Rede von
Dr.
Franz-Josef
Wuermeling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Anläßlich der Beratung des- Haushaltsplans ist es bei der dritten Lesung im allgemeinen üblich. einige generelle politische Gesichtspunkte über die Politik der Bundesregierung bzw. der einzelnen Minister herauszustellen. Ich möchte mich deswegen in der Generalaussprache hei meinen heutigen Ausführungen nicht mit Einzelheiten des Haushaltsplans befassen, die in den vergangenen Beratungen ja mehr als zur Genüge im einzelnen behandelt worden sind, sondern mich einmal den Ergebnissen der Arbeit unserer Bundesregierung zuwenden. die nun knapp zwei Jahre im Amte ist, und bei Prüfung dieser Ergebnisse feststellen, ob die politische Linie, vor allem die wirtschafts- und sozialpolitische Zielsetzung, die wir uns vorgenommen hatten, eingehalten worden ist oder ob irgendein Anlaß besteht, hier eine Änderung eintreten zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich habe hier vor mir ein Flugblatt der Sozialdemokratischen Partei aus dem letzten Wahlkampf liegen. Das beginnt mit den Worten: „Nach der Bundestagswahl 1948 begann die Katastrophenpolitik."
Inwieweit die Politik der Bundesregierung eine ..Katastrophenpolitik" gewesen ist, möchte ich in den folgenden Darlegungen untersuchen.
Ist wirklich alles so ziellos und planlos, sinnlos und erfolglos gewesen, wie es von der Opposition immer wieder vor der Bevölkerung dargestellt wird, oder haben wir das Programm, das wir uns gesetzt haben, eingehalten und haben wir bei der Durchführung des Programms wesentliche Erfolge erzielt? Ich erinnere mich hier einer Äußerung, die Herr Kollege Dr. Menzel bei der Beratung der Verbesserung der Beamtenbesoldung kürzlich getan hat, in der auch wieder der Gedanke ausgesprochen wurde, diese Gehaltsdebatte sei eine Folge der unglückseligen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.
So einfach und so simpel, wie es hier dargestellt wird, liegen die Dinge wahrhaftig nicht;
denn man sollte auch in Kreisen der Opposition nicht immer ganz unberücksichtigt lassen, daß sich mit Ausbruch des Korea-Konflikts in der ganzen Welt eine entscheidende Wandlung in wirtschaftspolitischer Hinsicht vollzogen hat,
mit der alle Völker Europas und in Übersee fertig werden müssen und die in keiner Weise eine Einzelerscheinung in unserem Bundesgebiet ist.
Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. September 1949 durchzusehen und sie daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit man sich an die damals gegebene Zielsetzung gehalten hat. Im Vordergrund der Regierungserklärung stand der Satz:
Das Streben nach Linderung der Not, nach sozialer Gerechtigkeit, wird der oberste Leitstern bei unserer gesamten Arbeit sein
— und, meine Damen und Herren, ist es bis heute geblieben.
Insbesondere wurden von dem Herrn Bundeskanzler, als wichtige soziale Aufgaben herausgestellt einerseits das Problem einer besseren Verteilung der Vertriebenen innerhalb unseres Bundesgebiets und andererseits das Problem der nachdrücklichen Förderung des Wohnungsbaues.
Wir haben im vergangenen Jahre 250 000 Vertriebene aus den Flüchtlingsländern in die übrigen Länder umgesiedelt und sind dabei, in diesem Jahre nach unserm neuen Umsiedlungsgesetz wiederum 300 000 Vertriebene aus den Flüchtlingsländern umzusiedeln,
so daß allein in zwei Jahren über eine halbe Million Vertriebene aus den Flüchtlingsgebieten umgesiedelt werden.
Also ist dieses Ziel, das sich die Bundesregierung gesteckt hat, in voller Durchführung begriffen. Jeder Sachverständige weiß, daß sich solche Dinge, wenn Wohnungen gebaut und Arbeitsstätten geschaffen werden müssen, nicht von heute auf morgen oder auch nur von Monat zu Monat lösen lassen.
Was denn Wohnungsbau angeht, so ist durch das Erste Wohnungsbaugesetz festgelegt worden, daß für unsere Wohnungsuchenden, die zum Teil noch in Höhlen und Kammern wohnen, jährlich 300 000 Wohnungen geschaffen werden. 300 000 haben wir im vergangenen Jahre gebaut; 300 000 werden auch in diesem Jahre erstellt; und wir werden innerhalb von insgesamt drei Jahren annähernd eine Million der fünf Millionen fehlenden Wohnungen gebaut haben. Auch hier sind wir also in voller und erfolgreicher Durchführung unseres Programms begriffen.
Eines der wichtigsten Probleme, ich möchte fast sagen: das wichtigste, das zu behandeln ist, ist das Problem der Arbeitsbeschaffung. Die Bundesregierung hat in ihrer damaligen Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß dieses Anliegen für sie eines der wichtigsten sei. Auch insofern ist unsere Konzeption unverändert geblieben. Wie liegen die Dinge nun heute? Weiß man eigentlich in der Bevölkerung des Bundesgebietes, daß wir im Jahre 1936, also im Aufrüstungsjahr jenes unseligen Adolf Hitler, 11,2 Millionen beschäftigte Arbeitnehmer innerhalb des Bundesgebietes hatten und daß wir diese BeBeschäftigtenzahl allein bis zum März 1950 auf 13,3 Millionen haben steigern können?
Also 2,1 Millionen mehr waren schon im März 1950 in Arbeit und Brot, als innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik im Jahre 1936, im Aufrüstungsjahr Hitlers, in Arbeit und Brot waren.
Von März 1950 bis März 1951 hat sich diese Zahl von 13,3 Millionen auf 14,24 Millionen,
also um fast eine weitere Million erhöht. Allein im letzten Jahre, von März zu März, sind also im Gebiet unserer Bundesrepublik eine Million Arbeitsstätten geschaffen worden.
Meine Damen und Herren, die Beschaffung von einer Million Arbeitsplätzen bedeutet bei einem Aufwand von zirka 10 000 DM je Arbeitsplatz rund 10 Milliarden DM richtig geleitete Investition, neben der diese oder jene Fehlinvestition, die hier oder da vielleicht einmal vorgekommen ist, völlig in den Hintergrund tritt und die man der Bevölkerung nicht immer allein vor Augen führen soll. Man sollte statt dessen auf die wesentlichen Dinge hinweisen. In der Frage der Beschäftigtenziffer ist als neuestes Ergebnis zu verzeichnen, daß wir im Mai dieses Jahres bereits zu einer Beschäftigtenziffer von 14 452 000 gekommen sind und damit um mehr als 1,1 Millionen höher liegen als im Frühjahr 1950. Ich frage die Herren von der Opposition: Ist das erfolgreiche Arbeitsbeschaffungspolitik oder Katastrophenpolitik, die wir getrieben haben?
- Herr Kollege Greve, damit wollte ich mich jetzt gerade auseinandersetzen, und ich wäre sehr dankbar, wenn Sie sich einmal die Ausführungen darüber anhören würden.
Die Zahl der Arbeitslosen ist heute tatsächlich noch dieselbe wie zu Beginn der Arbeit der Bundesregierung, nämlich etwa 1 300 000. Man sollte diese Zahl aber zunächst einmal mit der Zahl der nachgewiesenen Arbeitslosen von 900 000 vergleichen, die wir im Aufrüstungsjahr Hitlers 1936 im Gebiet unserer Bundesrepublik auch noch gehabt haben.
Wir haben also nur 400 000 Arbeitslose mehr als im Jahr 1936, in. dem seinerzeit die Aufrüstung schon in vollem Gange war.
Ich komme nun zu der Frage, woran es liegt, daß dieser bedauerliche Grundstock von 1,3 Millionen Arbeitslosen immer noch nicht wesentlich gemindert werden konnte. Das liegt doch daran, daß ein fortdauernder Zustrom von Hunderttausenden von zusätzlichen Arbeitskräften in unser Bundesgebiet erfolgte.
Trotzdem ist dadurch die Zahl der Arbeitslosen nicht gestiegen, sondern durch unsere Arbeitsbeschaffungspolitik haben diese Menschen, wie ich eben schon nachgewiesen habe, in Arbeit und Brot gebracht werden können.
Wir dürfen hier nicht übersehen, daß seit dem Zusammentritt der Bundesregierung Hunderttausende von Kriegsgefangenen heimgekehrt sind. Hinzu kommt der große Kreis der Personen, der durch Zuwanderung aus dem Ostzone und aus anderen Gebieten in unser Land geströmt ist. Vor allem gehört dazu auch die gewaltige Zahl von Jugendlichen aus den geburtsstarken Jahrgängen der ersten Hitlerzeit 1934, 1935, 1936. So strömen jährlich Hunderttausende von jungen Kräften zusätzlich in den Arbeitsmarkt hinein; und sie alle müssen in Arbeit und Brot gebracht werden.
Schließlich erscheint es mir auch von besonderer Wichtigkeit, daß fast zwei Drittel dieser 1,3 Millionen Arbeitslosen auf die drei großen Flüchtlingsländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern entfallen. Daraus erhellt eindeutig, daß ès sich um eine strukturelle Arbeitslosigkeit handelt, die unmittelbar durch die Kriegsfolgen bedingt ist und nicht etwa das Ergebnis einer falschen Wirtschaftspolitik darstellt.
Wenn wir heute bereits rund 300 000 Arbeitslose weniger haben als um die gleiche Zeit im vergangenen Jahr, so ist uns das ein Beweis dafür, daß sich die Zahl der Arbeitslosen fortwährend vermindert. Ich darf Ihnen die Versicherung geben, daß es nicht nur das Ziel der Bundesregierung, sondern auch das sämtlicher Koalitionsparteien ist, diese Entwicklung mit dem allergrößten Nachdruck auch in der Zukunft zu fördern.
Meine Damen und Herren, ich komme nun auf eine andere Frage zu sprechen, die in der öffentlichen Diskussion auch sehr viel behandelt wird, das ist die Frage des Lebensstandards unserer Bevölkerung. Das Hauptziel der Arbeit unserer Bundesregierung ist und bleibt die Besserung des Lebensstandards.
Warum sagt die Opposition in den Versammlungen draußen unserer Bevölkerung nicht, daß wir um die Jahreswende 1948/49 einen Lebenshaltungsindex von 168 gehabt haben, daß also eine Teuerung um 68 % gegenüber 1938 vorgelegen hat? Und warum weist man die Bevölkerung nicht darauf hin, daß der Lebenshaltungsindex infolge der Wirtschafts-und Arbeitsbeschaffungspolitik unserer Bundesregierung, in Auswirkung der sozialen Marktwirtschaft bis zum vergangenen Sommer auf 150, auf 149, ja auf 148 heruntergedrückt worden ist?
Dadurch ist eine Erhöhung der realen Kaufkraft der breiten Massen innerhalb von anderthalb Jahren um etwa 12 % eingetreten.
Mit dieser Abwärtsbewegung des Lebenshaltungsindex ging eine Aufwärtsentwicklung der Nominallöhne parallel, die sich innerhalb dieser Zeit von etwa 125, 130 % auf etwa 150 % erhöht haben.
Wir stehen also vor der Tatsache — und das halte ich für das bedeutsamste und größte Ergebnis der Arbeit der Bundesregierung —, daß sich die fallende Kurve des Lebenshaltungsindex und die steigende Kurve des Lohnindex im vergangenen Sommer bei 150 geschnitten haben, so daß die durchschnittlichen Reallöhne der breiten Massen der Industriearbeiterschaft aus der Zeit vor dem Kriege im vergangenen Sommer effektiv wiederhergestellt waren.
Ich weiß nicht, ob man in einer solchen Krisenzeit wie der heutigen überhaupt noch größere Leistungen und Erfolge erzielen könnte.
Meine Damen und Herren, es ist allerdings in den letzten Monaten eine wesentlich andere Entwicklung eingetreten. Sie wird von uns lebhaft bedauert, während es leider Gottes gelegentlich den Anschein hat, als würden Sie sich darüber freuen. Wenn jetzt der Lebenshaltungsindex inzwischen wieder auf 164 oder 166 gestiegen ist, so ist diese Entwicklung — das wissen wir alle, und auch Sie von der Opposition wissen es — eine ausschließliche Folge der grundlegenden Änderung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt seit Ausbruch des Korea-Konfliktes.
Wenn das nicht so wäre, müßte ja eine solche Entwicklung nur bei uns in Deutschland eingetreten sein. Aber sie ist nicht nur bei uns eingetreten, sondern, wie ich Ihnen ohne weiteres nachweisen kann, in sämtlichen Ländern der Welt, und zwar dort in noch viel stärkerem Ausmaße als bei uns in der Bundesrepublik.
Darf ich Ihnen dazu einmal einige Zahlen mitteilen, die nicht von uns und nicht von der Bundesregierung und überhaupt nicht in Deutschland errechnet worden sind, sondern von einer internationalen Organisation, nämlich der Internationalen Arbeitsorganisation — International Labour Organisation —, einer der Unterorganisationen der Vereinten Nationen. Dort sind die Steigerungen der Lebenshaltungskosten in den einzelnen Ländern, vor allem in Europa, für die Zeit seit Ausbruch der Korea-Krise bis zum Anfang des Jahres 1951 errechnet worden. Es ergeben sich folgende wirklich sehr interessante Ziffern. Die Lebenshaltungskostensteigerung betrug in diesem Zeitraum z. B. in Österreich 20 %, in Belgien 10 %, in Dänemark 10 %, in Finnland 23 %, in Frankreich 15 %, in Griechenland 11 %, in Luxemburg 11 %, in Italien 7 %, in Norwegen 13 %, in Schweden 11 % in den Vereinigten Staaten 9 %, und nur die Bundesrepublik, Großbritannien und die Schweiz stehen mit 5, 4 und 3 % weit unter dem Steigerungssatz der Lebenshaltungskosten in allen anderen Ländern.
Und da kommt man her und schiebt der Erhardschen sozialen Marktwirtschaft die Schuld an der Steigerung unserer Lebenshaltungskosten in die Schuhe!
— Auch darauf komme ich noch.
Was im übrigen die Lebenshaltung der breiten Massen angeht, so lassen sich auch darüber einige nicht uninteressante Angaben machen. Wenn der Verbrauch an Fleisch, Fett, Obst und Südfrüchten sowie Trinkvollmilch je Kopf der Bevölkerung vom Ernährungswirtschaftsjahr 1948/49 auf 1949/50 — die Zahlen für das letzte Jahr liegen uns jetzt noch nicht vor — erheblich gestiegen ist, dann scheint mir das ein Beweis dafür zu sein, daß auch die Kaufkraft der breiten Massen in dieser Zeit erheblich gestiegen ist.
Es ist z. B. gestiegen: der Fleischverbrauch von 17,8
auf 29,5 kg je Kopf, der Fettverbrauch von 9,3 auf
16,1 kg je Kopf, der Verbrauch an Obst und Südfrüchten von 23,1 auf 34 kg und an Trinkvollmilch
von 71 auf 97,4 1. Dabei wird doch wohl nicht geltend gemacht werden können, daß dieser erhöhte Verbrauch an Trinkvollmilch etwa nur durch die besitzenden Schichten, vielleicht durch Milchkuren oder so etwas, bedingt sei, sondern jedermann weiß, daß dieser Milchverbrauch und ebenso auch dieser Fleischverbrauch nur ein Verbrauch durch die breiten Massen im weitesten Umfange sein kann, wenn eine solche Erhöhung der Prozentsätze eingetreten ist.
Da die Erhöhung der Lebenshaltungskosten, von der ich vorher sprach, auch bei uns im Lande eingetreten ist, bitte ich, mir zu gestatten, hier einmal einen Satz aus einer früheren Bundestagssitzung zu zitieren. Dieser Satz lautet folgendermaßen:
Die Aufwendungen für die großen Militärlasten und damit die Verringerung des Anteils der arbeitenden Menschen am Sozialprodukt, die Senkung der Lebenshaltung ganzer Völker, sie sind doch im letzten Grunde das Ergebnis der sowjetischen Militär- und Rüstungspolitik.
Mit diesen Worten hat der Führer der sozialdemokratischen Oppossition, Herr Dr. Schumacher, in unserem Bundeshause hier selbst in aller Ausdrücklichkeit anerkannt, daß die derzeitige Situation in der gesamten Welt eine Verschlechterung des Lebenstandards der breiten Massen aller Völker leider Gottes zur Folge haben muß. Es wäre recht gut, wenn sich die sozialdemokratische Partei in ihren Versammlungen draußen im Lande auch gelegentlich einmal dieses Satzes ihres Vorsitzenden erinnerte und nicht immer behauptete, daß die Dinge nicht vom Kommunismus und von Korea, sondern lediglich von der verfehlten Wirtschaftspolitik des Herrn Ministers Erhard kämen.
— Herr Kollege, ich nehme an, daß Sie Ihre eigene Äußerung doch nicht als so etwas bezeichnen wollen.
— Das ist ein wörtliches Zitat aus dem Bundestagsprotokoll vom 9. März 1951.
- Anläßlich der Debatte über die Antwort an Grotewohl.
— Der Satz davor lautet:
Die Auslösung der großen Aufrüstungswelle in der ganzen Welt ist doch durch den sowjetischen Militarismus erfolgt.
Und dann folgt der eben verlesene Satz:
Die Aufwendungen für die großen Militärlasten und damit die Verringerung des Anteils der arbeitenden Menschen am Sozialprodukt, die Senkung der Lebenshaltung ganzer Völker, sie sind doch im letzten Grunde das Ergebnis der sowjetischen Militär- und Rüstungspolitik.
Ich möchte noch die Entwicklung der Industrieproduktion innerhalb des Bundesgebiets hervorheben. Es wird Ihnen bekannt sein, daß wir zur Zeit der Währungsreform ein Produktionsvolumen von etwa 50 % des Jahres 1936 hatten. Es wird Ihnen aber auch weiter bekannt sein, daß diese 50 % sich bis zum Januar 1949 auf 77 %, bis zum Januar 1950 auf 89 %,
zum Januar 1951 auf 117 % gesteigert haben und daß der Produktionsindex jetzt im April mit 132 % seinen bisherigen Höchststand erreicht hat.
Das besagt, daß wir jetzt in der Bundesrepublik mehr als zweieinhalbmal soviel wirtschaftliche Produktion leisten als Mitte des Jahres 1948 und daß wir fast ein Drittel Produktion mehr schaffen, als im Aufrüstungsjahr Hitlers, 1936, im Bundesgebiet geschaffen werden konnte.
Es ist vielleicht nicht uninteressant, auch einmal Zahlen über einzelne Industriezweige und ihre Entwicklung zu hören und zu erfahren, daß der Eisenerzbergbau sein Produktionsvolumen gegenüber 1936 auf 162 % erhöht hat, die Erdölgewinnung auf 289 %, der Fahrzeugbau auf 195 %, die Elektrotechnik auf 319 %, die Feinmechanik auf 165 %, die Mineralölverarbeitung auf 167 %, die Hohlglasherstellung auf 230 % und, was ganz besonders interessant ist, die Elektrizitätserzeugung auf 205 %, alles im Verhältnis zum Aufrüstungsjahr 1936.
Das sind die Auswirkungen unserer „Katastrophenpolitik", ein wirtschaftlicher Aufstieg, wie man ihn selbst bei kühnsten Hoffnungen im Jahre 1945 oder 1948 niemals erwartet hätte.
Dazu gehört nun noch ein kurzer Blick auf die Entwicklung unseres Außenhandels.
Sie wissen, daß wir darauf angewiesen sind, uns im weiten Umfange durch Einfuhren Rohstoffe und Lebensmittel zu beschaffen,
daß wir aber in die Notwendigkeit versetzt sind,
diese Einfuhren durch eigene Exporte zu bezahlen. Wie ist nun die Entwicklung hier unter der
Führung der Bundesregierung bzw. des Herrn
Professors Erhard gewesen? Während wir im Sommer 1948 ein Ausfuhrvolumen von etwa 200 Millionen DM monatlich hatten, hatten wir im April
1951 ein Ausfuhrvolumen von 1 155 000 000 DM,
also fast eine Versechsfachung der- Ausfuhr gegenüber dem Jahre 1948.
Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Einfuhr, die demgegenüber in den Zeiten vorher immer wesentlich höher war als die Ausfuhr, ist so gewesen, daß wir im April dieses Jahres zum ersten Male mit einer Ausfuhrhöchstleistung von 1,15 Milliarden eine aktive Handelsbilanz unserer Bundesrepublik erzielt haben
und damit dem Ergebnis, das erreicht sein muß, wenn der Marshall-Plan abläuft, ein wesentliches und entscheidendes Stück nähergekommen sind.
All das sind Dinge, die das Volk offenbar nicht wissen darf, weil mit der Kenntnis dieser Umstände eine entsprechende Beurteilung unserer wirtschaftspolitischen Konzeption einherlaufen
und damit der Zusammenbruch der aus dem vergangenen Jahrhundert stammenden marxistischen Wirtschaftstheorie offenbar werden würde.
Zum Außenhandel noch einiges mehr.
Während wir 1949 57 % unserer Einfuhr durch eigene Ausfuhren finanzieren konnten, stieg dieser Prozentsatz der Eigenfinanzierung im Jahre 1950 bereits auf 82 %, so daß wir nur noch zu 18 % auf ausländische Hilfe, auf ausländische Fremdfinanzierung angewiesen waren. Weiter ist vielleicht interessant, daß unser Export sich von 1949 auf 1950 allein mehr als verdoppelt hat, während die Einfuhrsteigerung in dieser Zeit nur etwa 45 % betrug, so daß dadurch die Annäherung der Exportziffern und der Importziffern in gleicher Weise gefördert wurde. Wenn man weiter hört, daß unsere Ausfuhr im Jahre 1948 sich nur zu 17 % auf Fertigwaren erstreckte, während im Jahre 1950 statt der 17 % bereits 70 % Fertigwaren ausgeführt wurden, dann scheint mir das ein Erfolg der Liberalisierung des Außenhandels zu sein, wie ihn sich vor einem oder zwei Jahren wohl kaum jemand hätte träumen lassen.
Ich möchte noch einige wenige Sätze über die Finanzpolitik der Bundesregierung und vor allem unseres Bundesfinanzministers sagen, weil die Einkommensteuerreform des Jahres 1950 immer wieder in ganz besonderem Maße zum Gegenstand des politischen Kampfes, ich möchte eigentlich richtiger sagen, zum Gegenstand politischer Verhetzung gemacht wird. Was die im Jahre 1950 beschlossenen Einkommensteuertarife angeht, so wissen Sie genau so gut wie wir, daß auch Sie im Wirtschaftsrat im Jahre 1948 diesen Tarifsätzen Ihre Zustimmung gegeben haben, den Tarifsätzen, die Sie heute als unsozial vor der Bevölkerung bekämpfen.
Wenn Sie für eine Wiederherstellung der alten, höheren Steuertarife kämpfen, dann kämpfen Sie für jene Sätze, die in der Linie der früheren Morgenthaupolitik zur Erdrosselung der deutschen Wirtschaft festgelegt worden sind. Ich nehme an, daß Sie doch nicht das Ziel haben, bei uns solche Wirtschaftseffekte zu erzielen.
Meine Damen und Herren! Und dann dieses Märchen von dem „Millionen-Geschenk", von den 900 Millionen, die den Großkapitalisten durch diese Einkommensteuerreform geschenkt worden sein sollen.
Wie haben sich denn die Dinge in Wirklichkeit entwickelt? Nach der Abrechnung, die uns der Herr Finanzminister neulich hier im Hause gegeben hat, sind es ganze 165 Millionen DM, die im zweiten Halbjahr 1950 an veranlagter Einkommensteuer weniger eingegangen sind als in dem entsprechenden Halbjahr des Vorjahres. So zerplatzt geradezu diese Seifenblase von dem 900-Millionen-Geschenk,
ganz abgesehen davon, daß ja bei dieser Senkung um die 165 Millionen DM nicht nur die „Großverdiener", sondern alle Veranlagten, auch die Bauern, die Mittelständler und die freien Berufe, berücksichtigt worden sind. So bleibt also eigentlich so gut wie nichts mehr von dieser ganzen These, die nur zur Förderung des Klassenkampfes bestimmt ist, übrig.
Eines dürfen wir noch mit ganz besonderer Anerkennung feststellen — und ich freue mich, daß der Herr Finanzminister jetzt gerade anwesend ist —: wir haben so viel über die Steuerschätzungen gesprochen — zu hoch, zu niedrig, falsch, leichtfertig usw. —, und welches Ergebnis hat uns der Herr Finanzminister neulich von der Tribüne dieses Hauses aus vorführen können? 9,734 Milliarden hatte der Minister in unserem Haushaltsplan veranschlagt, und 9,870 Milliarden sind eingegangen, also 136 -Millionen mehr, als veranschlagt war.
Diese Veranschlagung mußte in einem Zeitpunkt erfolgen, als der Eingang noch nicht feststand, sogar in einem Zeitpunkt, als wir wußten, daß das erste Halbjahr des Rechnungsjahres uns nur 44 % der veranschlagten Steuerbeträge eingebracht hatte, als wir also unterstellen mußten, daß die fehlenden 6 % im zweiten Halbjahr nachgeholt würden. Das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Entwicklung hat sich gerechtfertigt; die 6 % sind nachgeholt worden, und wir haben die veranschlagte Summe sogar noch überschritten, ohne daß dabei irgendwelche Steuererhöhungen ernsten Ausmaßes einkalkuliert worden wären.
Dann einen kurzen Blick auf das Gebiet der Sozialpolitik. Wir sind ja eine solch „unsoziale Regierungskoalition",
die überhaupt keinen Sinn für die Not der breiten Massen hat.
Was haben wir denn auf diesem Gebiete in den letzten zwei Jahren geleistet? Aufbauend auf den Rentenerhöhungen durch das SozialversicherungsAnpassungsgesetz, das ja unter unserer Führung im Jahre 1949 erlassen wurde, und zwar bei der Invalidenrente um 33 %, bei der Witwenrente um 50 %, bei der Waisenrente um 78 %, in der Angestelltenversicherung bei den Ruhegeldern um 19 %, bei den Witwenrenten um 32 % und bei den Waisenrenten um 22 %, aufbauend auf diesen damals schon erheblich erhöhten Sätzen ist nun — und zwar rückwirkend vom 1. Juni dieses Jahres — die von uns allen lang ersehnte durchschnittlich 25%ige Rentenerhöhung für die Invalidenrentner endlich im Werden. Auch das scheint mir eine besondere soziale Leistung zu sein. Die Mittel für diese Erhöhung der Renten sind doch nur auf der Grundlage des gehobenen Status aufzubringen, den unsere Wirtschaft inzwischen infolge der sozialen Marktwirtschaft erreicht hat, mit der die Dinge gestaltet wurden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie vielleicht noch einige wenige Zahlen über den Sozialaufwand interessieren, der in den letzten Jahren im Bundesgebiet für die notleidenden Schichten gemacht wurde, dann merken wir uns vielleicht einmal alle — jetzt rede ich von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen, weil sonst die Dinge über die einzelnen Jahre nicht vergleichbar sind —, daß
an sozialen Kriegsfolgelasten im Jahre 1948/49
2,06 Milliarden DM, im Jahre 1949/50 3,18
Milliarden DM, im Jahre 1950/51 3,85 Milliarden
DM, und an sonstigen Soziallasten in den drei
Jahren 1,73 Milliarden DM, 2,53 Milliarden DM
und 3,13 Milliarden DM aufgebracht wurden, daß
also an sozialen Kriegsfolgelasten und an sonstigen
Soziallasten insgesamt in steigender Summe 3,79
Milliarden DM, 5,71 Milliarden DM und im Jahre
1950/51 fast 7 Milliarden DM aufgebracht wurden.
Sind das soziale Leistungen unter Führung der Bundesregierung oder ist das Katastrophenpolitik auf Kosten der ärmeren Volksschichten?
Meine Damen und Herren, auch ein Blick auf die landwirtschaftliche Produktion, die wir bei einem Gesamtüberblick über die inneren Angelegenheiten nicht vergessen dürfen: Die Ernteerträge in der Bundesrepublik betrugen 1946 63 % des Durchschnittes der Jahre 1935/39. Im Jahre 1949 waren es bereits über 80 % des Durchschnitts von 1935/39, und im Jahre 1950 haben unsere deutschen Bauern bereits 110 % der Durchschnittsleistung der Jahre 1935/39 erarbeitet.
Auch hier frage ich: Ist das Katastrophenpolitik, ist das Abstieg, oder ist das Stärkung unserer inneren Leistungskraft und Vermeidung der Einfuhr von Lebensmitteln, auf die wir in der Vergangenheit in gesteigertem Maße angewiesen waren?
Nur am Rande — nicht, weil ich es nicht für wichtig hielte, sondern weil die Zeit drängt — sei erwähnt, welche besonders bedeutsamen Gesetze wir unter Führung dieser Bundesregierung in den letzten Jahren verabschiedet haben. Ich erinnere in erster Linie an das Kriegsopferversorgungsgesetz, durch das endlich ein einheitliches und im großen und ganzen wesentlich verb essertes Kriegsopferversorgungsrecht in ganz Deutschland mit einem erheblichen Mehraufwand an Mitteln erreicht werden konnte. Wir haben weiter das Gesetz zu Art. 131 verabschiedet, mit dem Hunderttausenden von bis- her entrechteten öffentlichen Bediensteten wieder eine geordnete Rechtsstellung gegeben wurde. Dazu war eine gewaltige Kraftanstrengung des Bundes erforderlich, da etwa 750 Millionen DM jährlich für diesen Zweck aufgebracht werden müssen.
Mit besonderer Freude weise ich auch darauf hin, daß es gelungen ist, das Mitbestimmungsgesetz im Bereich von Eisen und Kohle vor einiger Zeit hier über die Bühne zu bringen und damit ein wesentliches Ziel der Sozialpolitik der CDU/CSU auf diesem Gebiete zu verwirklichen.
Im übrigen hat die Bundesregierung das außerordentlich schwierige Problem des Lastenausgleichs in Angriff genommen und bereits vor einiger Zeit dem Hohen Hause einen fertigen Entwurf vorgelegt,
den zu verabschieden jetzt unsere Aufgabe ist. Also
auch auf diesem schwierigsten aller Gebiete hat
man trotz all der sonstigen Sorgen, Schwierigkeiten
und Nöte nicht geruht, sondern den Dingen ihren Fortgang gegeben.
Wenn uns in der innenpolitischen Arbeit bisher noch ein Wunsch offen geblieben ist, dann ist es der, daß wir als CDU/CSU es bisher in dem Hohen Hause noch nicht haben durchsetzen können, daß ein entsprechender sittlicher Schutz unserer deutschen Jugend in der Öffentlichkeit gegenüber Literatur und Film usw. gewährleistet wird.
Aber da können wir leider gegenüber der Öffentlichkeit immer wieder nur darauf hinweisen, daß wir in diesen Fragen, bei denen es um das letzte geht, als CDU/CSU mit der kleinen Splitterpartei des Zentrums in diesem Hause fast ganz allein stehen und daß es uns lediglich deshalb, weil wir nicht über mehr Stimmen verfügen, nicht möglich gewesen ist, die Jugend in unserem Vaterlande so zu schützen, wie es besonders unter den heutigen Verhältnissen geboten ist.
Ich muß noch an die großen Leistungen erinnern, die von der Bundesrepublik für unseren kämpfenden Vorposten Berlin aufgebracht worden sind. Im Jahre 1948 haben wir vom Bundesgebiet her 219 Millionen DM nach Berlin leiten können, im Jahre 1949/50 430 Millionen DM und im Jahre 1950/51 bereits 540 Millionen DM. Das sind mehr als eine halbe Milliarde Mark aus Haushaltsmitteln in einem Jahr für das tapfer kämpfende Berlin. Auch hier fragen wir: Ist das eine Leistung unserer selbst schwerstens ringenden Bundesrepublik, oder ist das auch „Katastrophenpolitik", wie Sie es darzustellen belieben?
Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich könnte diese Darlegungen auf den verschiedensten Gebieten noch vertiefen und noch mit ganz anderen Belegen kommen. Hierzu bietet sich vielleicht später einmal Gelegenheit. Eines möchte ich zum Schluß in diesem Zusammenhang noch einmal kurz streifen, die Frage des Verhältnisses zwischen der Opposition und den Regierungsparteien hier im Hause und draußen im Lande. Ich hatte die Ehre, bereits vor einigen Tagen hier auszuführen, daß die Regierungsparteien ebenso wie die Bundesregierung für jede Kritik an ihrer Arbeit, wenn sie ehrlich und sachlich und mit dem Ziel, dem Wohl des Vaterlandes zu dienen, geübt wird, aufrichtig dankbar sind. Wir müssen uns jedoch, zumal angesichts der soeben hier vorgetragenen Tatsachen, dagegen verwahren, daß lediglich deshalb, weil es bei den letzten Wahlen nicht gelungen ist, an die Macht zu kommen, die Bundesregierung und die Regierungsparteien vor der Bevölkerung in einer Weise herabgesetzt werden, daß die Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens geradezu gefährdet werden.
Erinnern Sie sich doch, daß es in früheren Zeiten schon einmal eine Opposition gegeben hat, die sich insbesondere auf außenpolitischem Gebiet auch als sogenannte „nationale Opposition" gebärdet hat.
Und wer hat seinerzeit die Früchte dieser Opposition des Herrn Hugenberg geerntet? Nicht der Herr Hugenberg,
sondern der Herr Hitler. Und wenn eine Oppositionspartei heute versucht, auf außenpolitischem Gebiet die gleiche Fanfare zu blasen, dann wird nicht Herr Dr. Schumacher derjenige sein, der die Früchte einer solchen Opposition erntet,
sondern die Nutznießer einer solchen Opposition werden Herr Remer, Herr Grotewohl und Herr Stalin sein.
Meine Damen und Herren!
Ich habe am Schluß lediglich noch eine besondere Verpflichtung zu erfüllen. Ich habe unserer Bundesregierung den aufrichtigen Dank nicht nur unserer Partei, nicht nur der Regierungsparteien, sondern des ganzen deutschen Volkes für das zu sagen, was unter ihrer Führung in den letzten zwei Jahren in Deutschland geleistet worden ist.
Dieser Dank gilt insbesondere auch unserem Finanzminister, der das undankbarste Amt in der Bundesrepublik zu erfüllen hat, der sich aber in den vergangenen Jahren als der Garant unserer deutschen Währung bewährt hat. Dieser Dank gilt weiter insbesondere unserem Wirtschaftsminister Erhard, dessen wirtschaftspolitische Konzeption letzten Endes die Grundlage für die Ihnen soeben vorgetragenen Ergebnisse gewesen ist. Unser Dank gilt neben allen anderen Bundesministern in allererster Linie unserem Bundeskanzler Dr. Adenauer, der sich in seinem hohen Alter von 75 Jahren, aber mit steter Jugendfrische noch für unser deutsches Volk aufopfert. Wir geben vor dem deutschen Volk das Versprechen ab, daß wir unserer Bundesregierung auf ihrem Wege folgen werden, zum Wohle unseres Vaterlandes und unserer Heimat.