohne ihren maßgeblichen Einfluß, nicht ohne den maßgeblichen Einfluß unserer Kollegen im Wehnungsbauausschuß, insbesondere unseres


    (Schoettle)

    verstorbenen Kollegen Klabunde, zustande gekommen wäre!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Wird ja hier gar nicht bestritten!)

    — Herr Kollege Wuermeling, Sie haben so getan, als ob Sie diesen Ruhm der parlamentarischen Arbeit allein an die Fahne der Regierungskoalition heften könnten, weil das gerade so in Ihr propagandistisches Konzept paßt, das da lautet: Die Opposition hat nichts getan, die Opposition ist negativ, und die Regierung hat geradezu eine Titanenarbeit geleistet! Wir bestreiten nicht, daß die Regierung Arbeit geleistet hat; dazu ist sie ja schließlich da, meine Damen und Herren.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Also, dann kommen wir uns schon näher!)

    Was wir an der Arbeit der Regierung aber kritisieren, ist, daß sie viele Dinge zu spät und nur unvollkommen tut!

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie haben die alte Methode angewandt, einzelne Tatbestände zusammenzutragen, die zweifellos vorhanden sind und die man nicht leugnen kann, ohne auf die Quellen und die Urheber hinzuweisen, dann einen Strich darunter zu machen, zu addieren und zu sagen: „das ist die Leistung der Bundesregierung!" Aber diese Methode, meine Damen und Herren, kennen wir seit den verschiedenen Arbeitsbeschaffungsprogrammen. Wir haben sie wieder erlebt beim Bundesjugendplan. Wenn man nach den großen Ankündigungen dann fragt, was letzten Endes dabei herausgekommen ist, sieht man, daß wieder einmal nur ein Berg gekreißt hat und ein Mäuslein geboren worden ist.

    (Zuruf von der Mitte.)

    — Sie können mich nicht beschuldigen, meine Damen und Herren, daß ich in diesem Hause irgend-wann einmal in billigen demagogischen Redensarten gemacht habe. Aber ich sage Ihnen: So, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus, auch von der Seite der Opposition!

    (Erneute Zurufe von der Mitte.)

    Herr Kollege Wuermeling, bei Ihrem Salto mortale, den Sie bei jeder Gelegenheit während Ihrer Rede gemacht haben, wenn Sie die Leistungen der Bundesregierung und die „leider negativen" Leistungen der Opposition konfrontiert haben, ist mir das schöne Lied eingefallen, das man hinter Ihren Worten hören konnte — ich muß es leider abwandeln —: Und das hat mit ihrem Singen die Bundesregierung getan!

    (Heiterkeit. — Zurufe: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten!")

    — Nicht schön, solche Lieder zu zitieren! Aber es gibt eine Grenze dessen, was man sich im Parlament erlauben sollte, und diese Grenze, Herr Kollege Wuermeling, scheinen Sie doch etwas überschritten zu haben.
    Vielleicht darf ich noch einige Bemerkungen zu Ihren Statistiken machen. Sie haben die Entwicklung unseres Außenhandels hier dargestellt. Nun, niemand bestreitet, daß der Außenhandel gestiegen ist. Niemand bestreitet, daß die Produktion gestiegen ist. Aber es kommt ja auch auf den Stichtag an. Wenn Sie z. B. die Leistung der deutschen Wirtschaft vor der Währungsreform mit ihrer wachsenden Leistung nach der Währungsreform vergleichen, -Herr Kollege Wuermeling, dann sollten Sie sich auch darüber klar sein, daß Sie hier völlig unvergleichbare Größen miteinander vergleichen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Ich habe auch spätere Vergleiche gezogen!)

    — Was Ihre späteren Vergleiche anbetrifft, Herr Kollege Wuermeling, so lassen Sie mich nur zwei Zahlen nennen. Sie sagen, unsere Handelsbilanz sei zum erstenmal aktiv geworden. Warum ist sie denn aktiv geworden? Ist Ihnen nicht bekannt, daß eine sehr heftige Drosselung der Einfuhr stattgefunden hat, die das Verhältnis zwischen Einfuhren und Ausfuhren nicht ganz unmaßgeblich beeinflußt hat? Man soll doch die Dinge nicht auf den Kopf stellen!

    (Zuruf von der Mitte.)

    Außerdem ist nach den eigenen Angaben der Bundesregierung damit zu rechnen, daß die Einfuhr im zweiten Halbjahr 1951 unter 80 °/o der Einfuhr des zweiten Halbjahrs 1950 liegen wird.
    Nun, meine Damen und Herren, ich habe gesagt, ich bin kein Wirtschaftspolitiker. Ich habe mich in diesem Parlament in erster Linie mit Fragen der Haushaltsgestaltung und -gesetzgebung beschäftigt, und ich möchte mich nicht auf ein Gebiet begeben, auf dem man mit Statistiken und mit Interpretation von Statistiken so leicht' rhetorische Erfolge erzielen kann, wie es Herr Kollege Wuermling getan. hat, nicht weil ich das Glatteis fürchte, sondern weil ich glaube, daß das unter meinem Niveau liegt.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Oh, oh!)

    Abschließend ein letztes Wort zu diesem Thema, ehe ich zu dem komme, was zu sagen ich mir selber vorgenommen hatte.

    (Zuruf von der Mitte: Billiger gings nicht!)

    — Ja, meine Herren, die Bewertung der Preislage ist Geschmacksache! Ich habe in, diesen Dingen meinen eigenen Geschmack bewiesen, und Sie haben mir das gelegentlich bestätigt!
    Eine letzte Bemerkung zu dem Thema, das Herr Kollege Wuermeling angeschnitten hat. Die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen, die sich auch mit der Lebenslage und der Lebenshaltung in den einzelnen Ländern beschäftigt, hat dieser Tage festgestellt, daß in der Statistik die Lebenshaltung des deutschen Volkes an zweitletzter Stelle stehe!

    (Abg. Dr. Wuermeling: Woher kommt das?) Die Bundesregierung benutzt diese Feststellung, wenn es sich darum handelt, in Verhandlungen mit anderen — das ist ihr gutes Recht — bestimmte Zugeständnisse zu erlangen. Niemand bestreitet ihr dieses Recht. Niemand behauptet, meine Damen und Herren — und die Opposition hat es auch nie behauptet —, daß die Wirkungen des verlorenen Krieges und der ungeheuren Zerstörungen in unserem Lande an der Lebenshaltung der Menschen spurlos vorbeigegangen seien oder hätten vorbeigehen können. Niemand hat das behauptet. Aber eines, Herr Kollege Wuermeling, ist nach meiner Auffassung völlig unerlaubt. Wenn Sie zum Beweise Ihrer Thesen ein Zitat aus einer Rede meines Parteifreundes Schumacher heranziehen, wie Sie es hier getan haben, dann darf ich Sie doch darauf aufmerksam machen, daß Sie mit diesem Versuch, aus einer gemeinsamen Kundgebung in einer wichtigen nationalpolitischen Frage parteipolitisch Honig zu saugen, die Grundlage jeder gemeinsamen Arbeit zerstören.


    (Stürmischer Beifall bei der SPD.)



    (Schoettle)

    Denn das Zitat, das Sie gebraucht haben, Herr Kollege Wuermeling, eignet sich, wenn Sie es nüchtern analysieren und nicht aus dem Zusammenhang herrausreißen, erstens nicht zu einer Art Rechtfertigung der Politik der Bundesregierung, und es eignet sich vor allem nicht zum Beweise dessen, daß die Opposition in wichtigen Fragen der Nation nur negativ sei. Da Sie diesen Versuch unternommen haben, wird die sozialdemokratische Fraktion sich überlegen müssen, welche Konsequenzen sie zu ziehen hat, wenn es sich in Zukunft darum handelt, in solchen Fragen zu gemeinsamen Erklärungen zu kommen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Hört! Hört! — Weitere Zurufe von der Mitte. — Abg. Ehren: War denn falsch zitiert?)

    - Mit einem völlig falschen Ton und mit einer völlig falschen Akzentuierung, Herr Kollege Ehren! Sie sind ja Journalist und wissen, wie man so etwas macht.

    (Sehr gut! und Heiterkeit. — Zurufe.)

    — Habe ich das provoziert, oder hat das jemand anders provoziert? Beklagen Sie sich doch nicht, wenn Sie Ihre eigene Münze heimgezahlt bekommen!

    (Zurufe von der Mitte!)

    Nun, meine Damen und Herren, zum eigentlichen Thema. Wir sind bei der dritten Beratung des Haushaltsplans. Sie werden nicht von mir erwarten, daß ich nun etwa das, was Herr Kollege Wuermeling positiv getan hat, negativ wiederhole und die ganze Einzelkritik, die bei der zweiten Lesung von meinen Freunden und Fraktionskollegen an der Tätigkeit der einzelnen Ministerien geübt worden ist, noch einmal vortrage. Zunächst eines: Die organisatorische Entwicklung und der organisatorische Aufbau der Bundesregierung sind annähernd abgeschlossen. Die Zeit des Improvisierens auf diesem Gebiete ist vorbei und muß endgültig vorbei sein. Es darf aber auch keine Improvisationen mehr im Verhältnis zwischen den einzelnen tragenden Elementen des Staates geben, keine Improvisationen im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Parlament und keine Improvisationen in den Beziehungen zwischen den einzelnen Ressorts innerhalb des Kabinetts. In diesen Tagen haben wir erfahren, daß sich das Kabinett jetzt endlich die längst fällige Geschäftsordnung gegeben hat. Wir wünschen sehr, daß es nach dem Inhalt und dem Geist dieser Geschäftsordnung möglich sein wird, zu verhindern, daß die einzelnen Mitglieder des Kabinetts als Kabinettsmitglieder draußen im Lande Reden halten, die weder dem Ansehen der Regierung noch dem Ansehen des Parlaments nützen.
    Wir wünschen weiter, daß die Kompetenzstreitigkeiten innerhalb des Kabinetts, innerhalb der Regierung zwischen den einzelnen Ressorts so geregelt werden, daß kein Schaden für die Interessen der Nation entsteht. Ich will auch sagen, was ich damit meine, meine Damen und Herren. Es ist ja kein Geheimnis, daß es Kompetenzstreitigkeiten und Spannungen zwischen den einzelnen Wirtschaftsressorts gibt. Der Bundeswirtschaftsminister, Herr Professor Ehrhard, ist hier gefeiert worden, und ich weiß nicht, ob nicht auch die Kommissare der Bundesregierung in diese Lobeshymnen einzubeziehen sind, die auf diesem oder jenem Gebiet die Wirtschaftspolitik des Herrn Bundeswirtschaftsministers entweder mit sich selber zu koordinieren oder zu korrigieren haben. Ich weiß es nicht; es ist in diesem Zusammenhang auch nicht interessant.
    Aber es gibt Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und dem Herrn Bundesernährungsminister, die in der Regel auf dem Rücken der Landwirtschaft ausgetragen werden, deren Lob hier mit Recht der Herr Kollege Wuermeling gesungen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir kennen alle die Einzelheiten dieser Dinge. Es gibt Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesfinanzministerium. Ich denke da z. B. an gewisse Schwierigkeiten der Regelung der Fragen des Besatzungsbedarfs und der Besatzungskostenverwaltung. Hier liegt ein völlig ungeklärter Kompetenzkonflikt vor, dessen Kosten letzten Endes das Volk, der Steuerzahler zu tragen hat. Weil die Bundesstelle für den Besatzungsbedarf und die Sonderabteilung des Bundesfinanzministeriums in Homburg nicht miteinander koordiniert werden und weil noch längst nicht klar ist, ob es nun eine einheitliche Stelle für diese Fragen geben soll oder ob die beiden Ministerien nebeneinander hergehen sollen, entsteht eine Menge von Verwirrung draußen im Land, vor allem in den Länderverwaltungen, die nicht wissen, wie die Dinge sich weiter entwickeln sollen. Eine Lösung dieser Probleme scheint uns nicht nur im Rahmen der Geschäftsordnung des Kabinetts erwünscht, sondern hier hat die Regierung eine echte Entscheidung zu treffen und eine große Aufgabe zu bewältigen, die vor ihr steht.
    Es gibt ein anderes Gebiet, auf dem ein solcher Kompetenzkonflikt einen nicht unerheblichen Schaden anrichtet. Ich denke an das Nebeneinander in der Devisenüberwachung. Da gibt es gleich drei Stellen, die nebeneinander her arbeiten, ohne daß sie in wesentlichen Fragen ihre Tätigkeit koordinieren. Es gibt Sachverständige, die schätzen, daß die unkontrollierbare Kapitalflucht, die sich aus diesem Nebeneinander von Behördenstellen ergibt, zwischen 2 1/2 und 3 Milliarden DM beträgt. Wenn wir unsere Finanzlage betrachten, dann kann man doch aus solchen Dingen eine Lehre ziehen. Es gibt viele stille Reserven, die wir ausschöpfen könnten, ohne den Staatsbürger neu belasten zu müssen, wenn wir sie nur ausschöpfen könnte n. Wenn man aber auf dem Standpunkt steht — wie gerade z. B. bei der Frage der Devisenkontrolle —: „Um keinen Preis mehr Kontrolle, mehr Eingriffe in der privaten Sphäre", dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Leute mit der angeblich so guten Wirtschafts- und Steuermoral eben die Lücken benützen, die man ihnen bietet, um sich auf diese Weise dem Zugriff des Fiskus und der Kontrolle des Staates, der öffentlichen Hand zu entziehen. Ich glaube, auch hier liegt ein echtes Problem, das möglichst bald gelöst werden muß, so daß endlich einmal eine einheitliche Devisenkontrolle möglich ist, solange sie noch notwendig ist. Und sie wird noch sehr viel länger notwendig sein, als der Herr Bundeswirtschaftsminister in einem Anfall von Optimismus vor langer, langer Zeit einmal angekündigt hat.
    Wir glauben auch, daß die einzelnen Träger der politischen Gewalt allmählich in jene Beziehung zueinander kommen müssen, die das Grundgesetz vorschreibt und die seinem Geist entspricht. Vor allem müssen die Kontrollorgane, die auf dem Boden unseres Grundgesetzes geschaffen worden sind, ihre Funktionen in voller Unabhängigkeit ausüben. Das Parlament als eines der wichtigsten Kontrollorgane der Administration muß selber wissen, was es sich schuldig ist. Wir haben nicht


    (Schoettle)

    immer den Eindruck gehabt, als ob das der Fall sei. Das Parlament muß sich seine Stellung gegenüber der vollziehenden Gewalt sichern, wenn es nicht die Selbstachtung und die Achtung der Bürgerschaft verlieren will. Wir wünschten, daß auf diesem Gebiet dieses Haus manchmal gegenüber der Regierung mehr Selbstbewußtsein, mehr Selbstachtung, mehr Kraft zeigen würde, als es das in der Vergangenheit getan hat.
    Eine andere Kontrollinstanz, die das Grundgesetz geschaffen hat, möchte ich ebenfalls in den Bereich meiner Überlegungen ziehen. Es ist der Bundesrechnungshof, der auf Grund eines Gesetzes geschaffen worden ist, das seine Zuständigkeit umreißt. Der Bundesrechnungshof ist durch die Art, wie sich aus den ersten Anfängen staatlicher Entwicklung im Laufe des letzten halben Jahrzehnts ein neuer Staat herausgebildet hat, in vielen Punkten hinter den Ereignissen hergehinkt. Er hatte keine Möglichkeit, die Kontrollen durchzuführen, die ihm eigentlich obliegen. Auf der anderen Seite haben wir doch zu prüfen, ob die gesetzliche Grundlage des Rechnungshofes für die Bundesrepublik Deutschland ausreicht, ihn in seiner Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung zu sichern, die er zu prüfen und zu kontrollieren hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Fraktion ist der Meinung, daß der Bundesrechnungshof auf Grund seiner Aufgabe und damit er seine Aufgabe in voller Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber jedem Ressort und gegenüber der Regierung ausüben kann, eine ganz andere staatsrechtliche Qualität haben muß. Wir glauben, daß es durchaus der Überlegung wert ist, ob die Mitglieder des Bundesrechnungshofes nicht genau so durch den Richterwahlausschuß gewählt werden sollen wie die Mitglieder der obersten Bundesgerichte; nur das würde ihnen die Unabhängigkeit auch gegenüber einem Ressort geben, das unter Umständen aus Verärgerung über nicht erwünschte Gutachten des Bundesrechnungshofs die Regelung von wichtigen personalpolitischen Fragen im Bundesrechnungshof verzögert und verschleppt.

    (Hört! Hört! beider SPD.)

    Und Grund zum Ärger haben natürlich manche Ressorts, wenn der Bundesrechnungshof in seinen Gutachten die interne Organisation eines Ministeriums prüft und zu Ergebnissen kommt, die dem einzelnen Ressortchef oder gar seinen nachgeordneten Herren nicht in den Kram passen. Da kann_ man sich schon mancherlei Möglichkeiten zum stillen Sabotieren und Hinausschieben von Entscheidungen ausrechnen, wenn man die menschliche Psyche kennt, die schließlich auch in der Verwaltung wirksam ist.
    Dann glaube ich, daß die Frage der Kontrolle der vollziehenden Gewalt durch die Öffentlichkeit Gegenstand einer solchen abschließenden Auseinandersetzung über den Bundeshaushalt sein sollte. Was ich damit meine, will ich deutlich sagen. Wir glauben, daß die Bundesregierung in den vergangenen Zeiten nicht immer ihrer Verpflichtung zu voller Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Motive ihres Handelns und über die Tatsachen nachgekommen ist, die ihrem Handeln zugrunde liegen. Auch das Parlament hat nicht immer rechtzeitig — man kann sagen, in sehr vielen Fällen sehr viel zu spät und sehr lückenhaft — die Informationen bekommen, die es zur Bildung seines eigenen Urteils braucht. Wir glauben aber nicht, daß die Regierung ihrer Informationspflicht gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit dann nachkommen würde, wenn sie etwa den Versuch machen sollte, sich willfährige Instrumente der Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu schaffen. Wir haben mit großem Bedauern gewisse Versuche der Regierung erlebt, Einfluß auf die Rundfunkgesellschaften und die Rundfunkprogramme zu nehmen. Ich glaube, hier ist es notwendig, daß die öffentliche Meinung sehr aufmerksam verfolgt, was sich auf diesem Gebiete tut.
    Wir glauben auch, gewisse Tatsachen und gewisse Vermutungen in der Richtung deuten zu müssen, als ob die Bundesregierung sich zwar nicht ein Propagandaministerium im Stile des Dritten Reiches, aber doch irgendwelche Dinge zulegen möchte, mit denen sie möglichst ohne Kontrolle durch andere Organe des öffentlichen Lebens die Art von Meinung verbreitet, die sie für die Wahrheit hält. Das scheint uns nicht der Zweck von Informationsorganen der Bundesregierung zu sein, und es ist nach unserer Meinung keiner Bundesregierung, ganz gleich welche politische Zusammensetzung sie hat, erlaubt, sich auf irgendeine Weise mit offiziöser oder offizieller Tarnung so etwas wie ein heimliches Propagandaministerium zuzulegen. Darf ich die Frage ganz konkret stellen: Was denkt sich die Regierung über die Aufgaben, die sie der soeben neu geschaffenen oder angekündigten Bundeszentrale für Heimatdienst zuweist? Wie stellt man sich das vor? Handelt es sich hier um eine Stelle, die die offiziösen und offiziellen Auffassungen verbreiten soll, oder handelt es sich um eine Stelle, die im Zusammenwirken mit allen demokratischen Kräften die Entwicklung zu einem gesunden Staatsbürgersinn ermöglichen und mitzuschaffen helfen soll?

    (Zuruf von der Mitte: Das letztere!)

    Man muß sich über diese Fragen sehr ernsthaft und gründlich unterhalten. Herr Kollege Wuermeling, sie sind wichtiger als das Vortragen von Statistiken in diesem Hause. Denn mit ihnen wird die wahre Grundlage für das Zusammenleben der Nation geschaffen. Wenn man sie freilich im Geist der Vergangenheit behandelt, dann wird daraus das Gegenteil von dem, was wir uns unter einer solchen Zentrale für Heimatdienst vorstellen.
    Es gibt einige andere publizistische Unternehmungen, die sich geradezu für die Betrachtung in diesem Hause aufdrängen. Vor einigen Tagen ist in Bonn von einem Amtsgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Bundespressekonferenz erlassen worden. Die Bundespressekonferenz hatte Behauptungen aufgestellt, die sich auf einen Herrn Steinfurth und seinen „Deutschen Zeitungsdienst" bezogen und die diesem Herrn offenbar etwas unangenehm waren. Er hat daraufhin eine einstweilige Verfügung erwirkt. Ich möchte, ohne dem endgültigen Ergebnis des anhängigen Gerichtsverfahrens vorgreifen zu wollen — das steht mir nicht und das steht niemand zu — folgendes dazu sagen: Ist es richtig, wie vor allem bei den in Bonn akkreditierten Journalisten vermutet wird, daß dieser „Deutsche Zeitungsdienst" des Herrn Steinfurth unter der sehr, sehr entschiedenen nicht nur ideellen, sondern auch materiellen Förderung durch die Bundesregierung oder einzelner Ressorts der Bundesregierung zustandegekommen und durch diese Förderung in die Lage versetzt worden ist, eine Art Schmutzkonkurrenz gegenüber anderen Nachrichtendiensten auszuüben? Ist es richtig, daß eine solche Förderung besteht, oder kann die Bundesregierung klipp und klar diesem Hohen Hause erklären, daß sie mit dem „Bonner Schnelldienst"


    (Schoettle)

    des Herrn Steinfurth nichts zu tun hat, daß sie keine Mittel, keine materielle Hilfe gegeben hat, daß sie nicht durch die bereitwillige Zurverfügungstellung von Schnellschreiberapparaten an Steinfurth dessen Unternehmen erleichtert hat? Eine Antwort auf diese Frage wäre uns und wahrscheinlich noch mehr der Öffentlichkeit sehr erwünscht. Es gibt eine Reihe von Informationen über enge persönliche Beziehungen zwischen Herrn Steinfurth und hohen Beamten der Bundesregierung, die uns einigen Grund zu der Annahme geben, daß da doch gewisse Dinge der Öffentlichkeit noch verborgen sind.
    Eine andere Frage in diesem Zusammenhang: Es ist dieser Tage berichtet worden, daß Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer bei einer nicht sehr öffentlichen Gelegenheit erklärt hat, daß die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" kein Anrecht mehr habe, als offiziös betrachtet zu werden. Das ist eine interessante Nuance, wenn tatsächlich eine solche Bemerkung gemacht worden ist; denn dadurch erfährt die deutsche Öffentlichkeit, daß es so etwas wie offiziöse Presseorgane gegeben hat. Wir möchten, wenn es diese Institution gibt, wünschen, daß die betreffenden Zeitungen verpflichtet würden, das deutlich am Kopf mitzuteilen, damit ihre Leser nicht die Katze im Sack kaufen und nicht etwas für die objektive Meinung der betreffenden Zeitung ansehen, was in Wahrheit inspiriert ist. Ich glaube, daß solche Methoden in der Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik nicht üblich werden sollten, und wir jedenfalls erklären, daß wir sie mit aller Entschiedenheit bekämpfen werden.
    Es gibt eine andere Sache, die nicht ganz uninteressant ist. Die deutsche Öffentlichkeit wird gelegentlich mit sogenannten Umfragen im Stile des
    0 amerikanischen Gallup-Instituts bedient, und dabei wird haargenau bewiesen, wie das oder jenes Ereignis von soundsoviel Menschen nach einem bestimmten Durchschnitt bewertet wird. Da werden zum Beispiel Vorausschätzungen von künftigen Wahlergebnissen und dergleichen propagiert. Das mögen ganz nützliche Dinge sein, ein interessanter Zeitvertreib für Leute, die sonst solides Geld durch solide Marktforschung verdienen. Aber, wenn das Gerücht umgeht, daß auch materielle Beziehungen zwischen der Bundesregierung und diesem Institut für Demoskopie in Allensbach bestehen, dann müßte man doch einigermaßen aufmerksam werden; dann würden die Ergebnisse solcher Umfragen in einem ganz besonders merkwürdigen Licht erscheinen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese Dinge sollte man nicht nur auf seiten der Opposition, sondern auch bei den Regierungsparteien mit einiger Aufmerksamkeit verfolgen; denn Sie schaffen sich hier Instrumente, die nur dann in Ihrem Interesse liegen dürften, wenn Sie wirklich der Meinung wären, daß die Herrschaft dieser Regierungskoalition so fest und für alle Zeiten gezimmert wäre, daß kein Wahlergebnis sie je umschmeißen könnte. So überzeugt sind wir nicht! Denken Sie daran, daß das, was einem recht ist, dem anderen billig sein würde. Ich weiß nicht, ob Sie daran Interesse haben. Denken Sie daran, meine Damen und Herren, daß die öffentlichen Institutionen nicht die Angelegenheit einer zufälligen Machtkonstellation sind, sondern daß sie für alle Staatsbürger da sind. Die sozialdemokratische Fraktion — und, da mögen Sie sich wieder auf Zwischenrufe vorbereiten, die ich mir durchaus denken kann, denn sie entsprechen der Erfahrung in diesem
    Hause — vertritt den Standpunkt, daß sowohl die Organe des öffentlichen Dienstes wie die einzelnen Persönlichkeiten im öffentlichen Dienst in ihrem Verhältnis zu den politischen Kräften des Landes sich einer absoluten Neutralität befleißigen müssen und daß die Organisation des öffentlichen Dienstes, daß die Verwaltung jeder Regierung, ganz gleich, wie sie zusammengesetzt ist, in vollster Loyalität und ohne leiseste Neigung zur Sabotage dienen muß.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich will gleich, ein Beispiel liefern, damit Sie nicht zu voreilig klatschen.
    Vor einigen Wochen hat die sozialdemokratische Fraktion bei der Beratung der Steuergesetze in diesem Hohen Hause einen Kompromißantrag eingebracht — es ging damals um die gemeinsame Veranlagung der Ehegatten —, in dem die Grenze für die getrennte Veranlagung auf 600 DM festgesetzt wurde. Was hat sich ereignet? Der Herr Bundesfinanzminister, und ich nehme an, auch seine Herren, haben sich offenbar darüber gefreut, daß in diesem Antrag eine kleine stilistische Ungenauigkeit enthalten war, daß nicht gesagt wurde, daß es sich hier um Monatseinkommen handele, und sie haben dann die Dinge ruhig laufen lassen. Offenbar haben sie sich angenehm darüber unterhalten, wie sehr sich dieses Parlament und vor allem die Antragsteller blamieren, daß sie eine solch wichtige Sache übersehen haben. Meine Damen und Herren! Wenn dieses Parlament dabei ist, einen Beschluß zu fassen, ist es dann Sache der Herren vom Bundesfinanzministerium — mit denen ich in amtlicher Eigenschaft eine ganze Menge angenehmer Kontakte habe —, sich diebisch zu freuen, wie das Parlament hier ausrutscht, oder ist es nicht ihre Pflicht als Beamte, das Parlament darauf aufmerksam zu machen, daß hier eine Ungenauigkeit vorliegt, und zu warnen, ehe der Beschluß gefaßt wird?

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich nenne das grobe Illoyalität.

    (Zuruf von der Mitte: Vielleicht haben sie das nicht gemerkt!)

    — Sie haben das sehr wohl gemerkt; denn unmittelbar nach dem Beschluß hat der Herr Bundesfinanzminister eine Pressekonferenz über dieses Versagen, über diesen Fehltritt des Parlaments unterrichtet. Er ist ja auch Parlamentarier, gehört zu diesem Hohen Haus, sitzt gelegentlich hier unten und gibt auch seine Stimme ab. Er sollte sich schon aus Loyalität gegenüber seinen Kollegen etwas Derartiges nicht leisten.
    Meine Damen und Herren, ich sehe, daß hier ein Schlußzeichen ist, aber ich nehme an, daß der Herr Präsident mir genau so großzügig entgegenkommen wird, wie er dem Kollegen Dr. Wuermeling entgegengekommen ist.