Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Den wiederholt von Vertretern der kommunistischen Fraktion gemachten Feststellungen, ) daß die Massensteuern und die Preiserhöhungen in erster Linie durch die Remilitarisierung und die Aufrüstung bedingt sind und der Finanzierung dieser dienen, wurde aus den Parteien der Regierungskoalition und der rechten Gruppe widersprochen. Aber ich glaube, daß die heutige Erklärung des Herrn Finanzministers diese Einwendungen seitens der Regierungskoalition mit Eindeutigkeit und Offenheit klar widerlegt und damit unsere Feststellungen bestätigt hat.
Der erste Punkt, den der Herr Finanzminister zur Begründung dieser neuen Massensteuern aufstellte, bezog sich auf die Besatzungskosten. Er nannte sie zwar Verteidigungskosten. Ich glaube aber, diese Formulierung, die von amerikanischer Seite dem deutschen Volk einsuggeriert wird, verschleiert nur die Tatsache, daß ein Krieg, ein Angriffskrieg, auf deutschem Boden vorbereitet werden soll. In dem Memorandum der Bundesregierung wird zur Begründung dieser neuen Massensteuern gesagt, daß zusätzliche finanzielle Anforderungen insbesondere für Zwecke der äußeren Und inneren Sicherheit des Bundesgebietes zu erwarten seien, und festgestellt, daß die mit der Verstärkung der alliierten Streitkräfte im Zusammenhang stehenden Mehrausgaben nach den vorliegenden Informationen auf zunächst 1 700 000 000 DM zu veranschlagen sind. Das Memorandum erklärt aber, daß sich die Bundesregierung noch nicht ganz im klaren darüber sei, ob die Summe von 1 700 000 000 DM den aus Anlaß der Truppenverstärkungen im Rechnungsjahr 1951 zu erwartenden Bedarf in voller Höhe erfaßt. Es könne damit gerechnet werden — stellt wiederum diese Regierung fest —, daß die Besatzungsmächte ihre Anforderungen im Laufe des Rechnungsjahres 1951 noch erhöhen würden. Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, Ihnen wird nicht ganz unbekannt sein: in der letzten Zeit sind vom Petersberg Zahlen veröffentlicht und nicht widersprochen worden, nach denen man mit einer Anforderung an sogenannten Besatzungskosten,
h. Kosten der Kriegsvorbereitung in Höhe von 10,7 Milliarden DM rechnet.
— Ich weiß nicht, ob Sie so ignorant sind, daß Sie das nicht gelesen haben. — Das würde bedeuten, daß gegenüber der bisherigen Zahl von 4,5 Milliarden DM mehr als doppelte Kosten das Volk in Westdeutschland belasten würden. Das würde bedeuten, daß der Würgegriff gegen die arbeitenden Menschen, gegen die breiten Massen des Volkes noch enger gedrückt würde. Das würde bedeuten, daß das Volk die Vorbereitung des Krieges jetzt finanziell und materiell und, sollte es zum Kriege kommen, diesen Krieg nachher mit seinem Blut bezahlen sollte. Das ist die eine Begründung für diese Vorlage.
Die zweite Begründung bezieht sich auf die sogenannte innere Sicherheit und den Grenzschutz, wofür zirka 270 Millionen DM in Rechnung gestellt werden. Der Herr Bundesinnenminister weiß sehr wohl und hat es unmißverständlich wiederholt zum Ausdruck gebracht, wofür er diese Polizei braucht. Die Regierung ist sich darüber im klaren, daß angesichts der immer weiter um sich greifenden Massenbelastungen und damit der Senkung des Lebensstandards die werktätigen Massen sich gegen diese Politik mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen werden und zur Wehr setzen. müssen. Dafür die Mittel für die Polizei, dafür die Mittel zur sogenannten Sicherung im Innern, die hier angefordert werden.
Die Vorlage betreffend die Finanzierung der Besatzungskosten und der Kosten für die Polizei enthält noch weitere, die arbeitenden Schichten draußen zweifellos außerordentlich interessierende Begründungen. Die Bundesregierung bringt es fertig, zu erklären, daß es angesichts dieser Lage notwendig sei, auch auf dem Wege über diese neuen Massenbelastungen eine planmäßige Einschränkung des entbehrlichen privaten Konsums zu erreichen. Das bedeutet, daß der Leibriemen noch enger geschnallt werden soll. Man will — so sagt wiederum das Memorandum — durch eine höhere Belastung des Verbrauchs die Mittel für die Kriegsfinanzierung aufbringen. Wenn, um es noch einmal wörtlich zu zitieren, in diesem Memorandum ausgesprochen wird, daß eine gewisse Einengung des Lebensstandards als unvermeidliche Gegenleistung für die angestrebte höhere politische Sicherheit des deutschen Volkes hingenommen werden müsse, dann deckt der nächste Satz, glaube ich, die Ziele der Regierung sichtbar auf. Es heißt dort:
Sollte die höhere Besteuerung des Konsums eine entsprechende Steigerung der Löhne und Sozialleistungen zur Folge haben, so würde die mit der Steuererhöhung angestrebte haushaltswirtschaftliche und sozialökonomische Wirkung nicht erreicht werden.
Das heißt auf deutsch nichts anderes, als daß die Regierung hier bereits die Anweisung an die Unternehmer gibt, trotz der gestiegenen Mehrbelastungen unter keinen Umständen Lohnerhöhungen zu bewilligen. Das bedeutet nichts anderes. -als daß
die Regierung auch nicht bereit ist, den Sozialrentenempfängern, den Kriegsbeschädigten usw. höhere Rentenbezüge zu bewilligen, die den gestiegenen Preisen angemessen sind. Man geht also — das habe ich vorhin schon einmal gesagt — den Weg der Massenbelastung, während man es auf der andern Seite ganz offen ausspricht, daß eine zusätzliche Belastung des Vermögens nicht als tragbar angesehen werden kann, genau so wenig, wie man eine Wiedererhöhung des Einkommensteuertarifs durchführen will. Es wurde heute schon davon gesprochen: das Milliardengeschenk, das man im Frühjahr des vergangenen Jahres den Reichen gemacht hat, wird aufrechterhalten. Die Reichen werden noch reicher werden, das Volk soll die Kosten bezahlen.
Das liegt. in der Linie der Politik, die von dem obersten Dirigenten der Bundespolitik
bereits im Januar dieses Jahres verkündet worden ist. Als der Präsident der Vereinigten Staaten, Truman,
vor dem Kongreß sein Programm der restlosen Mobilmachung auf wirtschaftlichem, industriellem und finanziellem Gebiet sowie auf dem Rüstungsgebiet verkündete, als mit diesem Programm aas Rüstungsfieber eine ungeahnte Kurvenhöhe erreichte, da wurde zugleich verkündet, daß mit der Einstellung der amerikanischen Wirtschaft auf die Rüstung und die Kriegsproduktion zugleich eine einschneidende und entscheidende Einengung der Produktion für die Konsumgüter der Massen erreicht werden wird. Zugleich wurde verkündet, daß an eine Lohnerhöhung für die amerikanische Arbeiterschaft nicht zu denken sei. Dieses Programm Trumans wurde von der Bundesregierung gemäß den Direktiven übernommen und liegt zu einem Teil in dieser Vorlage und in der Begründung des Memorandums vor. Diese Linie soll durchgeführt werden.
Um sichtbar werden zu lassen, in welchem Umfange das breite Volk zur Massenbelastung gepreßt wird, führe ich nur folgende Tatsache an. Vor wenigen Tagen wurden die Zahlen betreffend die Einnahmen im Bundesgebiet im Jahre 1950 veröffentlicht. Wenn wir aus dieser Veröffentlichung all die Steuern, die die Massen belasten, und zwar die direkten und indirekten Steuern, die Lohnsteuer, die Umsatzsteuer, die Tabaksteuer, die Zölle und die Verbrauchsabgaben zusammenfassen, dann ergibt sich ein Betrag von 12,7 Milliarden DM. Die Gesamteinnahmen im Jahre 1950 betrugen 15,5 Milliarden. Das bedeutet also, daß 80 % der gesamten Einnahmen im Jahre 1950 durch Massensteuern aufgebracht worden sind.
Wenn Sie eine Zusammenstellung der Belastung machen, die auf Grund dieser neuen Vorlage nun durchgeführt werden soll, dann ergibt sich das gleiche Bild. Die Umsatz- und die Beförderungsteuer zuzüglich der 50 Millionen, die sich durch den Wegfall der Steuerbegünstigungen bei Mehrarbeitslöhnen ergeben, zusammen 1,7 Milliarden, bedeuten auch hier, daß die neue Vorlage zu 800/0 eine Massenbelastung, eine Belastung der arbeitenden Menschen ist.
Die Schlußfolgerungen aus dieser Politik sind eindeutig. Sie wurden heute bereits genannt. Ich glaube, ,daß die statistischen Berechnungen über die Entwicklung des Reallohnes, die von den Gewerkschaften aufgestellt worden sind, eindeutig ein stetiges Absinken des Reallohnes der Arbeiter zeigen. Der Sozialrentner und der Fürsorgeempfänger, dessen Bezüge bei weitem nicht ausreichen, um nur einigermaßen leben zu können, die Kriegsbeschädigten, die Umsiedler usw. werden die Leidtragenden dieser neuen Massensteuern sein. Ihr Realeinkommen und ihre Realbezüge sinken immer mehr ab. Es ist ganz klar, daß sich die Arbeiterschaft gegen diese Politik mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen wird und zur Wehr setzen muß, wenn sie leben will.
Der Herr Finanzminister brachte es heute aber auch fertig zu sagen, daß jeder Pfennig, der nur irgendwie aufgebracht werden könnte, zu dem offen eingestandenen Zweck und Ziel herangeholt werden müsse, die Mittel für diese Remilitarisierung, Aufrüstung zur Verfügung zu stellen. Er brachte es sogar fertig zu sagen, daß die Mutter bereit sein wird, den Pfennig zu zahlen, um zu verhindern, daß ihr Sohn durch einen Krieg vielleicht getötet werde. Herr Finanzminister, fragen Sie die deutschen Mütter, und die deutschen Mütter werden Ihnen erklären, daß sie den Frieden wollen,
daß sie wollen, daß ihre Söhne am Leben bleiben, daß sie wollen, daß ihre Kinder eine friedliche und glückliche Zukunft haben.
Diese Wünsche und diese Sehnsucht der Mütter werden nicht durch eine Politik verwirklicht, die die Mittel, die die Massen aufgebracht haben, für die Finanzierung des Krieges verwendet. Sie werden nicht 'dadurch verwirklicht, daß die Politik Westdeutschlands entsprechend den Plänen der amerikanischen Kriegsmillionäre und Kriegsverdiener durchgeführt wird, sondern dadurch, daß das deutsche Volk entlastet wird
von den Besatzungskosten,
daß der Weg beschritten wird, dem deutschen Volke den Frieden zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Der entscheidende Posten in unserer gesamten Finanzierung sind die sogenannten Besatzungskosten.
Würden diese beseitigt, dann wären die Mittel frei für den Wohnungsbau, für die Erhöhung der Renten, für ,die Umsiedler, für die Erleichterung der Steuern usw.
Sorgen wir dafür — das müßten alle einsichtigen Deutschen tun —, daß diese Besatzungskosten beseitigt werden.
Meine Damen und Herren, übermorgen werden Sie Gelegenheit haben, diese Frage zu beantworten, nämlich die Frage, die an den Bundestag gerichtet wird, ob der Weg beschritten wird, um dem deutschen Volk durch die Herstellung seiner Einheit den Frieden, damit den Abzug der Besatzungstruppen, die Beseitigung der Besatzungskosten zu bringen
und den Weg für eine bessere Zukunft zu beschreiten. Das ist die Entscheidung, vor die Sie
gestellt werden, vor die die deutschen Mütter auch den Bundestag stellen.